Auf Basis der Trinkwasserverordnung besteht für Inhaber von Großanlagen der Trinkwasserinstallation nicht nur, aber im Besonderen in öffentlichen Gebäuden, wie Krankenhäusern, andere medizinische Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen, gegenüber dem Gesundheitsamt eine Anzeige- und jährliche Untersuchungspflicht
auf
Legionellen. Als „Großanlage zur Trinkwassererwärmung“ gilt eine mit einem Inhalt von mehr als 400 l oder einem Leitungsinhalt von mehr als 3 l zwischen Abgang des Trinkwassererwärmers und Entnahmestelle ohne Berücksichtigung des Inhalts von Zirkulationsleitungen.
Einschränkung der mikrobiellen Besiedlung des Wasserleitungssystems
Um einer zunehmenden mikrobiellen Besiedlung des Wasserleitungssystems vorzubeugen, ist es wichtig, Temperaturen in den Kaltwasserleitungen von unter 20 °C (Isolierung der Leitungsstränge) und in der Warmwasserzirkulation von über 55 °C einzuhalten. Dabei ist auch immer an den Schutz von insbesondere älteren Patienten vor Verbrühungen zu denken. Dazu können Thermostat-Mischventile möglichst nahe am Auslass eingesetzt werden. Wenn diese hohen Temperaturen nicht dauerhaft zu erreichen sind, können alternativ die Wasserentnahmestellen regelmäßig mit über 70 °C heißem Wasser durchgespült werden. Darüber hinaus sollte eine konstante Rezirkulation im Warmwassersystem gewährleistet sein und eine Stagnation vermieden werden. Auch in Kaltwasserleitungen können nach längeren Betriebspausen (z. B. bei Baumaßnahmen) erhebliche Bakterienkonzentrationen und Biofilme entstehen.
Siebstrahlregler an Wasserhähnen sollten vor allem in den Patientenbereichen durch weniger kontaminationsanfällige Lamellenstrahlregler ersetzt werden. Auf allen Intensivstationen und auf Stationen mit immunsupprimierten Patienten müssen Lamellenstrahlregler aufbereitet werden, um einer Biofilmbildung vorzubeugen. Im Bereich von Risikopatienten wird dies mindestens monatlich empfohlen.
Ein für alle Situationen und Leitungssysteme geeignetes, wirksames Verfahren zur Legionellen-Dekontamination
kann nicht angegeben werden. Wenn das Leitungswasser nachweislich Quelle von
nosokomialen Infektionen gewesen ist, besteht eine Möglichkeit im mindestens 5-minütigen Durchspülen mit über 70 °C heißem Wasser (gemessen am Wasseraustritt) oder im Hyperchlorieren mit 1–2 mg/l freiem Chlor. Dieses Wasser kann natürlich nicht als Trinkwasser verwendet werden. Krankenhausweit durchgeführt, sind solche Maßnahmen mit einem erheblichen Aufwand an Zeit, Personal und Kosten verbunden (Linde et al.
1995). Darüber hinaus können diese Maßnahmen mit einer erheblichen, verschleißenden Materialbeanspruchung der Wasserinstallationsanlage einhergehen, damit ist unter Umständen eine erhöhte Korrosion mit Undichtigkeiten verbunden. Daher ist vor dem Einsatz von Desinfektionsmaßnahmen immer die Verträglichkeit des Leitungsmaterials zu prüfen. Neben Verfahrenstechnischen Sofortmaßnahmen zur Desinfektion
, die oft nicht von Dauer sind, sollten auch betriebs- und bautechnische Maßnahmen in die Überlegungen einbezogen werden. Nach solchen Desinfektionsmaßnahmen sollte eine erhöhte Wassertemperatur (>55 °C) in der Zirkulation beibehalten werden. Zum Einsatz von Ozonierung
, Verwendung von Chlordioxid
oder Monochloramin
, Kupfer-Silber-Ionisation
und UV-Bestrahlung
im Wasserleitungssystem gibt es keine einhelligen Empfehlungen und derzeit keine abschließende wissenschaftliche Klärung (CDC
2003; Scherrer
2011; Kap.
Technische Hygiene). Dagegen wird in einer Übersicht aus der bekannten Gruppe von Victor Yu zu Wirksamkeit, Datenlage und Kosten der verschiedenen Desinfektionsverfahren die Kupfer-Silber-Ionisation befürwortet (Lin et al.
2011). Allerdings ist
Silber für die Desinfektion von Trinkwasserleitungssystemen nach der Trinkwasserverordnung nicht zugelassen. Kleinere Bereiche können auch mit bakteriendichten
Filtern oder dezentralen Durchlauferhitzern ausgestattet werden. Diese endständigen Filter reduzieren auch das Infektionsrisiko anderer Wasserkeime wie
P. aeruginosa (Trautmann et al.
2008; Vianelli et al.
2006).
Trinkwasserbakterienfilter
müssen allerdings nach Herstellerangaben in regelmäßigen Abständen gewechselt und – bei Mehrwegprodukten – aufbereitet werden, was eine Kontrolle der
Filter auf Bakteriendichtigkeit einschließt.
Personal und Patienten sollten auch auf die Gefahr einer retrograden Verkeimung nach Berühren vom Filterauslass hingewiesen werden. Nach heutigem Wissenstand gibt es keine praktikable Desinfektions- oder Sanierungsmethode, die in der Lage ist, nosokomiale Legionellosen vollständig zu verhindern. Zum einen ist es nahezu unmöglich, in einem ausgedehnten Leitungssystem dauerhaft jede Stelle in gleicher Weise effektiv zu erreichen. Zum anderen können bei Hochrisikopatienten bereits sehr niedrige Legionellen-Konzentrationen zu Infektionen führen.
Allgemeine Hygienemaßnahmen
Neben den unmittelbar das Trinkwasser betreffenden Maßnahmen sind gerade auch in Bezug auf Infektionen mit den Non-Fermentern die Standardmaßnahmen der Händedesinfektion und des Gebrauchs von Handschuhen (Kap.
Basishygienemaßnahmen im Krankenhaus), die Aufbereitung von medizinischen Geräten, gegebenenfalls
Isolierungsmaßnahmen von Patienten sowie die empirische Antibiotikatherapie bedeutsam. Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf die Empfehlung der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention für den Umgang mit multiresistenten gramnegativen
Bakterien, wie
P. aeruginosa oder
A. baumannii mit 3 oder 4 Resistenzen gegenüber Acylureidopenicillinen, Cephalosporinen der dritten und vierten Generation, Carbapenemen und Fluorchinolonen hingewiesen, die besonders in Risikobereichen über die Standardhygiene hinausgehende Maßnahmen zum Isolieren der Patienten umfassen (KRINKO
2012). Für prophylaktische Isolierungsmaßnahmen und gezieltes Screening ist die Epidemiologie dieser beiden
multiresistenten Erreger wichtig, die oft mit Kontakten zu (Weiß-)Russland einschließlich Kasachstan, Südosteuropa, der gesamten Nahostregion und Asien assoziiert ist.
Sanitärarmaturen, wie Siebstrahlregler oder besser Lamellenstrahlregler, Brauseköpfe und Kunststoffschläuche müssen regelmäßig gereinigt werden, da auf ihren Oberflächen schnell Biofilme mit hohen Bakterienkonzentrationen entstehen können. Aerosolquellen wie Zierbrunnen sollten in der Patientenumgebung vermieden werden bzw. eine adäquate Behandlung mit Bioziden sichergestellt sein (CDC
2003).
Bei immunsupprimierten Patienten gibt es weiterreichende Empfehlungen zu Anforderungen an die Wasserversorgung
(KRINKO
2010). Für Saftzubereitungen von Medikamenten und Inhalationslösungen dürfen nur sterile oder sterilfiltrierte Flüssigkeiten verwendet werden. Tee und Kaffee sollten nur mit sprudelnd kochendem Wasser aufgebrüht werden. Wasser aus Trinkbrunnen und Mineralwässer sollten regelmäßig mikrobiologisch kontrolliert werden.
Orale Stimulation oder ähnliche Maßnahmen im Hals-Rachen-Bereich dürfen nur mit sterilen Flüssigkeiten vorgenommen werden. Bei allen Patienten gilt, dass unbehandeltes Leitungswasser nicht in die Nähe der Eintrittsstellen von intravasalen Kathetern, (OP-)Wunden oder Drainagen gelangen darf.
Bei balneologischen Therapien, z. B. kinästhetischen Behandlungen, muss immer an die Möglichkeit einer oralen Aufnahme von
Legionellen gedacht werden (Kap. Krankenhausküchen: Hygienische Maßnahmen). Im monatlich zu untersuchenden Beckenwasser sollen nach DIN 19643 (2012) 0 KBE an Legionellen und
P. aeruginosa in 100 ml nachweisbar sein. Bei Patienten mit Schluckstörungen oder anderen Risikofaktoren für eine Aspiration sollten solche Therapien nur unter einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung eingesetzt werden. Wasserführende Geräte müssen mit sterilem Wasser gefüllt werden. Inhalations- und Beatmungszubehör muss zuverlässig, d. h. möglichst thermisch, desinfiziert werden. Für die Wundreinigung und die Inhalation darf kein Leitungswasser verwendet werden.
Präventionsmaßnahmen schließen im Krankenhaus auch verschiedene Instrumente und Geräte ein. Bei der Aufbereitung von Endoskopen und Bronchoskopen muss das Wasser zum Spülen nach der Desinfektion steril sein. Sollte das nicht zuverlässig gewährleistet sein, können die Kanäle mit beispielsweise 70 %
Ethanol nachgespült und getrocknet werden, um eine Vermehrung von
Bakterien oder das Entstehen von Biofilmen in der verbliebenen Feuchtigkeit zu verhindern (Kap. Endoskopie: Hygienische Maßnahmen). Auch die wasser- und luftführenden Teile zahnärztlichen Instrumentariums sollten, soweit sie in der Mundhöhle verwendet werden, nach jedem Patienten für 20–30 s freigespült werden (Kap. Zahnmedizin: Hygienische Maßnahmen).
Bei der Neueinrichtung und dem Betrieb von Kühltürmen
(Synonyme: Rückkühlwerk
, Verdunstungskühlanlage
) ist darauf zu achten, dass die Dampfschwaden nicht in die Zuluft und Außenluftansaugung von RLT-Anlagen ziehen können, die Patientenbereiche versorgen. Dem Kühlturmwasser muss ein Biozid zugesetzt werden. Zu den notwendigen Kontrollen und Pflichten bei der Errichtung und Betrieb von Verdunstungskühlanlagen s. auch Kap.
Technische Hygiene.
Allgemeine Legionellen-Prävention
Zur Prävention von Legionellen-Erkrankungen im Speziellen unterscheidet man Abteilungen mit Risiko- oder stark immunkompromittierten Patienten von solchen in
Normalbereichen. Bei letzteren ist oft ein großes Informationsdefizit über Risiko und Prävention von Legionellosen zu beheben und immer wieder auf die Besonderheiten und Möglichkeiten der mikrobiologischen Legionellen-Diagnostik hinzuweisen.
Die häufigsten Situationen werden in der Regel das Auftreten eines (scheinbar) einzelnen Legionellose-Falls sein. Nach der zu erfolgenden Labormeldung an das zuständige Gesundheitsamt ist hier aktiv sowohl nach weiteren Erkrankungsfällen wie auch möglichen Umgebungsquellen zu suchen. Hier empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
1.
Zuerst sollte die Diagnosestellung durch Laborbefunde (kultureller Nachweis,
Antigen im
Urin, direkte Immunfluoreszenz oder PCR) bestätigt sein.
2.
Dann sollte die Krankengeschichte in den letzten 2 Wochen vor Erkrankungsbeginn erhoben werden. Lag die erkrankte Person bereits vorher mindestens 10 Tage im Krankenhaus, ist aufgrund der üblichen Inkubationszeit von einer nosokomialen Infektion auszugehen, bei einer kürzeren Verweildauer von mindestens 1 Tag eine möglicherweise nosokomiale Infektion in Betracht zu ziehen (Lee und Joseph
2002).
3.
Bei jedem angenommenen oder bestätigten Fall einer Legionellose sollte nach weiteren, früher möglicherweise nicht erkannten Fällen und Hinweisen auf Legionellosen bei
Pneumonien unklarer Ursache insbesondere bei immunkompromittierten Patienten gesucht werden wie auch prospektiv mindestens für ein Vierteljahr eine systematische Erfassung nosokomialer Legionellosen durchgeführt werden.
4.
Außerdem sollte die Kontamination möglicher Umgebungsquellen mit
Legionellen untersucht werden. Dazu eignen sich am besten Wasserproben und ggf.
Abstriche der Innenseite des Strahlreglers. Bei aufgetretenen Fällen nosokomialer Legionellosen sind auch Keimkonzentrationen unter den empfohlenen Richtwerten von Bedeutung.
Bei Hinweisen auf fortdauernde Übertragungsereignisse im Krankenhaus sind Umgebungsuntersuchungen zur Identifikation oder auch zum Ausschluss potenzieller Ansteckungsquellen notwendig. Dabei wird Wasser von all den Stellen untersucht, mit dem der Patient direkt oder als Aerosol in Kontakt gekommen ist. Eine Assoziation der Isolate aus dieser Umgebungsuntersuchung mit den Patientenisolaten kann durch Typisierungen belegt oder auch widerlegt werden. Dazu existieren mittlerweile gründlich evaluierte Methoden, die PCR-basierend auch von vielen Krankenhauslaboratorien durchgeführt werden können (
http://www.hpa.org.uk/cfi/bioinformatics/dbases.htm#EWGLI). Weiterhin können Typisierungen von entsprechend ausgewiesenen Institutionen, Referenz- oder Konsiliarlaboratorien durchgeführt werden (Konsiliarlabor für
Legionellen, 01307 Dresden). Bei der Untersuchung entsprechender Proben sollte auch berücksichtigt werden, dass in einer Wasserprobe durchaus mehrere Legionellen-Stämme gleichzeitig vorkommen können, was den Nachweis des eigentlichen, die Infektion verursachenden Stammes aufwendiger gestaltet. Kann auf diese Weise die Infektionsquelle sicher ausfindig gemacht werden, müssen sofort Maßnahmen zur Dekontamination bzw. Prävention eingeleitet werden. Sind hier bei 2-wöchentlichen Kontrollen in den nächsten 3 Monaten weiterhin Legionellen in mehr als einer Kultur nachweisbar, sollte die sachgemäße Durchführung der Maßnahmen überprüft und gegebenenfalls verändert werden (CDC
2003).
Bei Legionellen-Infektionen ohne den Nachweis einer Umgebungsquelle sollte zumindest für das nächste Vierteljahr aktiv nach weiteren Erkrankungsfällen gesucht werden. Spezielle Dekontaminationsmaßnahmen können vorerst aufgeschoben oder auf den unmittelbar betroffenen Bereich begrenzt werden. Der Wert routinemäßiger Umgebungsuntersuchungen auf
Legionellen außerhalb der Krankenhausbereiche für Risikopatienten ist umstritten und bis jetzt nicht klar belegt (CDC
2003).
Legionellen-Prävention bei immunkompromittierten Patienten
Zur Prävention bei immunkompromittierten Patienten kann dagegen eine solche routinemäßige Umgebungsuntersuchung angebracht sein, wenngleich es zu Untersuchungsumfang und -intervall keine belegten Daten gibt (Centers for Disease Control und Prevention et al.
2000). In den Empfehlungen des Umweltbundesamts wird in Krankenhäusern sowie in anderen medizinischen und Pflegeeinrichtungen zwischen
Normalbereichen und Hochrisikobereichen unterschieden (Anonymous
2005b). Hier gilt bei einem halbjährlichen Untersuchungsintervall ein wesentlich niedrigerer Zielwert an Legionellen-Konzentrationen von 0 KBE pro 100 ml, bei dessen Überschreiten in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt unverzüglich weitergehende Untersuchungen und Maßnahmen erfolgen sollen, wie Nutzungseinschränkung oder endständige Filtration. Auch ohne bekannte Legionellen-Kontamination des Leitungswassers sollte bei solchen Patienten immer im Falle einer
Pneumonie an
Legionellen gedacht werden. Duschköpfe und Lamellenstrahlregler sollten monatlich gereinigt und desinfiziert werden. Bei Nachweis von Legionellen im Wasser darf dies nicht mehr zur Patientenpflege verwendet werden. Immunkompromittierte Patienten sollten hier nicht mehr duschen bzw. es sollten
Filter angebracht werden. Zur Körperpflege vor allem im Kopfbereich darf nur Legionellen-freies Wasser verwendet werden. Zum Zähneputzen, Trinken oder Durchspülen von Magensonden ist nur steriles Wasser zu gebrauchen. Pflegetees müssen mit kochendem Wasser aufgebrüht werden. Luftbefeuchter werden nur mit sterilem Wasser befüllt.