Harnwegsinfektionen gehören mit zu den häufigsten
nosokomialen Infektionen, 80 % dieser Infektionen sind mit Harnblasenkathetern assoziiert. Schon eine indikationsgerechte Anlage und zeitgerechte Entfernung von Harnblasenkathetern ist infektionspräventiv. Weiterhin lässt sich die Rate an Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen durch die Teilnahme an einer Surveillance, eine hohe
Compliance mit Standardhygienemaßnahmen, der konsequenten Anwendung von Alternativen zum transurethralen Katheter sowie durch die Einführung von Maßnahmenbündeln weiter senken. Die Verabreichung einer antibiotischen Prophylaxe zur Anlage, feste Wechselintervalle oder die Verwendung von antimikrobiell beschichteten Kathetern sind dagegen nicht zu empfehlen.
Epidemiologie
In der Auswertung der deutschen Daten einer europäischen Punktprävalenzuntersuchung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) aus 2012 liegen nosokomiale Harnwegsinfektionen mit einem Anteil von 23,2 % nach
postoperativen Wundinfektionen (24,3 %) an zweiter Stelle (Behnke et al.
2013). In über 80 % der Fälle sind nosokomial erworbene Harnwegsinfektionen mit einem Harnblasenkatheter assoziiert und werden daher auch als Katheter-assoziierte Harnwegsinfektionen
(CAUTI = catheter-associated urinary tract infection) bezeichnet. Harnblasenkatheter zählen mit zu den am häufigsten angewendeten invasiven Devices, bis zu 17 % der Patienten in europäischen und 24 % der Patienten in US-amerikanischen Krankenhäusern sind mit einem Harnblasenkatheter versorgt (Nicolle
2014). In besonderen Bereichen, wie z. B. Intensivstationen, kann die Anwendungsrate noch deutlich höher liegen, ebenso sind fast alle Patienten während eines operativen Eingriffes katheterisiert. Durch eine Katheter-assoziierte Harnwegsinfektion entsteht neben dem menschlichen Leid der betroffenen Patienten eine Verlängerung der Liegedauer um bis zu 6 Tagen sowie zusätzliche Kosten von bis zu mehreren tausend Euro (Vonberg et al.
2008).
Nosokomiale Harnwegsinfektionen werden in Deutschland im Rahmen des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) in den Modulen ITS-KISS für Intensivstationen sowie Stations-KISS für Normalstationen erfasst (Tab.
1). Dabei errechnet sich die Device-Anwendungsrate
als Quotient aus der Anzahl der Device-Tage und der Gesamtzahl der Patiententage einer Station multipliziert mit 100. Die Device-assoziierte Infektionsrate
ist der Quotient aus den Device-assoziierten Infektionen und der Anzahl an Device-Tagen multipliziert mit 1000.
Tab. 1
Device-Anwendungsrate und Device-assoziierte Infektionsrate (Median) für Intensiv- und Normalstationen (
http://www.nrz-hygiene.de, Berechnungszeitraum Januar 2011 bis Dezember 2015)
Device-Anwendungsrate | 83,43 | 14,12 |
Device-assoziierte Infektionsrate | 0,51 | 1,37 |
Eine Übersicht über die häufigsten Erreger gibt Tab.
2.
Tab. 2
Infektionserreger von Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen nach ITS-KISS und Stations-KISS (
http://www.nrz-hygiene.de, Berechnungszeitraum Januar 2011 bis Dezember 2015)
E. coli
| 35,6 | 47,9 |
| 26,6 | 16,6 |
Pseudomonas aeruginosa
| 14,9 | 9,9 |
Klebsiella spp. | 10,8 | 11 |
Proteus spp. | 6,8 | 9,3 |
Nach der Anlage eines Harnblasenkatheters beträgt das Risiko einer asymptomatischen Bakteriurie, d. h. Nachweis von
Bakterien im
Urin ohne klinische Zeichen eines Harnwegsinfektes, 3–7 % pro Kathetertag; das bedeutet, dass nach ca. 3–4 Wochen fast alle Patienten mit einem Blasenkatheter Bakterien im Urin haben. Bei ca. 25 % der Patienten mit Harnblasenkatheter entwickelt sich ein Katheter-assoziierter Harnwegsinfekt, bei 4 % der Patienten entsteht aus diesem Harnwegsinfekt eine Urosepsis (Saint
2000). Risikofaktoren einer Katheter-assoziierten Harnwegsinfektion sind neben dem Katheter (KRINKO
2015):
-
Immunsuppression
-
Höheres Lebensalter (>50 Jahre)
-
-
Weibliches Geschlecht
-
-
Dauer der Katheterisierung
-
Anzahl der Diskonnektionen eines geschlossenen Ableitungssystems
-
Missachtung von hygienischen Vorgaben bei Anlage und Pflege von Kathetern
Während Vorerkrankungen in der Regel nicht zu beeinflussen sind, ergibt sich aus krankenhaushygienischer Sicht ein Präventionspotenzial durch eine strenge Indikationsstellung und eine reduzierte Liegedauer von Harnwegskathetern sowie den Umgang bei Anlage und Pflege von Kathetern.
Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Harnwegsinfektionen sind aktuell sowohl von der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim
Robert Koch-Institut (KRINKO) in 2015 als auch von der Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) in 2014 (Lo et al.
2014) veröffentlich bzw. aktualisiert worden. Eine ältere Empfehlung der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) datiert aus dem Jahr 2009 (Gould et al.
2010).
Pathophysiologie
Die Harnblase
wird als steriles Organ während der Miktion normalerweise vollständig entleert. Die Bildung einer Schleimschicht auf dem Harnblasenepithel stellt einen zusätzlichen Schutz vor bakteriellen Infektionen dar. Durch die Anlage eines Harnblasenkatheters werden diese physiologischen Abwehrmechanismen unterbrochen. Eine komplette Entleerung der Harnblase ist in der Regel aufgrund der Präsenz eines Katheters nicht mehr möglich, da sich um den geblockten Ballon am Boden der Harnblase
Urin ansammelt. Zusätzlich können während der Anlage des Katheters kleine Verletzungen des Harnröhrenepithels entstehen, auch die Integrität der schützenden Schleimschicht der Harnblasenwand wird durch Kontakt mit dem Katheter unterbrochen (Cornish et al.
1988).
Erreger der periurethralen Flora können schon durch die Anlage eines Katheters retrograd in die Harnblase eingebracht werden. Bereits unmittelbar nach der Anlage bildet sich sowohl auf der inneren als auch auf der äußeren Oberfläche des Katheters ein Biofilm, in dem sich
Bakterien ansiedeln und geschützt vermehren können. Während die äußere Oberfläche meist durch die endogene Flora des Patienten besiedelt wird, wird die innere Oberfläche häufig bei Diskonnention des Kathetersystems kontaminiert.
Indikationsstellung
Die Anlage eines Harnblasenkatheters erfolgt nach ärztlicher Anordnung, und die Liegedauer sollte auf das erforderliche
Minimum beschränkt werden. Das Weiterbestehen einer Indikation für eine Katheterdrainage soll täglich ärztlich geprüft und dokumentiert werden (KRINKO
2015). Jerkeman et al. konnten zeigen, das bei 40 % der Patiententage auf einer internistischen Intensivstation und bei 58 % der Patiententage auf einer Normalstation keine Indikation für bereits liegende Harnwegskatheter bestand (Jerkeman und Braconier
1992). Auch die regelmäßige Evaluation der Notwendigkeit unterbleibt oft. Die Studie von Saint et al. konnte zeigen, dass 38 % der behandelnden Ärzte keine Kenntnis vom Vorhandensein eines Katheters bei ihren Patienten hatten (Saint et al.
2000). Nicht selten werden Harnblasenkatheter zur Entlastung des Pflegepersonals oder als Automatismus bei der stationären Aufnahme von Patienten fälschlicherweise angelegt.
Vermeidung unnötiger Kathetertage
Erinnerungssysteme (Reminder) oder Stopp-Anordnungen können helfen, unnötige Kathetertage zu vermeiden. Reminder sollen Ärzte oder das Pflegepersonal durch einen optischen oder akustischen Hinweis in der Patientenakte oder dem EDV-System der Klinik an den liegenden Harnblasenkatheter erinnern und gegebenenfalls die Entfernung dieses Devices fördern. Durch eine Stopp-Anordnung kann bereits bei der Anlage eines Katheters ein Zeitpunkt festgelegt werden, an dem der Katheter automatisch wieder entfernt werden soll, falls nicht zwingende Gründe für einen Verbleib dokumentiert werden. Durch die Anwendung dieser Maßnahmen konnte die durchschnittliche Dauer der Katheterisierung um 37 % sowie die Zahl Katheter-assoziierter Harnwegsinfektionen um 52 % reduziert werden (Meddings et al.
2010).
Alternative Formen der Harnableitung
Zur Vermeidung von unnötigen Kathetertagen sind alternative Formen der Harnableitung, wie z. B. die Verwendung von Urinalkondomen, Windeln oder Vorlagen zu berücksichtigen. Auch die intermittierende transurethrale Einmalkatheterisierung sollte falls möglich einem Harnblasenkatheter vorgezogen werden. Meist kommt diese Form der Harnableitung bei speziellen Patientenkollektiven, wie z. B. Rückenmarksverletzten, zum Einsatz.
Suprapubische Katheter
Inwieweit die Anlage eines suprapubischen Katheters
infektionspräventiv sein kann, wird aktuell widersprüchlich diskutiert. In der mittlerweile überarbeiteten KRINKO-Empfehlung von 1999 wird die Anlage eines suprapubischen Katheters ab einer Dauer der Katheterisierung von >5 Tagen empfohlen (KRINKO
1999). Während in den aktuellen US-amerikanischen SHEA-Empfehlungen gar keine Aussage zu diesen Kathetern zu finden ist (Lo et al.
2014), betont die aktuelle KRINKO-Empfehlung von 2015 die Schonung der Harnröhre durch die Anlage eines suprapubischen Katheters.
Sethia et al. untersuchten 66 Patienten nach allgemeinchirurgischen Eingriffen. Von 34 Patienten mit transurethralem Katheter entwickelten 16 Patienten eine Harnwegsinfektion, dagegen von 32 Patienten mit suprapubischem Katheter nur 2 (p = 0,001). Neben den kleinen Patientenzahlen ist an dieser Studie allerdings die hohe Inzidenz von Harnwegsinfektionen von fast 50 % zu kritisieren, welche möglicherweise auf andere Hygienefehler bei transurethralen Kathetern hinweist (Sethia et al.
1987).
Stekkinger et al. fanden im Gegensatz dazu bei 126 Patientinnen nach gynäkologischen Eingriffen keinen Unterschied in der Rate an Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen. Bei einer durchschnittlichen Dauer der Katheterisierung von 4 Tagen entwickelten in beiden Gruppen jeweils 6 Patientinnen eine symptomatische Harnwegsinfektion (p = 0,93) (Stekkinger und van der Linden
2011).
Einschränkend existieren eine Reihe von relativen (z. B. Voroperationen im Unterbauch, ausgeprägte
Adipositas, Schwangerschaft oder
Ileus) und absoluten (z. B. Harnblasentumoren, nicht korrigierbare Störungen der Blutgerinnung, Schrumpfblase oder andere Gründe unzureichender Blasenfüllung sowie Hauterkrankungen am Punktionsort) Kontraindikationen
(Reuter und Raible
2014), sodass nicht bei allen Patienten die Möglichkeit der Anlage eines suprapubischen Katheters besteht. Zurzeit wird in Deutschland nach einer Umfrage des Berufsverbandes der Urologen zur Katheterversorgung bei 61 % der männlichen Patienten und bei 36 % der weiblichen Patienten mit Indikation zur Katheterdrainage bevorzugt ein suprapubischer Katheter angelegt (Von Rundstedt et al.
2015).
Ein aktuelles Review der Cochrane Library von 25 Einzelarbeiten kommt zu dem Ergebnis, dass durch suprapubische Katheter im Vergleich zu transurethralen Kathetern eine asymptomatische Bakteriurie, die Notwendigkeit zur Rekatheterisierung sowie
Schmerzen oder Misskomfort reduziert sind. Eindeutige Hinweise, dass auch symptomatische Harnwegsinfekte reduziert werden, zeigen sich nicht. Die Entscheidung für einen bestimmten Kathetertyp sollte daher nach individualmedizinischen Gesichtspunkten erfolgen (Kidd et al.
2015).
Empfehlungen zur Infektionsprävention
Hygienische Händedesinfektion
Gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) muss vor und nach Durchführung dieser Tätigkeiten eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden (WHO
2009). Eine hohe
Compliance mit der hygienischen Händedesinfektion hat dabei einen hohen infektionspräventiven Stellenwert. Neben der Händedesinfektion besteht bei vielen Tätigkeiten die Notwendigkeit, Schutzhandschuhe zu tragen, meist als Element des Eigenschutzes, z. B. bei Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien. Oft ist es jedoch erforderlich, während der Versorgung eines Patienten die Handschuhe zu wechseln und dazwischen eine Händedesinfektion durchzuführen. In der Praxis bedeutet dies aber oft eine Unterbrechung des Arbeitsflusses, sodass die Compliance mit dieser Vorgabe meist nur gering ist und Handschuhe anstelle einer Händedesinfektion verwendet werden.
In Deutschland werden die WHO-Vorgaben zur Händehygiene seit 2008 über die Aktion Saubere Hände (ASH) national propagiert. Seit 2014 besteht nun vonseiten der ASH die Möglichkeit, bei Routinetätigkeiten am selben Patienten, bei denen ein Wechsel von reinen und unreinen Tätigkeiten erforderlich ist, eine Desinfektion der getragenen Nitril-Handschuhe durchzuführen (soweit diese die Norm EN 374 erfüllen und die Durchbruchszeiten für Isopropanol und gegebenfalls
Ethanol ausreichend lang sind). Eine maximale Tragedauer von 30 Minuten und maximal 5 Desinfektionen der Handschuhflächen dürfen dabei jedoch nicht überschritten werden. Ebenso dürfen die Handschuhe nicht sichtbar verschmutzt oder beschädigt sein (ASH
2015).
Katheteranlage und Katheterpflege
Durch regelmäßige Schulungen des mit der Anlage und Pflege betreuten Personals können hygienische Standards sichergestellt werden. Außerdem werden idealerweise alle benötigten Materialien z. B. in einem Katheterset bereitgestellt. Die Katheteranlage
erfolgt nach folgendem Procedere:
-
Nach einer hygienischen Händedesinfektion werden sterile Handschuhe angezogen.
-
Der Genitalbereich der Patienten wird mit einem sterilen Lochtuch abgedeckt.
-
Der Meatus urethrae wird mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel (z. B. Octenidin oder Chlorhexidin) desinfiziert.
-
Nach Instillation eines sterilen Gleitmittels wird anschließend der Katheter eingeführt.
Der Durchmesser von Harnwegskathetern wird in Charriére angegeben, dabei entspricht ein Charriére 1/3 mm. Der Ballon des Harnblasenkatheters sollte entweder mit sterilem Aqua dest. oder mit einer sterilen Glycerin-Lösung gemäß den Herstellerangaben gefüllt werden, eine Überblockung ist dabei zu vermeiden. Um einen Rückfluss von bakteriell kontaminiertem
Urin aus dem Auffangbeutel in die Harnblase zu verhindern, sollte der Beutel stets unterhalb des Blasenniveaus positioniert und rechtzeitig entleert werden. Vor dem Transport eines Patienten muss er ebenfalls entleert werden, um z. B. beim Umlagern einen Rückfluss des Urins zu vermeiden. Schlaufenbildungen oder ein Abknicken der Harnableitung sind ebenfalls zu vermeiden. Katheter und Drainagesystem sind als sterile Einheit zu verstehen und Diskonnektionen sollten deswegen auf ein
Minimum reduziert werden. Im Falle einer unbeabsichtigten Trennung sollten Katheter und Drainageschlauch nur nach einer Wisch- oder Sprühdesinfektion mit einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel erneut verbunden werden.
Die täglichen Pflege und Reinigung des Genitalbereiches wird mit Wasser (Trinkwasserqualität) und Zusatz von Flüssigseife durchgeführt, eventuelle Inkrustationen sollten vorsichtig entfernt werden. Der Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe wie Octenidin oder Chlorhexidin kann hier auf Basis neurerer Erkenntnisse erwogen werden (Huang et al.
2016).
Lediglich bei Infektionen, Verschmutzung oder offensichtlichen technischen Defekten sollte ein Wechsel des gesamten Harnableitungssystems erfolgen (KRINKO
2015). Spülungen der Harnblase oder die prophylaktische Gabe von
Antibiotika sind aus infektionspräventiver Sicht obsolet.
Kathetermaterialien
Harnwegskatheter
können aus PVC, Latex oder Silikon hergestellt werden. Die Verwendung von Latexmaterialien ist rückläufig, da viele Patienten allergisch reagieren. Katheter aus Silikon weisen eine gute Biokompatibilität und Stabilität auf. Aus infektionspräventiven Gesichtspunkten gibt es keine Hinweise, ein bestimmtes Material zu bevorzugen. Durch eine Beschichtung der Katheteroberfläche mit hydrophilen Polymeren entsteht ein sogenannter Hydrogel-beschichteter Katheter
, der sich durch besonderen Komfort auszeichnet und insbesondere bei der Einmalkatheterisierung bei bestimmten Patientengruppen (z. B. Rückenmarksverletzte) zur Anwendung kommt. Neben diesen Vorteilen wird aber auch von einer häufigeren Obstruktion berichtet, auch
Bakterien mit einer Schwarmbeweglichkeit, wie z. B.
Proteus mirabilis, sollen sich auf derart beschichteten Kathetern rasch ausbreiten können. Auch für diese Katheter kann daher aus infektionspräventiven Gesichtspunkten keine Empfehlung gegenüber anderen Materialien ausgesprochen werden (KRINKO
2015; Lewalter et al.
2013).
Antimikrobiell beschichtete Katheter
In einer prospektiven multizentrischen Studie von Pickard et al. wurde bei insgesamt 6394 Patienten ein Katheter mit Silberlegierung, ein Nitrofurazon-beschichteter Katheter und ein unbeschichteter Katheter als Kontrollgruppe verglichen. Als primärer Outcome-Parameter wurde die symptomatische Harnwegsinfektion herangezogen. Von 2097 Teilnehmern in der Gruppe des Silber-beschichteten Katheters entwickelten 263 (12,5 %) einen Harnwegsinfekt, von 2153 Patienten in der Nitrofurazon-Gruppe 228 (10,6 %) und in der Kontrollgruppe entwickelten von 2144 Teilnehmern 271 (12,6 %) eine Harnwegsinfektion. Die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant (Pickard et al.
2012). Die Verwendung von beschichteten Harnwegskathetern
ist daher aus infektionspräventiver Sicht nicht zu empfehlen.
Surveillance
Eine fortlaufende, systematische Erfassung mit Analyse und Interpretation von
nosokomialen Infektionen kombiniert mit einem Feedback dieser Daten an das ärztliche und pflegerische Personal reduziert die Häufigkeit von nosokomialen Infektionen. Die Generierung und Interpretation eigener Daten stellt dabei die Grundlage für den Fokus und die Zielsetzung von Interventionsmaßnahmen dar. In Deutschland ist zu diesem Zweck seit 1997 das Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS)
zur Erfassung nosokomialer Infektionen etabliert (
www.nrz-hygiene.de). Die Teilnahme am KISS-Projekt ist kostenlos und bietet den Vorteil des Vergleichs eigener Daten mit externen Referenzdaten anderer teilnehmender Einrichtungen. Eine Auswertung der KISS-Daten von 267 teilnehmenden Intensivstationen zeigte, dass die Katheter-assoziierte Harnwegsinfektionsrate zwischen dem ersten und dritten Jahr der Teilnahme an der KISS-Erfassung um 14 % rückläufig war (Gastmeier et al.
2011). Durch die Einführung eines Surveillance-Programms in Kombination mit Schulungsmaßnahmen des Personals konnte in einem italienischen Krankenhaus über einen Zeitraum von 6 Monaten die CAUTI-Rate von 6,6 auf 5,8/1000 Kathetertage gesenkt werden (Mariglano et al.
2012).
Infektionsprävention durch Bundles
In einem Bundle („Bündel“) werden verschiedene infektionspräventive Maßnahmen zusammengefasst. Dabei sollten die Einzelmaßnahmen evidenzbasiert und deren Umsetzung mit hohem Evidenz- und Empfehlungsgrad in den entsprechenden Leitlinien ausgewiesen sein.
Diese Zusammenstellung der wichtigsten infektionspräventiven Maßnahmen soll deren Umsetzung im klinischen Alltag erleichtern (Schulze-Röbbecke
2011). Durch die Anwendung eines „bladder bundle“ konnte die Rate an Kathteter-assoziierten Harnwegsinfektionen auf einer brasilianischen Intensivstation von 7,6 auf 5,0/1000 Kathetertage gesenkt werden. Das Bundle bestand aus folgenden Komponenten (Marra et al.
2011):
-
Händehygiene
-
Haut- und Meatusdesinfektion mit Chlorhexidin
-
Sterile Handschuhe und sterile Abdeckung
-
Nur ein Anlageversuch pro Katheter, falls nicht erfolgreich neuer steriler Katheter
-
Adäquate Balloninsufflation
-
Tägliche Evaluation der Indikation und prompte Entfernung
Vergleich der unterschiedlichen Leitlinien und Empfehlungen
Conway et al. verglichen insgesamt 8 englischsprachige Empfehlungen zur Prävention von Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen und stellten eine bemerkenswerte Konstanz der Empfehlungen über die letzten 30 Jahre fest. Weiterhin basieren nur wenige Empfehlungen auf randomisierten und kontrollierten Studien (Conway und Larson
2012). Im Vergleich zu anderen
nosokomialen Infektionen sind hier in den letzten Jahren nur sehr wenige neue Ansätze zur Infektionsprävention beschrieben worden, wie z. B. die Erstellung von Bundles. Eine vergleichende Übersicht verschiedener Empfehlungen und Guidelines ist in Tab.
3 dargestellt.
Tab. 3
Vergleichende Übersicht nationaler und internationaler Empfehlungen
Strenge Indikationsstellung | Ja | Ja | Ja | Ja |
Regelmäßige Evaluation der Notwendigkeit | Ja | Ja | Ja | Ja |
Alternative Formen der Ableitung | Ja | Ja | Ja | Ja |
Anlage unter aseptischen Bedingungen | Ja | Ja | Ja | Ja |
Kleinstmöglicher Katheterdurchmesser | Ja | Ja | Ja | Ja |
Antimikrobielle Katheter | Ungelöst | Nicht empfohlen | Ungelöst | Nicht empfohlen |
Geschlossenes Ableitungssystem | Ja | Ja | Ja | Ja |
Ersatz des Auffangbehälters bei Diskonnektion | Ja | Ja | Nein | Nein |
Auffangbehälter unterhalb des Blasenniveaus | Ja | Ja | Ja | Ja |
Keine routinemäßigen Blasenspülungen | Ja | Ja | Ja | Ja |
Kein routinemäßiger Katheterwechsel | Ja | Ja | Ja | Ja |
Händehygiene | Ja | Ja | Ja | Ja |
Fortbildung des Personals | Ja | Ja | Ja | Ja |
Protokolle/Bundles | Nicht diskutiert | Ja | Nicht diskutiert | Ja |
Surveillance | Ungelöst | Ja | Nicht diskutiert | Ja |
Innovative infektionspräventive Maßnahmen
Die Mehrzahl der
nosokomialen Infektionen entsteht durch die eigene bakterielle Flora des Patienten (Lewalter und Lemmen
2014). Durch die Anwendung von Antiseptika, wie z. B. Chlorhexidin, als Mundspülung oder zur Hautwaschung konnte in Studien durch eine Reduktion der endogenen Flora eine signifikante Abnahme von nosokomialen Infektionen wie der beatmungsassoziierten
Pneumonie (Labeau et al.
2011) oder der Katheter-assoziierten
Sepsis aber auch der Transmission von Erregern (Huang et al.
2013) gezeigt werden. In der Nachanalyse einer großen Cluster-randomisierten Studie mit über 100.000 eingeschlossenen Patienten zeigte sich eine signifikante Reduktion von Bakteriurie und Candidurie bei einer täglichen Reinigung des Perineums sowie der ersten 20 cm liegender Harnwegskatheter mit einer 2 %-Chlorhexidinlösung (Huang et al.
2016). Diese Reduktion zeigte sich allerdings nur für Männer, die Autoren erklären sich diese Differenz durch anatomische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Auf Intensivstationen, auf denen eine tägliche universelle Dekolonisation durch Anwendung von Antiseptika durchgeführt wird, können so weitere Harnwegsinfektionen reduziert werden.
Zusammenfassung
Nosokomiale Harnwegsinfektionen sind meistens Katheter-assoziiert und gehören mit zu den häufigsten
nosokomialen Infektionen. Die wichtigsten infektionspräventiven Maßnahmen sind die strenge ärztliche Indikationsstellung, das Anlegen des Katheters unter aseptischen Bedingungen, die tägliche Beurteilung der weiteren Notwendigkeit und frühzeitige Entfernung nicht mehr benötigter Katheter sowie der hygienisch korrekte Umgang mit Kathetern durch regelmäßig geschultes Personal. Ergänzend sind die Teilnahme an einer Surveillance sowie die Zusammenfassung von infektionspräventiven Maßnahmen als Maßnahmenbündel sinnvoll. Ob ein Harnblasenkatheter transurethral oder suprapubisch angelegt werden sollten, muss im Einzelfall individuell entschieden werden.
Regelmäßige Wechselintervalle, die Verwendung von antimikrobiell beschichteten Kathetern, Blasenspülungen oder die prophylaktische Gabe von
Antibiotika sind aus infektionspräventiver Sicht obsolet.