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Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie
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Verfasst von:
Jörg Dötsch und Carl-Joachim Partsch
Publiziert am: 26.07.2018

Endokrine Störungen der Nierenfunktion und des Wasserhaushalts bei Kindern und Jugendlichen

Die Niere ist einerseits ein Steuerorgan, das einen wesentlichen Anteil an der endokrinen Regulation von Erythropoese, Blutdruck und Knochenstoffwechsel spielt. Daneben werden durch die renale Funktion Wachstum und Pubertät modifiziert. Andererseits ist die Niere, vor allem auf Tubulus- und Sammelrohrebene, das wesentliche Effektororgan bei der Regulation von Salz- und Wasserhaushalt. Während Defekte der renalen Steuerfunktion vor allem bei chronischer Niereninsuffizienz auftreten, sind Störungen der Effektorfunktion naturgemäß durch Dysfunktion der entsprechenden Steuerorgane oder auf renaler Ebene zu sehen.

Allgemeine Funktionen

Die Niere ist einerseits ein Steuerorgan, das einen wesentlichen Anteil an der endokrinen Regulation von Erythropoese, Blutdruck und Knochenstoffwechsel spielt. Daneben werden durch die renale Funktion Wachstum und Pubertät modifiziert. Andererseits ist die Niere, vor allem auf Tubulus- und Sammelrohrebene, das wesentliche Effektororgan bei der Regulation von Salz- und Wasserhaushalt.
Während Defekte der renalen Steuerfunktion vor allem bei chronischer Niereninsuffizienz auftreten, sind Störungen der Effektorfunktion naturgemäß durch Dysfunktion der entsprechenden Steuerorgane oder auf renaler Ebene zu sehen.

Niere als endokrines Steuerorgan

Die Niere ist eines der vielfältigsten endokrinen Steuerorgane. Der Pädiater und der Kinderendokrinologe sollten daher ein grundlegendes Verständnis dieser Abläufe, ihrer Störungen und der therapeutischen Optionen haben. Der Großteil der endokrinen Störungen der Nierenfunktion entsteht infolge eines fortschreitenden Verlustes der Nierenfunktion, d. h. einer chronischen Niereninsuffizienz. Naturgemäß muss bei nephrologischen Details auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden.
Verschiedene Mechanismen sind ursächlich an den endokrinen Störungen bei chronischer Niereninsuffizienz beteiligt
  • Die Sekretion von Hormonen ist gestört und die Funktion der zugehörigen Rezeptoren verändert. So wird z. B. durch die Urämie eine verstärkte Freisetzung von Parathormon bedingt. Die Konversion von L-Thyroxin zu Trijodthyronin wird inhibiert. Für Insulin- und Wachstumshormonsignaltransduktion konnte ebenfalls eine Störung bei der Urämie gezeigt werden, sodass u. a eine Wachstumshormonresistenz entsteht.
  • Die Synthese von essenziellen endokrinen Regulatoren sinkt bei der chronischen Niereninsuffizienz mit einer Abnahme der funktionellen Nierenmasse. Beispiele hierfür sind die verminderte Synthese von Erythropoetin und Calcitriol.
  • Die renale Clearance verschiedener Hormone, Bindungsproteine oder Hormonfragmente ist reduziert. So steigt z. B. die Konzentration von Insulin-like-growth-factor-binding-Proteinen (IGFBP) mit sinkender glomerulärer Filtrationsrate an, was eine Reduktion des aktiven Insulin-like growth factor 1 (IGF-1) zur Folge hat. Leptin und Ghrelin im Serum steigen gleichzeitig an. Andererseits ist auch die Exkretion inaktiver Hormonfragmente reduziert, was eine Verfälschung der endokrinen Messergebnisse bewirken kann (Abb. 1).

Erythropoetin

Das Glykoprotein Erythropoetin wird in den peritubulären interstitiellen Zellen des inneren Nierenkortex und der äußeren Medulla gebildet. Die Überproduktion von Erythropoetin ist im Kindes- und Jugendalter eine extreme Rarität, sodass im Folgenden ausschließlich die mangelnde Synthese besprochen wird.
Pathogenese
Die gestörte Synthese von Erythropoetin ist die Hauptursache der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz. Verstärkt wird die Anämie darüber hinaus durch Blutverluste bei der Hämodialyse, eine verkürzte Lebenszeit der Erythrozyten, einer Suppression der Erythropoese infolge der Urämie und einen Eisenmangel. Die Prävalenz einer renalen Anämie liegt in frühen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz bei etwa 30 % und steigt auf 95 % im präterminalen und terminalen Stadium.
Klinik und Diagnostik
Die klinischen Zeichen einer durch Erythropoetinmangel bedingten Anämie unterscheiden sich nicht von anderen Anämien. Diagnostisch wegweisend ist die nichtregeneratorische Anämie mit niedrigen Retikulozyten und normwertigem oder hohem Ferritin. Die eingeschränkte Nierenfunktion ist obligat. Eine direkte Bestimmung von Erythropoetin ist entbehrlich. Ein Ansteigen der Retikulozyten auf subkutane Erythropoetingaben bestätigt die Diagnose.
Therapie
Durch die Einführung der parenteralen Therapie mit rekombinantem humanem Erythropoetin ist die Indikation zur Transfusion von chronisch niereninsuffizienten Kindern nur noch selten gegeben. Die Applikation von Erythropoetin kann subkutan, intravenös (Hämodialyse) oder intraperitoneal (Peritonealdialyse) erfolgen. Als Substanzen stehen u. a. Epoetin-α und Epoetin-β zur Verfügung, die in der Regel mit 100–200 IE/kg Körpergewicht (KG) und Woche appliziert werden. In den letzten Jahren wurde die Therapie um Darbepoetin bereichert, das durch seine In-vivo-Stabilität den Vorteil einer reduzierten Injektionsfrequenz hat. Darbepoetin wird einmal wöchentlich in einer Dosis von 0,25–0,75 mg/kg KG und Woche gegeben. Es wird ein Hämoglobinwert >11 g/dl angestrebt.
Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass eine ausreichende Substitution mit Eisen aufrechterhalten wird. Anzustreben sind Ferritinserumkonzentrationen von über 100 μg/l.
Durch die Therapie mit rekombinantem Erythropoetin/Darbepoetin lässt sich klinisch eine Verbesserung von Appetit, Herzfunktion und Leistungsfähigkeit erreichen. Ebenso kommt es zu einem Abschwächen der progressiven Arteriosklerose bei chronischer Niereninsuffizienz. Das Auftreten von Pruritus ist vermindert, vor allem aber lassen sich die bekannten Nebenwirkungen häufiger Transfusionen vermeiden. Die häufigsten mit der Anwendung von Erythropoetin verbundenen Nebenwirkungen sind Eisenmangel und erhöhte Hypertonieinzidenz.

Knochenstoffwechsel bei chronischer Niereninsuffizienz

Der Knochenstoffwechsel unterliegt einer komplexen endokrinen und mechanischen Regulation (Kap. „Endokrine Störungen des Mineralhaushaltes bei Kindern und Jugendlichen“ und Kap. „Knochenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“). Bei der chronischen Niereninsuffizienz verändern sich mehrere für die Kontrolle des Knochenstoffwechsels wichtige Einflussgrößen (Abb. 2).

Osteopathie und Arteriosklerose bei chronischer Niereninsuffizienz

Die schwere renale Osteopathie aufgrund eines sekundären Hyperparathyreoidismus ist heute aufgrund der Möglichkeit zur Substitution von 1,25-(OH)2-Vitamin D3 selten geworden. Es wird hingegen zunehmend eine relative Vitamin-D-Überdosierung beobachtet, zumal wenn wenig praktische Erfahrungen in der Überwachung der Therapie bzw. ihrer Nebenwirkungen bestehen. Hierdurch kann das heutzutage lebenserwartungsentscheidende Problem der prämaturen Arteriosklerose bei chronisch niereninsuffizienten Patienten deutlich verstärkt werden.
Ein weiterer wesentlicher Faktor in der Entstehung der frühen Gefäßmorbidität ist der Fibroblast growth factor 23 (FGF-23). Dieser, von Vorläuferzellen der Osteoblasten gebildet, wird unter physiologischen Bedingungen durch die steigenden Phosphatserumkonzentrationen stimuliert und forciert die renale Exkretion des Anions. Bei reduzierter Möglichkeit zur renalen Phosphatausscheidung im Rahmen der fortschreitenden Niereninsuffizienz kommt es bereits in frühen Stadien zu einem starken Anstieg von FGF-23. Die hohen Serumkonzentrationen stellen einen wesentlichen Faktor bei der Genese der vaskulären Morbidität dar.
Aufgrund der damit verbundenen hohen Krankheitsrelevanz ist die Kenntnis der Grundlagen der renalen Osteopathien auch für den angehenden Kinderendokrinologen von hoher Bedeutung.

High- und Low-turnover-Osteopathie

High-turnover-Osteopathie (mit sekundärem Hyperparathyreoidismus)
Diese Knochenstoffwechselstörung ist in erster Linie durch eine erhöhte Resorption von Knochensubstanz als Folge eines sekundären Hyperparathyreoidismus und der oben erläuterten Erhöhung von FGF-23 charakterisiert. Zu den Faktoren, die zur Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus führen, gehören die defiziente Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D3, die Retention von Phosphat, die Hypokalzämie und Veränderungen in der Sekretion und Rezeptorfunktion des Parathormons. Laborchemische und radiologische Zeichen eines sekundären Hyperparathyreoidismus können sich bereits in einem sehr frühen Stadium der Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate, GFR, 50–80 ml/m2) manifestieren.
Im Einzelnen erklären sich die laborchemischen Veränderungen wie folgt (Abb. 2): Sobald die Nierenfunktion auf 25–30 % gefallen ist, steigt infolge der reduzierten renalen Phosphatelimination die Phosphatserumkonzentration. Dies verstärkt Hypokalzämie und Hyperparathyreoidismus. Letzterer wird über verschiedene Mechanismen induziert: Einerseits wird die Parathormonsekretion durch transkriptionelle und posttranskriptionelle Vorgänge verstärkt, andererseits führt erhöhtes Phosphat zur Proliferation der Nebenschilddrüsen. Durch alimentäre Phosphatrestriktion lassen sich diese Vorgänge antagonisieren. Eine Senkung der Phosphatserumkonzentrationen steigert darüber hinaus die renale Synthese von 1,25-(OH)2-Vitamin D3.
Die 1,25-(OH)2-Vitamin-D3-Synthese findet vor allem im proximalen Tubulus der Niere durch das Enzym 1α-Hydroxylase statt, das damit limitierend für die Synthese von aktivem Vitamin D ist. Das Enzym wird durch Parathormon, Hypokalzämie und Hypophosphatämie stimuliert und durch Hyperphosphatämie und Urämie gehemmt. Die Hypokalzämie stimuliert entsprechend die Parathormonsekretion.
Veränderungen in der Ausschüttung des Parathormons und Hyperplasie der Nebenschilddrüsen sind die zwei wesentlichen Determinanten der erhöhten Parathormonserumkonzentrationen.
Der jeweilige Anteil dieser beiden Komponenten an der Genese des sekundären Hyperparathyreoidismus ist jedoch noch umstritten. Es wird von einer Erhöhung des „Setpoints“ für die kalziuminduzierte Suppression der Parathormonfreisetzung bei Urämie ausgegangen, sodass erst höhere Kalziumserumkonzentrationen eine Senkung der Plasmaparathormonkonzentration bewirken.
Von besonderem Interesse für die Therapiegestaltung der renalen Osteopathie ist die Rolle des Kalzium-Sensing-Rezeptors (CaR), der außer der Nebenschilddrüse auch in zahlreichen peripheren Organen wie der Niere exprimiert ist.
Low-turnover-Osteopathie
Im Gegensatz zur High-turnover-Osteopathie findet sich bei dieser Störung ein reduzierter Knochenstoffwechsel. In den 1970er und zu Beginn der 1980er-Jahren lag die Hauptursache dieser Erkrankung in der toxischen Wirkung aluminiumhaltiger Dialysatlösungen und Phosphatbinder. Aber auch heute in der „Post-Aluminium-Ära“ beträgt die Prävalenz der adynamen Osteopathie 30–40 % für die pädiatrischen Dialysepatienten.
Das Auftreten der Erkrankung wird heutzutage durch eine Reihe von prädisponierenden Faktoren beeinflusst:
  • Vorbehandlung mit Kortikosteroiden,
  • langdauernde Therapie mit kalziumhaltigen Phosphatbindern,
  • Dialysatlösungen mit hohem Kalziumgehalt,
  • aggressive Vitamin-D-Therapie mit der Folge niedriger bis normaler Parathormonwerte als Zeichen eines relativen Hypoparathyreoidismus (Abb. 2).
Klinik und Diagnostik der renalen Osteopathie
Die klinische Manifestation der renalen Osteopathie ist als Spätzeichen anzusehen und sollte bei adäquater Diagnostik und Therapie heute unbedingt verhindert werden. Neben unspezifischen Knochen- und Muskelschmerzen werden als stärkste skelettale Veränderungen bei renaler Osteopathie die Epiphysiolysis capitis femoris, Genua vara und – bei Kindern unter 4 Jahren – Zeichen einer floriden Rachitis angetroffen.
Extrarenale Zeichen einer renalen Osteopathie betreffen bei inadäquater Einstellung die Verkalkung von Gefäßen und Herzklappen. Daneben sind Kalziumphosphateinlagerungen in Gelenke und in die Konjunktiven bei bis zu 10 % der Dialysepatienten beschrieben.
Die charakteristischen radiologischen Befunde bei sekundärem Hyperparathyreoidimus spiegeln die verstärkte Knochenresorption wider. Hauptsächlich findet die Resorption subperiostal endostal im Bereich des Knochenkortex, z. B. im Bereich der Hand, statt. Im Gegensatz hierzu sind die Veränderungen bei der Low-turnover- oder adynamen Osteopathie wesentlich diskreter. Eine Sicherung ließe sich letztendlich erst bioptisch erreichen. Im klinischen Alltag findet diese Diagnostik allerdings in der Regel keine Anwendung.
Die Parathormonserumkonzentration korreliert mit dem Ausmaß der Knochenresorption. Die alkalische Phosphatase, insbesondere die Knochenisoform, eignet sich auch für die Einschätzung eines erniedrigten Knochenstoffwechsels wie bei der Low-turnover-Osteopathie. Initial finden sich häufig erniedrigte Kalziumserumkonzentrationen. Nach Beginn der Vitamin-D-Substitution kommt es dann immer häufiger zum Auftreten einer Hyperkalzämie. Diese sind durch eine relative Überdosierung von Vitamin D zu erklären. Die Phosphatserumkonzentrationen ist stark von der alimentären Zufuhr (Proteinaufnahme) abhängig.
Therapie der renalen Osteopathie
Der frühe Beginn einer zielgerichteten Therapie ist zur Vermeidung der beiden Formen der Osteopathie von entscheidender Bedeutung. Ein wesentlicher Aspekt der Behandlung ist die diätetische Einschränkung der Phosphatzufuhr auf ca. 800 mg/Tag, ohne hierdurch eine Proteinmangelsituation zu erzeugen. Es sollte vor allem auf den hohen Phosphatgehalt in Fertigprodukten und Zusatzstoffen geachtet werden. Hierdurch kann der Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus vorgebeugt werden. Gleichzeitig kommt es zu einer Verlangsamung der Progression der Nierenerkrankung. Falls die alimentäre Senkung der Phosphatserumkonzentrationen nicht ausreicht oder zu einer Proteinmalnutrition führen würde, ist die Applikation von Phosphatbindern mit den Mahlzeiten angezeigt.
Die aluminiumhaltigen Phosphatbinder sind hierbei aufgrund der oben beschriebenen Toxizität im Kindes- und Jugendalter kontraindiziert. Die besten Erfahrungen liegen mit den kalziumhaltigen Phosphatbindern vor. Hierbei sind Kalziumacetat und Kalziumcarbonat im Hinblick auf ihre Effizienz als gleichwertig zu betrachten.
Die Hauptkomplikation dieser Therapie liegt in der Gefahr einer Hyperkalzämie, der unter Hämo- und Peritonealdialyse durch die Verwendung von Dialysatlösung mit niedriger Kalziumkonzentration entgegengewirkt werden kann. Der Einsatz von nichtkalziumhaltigen, polymeren Phosphatbindern wie dem Sevelamer kann, wie klinische Studien zeigen, zumindest einen Teil der kalziumhaltigen Phosphatbinder erfolgreich ersetzen. Es konnte auch gezeigt werden, dass Sevelamer erhöhte FGF-23-Spiegel senken kann.
Ein wesentlicher Bestandteil in der Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus ist die frühzeitige Substitution von 1,25-(OH)2-Vitamin D3. Ein wichtiges Problem dieser Therapie besteht in der Entstehung einer Hyperkalzämie, die vermieden werden muss, um eine Verschlechterung der Nierenfunktion zu verhindern. Daneben besteht die Gefahr einer fortschreitenden Koronarverkalkung schon im jungen Lebensalter. Um eine Low-turnover-Osteopatie zu verhindern, ist darüber hinaus ein Parathormonspiegel im 2- bis 3-Fachen des Referenzbereichs anzustreben. Aufgrund der Gefahr einer Hyperkalziämie wurden unterschiedliche Vitamin-D-Analoga in die Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus wie das Paracalcitol eingeführt. Klinische Studien zeigen weniger Hyperkalzämieepisoden und ein niedrigeres Kalzium-Phosphat-Produkt.
Eine neue Klasse von Medikamenten verspricht eine mögliche Verbesserung der Therapiemöglichkeiten des sekundären Hyperparathyreoidismus. Die Kalzimimetika stimulieren den in der Urämie z. T. resistenten CaR und führen damit zu einer Verminderung der Parathormonfreisetzung. In klinischen Studien zeigt sich eine signifikante Senkung der Parathormonspiegel und des Kalzium-Phosphat-Produktes durch den Einsatz von Kalzimimetika.

Wachstumsstörungen bei chronischer Niereninsuffizienz

Wachstumsstörungen bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz sind multifaktorieller Genese. Da ca. 40 % des postnatalen Wachstums bis zum Alter von 4 Jahren erfolgen, ist eine adäquate Therapie in dieser Phase von besonderer Bedeutung. Für den angehenden Kinderendokrinologen ist die Kenntnis des Zusammenwirkens unterschiedlicher ineinandergreifender Faktoren bei niereninsuffizienzbedingten Störungen des Wachstums (Abb. 3) und die Unterscheidung der unmittelbar endokrin verursachten Wachstumsstörungen (Kap. „Störungen des Wachstums“) von essenzieller Bedeutung.
Pathophysiologie
Bei Säuglingen ist vor allem der Mangel an Kalorien mit der Folge einer Gedeihstörung zu nennen. Diese wird vor allem durch die urämisch bedingte Inappetenz bedingt. Daher ist mit allen Mitteln eine ausreichende kalorische Versorgung anzustreben, z. B. mithilfe einer Gastrostomie. Dazu kommt der häufige Verlust von Kochsalz bei Säuglingen mit bilateraler Dysplasie, der die Proteinbiosynthese erschwert. Durch die metabolische Azidose kommt es zu einer weiteren Einschränkung der Proteinsynthese. Zudem findet sich eine Störung der Signaltransduktion des GH-Rezeptors mit der Konsequenz einer insuffizienten IGF-1-Synthese. Schließlich ist auch die Funktion des IGF-1-Rezeptors durch die Urämie gestört.
Weitere Einflussfaktoren der Wachstumsstörung sind die renale Osteopathie und eine unbehandelte Anämie. Schließlich ist noch der Einfluss der jeweiligen Grundkrankheit zu bedenken. Komplexe Tubulopathien, z. B. das Fanconi-Syndrom, führen zu Elektrolytverlusten, die hoch dosierte Glukokortikoidtherapie des nephrotischen Syndroms bremst das Wachstum.
Diagnose
Wesentlich ist bei der Diagnosestellung der urämisch bedingten Wachstumsstörung der Ausschluss alternativer Ursachen. Dabei muss bedacht werden, dass IGFBP-3-Konzentrationen durch die fehlende Exkretion deutlich erhöht sind. Zwar ist die IGF-1-Synthese durch Wachstumshormoninsensitivität vermindert, dennoch kann sich hinter niedrigen IGF-1-Konzentrationen ein Wachstumshormonmangel verbergen. Daher gelten in der Abklärung des Kleinwuchses bei chronischer Niereninsuffizienz die gleichen diagnostischen Prinzipien wie bei nichturämischen Patienten. Zusätzlich sollten unbedingt die verschiedenen Faktoren des multifaktoriellen Kleinwuchsgeschehens beachtet werden (Abb. 3).
Therapie
Nach Ausschluss extrarenaler Ursachen der Wachstumsstörung müssen die unterschiedlichen Einflussfaktoren des Kleinwuchses bei chronischer Niereninsuffizienz adressiert werden. Hochkalorische Diät, Ausgleich des Säure-Basen-Haushaltes, adäquate Kochsalzzufuhr, Calcitriol und Erythropoetin müssen substituiert werden. Bei terminaler Niereninsuffizienz ist durch eine frühzeitige Nierentransplantation (unter 4 Jahren) eine deutliche Verbesserung der Wachstumsprognose zu erzielen. Ältere Kinder und Jugendliche profitieren hinsichtlich ihrer Endgrößenprognose wesentlich weniger von der Nierentransplantation. Natürlich beeinflussen auch schlechte Transplantatfunktion und hohe Glukokortikoiddosen die Wachstumsprognose negativ. Daher wurden in den letzten Jahren zunehmend steroidarme und -freie Therapiekonzepte in die pädiatrische Transplantationsmedizin eingebracht.
Falls bei optimierter konservativer Therapie die Wachstumsgeschwindigkeit unter der 25. Perzentile bleibt, sollte eine Behandlung mit rekombinantem Wachstumshormon begonnen werden. Hiermit lässt sich ein Körperhöhenzugewinn von durchschnittlich 1,4 SDS („standard deviation score“) erreichen, während chronisch niereninsuffiziente Kinder und Jugendliche einen weiteren Körperhöhenverlust von 0,6 SDS erleiden. Da es sich ähnlich wie bei der Behandlung von Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom oder SGA nicht um eine Hormonersatztherapie, sondern eine pharmakologische Therapie handelt, wird mit Injektion von 0,35 mg Wachstumshormon/kg KG und Woche begonnen.

Pubertätsstörungen bei chronischer Niereninsuffizienz

Bei Jugendlichen mit chronischem Nierenversagen sind Pubertätsbeginn und Pubertätswachstumsspurt häufig verspätet. Zusätzlich findet sich in vielen Fällen ein um bis zu 50 % verkürzter Pubertätswachstumsspurt, der den Verlust an Endgröße noch verstärkt. Junge Frauen mit chronischem Nierenversagen leiden häufig unter Störungen im Menstruationszyklus und an Infertilität. Bei jungen Männern ist die Zahl an Spermien reduziert. Schließlich überleben 50–80 % der Feten von Müttern an der Dialyse, von denen viele intrauterin wachstumsrestringiert zur Welt kommen.
Pathophysiologie
Nach wie vor sind die exakten Mechanismen der Pubertätsstörung bei chronischer Niereninsuffizienz unbekannt (Kap. „Störungen der Geschlechtsreife“). Eine Beobachtung ist jedoch die Abschwächung der charakteristischen Veränderung der pulsatilen Sekretion von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) und der konsekutiven pulsatilen Freisetzung von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH). Die Serumkonzentration von LH und FSH bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz ist normal oder erhöht. Allerdings findet sich ein pathologisches Sekretionsprofil für LH mit einer Reduktion der Pulsamplitude. In der Folge ändern sich die Konzentration von LH im Serum von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz kaum.
Zusätzlich werden Pubertät und Fertilität negativ durch die erhöhten Prolaktinkonzentrationen bei chronischer Niereninsuffizienz beeinflusst. Diese ist Folge einer verminderten renalen Exkretion. Hyperprolaktinämie stört die Funktion des GnRH-Pulsgenerators in ähnlicher Weise wie bei Prolaktinompatienten. Nach erfolgreicher Nierentransplantation findet sich auch eine Normalisierung der Funktion des GnRH-Pulsgenerators.
Diagnose
Die Diagnose der Pubertas tarda erfolgt analog zu den nicht niereninsuffizienten Patienten im Alter von 13,5 Jahren (Mädchen) bzw. 14 Jahren (Jungen). Wesentlich ist der Ausschluss nichtnephrogener Ursachen. Daher ist neben einer genauen Familienanamnese und dem Ausschluss syndromaler Ursachen auch an das Vorliegen einer primären oder durch Inappetenz bei Urämie bedingten sekundären Anorexie zu denken.
Die Durchführung eines GnRH-Agonist-Tests hilft bei der Absicherung der Diagnose: Bei der durch chronische Niereninsuffizienz bedingten Pubertas tarda findet sich ein hypogonadotroper Hypogonadismus. Liegt neben dem irreversiblen Nierenfunktionsverlust eine gonadale Störung wie beim durch WT1-Mutation verursachten Frasier-Syndrom vor (Kap. „Störungen der Geschlechtsentwicklung“), so findet sich ein hypergonadotroper Hypogonadismus.
Behandlung
Es gibt keine gut etablierte Therapie für die Pubertas tarda bei chronischer Niereninsuffizienz. Eine kurzfristige Therapie mit konjugierten Östrogenen oder Testosteron führt zu einer Pubertätsinduktion, jedoch nicht zu einem Zugewinn an Endgröße. Ebenso ist unklar, ob die Behandlung zu einem Gewinn an „peak bone mass“ führt. Jedoch sollte eine Induktion erwogen werden, falls ein hoher Leidensdruck der Patienten besteht.
Es ist unbekannt, ob eine Verlängerung des Pubertätswachstumsspurts in einem Zugewinn an Endgröße resultiert. Nur eine kleine auf 4 Patienten basierende Studie konnte keinen Zugewinn an Endgröße durch den simultanen Einsatz eines GnRH-Agonisten mit rekombinantem Wachstumshormon zeigen.

Renin-Angiotensin-Aldosteron-System

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist ein wesentliches System in der Kontrolle von Natriumausscheidung und Blutdruck. Ein sinkendes zirkulierendes Blutvolumen führt zu einer verminderten Nierenperfusion, diese zu einer erhöhten Reninfreisetzung, sodass vermehrt Angiotensin II entsteht. Angiotensin II wiederum verstärkt eine Vasokonstriktion, Proliferationsvorgänge an der Niere und eine vermehrte adrenale Aldosteronfreisetzung. Letztere bewirkt an der Niere dann wieder eine Verminderung der renalen Natriumrückresorption. Abgesehen von Veränderungen in der Endstrecke des Systems, die meist die Nebenniere betreffen (Kap. „Primäre Nebenniereninsuffizienz bei Kindern und Jugendlichen“), ist eine vermehrte Reninfreisetzung bei Störungen der renalen Funktion pathogenetisch häufig für die vermehrte Wirkung von Angiotensin II und Aldosteron verantwortlich. Da die meisten Störungen im Zusammenhang mit einer chronischen Niereninsuffizienz stehen, ist die Therapie mit einem ACE-Inhibitor oder Angiotensinrezeptorantagonisten indiziert.

Niere als Effektororgan der endokrinen Steuerung – Regulation des Wasserhaushaltes

Die Regulation des Wasserhaushaltes ist vor allem im Säuglingsalter von überragender Bedeutung. Ein erhöhter Wasserverlust, renal oder extrarenal, stellt aufgrund des hohen Anteils an extrazellulärer Flüssigkeit und aufgrund des hohen Wasserumsatzes (ca. 40–50 % des extrazellulären Wassers pro Tag beim Säugling im Gegensatz zu ca. 15 % beim Erwachsenen) eine besonders akute Bedrohung dar. Daher ist die Regulation des Wasserhaushaltes von elementarer Bedeutung.
In jüngsten Untersuchungen konnten durch die Aufklärung der Funktion der Vasopressinrezeptoren und der mit ihnen interagierenden Aquaporine Vorgänge zur Regulation des Wasserhaushaltes besser erklärt werden.

Erhöhter Wasserverlust

Abgesehen vom nicht an der Niere stattfindenden Wasserverlust (z. B. im Rahmen von Diarrhö) können die renalen Wasserverluste eingeteilt werden in Erkrankungen der Steuerorgane und in Erkrankungen auf Effektor-, d. h. Nierenebene (Abb. 4). Zusätzlich können Salzverluste einen Wasserverlust sekundär bedingen.
Pathophysiologie
Erkrankungen des Steuerorgans: Diabetes insipidus centralis
Unter physiologischen Bedingungen wird Arginin-Vasopressin (AVP, synonym antidiuretisches Hormon, ADH) im Hypothalamus synthetisiert und über den Hypophysenhinterlappen in die Zirkulation abgegeben. Die Freisetzung erfolgt in erster Linie als Antwort auf einen Anstieg der Serumosmolalität. Da die Serumosmolaltität im Wesentlichen durch Natrium und sein Hauptanion Chlorid determiniert ist, gibt die Serumnatriumkonzentration in der Regel einen guten Anhaltspunkt. Die Osmorezeptoren reagieren ab einer Serumosmolalität von ca. 280 mosmol/l bereits auf Schwankungen von 1 %. Während akuter Blutdruck- oder Volumenschwankungen sowie während des Menstruationszyklus kann es zu Störungen des sonst sehr stabilen Systems kommen.
Eine vergleichsweise untergeordnete Rolle in der Stimulation der ADH-Sekretion spielen über die Volumenrezeptoren vermittelte Veränderungen. Erst eine Volumenänderung von 5–10 %, die damit blutdruckwirksam wird, ist relevant. Zudem wird die ADH-Freisetzung durch Übelkeit, akute Hypoglykämie und Hypokortisolismus stimuliert.
Der Diabetes insipidus centralis ist durch eine verminderte oder abwesende Sekretion von ADH gekennzeichnet. ADH wird im Hypothalamus gemeinsam mit seinem Trägerprotein Neurophysin II synthetisiert, um dann in Granula verpackt in den Hypophysenhinterlappen transportiert zu werden. Mutationen im gemeinsamen Vorläufermolekül von ADH und Neurophysin II führen zum autosomal-dominanten Diabetes insipidus centralis. Der schleichende Beginn der Symptomatik ist durch die allmähliche Zerstörung der Neurone durch die toxischen Genprodukte zu verstehen. Als angeborene Ursachen kommen zudem ZNS-Fehlbildungen infrage. In der Kindheit muss vor allem an das Vorliegen eines Kraniopharyngeoms oder einer Histiozytose (kann sich teilweise erst nach Jahren in der ZNS-Schnittbildgebung zeigen) gedacht werden. Eine weitere Ursache stellen neurochirurgische Eingriffe dar.
Erkrankungen des Effektororgans: Diabetes insipidus renalis
ADH wirkt einerseits über V1a-Rezeptoren, die an verschiedenen Zellen lokalisiert sind und an Gefäßmuskelzellen Vasokonstriktion und Zellproliferation bewirken. Die V1b-Rezeptoren sind am Hypophysenvorderlappen lokalisiert und erleichtern die Freisetzung von ACTH.
Wesentlich für den Wasserhaushalt sind jedoch die V2-Rezeptoren, die sich an vaskulären Endothelzellen und an der basolateralen Membran der Hauptzellen in den Sammelrohren finden (Abb. 5). Die endothelialen V2-Rezeptoren bewirken eine Freisetzung des Von-Willebrand-Faktors, was die Wirkung des synthetischen ADH-Analogons Desmopressin (DDAVP) zur Blutstillung erklärt. An der Niere kommt es durch Stimulation der V2-Rezeptoren zu einer G-Protein-vermittelten Translokation des Aquaporin-2(AQP2)-Wasserkanals von zytoplasmatischen Vesikeln zur apikalen Membran. Die wasserdichten Membranen werden hieraufhin permeabel. Wasser folgt dem osmotischen Gradienten und verlässt die Zelle durch an der basolateralen Membran konstitutiv exprimierte AQP3- und AQP4-Wasserkanäle. Sinkt der ADH-Serumspiegel, werden die AQP2-Proteine ubiquitiniert und wandern so markiert zurück in die zytoplasmatischen Vesikel (Abb. 5).
Der renale Diabetes insipidus kann entweder durch ein vermindertes Ansprechen eines defekten V2-Rezeptors auf ADH oder ein defektes AQP2 zustande kommen. Da das kodierende Gen für den V2-Rezeptor auf dem X-Chromosom zu finden ist, liegt ein X-chromosomaler Erbgang vor. Bislang konnten über 180 verschiedene Mutationen identifiziert werden, die alle eine gestörte Signaltransduktion nach sich ziehen. Von besonderem Interesse für zukünftige Therapien könnten sich die zahlreichen Misssense-Mutationen erweisen, die lediglich einen adäquaten Transport des V2-Rezeptorproteins zur Zelloberfläche verhindern. Mithilfe von V2-Rezeptorantagonisten (Chaperone) könnte es in Zukunft gelingen, die Proteine intrazellulär zu binden und damit an die Zelloberfläche zu leiten. Jedoch zeigen die bisherigen klinischen Studien noch eine weite Entfernung zu einer etablierten Therapie auf.
Defekte der AQP2-Funktion folgen entweder einem autosomal-rezessiven oder -dominantem Erbgang oder können erworben sein, z. B. durch persistierende Hyperkalzämie oder Hypokaliämie.
Habituelle Polydipsie
Lange ging man davon aus, dass die habituelle Polydipsie durch ein Auswaschen des osmotischen Gradienten im Nierenmark verursacht wird. Heute geht man davon aus, dass es sich um eine reversible Minorform des renalen Diabetes insipidus handelt: Durch die dauerhaft hohe Flüssigkeitszufuhr kommt es zu einer Suppression der Aktivierbarkeit der AQ2-Wasserkänale, sodass die Polyurie auch bei Flüssigkeitskarenz zunächst anhält und erst allmählich wieder normalisiert werden kann. Betroffen sind häufig Kleinkinder.
Tubulär bedingte Wasserverluste: Salzverlusttubulopathien
Neben der Wasserrückgewinnung ist der Tubulusapparat wesentlich für die Vermeidung exzessiver Salzverluste. Andererseits ziehen Salzverluste unweigerlich Wasserverluste nach sich, da die Wasserrückresorption stark an den Elektrolyttransport geknüpft ist. Eine detailliertere Darstellung der Physiologie würde den Umfang eines endokrinologischen Lehrbuchs sprengen. Wichtig erscheint jedoch das grundlegende Wissen um Salzverluste am Tubulusapparat, um diese in die Differenzialdiagnose der Polyurie einbeziehen zu können.
Die klassische endokrine Ursache eines tubulären Salzverlustes ist der Salzverlust aufgrund fehlender Mineralokortikoidsynthese, z. B. beim adrenogenitalen Syndrom (Kap. „Primäre Nebenniereninsuffizienz bei Kindern und Jugendlichen“). Auf tubulärer Ebene lassen sich angeborene und erworbene Ursachen unterscheiden. Die hereditären Salzverlusttubulopathien konnten in den letzten Jahren weitgehend molekular aufgeklärt werden. Von besonderer Bedeutung ist das Bartter-Syndrom. Mehrere Ionentransporterdefekte sind beschrieben worden. Man unterscheidet das Bartter-Syndrom Typ I, aufgrund eines defekten Furosemid-sensiblen NaK2Cl-Kotransporters (NKCC2), das Bartter-Syndrom Typ II bei defektem Kaliumkanal (ROMK) sowie Störungen des basolateralen Chloridkanals (CLCN-Kb; Bartter-Syndrom Typ III + IV). Klinisch kann z. T. bereits pränatal eine so ausgeprägte Polyurie bestehen, dass das resultierende Polyhydraminion ein hohes Risiko für Frühgeburten bewirkt. Postnatal findet sich beim Bartter-Syndrom eine massive Polyurie verbunden mit Hypokaliämie, Hyponatriämie und kompensatorischer metabolischer Alkalose.
Kürzlich wurde eine passagere antenatale Form des Bartter-Syndroms beschrieben. Der X-chromosomal vererbte MAGE-D2-Defekt bei den betroffenen männlichen Neugeborenen bildet sich in wenigen Wochen komplett zurück. Ebenfalls angeboren, aber weniger spezifisch ist der Salz- und Wasserverlust bei Nierendysplasie, oft assoziiert mit einer obstruktiven Uropathie. Zu den erworbenen Ursachen zählen interstitielle Nephritiden (u. a auch die akute Pyelonephritis), die polyurische Phase eines akuten Nierenversagens, die Anwendung von Diuretika und tubulotoxische Medikamente wie das Cisplatin.
Nichtrenaler Wasserverlust
Im Kindesalter ist die Gastroenteritis eine der wesentlichen Ursachen des Wasserverlustes, meist verbunden mit einem ausgeprägten Natriumverlust. Selbst eine hypertone Dehydratation zeigt lediglich an, dass der intestinale Wasserverlust den Salzverlust übersteigt. Bei Säuglingen mit Erbrechen muss an eine Pylorusstenose gedacht werden. Auch an einen Diabetes mellitus oder fehlende Flüssigkeitszufuhr muss differenzialdiagnostisch gedacht werden.
Diagnose
Bei einer Dehydration sollten zunächst extrarenale Ursachen, z. B. gastrointestinale Genese und ein Diabetes mellitus, ausgeschlossen werden. Ist das geschehen, hat die Natriumserumkonzentration bzw. das Ausmaß der tubulären Natriumexkretion (fraktionelle Natriumexkretion) eine zentrale Bedeutung. Ist der Natriumverlust hoch, so ist von einem tubulären Salzverlust mit konsekutivem Wasserverlust auszugehen, der nun weiter differenziert werden muss (Mineralokortikoidmangel, angeborene oder erworbene Tubulopathie). Ist das Serumnatrium in einer Phase der Dehydration hoch, signalisiert dies einen ausschließlichen oder überwiegenden Wasserverlust. Um nun zu prüfen, ob ein Diabetes insipidus vorliegt, wird stationär ein Dursttest durchgeführt. Komplikationen können durch eine gute Vorbereitung des Patienten und gründliche Überwachung vermieden werden (Kap. „Testverfahren in der pädiatrischen Endokrinologie“).
Cave
Bei einem Gewichtsverlust >5 % oder Fieber muss der Dursttest aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden!
Erfolgt die Diagnose eines Diabetes insipidus centralis, so ist eine Magnetresonanztomografie (MRT) der Hypophyse indiziert, die ggf. jährlich für 5 Jahre zum Ausschluss einer Histiozytose wiederholt werden muss. Ebenso kann die molekulargenetische Diagnostik bei der Differenzierung der Ursache von Diabetes insipidus centralis und renalis helfen.
Die direkte Bestimmung von ADH spielt heute meist keine große Rolle mehr. Lediglich zur Differenzierung der habituellen Polydipsie und des partiellen Diabetes insipidus centralis kann nach Infusion einer hypertonen Kochsalzlösung (5 %ige NaCl-Lösung mit 0,05 ml/kg und min über 2 h) die Bestimmung der ADH-Konzentration bei der Unterscheidung helfen. Häufig wird heute jedoch bei Erreichen einer Urinosmolalität von 500–600 mosmol/kg KG eine probatorische Flüssigkeitsrestriktion durchgeführt. Ein nach einigen Wochen normaler Flüssigkeitszufuhr durchgeführter Durstversuch erbringt dann ein normales Konzentrationsvermögen.
In den letzten Jahren hat sich durch die Evaluierung des stabilen ADH-Spaltproduktes, genannt Copeptin, eine neue Option zum Nachweis eines Diabetes insipidus renalis ergeben. Bei Letzterem finden sich im Vergleich zur zentralen Form erhöht Copeptinwerte, als Zeichen der ADH-Feedbackstimulation bei Endorganresistenz.
Einen differenzialdiagnostischen Algorithmus zur Abklärung eines erhöhten Wasserverlustes zeigt Abb. 6.
Therapie
Die Therapie des Diabetes insipidus centralis erfolgt durch die 2-mal tägliche Applikation von DDAVP, in der Regel beginnend mit 2-mal 100 μg p.o. Gegebenenfalls muss auf Einzelgaben von 200 μg erhöht werden. Alternativ steht die Applikation von jeweils 10 μg DDAVP i.n. zur Verfügung. Jedoch ist insbesondere bei nasalen Infekten eine veränderte Resorption zu befürchten.
Zur Therapiesteuerung dient in erster Linie die Urin- bzw. Trinkmenge. Falls unter der Therapie eine Hyponatriämie auftritt, muss ggf. auch über eine Reduktion bzw. Umverteilung der Flüssigkeitszufuhr nachgedacht werden.
Der renale Diabetes insipidus ist derzeit hinsichtlich des Symptoms der Polyurie nur eingeschränkt zu behandeln. Die Kombination von Hydrochlorothiazid (beginnend mit 0,5 mg/kg KG, ggf. bis auf 2 mg/kg KG) und Indometazin (2–3 mg/kg KG) ermöglicht in der Regel vor allem beim AQP2-Defekt ein ausreichendes Gedeihen. Bei den V2-Rezeptor-Mutationen könnte in Zukunft der Einsatz von Rezeptorantagonisten, die den Rezeptortransport an die Zelloberfläche gestatten, eine neue therapeutische Option darstellen.
Auf die Therapie des renalen Salzverlusts kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der Mineralokortikoidmangel wird in Kap. „Primäre Nebenniereninsuffizienz bei Kindern und Jugendlichen“ dargestellt; Tubulopathien sind Thema der nephrologischen Lehrbücher.

Verstärkte Wasserretention

SIADH

Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) stellt im Kindesalter eine absolute Rarität dar. Zu den zugrunde liegenden Erkrankungen zählt z. B. die bakterielle Meningitis. Jedoch ist heutzutage die Strategie der präventiven Flüssigkeitsrestriktion bei Meningitis als veraltet anzusehen, da die Gefahr einer Dehydration durch Erbrechen, Fieber und Sepsis weit schwerer wiegt. Diagnostisch wegweisend sind neben der Hyponatriämie das Fehlen einer Hypovolämie und eine erhöhte Urinosmolalität. Therapeutisch ist eine Flüssigkeitsrestriktion indiziert.
Häufig mit einem SIADH verwechselt wird die reaktive ADH-Freisetzung bei intravasalem Volumenmangel durch Erkrankungen, die mit einer generalisierten Ödembildung einhergehen, wie die Herzinsuffizienz, das nephrotische Syndrom oder die hepatische Synthesestörung. Bei diesen Erkrankungen zeigt sich zwar eine Hyponatriämie, die für das SIADH essenzielle Eu- oder Hypervolämie ist aber nicht anzutreffen. Behandelt werden muss die jeweilige Grunderkrankung.

Nichtendokrine Ursachen der Wasserüberladung

Hauptursache für eine Wasserüberladung beim stationären Patienten ist eine zu intensive Infusionstherapie. Sonst tritt eine Wasserüberladung auf bei insuffizienter Ausscheidung (Niereninsuffizienz) oder intravasaler Volumendepletion, wie sie bei Erkrankungen mit Ödembildung zu finden ist. Beispiele hierfür sind die Herzinsuffizienz, das nephrotische Syndrom oder die hepatische Synthesestörung. Zudem kann eine erhöhte Salzretention wie bei der akuten Glomerulonephritis Wasserüberladung und Ödembildung auslösen.