Durstversuch mit Desmopressin-Kurztest
Freie Flüssigkeitszufuhr bis Mitternacht, anschließend eingeschränkte Flüssigkeitszufuhr, d. h. es sollte nur so viel Wasser oder Tee getrunken werden, bis der Durst erträglich ist. Am Testtag ab Testbeginn morgens um 6.00 Uhr keine Flüssigkeitsaufnahme mehr. Zu diesem Zeitpunkt Blase komplett entleeren. Während des Tests dürfen die Patienten nur feste Speisen zu sich nehmen.
Es ist eine ständige Überwachung des Patienten während des Durstversuches erforderlich. Eine unbeobachtete Flüssigkeitsaufnahme muss verhindert werden. Periodische Bestimmung von Urinvolumen, spezifischem Gewicht, Urinosmolalität, Serum-Natrium, Serum-Osmolalität und (fakultativ) ADH. Urinvolumen, Urinosmolalität und Körpergewicht werden alle 1–2 h bestimmt.
An den Durstversuch schließt sich der Desmopressin-Kurztest an (Desmopressin entspricht DDAVP [Desamino-D-Arginin-Vasopressin]), falls nicht bereits im Durstversuch eine normale Urinosmolalität erreicht wird (>800 mosmol/kg; beim Säugling gelten 400–500 mosmol/kg als normal). Der Desmopressintest wird entweder um 16:00 Uhr durchgeführt oder besser unabhängig von der Uhrzeit dann, wenn im Durstversuch kein weiterer Anstieg der Urinosmolalität zu verzeichnen ist.
Bei Säuglingen wird Desmopressin (Minirin) in einer Dosis von 0,5 μg/m2 KOF (alternativ die fixe Dosis von 1 μg) i.v. oder s.c. gegeben. Bei Kindern wird eine Dosis von 2 μg/m2 KOF (alternativ die fixe Dosis von 2 μg) i.v. oder s.c. verwendet. Der Test kann auch mit einer intranasalen Applikation von Desmopressin durchgeführt werden (10 μg bei Säuglingen und 20 μg bei Kindern). 1 und 3 h nach Injektion sind weitere Bestimmungen der relevanten Parameter vorzunehmen.
Eine besondere Vorsicht ist im Durstversuch bei Säuglingen und Kleinkindern notwendig. Aufgrund der langen
Halbwertszeit von DDAVP darf die anschließende Rehydratation nicht zu zügig erfolgen, um eine
Hyponatriämie mit konsekutiven Krampfanfällen zu vermeiden.
Der Testabbruch wird zur Sicherheit des Patienten vorgenommen. Unmittelbar vor Testabbruch erfolgt nochmals die Bestimmung aller relevanten Parameter.
Der Durstversuch ist bei kompletten Störungen sehr valide (hohe Sensitivität und hohe Spezifität). Er zeigt aber als indirekter Test Schwächen bei partiellen Störungen in der Abgrenzung zur primären Polydipsie (sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Ergebnisse).
Normalpersonen konzentrieren nach etwa 12–16 h Flüssigkeitsentzug den
Urin auf ca. 900–1200 mosmol/kg, wohingegen Patienten mit komplettem
Diabetes insipidus centralis ihren Urin meist nur auf weniger als 250 mosmol/kg konzentrieren können. Bei Patienten mit primärer Polydipsie ist das maximale Urin-Konzentrationsvermögens ebenfalls deutlich auf etwa 450–700 mosmol/kg eingeschränkt. Im verlängerten 1-Deamino-8-D-Arginin-Vasopressin-(DDAVP-)Test hört der Patient mit
Diabetes insipidus centralis auf zu trinken und das Urinkonzentrationsvermögen der Nieren normalisiert sich, während der Patient mit psychogener Polydipsie weiter trinkt und hyponatriämisch wird. Eine primäre Polydipsie ist bereits weitgehend ausgeschlossen, wenn die ad libitum gemessene Serumosmolalität >295 mosmol/l oder das Serumnatrium >143 mmol/l beträgt oder wenn die Serumharnsäure erhöht ist.
Die Verdachtsdiagnose einer habituellen Polydipsie (Urinosmolalität im Durstversuch 450–700 mosmol/kg) lässt sich meist durch einen weiteren Durstversuch nach einer mehrwöchigen normalen Flüssigkeitszufuhr sichern. Dieser zeigt dann ein normales Konzentrationsvermögen.
Patienten mit partiellem
Diabetes insipidus zeigen einen geringen Anstieg der Urinosmolalität mit steigender Serumosmolalität.
Nur bei Patienten mit einem
Diabetes insipidus steigt nach Gabe von exogenem Desmopressin die Urinosmolalität weiter an (
Diabetes insipidus totalis >50 %; Diabetes insipidus partialis zwischen 9 % und 50 %; normal <9 %). Dies zeigt indirekt an, dass der Patient mit Diabetes insipidus maximale Mengen von endogenem ADH noch nicht sezerniert hat. Ein partieller Defekt der ADH-Sekretion kann angenommen werden, wenn exogenes DDAVP die Urinosmolalität nach Dursten nach Erreichen eines Plateaus um mehr als 9 % stimuliert.
Die Interpretation der ADH-Werte muss immer in Bezug auf Serumosmolalität bzw. Serumnatrium erfolgen.
Niedrige ADH-Konzentrationen sind dann beweisend für einen zentralen
Diabetes insipidus, wenn sie am Ende eines Durstversuchs bei einer Serumosmolalität von ≥300 mosmol/kg nachgewiesen wurden.