Zwischen 3,3 und 4,5 % aller Patienten erwerben in Deutschland während ihres Krankenhausaufenthalts eine nosokomiale Infektion (Piening
2012). Knapp ein Fünftel aller
nosokomialen Infektionen werden bei Intensivpatienten beobachtet. Die häufigsten Infektionen sind
postoperative Wundinfektionen (24,7 %), Harnwegsinfektion (22,4 %), und untere Atemweginfektionen (21,5 %) gefolgt von
Clostridium-difficile-Infektionen (CDAD, 6,6 %) und primärer
Sepsis (6,0 %) (Piening
2012). Nosokomiale Infektionen resultieren in Zusatzkosten durch eine Verlängerung der Krankenhausverweildauer und zusätzliche diagnostische und therapeutische Interventionen. Darüber hinaus können sie zu einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit und steigenden Antibiotikaresistenzen führen. Während deutsche Krankenhäuser zumindest einen Teil der entstehenden Zusatzkosten durch eine entsprechende Kodierung und damit Vergütung abdecken können (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) et al.
2004), sind Krankenkassen und Gesellschaft mit erheblichen Zusatzkosten konfrontiert. All dies misst Infektionskontrollprogrammen eine hohe Bedeutung zu.
Ökonomische Bedeutung nosokomialer Infektionen
Nach Berechnungen der Europäischen Kommission belasten
nosokomiale Infektionen das europäische Gesundheitssystem pro Jahr mit mindestens 7 Milliarden Euro (European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC)
2008). Für Deutschland geht man von 1,5 Milliarden Euro Kosten pro Jahr aus (Deutscher Bundestag
2011).
Grundsätzlich ist es sehr schwierig, die Folgekosten
nosokomialer Infektionen abzuschätzen. Um die Kosten im Detail zu quantifizieren, muss abgewogen werden, ob die im individuellen Fall durchgeführten Maßnahmen auf die nosokomiale Infektion oder die Grunderkrankungen des Patienten zurückzuführen sind.
Wirklich präzise Aussagen zu den Zusatzkosten resultieren nur aus Studien, in denen Patienten mit und ohne
nosokomiale Infektionen nach den wesentlichen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Grundkrankheiten oder bisherige Aufenthaltszeit im Krankenhaus verglichen werden. Dabei werden jedem Patienten mit nosokomialer Infektion ein oder mehrere Patienten mit möglichst ähnlichen Risikofaktoren, aber ohne nosokomiale Infektion gegenübergestellt. Unterschiede in der Krankenhausverweildauer oder auch sonstigen Kosten sind dann mit hoher Wahrscheinlichkeit der nosokomialen Infektion zuzuordnen.
Selbst bei konsequenter Anwendung einer dieser Methoden unterliegen Kostenschätzungen zu
nosokomialen Infektionen hohen Schwankungsbreiten.
Denn etliche Studien befassen sich vornehmlich mit Patienten auf Intensivstationen (ICU – „intensive care unit“), also einer Patientengruppe, die ein oberes Extrem sowohl hinsichtlich der Schwere der Erkrankung als auch der Behandlungskosten darstellt. Andere Untersucher untersuchen schwerpunktmäßig Krankenhausinfektionen mit speziellen (resistenten) Infektionserregern oder Infektionsorten.
Weiterhin können die berücksichtigten Kostenfaktoren von Studie zu Studie differieren, und abhängig von Krankenhaustyp und Land können Kostenstrukturen, Personalgehälter und Kosten für Sachbedarf erheblich voneinander abweichen. Viele Kostenschätzungen beruhen zudem auf US-amerikanischen Daten und lassen sich nicht ohne weiteres auf europäische Verhältnisse übertragen. Aus Deutschland liegen nur wenige aussagekräftige Kostenstudien und praktisch keine aktuellen validen Berechnungen vor.
Dennoch können Krankheitskostenstudien einen guten Eindruck von der sozioökonomischen Bedeutung
nosokomialer Infektionen vermitteln. Im Folgenden werden daher die Ergebnisse internationaler Kostenstudien zu den einzelnen Infektionsentitäten synoptisch dargestellt sowie ergänzend der jeweilige heutige Wert der Kosten für Deutschland im Jahr 2016 in Euro ausgewiesen.
Grundlage für die Kostenadjustierung bilden jeweils die in der Originalpublikation angegebenen Kosten sowie das Kostenjahr. Konnte der Originalpublikation kein Kostenjahr entnommen werden, so wurde die Annahme getroffen, dass das letzte Jahr der zugrunde liegenden Studie die Basis für die Kostenberechnung bildete. Die Kosten in der Landeswährung wurden durch die Kaufkraftparität des Ursprungslandes im Kostenjahr dividiert und mit der Kaufkraftparität im selbigen Jahr von Deutschland multipliziert. Der erhaltene Kostenwert für Deutschland wurde im Anschluss mittels des Verbraucherpreisindexes auf das Jahr 2016 (Q3/2016) hochgerechnet. Für die Berechnungen wurden die offiziellen Daten der OECD-Datenbank herangezogen.
Postoperative Wundinfektionen
Wundinfektionen, die einen Anteil von 25 % an Krankenhausinfektionen ausmachen (Piening
2012), führen zu einer zusätzlichen Krankenhausverweildauer von ca. 2–24 Tagen (Tab.
1). Die meisten Angaben entstammen jedoch auch hier internationalen und vielfach älteren Studien. Für Deutschland existieren keine aktuellen Daten.
| 1975 | USA | Patienten nach Blinddarmoperation | 6,0 | $ 689 | 2228 |
Patienten nach Cholezystektomie | 7,1 | $ 443 | 1432 |
Patienten nach Kolonresektion | 13,8 | $ 1591 | 5145 |
Patienten nach kompletter abdominaler Gebärmutterentfernung | 6,5 | $ 789 | 2551 |
Patienten nach Kaiserschnitt | 4,8 | $ 528 | 1707 |
Patienten nach Koronararterienbypass | 11,4 | $ 2603 | 8417 |
| 1976 | USA | | 7,7 | $ 868 | 2637 |
| 1979 | USA | Patienten auf der Allgemeinchirurgie und Orthopädie | 12,9 | $ 1290 | 3198 |
| 1988 | GB | Weibliche Patienten mit Kaiserschnitt | 2,1 | £ 716 | 2070 |
| 1989 | DE | Herzchirurgie | 12,2 | DM 5910 | 4951 |
| 1988 | GB | Allgemeine Chirurgie | 10,2 | £ 1456 | 4209 |
| | DK | Chirurgische Gruppen: Amputationen, Hüftfraktur mit interner Fixierung, andere Frakturen mit interner Fixierung, Hüftgelenkersatz, Hernien-, Magen- und Zwölffingerdarm-, Gallenblasen- und Pankreas-, Wurmfortsatz-, Dickdarm-, Harnblasenchirurgie | 5,7 | – | – |
| 1990 | USA | Prozeduren: CABG, Blinddarmoperation, Dickdarmoperation, Laparotomie, Laminektomie, Spondylodese mit Implantat, offene Reposition einer Fraktur, Gelenkersatz, Gefäßchirurgie | 6,5 (Median) | $ 3089 (Median) | 4753 |
| 1991 | CA | | 10,2 | Can$ 3937 | 4690 |
| | FR | | 5 (Median) | – | – |
| 2001 | Verschiedene (systematischer Review) | | k. A. | $ 15.646 | 18.398 |
| 2000 | USA | Patienten mit Staphylococcus-aureus-Infektion: chirurgischer Eingriff (kardiothorakal, orthopädisch, neurochirurgisch, vaskulär, gynäkologisch, gastrointestinal) | 7 (Median) (ältere Patienten) | $ 53.625 (Differenz der Mediane) | 65.114 |
| 1998 | USA | Chirurgischer Eingriff (generell, kardiothorakal, neurochirurgisch) | – | $ 3021 (Differenz der Mediane) | 3829 |
| 2004 | FR | Stationäre Patienten, Chirurgie, Intensivstation, Langzeitpflegeeinrichtung | – | € 1814 | 2046 |
| 2005 | TW | Medizinische ICU, orthopädische ICU | – | $ 1051 | 1061 |
| 2009 | FR | Patienten mit Staphylokokken-Infektionen: Kardiothorax-Prozeduren (CABG, Herzklappenersatz) | 22,1 | € 15.475 | 15.829 |
Patienten mit orthopädischen Prozeduren (Hüft- und Kniearthroplastik) | 24,1 | € 13.389 | 13.696 |
Die Angaben zu den Zusatzkosten, die aus
postoperativen Wundinfektionen resultieren, variieren in der internationalen Literatur, adjustiert für Deutschland in 2016, zwischen 926 und 65.114 Euro (Tab.
1). Differenzen ergeben sich unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Patientenkollektive, die in den einzelnen Studien untersucht wurden. Das Risiko, an einer postoperativen Wundinfektion zu erkranken, schwankt dabei in Abhängigkeit vom chirurgischen Eingriff und den patientenindividuellen Risikofaktoren.
Insbesondere bei älteren Patienten (≥70 Jahre) mit
postoperativen Wundinfektionen durch
Staphylococcus aureus fand man ein erhöhtes Letalitätsrisiko, verlängerte postoperative Krankenhausaufenthalte und angestiegene Krankenhauskosten. Im Vergleich zu jüngeren Patienten mit postoperativen Staphylokokkeninfektionen war die Letalität von 5,3 % auf 21,9 % erhöht, und die medianen Krankenhausbehandlungskosten betrugen $ 85.648 gegenüber $ 45.767 (McGarry et al.
2004).
Bei den hohen Kosten schlägt die Verlängerung der Krankenhausverweildauer durch die Wundinfektion bei älteren Patienten jedoch nur in geringem Ausmaß zu Buche, da diese ohnehin meist länger im Krankenhaus bleiben als jüngere Patienten. So lag die zusätzliche Krankenhausverweildauer bei älteren Patienten in einer dänischen Studie bei 4,2 Tagen (32,0 vs. 27,8 Tage; p = 0,041), diejenige bei jüngeren Patienten hingegen bei 6,9 Tagen (18,7 vs. 11,8; p <0,0001) (Poulsen et al.
1994).
Wichtige Gründe für die Schwankungsbreite dürften jedoch auch Jahr und Land der Erhebung sein.
Nosokomiale Harnwegsinfektionen
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Dauer einer Harnblasenkatheterisierung
den Hauptrisikofaktor für die Entstehung einer nosokomialen Harnwegsinfektion darstellt. Pro 1000 Blasenkatheter-Tage ist in Abhängigkeit vom Typ der Intensivstation (Tab.
2) mit 2,6–4,6 Infektionen zu rechnen, die mit der Anwendung des Blasenkatheters assoziiert sind (Geffers et al.
2002).
Tab. 2
Blasenkatheter-assoziierte Harnwegsinfektions-Rate
nach Art der Intensivstation (Geffers et al.
2002)
Interdisziplinär | 2,6 |
Internistisch | 3,7 |
Chirurgisch | 4,6 |
Bei Patienten, die einen Harnblasenkatheter für die Dauer von 2–10 Tagen tragen, kommt es in bis zu 26 % der Fälle zum Auftreten einer Bakteriurie. Jede vierte dieser Bakteriurien (24 %) geht mit Symptomen einher, und bei 3,6 % ist mit dem Auftreten einer Urosepsis zu rechnen (Saint
2000).
Symptomatische
Harnwegsinfektionen verursachen eine Verlängerung des Krankenhausaufenthalts um 1–13,05 Tage (Tab.
3). Die Kosten variieren je nach Schweregrad der Infektion, nach Krankenhaus, nach durchgeführter Diagnostik und therapeutischen Interventionen.
Tab. 3
Geschätzte Verlängerung der Krankenhausverweildauer und durchschnittliche Zusatzkosten infolge nosokomialer Harnwegsinfektionen
Davies und Cottingham 1979
| 1978 | GB | Orthopädische Patienten | 13,05 | £ 617 | 3917 |
| 1980 | USA | Patienten auf der Chirurgie (Allgemeinchirurgie) | 2,4 | $ 558 | 1269 |
| 1976 | USA | Stationäre Patienten | 2 | $ 307 | 933 |
| 1979 | Israel | Patienten auf der Allgemeinchirurgie und Orthopädie | 5,1 | $ 510 | 1264 |
| 1988 | GB | Patienten auf der Allgemeinchirurgie, Orthopädie, Urologie und Gynäkologie | 3,6 | £ 467 | 1350 |
| 1995 | GB | Stationäre Patienten | 6 | £ 1327 | 2787 |
| 1998 | USA | Stationäre Patienten | Keine eigene Erfassung | $ 676 (Mindestwert symptomatische Harnwegsinfektion) | 857 |
$ 2836 (Mindestwert Urosepsis) | 3595 |
| 1998 | USA | Stationäre Patienten mit Blasenkatheter | – | $ 356 (Median) | 451 |
| 1998 | USA | Chirurgischer Eingriff (generell, kardiothorakal, Neurochirurgie) | – | $ 6219 (Differenz der Mediane) | 7833 |
| 2004 | FR | Stationäre Patienten, Chirurgie, Intensivstation, Langzeitpflegeeinrichtung | – | € 574 | 647 |
| 2005 | TW | Medizinische ICU, orthopädische ICU | – | $ 1955 | 1973 |
Insgesamt wurden die mit einer nosokomialen Harnwegsinfektion verbundenen Zusatzkosten, adjustiert für Deutschland in 2016, auf ca. 451–7833 Euro geschätzt (Tab.
3).
Nosokomiale Bakteriämie/Sepsis
Die nosokomiale Bakteriämie/
Sepsis ist eine häufige Komplikation bei stationären Patienten, bei denen die Anlage eines Gefäßkatheters, insbesondere eines zentralen Venenkatheters, erforderlich ist (Tab.
4).
Tab. 4
ZVK-assoziierte Sepsisraten nach Art der Intensivstation [Geffers 2002] (ZVK = zentrale Gefäßkatheter)
Interdisziplinär | 73 | 1,7 |
Internistisch | 51 | 1,9 |
Chirurgisch | 82,6 | 1,8 |
Die mit nosokomialer Bakteriämie und
Sepsis verbundene Verlängerung der Liegedauer wird in der internationalen Literatur auf 2–25,1 Tage geschätzt (Tab.
5). Die Werte beziehen sich dabei teils nur auf ICU-Aufenthalte, teils auf die gesamte Krankenhausverweildauer. In einigen Fällen ist die Methodik der Studien nicht geeignet, um eine eindeutige Aussage zu den tatsächlichen zusätzlichen Krankenhaustagen zu machen, sondern es wird die Dauer des Krankenhausaufenthaltes von Sepsis-Patienten angegeben.
Tab. 5
Geschätzte Verlängerung der Krankenhausverweildauer und durchschnittliche Zusatzkosten infolge nosokomialer Bakteriämien
| 1976 | USA | Stationäre Patienten | 7,4 | $ 931 | 2828 |
| 1990 | USA | Chirurgische ICU | 8 (ICU, Überlebende) 24 (Krankenhaus, Überlebende) | $ 40.000 | 61.541 |
| 1998 | USA | Pädiatrische ICU (PICU) | 14,6 (PICU) 21,1 (Krankenhaus) | $ 46.133 | 58.476 |
| 2001 | Verschiedene | Stationäre Patienten (systematischer Review) | - | $ 38.703 | 45.510 |
| 2001 | BE | Stationär behandelte Patienten | 23 (Median) | € 12.853 | 17.079 |
€ 11.443 (für Fälle, die auf ICU behandelt werden mussten) | 15.205 (ICU) |
| 2003 | CA | ICU | 2 (ICU, Median) 13,5 (Krankenhaus, Median) | Can$ 25.155 (Krankenhaus, Median, Überlebende) | 22.585 |
| 1998 | USA | Chirurgischer Eingriff (generell, kardiothorakal, neurochirurgisch) | – | $ 23.520 (Differenz der Mediane) | 29.813 |
| 2001 | BE | Stationäre Patienten | 25,1 (Median) | € 13.048 (Differenz der Mediane) | 17.338 |
| 2004 | FR | Stationäre Patienten, Chirurgie, Intensivstation, Langzeitpflegeeinrichtung | – | € 953 | 1075 |
| 2005 | TW | Medizinische ICU, orthopädische ICU | – | $ 6056 | 6112 |
| 2003 | BE | Stationäre Patienten einschließlich ICU | 9,9 (Überlebende) | € 4892,8 | 6142 |
| 2003 | USA | Stationäre Patienten | 10,6 | $ 62.992 | 69.360 |
| 2002 | USA | Stationäre Patienten ≥65 Jahre | 8 (Median) | $ 29.441 (Differenz der Mediane) | 33.674 |
Morillo-Garcia et al. 2015
| 2009 | ES | Pädiatrische ICU (PICU) | | € 37.357 (Differenz der Mediane) | 46.372 |
Die Zusatzkosten werden, adjustiert für Deutschland in 2016, mit ca. 1075–69.360 Euro beziffert (Tab.
5).
Neben unterschiedlichen Methoden der Berechnung können Unterschiede in der Pflegeintensität und Liegedauer von Patienten zu Kostenunterschieden führen. Deutliche Unterschiede lassen sich bei Patienten erkennen, die entweder bereits mit
Sepsis auf eine Intensivstation kommen oder die am zweiten Tag oder danach eine Sepsis entwickeln (Edbrooke et al.
1999).
Infektionen durch
Vancomycin-resistente Enterokokken führen wegen des Resistenzmusters zu einer deutlich verlängerten Krankenhausverweildauer und in der Folge zu steigenden Kosten (Cheah et al.
2013).
Gleiches gilt für Infektionen infolge
Staphylococcus aureus. Während für Methicillin-empfindliche Stämme eine zusätzliche Krankenhausverweildauer von 4 Tagen mit Kosten von $ 9661 resultiert, ist der Krankenhausaufenthalt bei
MRSA sogar um 12 Tage verlängert, mit zusätzlichen Kosten von $ 27.083 (Abramson und Sexton
1999). Eine neuere Untersuchung aus Brasilien gibt infolge einer
Staphylococcus-aureus-Infektion sogar eine zusätzliche Krankenhausverweildauer von 32,1 Tagen an. Die zusätzlichen Gesamtkosten belaufen sich somit auf $ 82.818 (Primo et al.
2012).
Für Europa werden die Kosten infolge ca. 150.000 Fällen mit nosokomialen MRSA-Bakteriämien auf 380 Millionen Euro geschätzt (Köck et al.
2010).
Nosokomiale Pneumonien
Die meisten
nosokomialen Pneumonien sind assoziiert mit Intubation und mechanischer
Beatmung (Tab.
6).
Tab. 6
Beatmungsassoziierte Pneumonieraten nach Art der Intensivstation (Geffers et al.
2002)
Interdisziplinär | 43,6 | 8,4 |
Internistisch | 32,4 | 8,5 |
Chirurgisch | 46,5 | 11,6 |
Ein Großteil der Untersuchungen, mit deren Hilfe versucht wurde, die finanzielle Tragweite der nosokomialen
Pneumonie zu erfassen, bezieht sich folglich auf beatmete Patienten. Bei beatmeten Intensivpatienten mit nosokomialer Pneumonie wurde eine Verlängerung der ICU-Verweildauer von 4,3–15,2 Tagen ermittelt (Tab.
7).
Tab. 7
Geschätzte Verlängerung der Krankenhausverweildauer und durchschnittliche Zusatzkosten infolge
nosokomialer Pneumonien
| 1976 | USA | Stationäre Patienten | 5,2 | $ 1194 | 3627 |
| – | USA | Stationäre Patienten | 9,2 (Überlebende) | – | – |
| 1989 | DE | VAP-Patienten auf chirurgischer ICU | 10,1 (ICU) | DM 14.253 ($ 8800) | 12.343 |
| – | FR | Internistische Patienten | 14 (ICU, Überlebende, Differenz der Mediane) | – | – |
| 1993 | FR | VAP-Patienten auf ICU | 6 (ICU, Überlebende, Differenz der Mediane) | FF 62.016 (Mittelwert, alle Patienten) ($ 11.072) | 15.582 |
| – | CA | VAP-Patienten auf ICU | 4,3 (ICU) | – | – |
| 1997 | DE | Stationäre Patienten | 10,14 | DM 29.610 (Krankenhausperspektive) | 19.747 (Krankenhausperspektive) |
DM 18.000 (GKV-Perspektive) | 12.004 (GKV-Perspektive) |
| 2001 | Verschiedene | Systematischer Review stationärer Patienten | – | $ 17.677 | 20.786 |
| 2002 | AR | ICU | 9 (ICU) | $ 2253 | 2577 |
| 2003 | USA | VAP-Patienten auf Trauma-ICU | 15,2 (ICU) | $ 57.158 | 62.936 |
| 2006 | TR | Stationäre Patienten | 23 | $ 5124 | 4918 |
Morillo-Garcia et al. 2015
| 2009 | ES | Pädiatrische ICU (PICU) | – | € 34.913 (Differenz der Mediane) | 43.338 |
In einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie an einem deutschen Universitätsklinikum wurde nachgewiesen, dass eine nosokomiale
Pneumonie bei beatmeten Patienten eine zusätzliche mittlere Verweildauer auf der Intensivstation von 10,1 Tagen verursacht, was – berechnet auf Tagessatzbasis – zu Mehrkosten, adjustiert für Deutschland in 2016, in Höhe von 12.343 Euro pro Fall führte (Kappstein et al.
1992a).
Eine vergleichbare Verlängerung der Verweildauer wurde durch eine Untersuchung an der gleichen Universitätsklinik 10 Jahre später beobachtet. Die Zusatzkosten wurden im Rahmen der neueren Untersuchung für den gesamten Krankenhausaufenthalt ermittelt und lagen aus der Perspektive des Krankenhauses, adjustiert für Deutschland in 2016, bei 19.781 Euro, aus Sicht der GKV basierend auf Tagessätzen bei 12.025 Euro (Dietrich et al.
2002).
Die häufigsten Erregerstämme für eine
Pneumonie auf ICU sind
Staphylococcus aureus und
Pseudomonas aeruginosa. Während die Patienten mit einer
Staphylcoccus-aureus-Pneumonie im Durchschnitt eine zusätzliche Krankenhausverweildauer von 30,7 Tagen aufwiesen, betrug diese bei den Patienten mit einer
Pseudomonas-aeruginosa-Pneumonie 48,2 Tage. Dieser Unterschied spiegelte sich auch im zusätzlichen Aufenthalt auf der ICU wider (5,8 Tage
S. aureus bzw. 12,7 Tage
P. aeruginosa). Die verlängerte Krankenhausverweildauer resultierte in zusätzliche Krankenhausaufenthaltskosten in Höhe von durchschnittlich $ 113.127 (
S. aureus) bzw. $ 179.253 (
P. aeruginosa) (Kyaw et al.
2015). Adjustiert für Deutschland im Jahr 2016 belaufen sich die Kosten (Kostenjahr: 2012) umgerechnet auf 91.877 € bzw. 145.582 €.
Kosteneffektivität von Infektionskontrollprogrammen
Die vorgestellten ökonomischen Daten unterstreichen die klinische und ökonomische Notwendigkeit, auf unterschiedlichen Ebenen
nosokomialen Infektionen vorzubeugen. Dabei hat die Beschäftigung von gut ausgebildetem Hygienepersonal eine große Bedeutung. Die Surveillance von Krankenhausinfektionen ist ein wichtiger Faktor, um die Infektionsprophylaxe zu intensivieren und ist auch in § 23
Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgeschrieben. Außerdem ist die Entwicklung und Umsetzung von effektiven, wissenschaftlich begründeten Standards und Leitlinien zur Infektionskontrolle entscheidend. Beispiele sind die Händedesinfektion, die Impfung des medizinischen Personals, die Isolierung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten (meist als Teil eines Maßnahmenbündels), die Kontrolle der Antibiotikaanwendung, die Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten, Geräten und der Umgebung der Patienten sowie die Einführung und Aufrechterhaltung von geeigneten Systemen zur Funktion der Wasser- und Luftversorgungssysteme im Krankenhaus.
Wie viele andere komplexe Kontrollsysteme auch erfordern diese Maßnahmen jedoch tiefgreifende Veränderungen innerhalb der Infrastruktur eines Krankenhauses und verursachen dadurch zusätzliche Kosten. Aufgrund des hohen Kostendrucks ist es für derartige Infektionskontrollprogramme von großer Bedeutung, dass ihre Kosteneffektivität gegenüber den Krankenhausverwaltungen nachgewiesen werden kann. In der Vergangenheit wurde deshalb eine zunehmende Zahl gesundheitsökonomischer Untersuchungen durchgeführt.
Die möglichen Maßnahmen zur Prävention
nosokomialer Infektionen sind vielfältig und werden im Detail in den anderen Kapiteln dieses Buchs dargestellt. Im Folgenden wird für einige Optionen exemplarisch die Effizienz vorgestellt.
PCT-Spiegel-Überwachung
Die Überwachung des Procalcitonin-Spiegels (PCT-Spiegel) kann beim Monitoring
nosokomialer Infektionen und der Planung der Antibiotikatherapie eine wertvolle Hilfestellung leisten. Die zusätzlichen Laborkosten werden dabei durch reduzierte Arzneimittel- und ICU-Kosten kompensiert.
Basierend auf deutschen Kostendaten für Patienten mit
Sepsis konnten durch Anwendung eines PCT-Algorithmus sogar Einsparungen von knapp 5 % bei ICU-Patienten und 2 % bei sonstigen Patienten erzielt werden (Tab.
8). Pro ICU-Patient wurden die Kosten im Durchschnitt um 890 €, für Patienten auf sonstigen Stationen um 140 € reduziert.
Tab. 8
Einsparungen durch PCT-Monitoring
(Wilke et al.
2011b)
Anzahl | 1312 | 268 |
Durchschnittliche Krankenhausverweildauer (Tage) | 27,7 ± 25,7 | 17,5 ± 14,6 |
Durchschnittliche ICU-Verweildauer (Tage) | 8,8 ± 8,7 | 0 |
Kosten vor Anwendung des PCT-Algorithmus
| | |
Gesamtkosten | €24.700.000 | €1.667.000 |
ICU-Kosten | €12.788.000 | €0 |
Arzneimittelkosten | €2.205.000 | €266.499 |
Laborkosten | €2.140.000 | €110.000 |
Kosten nach Anwendung des PCT-Algorithmus
| | |
Gesamtkosten | €23.537.000 | €1.630.488 |
ICU-Kosten | €11.314.000 | €0 |
Arzneimittelkosten | €1.877.000 | €176.387 |
Laborkosten | €2.381.000 | €163.600 |
Einsparungen
|
−1.163.000
|
−36.512
|
MRSA-Screening
Die zunehmende Verbreitung von
MRSA (seit 2011 rückläufig) und anderen multiresistenten Infektionserregern (MRE) in deutschen Krankenhäusern erfordert wirksame Präventionsmaßnahmen, die in diesem Buch ausführlich beschrieben sind. Es stellt sich jedoch auch die Frage nach der Kosteneffektivität dieser Maßnahmen.
Das DIMDI hat sich in seinem Health-Technology-Assessment-Bericht (HTA) 100 dieser Fragestellung gewidmet. Von über 800 recherchierten ökonomischen Publikationen zog es 8 heran, die jedoch die Anforderungen an methodisch überzeugend angelegte Kosten-Nutzen-Analysen nur in sehr eingeschränkter Weise erfüllten und sich zudem auf 7 verschiedene Länder mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen und Kostenstrukturen bezogen. Die Autoren kamen daher zu dem Schluss, dass für Deutschland keine ausreichende Evidenz vorliegt, um ein abschließendes verbindliches Urteil zur Kosteneffektivität von einzelnen Maßnahmen oder -paketen fällen zu können (Korczak und Schöffmann
2010).
Somit können die vorliegenden internationalen Studien lediglich Anhaltspunkte zu den Kosten entsprechender Maßnahmen liefern.
So berechnete eine US-amerikanische Studie für ein 980-Betten-Krankenhaus, dass ein MRSA-Screening von Hochrisikopatienten kosteneffektiv ist, wenn dadurch die nosokomiale Keimübertragung auf 6 neue Patienten pro Jahr verhindert werden kann (Papia et al.
1999).
In einer Kostenmodellierung von Tübbicke et al.
2012 wurde festgestellt, dass ein allgemeines MRSA-Screening weit kostenintensiver ist als gezielte Screeningansätze. Außerdem konnte gezeigt werden, dass ein gezieltes Screening mit geringeren Kosten verbunden ist als der Verzicht auf ein Screening (Tubbicke et al.
2012).
Eine niederländische Studie untersuchte in einem Modell verschiedene Varianten einer Screen-and-Isolate-Strategie (S&I) und kam zu dem Schluss, dass ein S&I von früheren MRSA-Trägern sowie ein S&I von früheren MRSA-Trägern und ICU-Zugängen die kosteneffektivsten Maßnahmen mit der schnellsten Kapitalrentabilität sind (Gurieva et al.
2013).
Eine optimale therapeutische Versorgung ist dabei nicht zwangsläufig kostensparend, kann aber die Kriterien einer Kosteneffektivität erfüllen. In einer retrospektiven Kohortenstudie mit strengem Matching wurde die Kosteneffektivität einer Langzeitbehandlung einer
Staphylococcus-aureus-Bakteriämie untersucht und analysiert, ob infektiologische Konsile die Therapiedauer beeinflussen. Die zusätzlichen Kosten, die durch eine Langzeittherapie entstanden, um ein Leben zu retten, betrugen $ 500.000. Die Kosten für ein gerettetes Lebensjahr lagen bei $ 18.000. Patienten, bei denen infektiologische Konsile durchgeführt wurden, erhielten mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Langzeittherapie als die Kontrollen (Median 41 Tage vs. 15 Tage; p = 0,04) (Lundberg et al.
1998).
Schlauchwechsel
Bei Verwendung aktiver Atemgasanfeuchtungssysteme wie Kaskaden wurden früher Schlauchwechsel nicht öfter als alle 48 Stunden empfohlen. Mittlerweile existieren jedoch verschiedene Studien, in denen berichtet wird, dass das Risiko
nosokomialer Pneumonien nicht erhöht ist, wenn man anstelle des zweitägigen Wechsels die Schläuche für die gesamte Dauer der
Beatmung belässt.
So verglich eine Studie Pneumonieraten und Kosten eines 48-stündigen Wechsels und eines 7-Tage-Intervalls über je 6 Monate. Im logistischen Regressionsmodell fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Pneumonierisiken in den beiden Gruppen (
Odds Ratio 0,82; p = 0,22). In der sechsmonatigen Kontrollperiode fanden 3602 Wechsel des Beatmungssystems statt. Die Sachkosten hierfür beliefen sich auf $ 62.171 (je $ 17,26) und verursachten Arbeitskosten von $ 13.102 ($ 14,55/Stunde). Wenn die Systeme alle 7 Tage gewechselt worden wären, hätten 847 Wechsel stattgefunden mit Sachkosten von $ 14.619 und Personalkosten von $ 3081. In der Studienperiode entstanden Kosten von $ 13.584 + $ 2863. Bei einem 48-stündigen Wechsel hätten die Kosten $ 58.149 + $ 12.255 betragen (Hess et al.
1995).
Wechsel der Absaugsysteme
Nach Herstellerempfehlungen sollen geschlossene Absaugsysteme alle 24 Stunden gewechselt werden. Dabei wird angenommen, dass die
Bakterien sich an der Oberfläche der Absaugkatheter ansammeln, vermehren, bei einem erneuten Absaugen in die Lunge gelangen und so zur Entstehung einer
Pneumonie führen können. Andere Untersucher haben gezeigt, dass häufigere Manipulationen am Beatmungssystem die Entstehung von Pneumonien eher ungünstig beeinflussen. Deshalb untersuchte eine randomisierte kontrollierte Studie, ob der tägliche Wechsel der geschlossenen Absaugsysteme tatsächlich eine sinnvolle Empfehlung ist.
Bei 258 Patienten wurde kein routinemäßiger Wechsel der Absaugsysteme durchgeführt, in der Gruppe der anderen 263 Patienten erfolgte ein täglicher Wechsel. In beiden Gruppen erkrankten etwa 15 % der Patienten an einer nosokomialen
Pneumonie (relatives Risiko 0,99; 95 %, KI: 0,66–1,50). Auch hinsichtlich der Letalität an nosokomialer Pneumonie, der Mortalität insgesamt und der Verweildauer zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Eine erhebliche Differenz resultierte allerdings bei den Kosten. Während in der Gruppe der Patienten mit täglichem Wechsel der Absaugsysteme insgesamt 1224 Wechsel anfielen, die zu Kosten von $ 11.016 führten, waren es in der anderen Gruppe nur 93 Wechsel (bei sichtbarer Verschmutzung der Absaugkatheter oder mechanischer Behinderung), die nur Kosten von $ 837 erzeugten (Kollef et al.
1997).
Nadelstichverletzungen
Nadelstichverletzungen sind eine Hauptursache für die Übertragung von Viren wie Hepatitis-B-Viren, Hepatitis-C-Viren und
HIV. 40–80 % der Verletzungen entstehen beim sogenannten Recapping
der Kanüle.
In einem 1050-Betten-Krankenhaus wurde die Kosteneffektivität von Maßnahmen zur Prävention des Recappings von Spritzen untersucht (Fortbildung und Kauf sicherer Blutabnahmesysteme). Zwischen 1990 und 1997 reduzierte sich die Anzahl wiederverschlossener Kanülen von 10 % auf 2 %. 1990 kam es zu 127
Nadelstichverletzungen (12,7/100.000 Kanülen), 52 davon durch Wiederverschluss. 1997 waren es noch 62 (6,4/100.000), 22 davon durch Recapping. Die Kosten für Präventionsmaßnahmen beliefen sich auf $ 325.927 pro Jahr. Die Kosteneffektivität betrug damit $ 4000 pro verhinderter Verletzung (Roudot-Thoraval et al.
1999).
Leitlinien zur Antibiotikatherapie
Der Einsatz einer leitliniengerechten Therapie ist nicht nur in der Regel kosteneffektiv, sondern führt auch häufig zu Kostenreduktionen.
Dies konnte am Beispiel
nosokomialer Pneumonien gezeigt werden. Bei über 200 deutschen Patienten wurde überprüft, ob eine Übereinstimmung der Antibiotikatherapie mit gängigen deutschen Leitlinien vorliegt. Adäquat behandelte Patienten hatten einen kürzeren Krankenhausaufenthalt (23,9 Tage vs. 28,3 Tage; p = 0,022), wurden kürzer beatmet (175 h vs. 274 h; p = 0,001), verursachten geringere Kosten (28.033 € vs. 36.139 €), wiesen geringere ICU-Kosten auf (13.308 € vs. 18.666 €; p = 0,003), und auch die Arzneimittelkosten lagen niedriger, wenngleich nicht signifikant (4069 € vs. 4833 €) (Wilke et al.
2011a).
Händedesinfektion
Die wichtigste Einzelmaßnahme zur Infektionsprävention bleibt die Händedesinfektion.
Allerdings weist das
Robert Koch-Institut darauf hin, dass lediglich in etwas mehr als der Hälfte der Fälle, in denen eine hygienische Händedesinfektion erwartet wird, diese auch tatsächlich durchgeführt wird. Damit ist hier noch ein deutliches Verbesserungspotenzial gegeben (Geffers et al.
2002). Der Stellenwert der Händedesinfektion zur Prävention von nosokomialen Infekten wird ebenso durch die Kampagne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Clean care is safer care“ aus dem Jahr 2005 deutlich. In Deutschland wurde im Jahr 2008 die Kampagne „Aktion saubere Hände“ unter Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministeriums ins Leben gerufen, um die
Compliance der Händehygiene in der Praxis zu verbessern, die bis dahin mit lediglich 50 % insgesamt schlecht ausfiel. Eine erhöhte Compliance kann jedoch die Rate an
nosokomialen Infektionen um bis zu 40 % vermindern (Kampf et al.
2009). Dies unterstützen auch die Ergebnisse einer Studie am Universitätsklinikum in Genf (Schweiz). Hierbei führte eine Erhöhung der Compliance um 18 % im Zeitraum von 1994–1997 zu einer Reduktion von nosokomialen Infektionen von mehr als 40 % (Pittet et al.
2000).
Zur Kosteneffektivität entsprechender Programme liegen bisher keine Daten vor. Interessante Ergebnisse sind aus einer niederländischen Studie zu erwarten (Erasmus et al.
2011).
Zusammenfassung und Ausblick
Nosokomiale Infektionen sind häufige Komplikationen bei stationär behandelten Patienten. Sie führen nicht nur zu einer signifikanten Erhöhung der Morbidität und Letalität, sondern auch der Krankenhauskosten. Dies wird durch zahlreiche Krankheitskostenstudien belegt, die insbesondere aus den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren stammen.
Trotz der Schwankungsbreiten geben die Ergebnisse der Krankheitskostenstudien zu
nosokomialen Infektionen deutliche Hinweise auf die Bedeutung von gehäuft auftretenden Infektionen für ein Krankenhaus oder Gesundheitswesen.
In den letzten Jahren ist hingegen eine vermehrte Publikation von Untersuchungen zu verzeichnen, in denen die Effizienz von Maßnahmen zu Prävention und Management
nosokomialer Infektionen untersucht wird. Damit können grundsätzlich wertvolle Entscheidungshilfen für Krankenhäuser geliefert werden (Graves
2014).
Allerdings liegen nur wenige valide Analysen für ein deutsches Kostensetting und eine repräsentative Population vor. In solchen Fällen bietet sich die Anwendung einer einfachen „Daumenregel“ zur Bewertung der Kosteneffektivität an: Die Berechnung der Kosten pro „number needed to treat“. Diese ermöglicht es, ohne umständliche Berechnung oder Studium komplexer pharmakoökonomischer Modellierungen – allein auf Basis bekannter oder recherchierter klinischer Studien und dem Preis eines Verfahrens – einen Anhaltspunkt für das Preis-Nutzen-Verhältnis verschiedener möglicher Handlungsoptionen im Vergleich miteinander zu erhalten (Porzsolt et al.
2010).