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Praktische Schmerzmedizin
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Publiziert am: 27.10.2014

Elektrophysiologische Messverfahren in der Schmerzmedizin

Verfasst von: Rolf-Detlef Treede
Elektrophysiologische Messverfahren liefern objektive Befunde zur Funktion des somatosensorischen Systems. Mittels Elektroneurogramms (ENG) und somatosensorisch evozierter Potenziale (SEP) können die somatosensorischen Bahnen in ihrer gesamten Länge vom peripheren Nerv bis zum somatosensorischen Kortex auf Funktionsfähigkeit geprüft werden. Der Nachweis von solchen Funktionsdefiziten ist insbesondere in der Diagnostik neuropathischer Schmerzen relevant. ENG und SEP erfassen nur die dicken myelinisierten Afferenzen und die Hinterstrangbahnen. Somit fehlt diesen Verfahren die Sensitivität für Veränderungen der Funktion der dünnen nozizeptiven Afferenzen und des spinothalamischen Traktes (bei dissoziierter Sensibilitätsstörung). Diese Lücke wird durch Laser-evozierte Potenziale (LEP) geschlossen. LEP sind für die Funktionsprüfung peripherer und zentraler nozizeptiver Bahnen sensitiv und für zahlreiche neurologische Krankheitsbilder validiert; aufgrund hoher Gerätekosten steht das Verfahren noch nicht überall zur Verfügung.

Zum Einstieg

Elektrophysiologische Messverfahren liefern objektive Befunde zur Funktion des somatosensorischen Systems. Mittels Elektroneurogramms (ENG) und somatosensorisch evozierter Potenziale (SEP) können die somatosensorischen Bahnen in ihrer gesamten Länge vom peripheren Nerv bis zum somatosensorischen Kortex auf Funktionsfähigkeit geprüft werden. Der Nachweis von solchen Funktionsdefiziten ist insbesondere in der Diagnostik neuropathischer Schmerzen relevant. ENG und SEP erfassen nur die dicken myelinisierten Afferenzen und die Hinterstrangbahnen. Somit fehlt diesen Verfahren die Sensitivität für Veränderungen der Funktion der dünnen nozizeptiven Afferenzen und des spinothalamischen Traktes (bei dissoziierter Sensibilitätsstörung). Diese Lücke wird durch Laser-evozierte Potenziale (LEP) geschlossen. LEP sind für die Funktionsprüfung peripherer und zentraler nozizeptiver Bahnen sensitiv und für zahlreiche neurologische Krankheitsbilder validiert; aufgrund hoher Gerätekosten steht das Verfahren noch nicht überall zur Verfügung.
Mittels Elektromyographie (EMG) kann das räumliche Muster einer peripheren Denervation detaillierter erfasst werden als mit ENG oder SEP. Daher dient die Motorik bei peripheren Läsionen oft als Surrogatparameter für die Somatosensorik. Unter den nozizeptiven Reflexen ist insbesondere der Blinkreflex klinisch relevant, da dessen Komponente R2 die Prüfung der zentralen Trigeminusbahn erlaubt. Bei den invasiven diagnostischen Verfahren ersetzt die Hautbiopsie die traditionelle Nervenbiopsie, weil dabei die Innervationsdichte nozizeptiver Afferenzen in der Epidermis beurteilt wird. Die nozizeptive Innervationsdichte kann auch über die Größe der neurogenen Vasodilatation nach intradermaler Applikation von Histamin abgeschätzt werden. Die funktionelle Bildgebung spielt aufgrund ihrer mangelnden Sensitivität für den Einzelfall in der praktischen Schmerztherapie noch keine Rolle.

Bedeutung der elektrophysiologischen Messverfahren für die praktische Schmerztherapie

Die Prüfung der Somatosensorik ist Teil jeder neurologischen Untersuchung. Hierbei werden sowohl Negativzeichen („Minussymptome“: Sensibilitätsausfall) als auch Positivzeichen („Plussymptome“: Hyperalgesie und Allodynie) erhoben sowie Lage und Ausdehnung des betroffenen Areals bestimmt (Kap. Somatische Schmerzdiagnostik, Abschn. Neurologische Untersuchung). Das somatosensorische System besteht aus 2 funktionell und anatomisch separaten Bahnsystemen (Abb. 1).
Wegen der Zweiteilung der somatosensorischen Bahnen sollten immer mindestens eine der lemniskalen Funktionen (Propriozeption, Tastsinn) und eine der spinothalamischen Funktionen (Temperatursinn, Nozizeption) erfasst werden.
Klinische Sensibilitätsprüfung und quantitative sensorische Testung (QST) erfordern die aktive Mitarbeit des Patienten und beruhen auf dessen subjektiven Angaben. Elektrophysiologische Messverfahren liefern im Gegensatz hierzu objektive Befunde und dienen daher der Objektivierung und Quantifizierung des klinischen Befunds (Cruccu et al. 2008).
Vielfach haben elektrophysiologische Verfahren eine höhere Sensitivität als die klinische Untersuchung und können pathologische Werte für klinisch unauffällige Hautareale liefern (subklinische Befunde).
Die klinisch übliche elektrophysiologische Diagnostik mit Nervenleitungsgeschwindigkeit (NLG) und somatosensorisch evozierten Potenzialen (SEP) benutzt elektrische Reize, mit denen aufgrund der Abhängigkeit der Erregbarkeit von der Faserdicke im Wesentlichen nur Aβ-Fasern aktiviert werden können. Diese Verfahren sind daher auf die Funktionsprüfung des Tastsinns und der Propriozeption eingeschränkt.
Um Störungen des Schmerz- oder Temperatursinns zu entdecken, müssen entsprechende adäquate Testreize eingesetzt werden (z. B. Laserhitzereize). Dieser Aspekt wird in der Praxis gelegentlich übersehen.
Die im klinischen Alltag üblicherweise erhältlichen Standardbefunde aus der klinischen Neurophysiologie können das Vorhandensein einer peripheren Neuropathie oder Läsion der somatosensorischen Bahnen im ZNS belegen. Dies ist insbesondere in der Diagnostik neuropathischer Schmerzen hilfreich (Cruccu et al. 2010). Umgekehrt können Normalbefunde aus diesen Standardverfahren niemals eine Neuropathie oder ZNS-Läsion ganz ausschließen, da mehr als die Hälfte des somatosensorischen Systems dadurch nicht erfasst wird (dünne Afferenzen, Tractus spinothalamicus). Um diesen für die Entstehung chronischer Schmerzen wichtigeren Teil des somatosensorischen Systems elektrophysiologisch zu prüfen, sind Spezialuntersuchungen erforderlich (s. unten). Wo diese nicht verfügbar sind, kann eine quantitative sensorische Testung (QST) mit thermischen Reizen weiterhelfen, auch wenn diese keine objektiven Befunde liefert (Kap. Quantitative sensorische Testung (QST)).

Erregungsleitungsgeschwindigkeit und somatosensorisch evozierte Potenziale

Die Bestimmung der motorischen und sensiblen Nervenleitungsgeschwindigkeit (NLG) zeigt unter den Maßen für die Funktion peripherer Nerven die höchste Reliabilität, Genauigkeit und Sensitivität und gilt daher als Goldstandard (Perkins u. Bril 2003). Diese klinisch-neurophysiologischen Verfahren sind indiziert zum Ausschluss anderer Diagnosen, zur Bestimmung des Schweregrads und für Verlaufskontrollen.
Die diagnostische Aussagekraft der NLG ist dadurch eingeschränkt, dass die Funktionen dünner Nervenfasern nicht erfasst werden. Hierzu gehören nozizeptive und thermorezeptive Aδ- und C-Fasern sowie C-Fasern des autonomen Nervensystems. Diese Lücke kann durch andere objektive Funktionstests geschlossen werden (Baron u. Saguer 1993, Schüller et al. 2000, Spiegel et al. 2000), die jedoch noch nicht allgemein verfügbar sind: Laser-evozierte Potenziale (nozizeptive Aδ-Fasern), Axonreflexerythem nach Histamin (nozizeptive C-Fasern), Hautvasokonstriktion nach tiefer Inspiration (Sympathikus) und Herzfrequenzvariabilität (kardialer Parasympathikus).
Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP ) erweitern die klinisch-neurophysiologische Diagnostik in Richtung auf zentrale Bahnen (Nuwer et al. 1994). In einer Standardmontage mit 4 Kanälen werden subkortikale SEP-Komponenten und frühe kortikale SEP-Komponenten erfasst (Abb. 2). Subkortikale SEPs beinhalten Signale aus dem Plexus brachialis (N9, Erb-Punkt), aus dem Hinterhorn (N13, Dornfortsatz HWK5 vs. Kehlkopf) und aus den Hinterstrangkernen (P14, Fz vs. Dornfortsatz HWK2). Die frühe kortikale SEP-Komponente N20 entsteht im primären somatosensorischen Kortex im Brodmann-Areal 3b. Wegen der selektiven Aktivierung der Aβ-Fasern durch die elektrischen Reize sind auch die SEPs auf die Funktionsprüfung des lemniskalen Systems beschränkt (Cruccu et al. 2010).
Da NLG und SEP nur einen Teil des somatosensorischen Systems prüfen, belegen pathologische Befunde zwar das Vorhandensein einer Läsion der somatosensorischen Bahnen, Normalbefunde schließen eine solche Läsion jedoch nicht aus. Die spinale Komponente N13 ist möglicherweise eine Ausnahme von dieser Regel, da sie außerhalb der lemniskalen Bahnen im Hinterhorn generiert wird, vermutlich in den konvergenten Neuronen der Lamina V. Bei Hinterhornläsionen durch Syringomyelie ist nur diese SEP-Komponente selektiv ausgefallen; P14 und N20 sind normal (Urasaki et al. 1990). Im deutschen Sprachraum hat diese SEP-Komponente bisher wenig Beachtung gefunden, da die Nackenableitung von HWK5 meist gegen eine Referenzelektrode am Kopf erfolgt, wodurch die spinale Komponente durch Hirnstammsignale überlagert sein kann.

Laser-evozierte Potenziale

Mit Infrarot-Laserreizen werden die nozizeptiven Afferenzen in der Haut selektiv aktiviert (Bromm et al. 1984). Diese ultraschnellen Hitzereize lösen laserevozierte Potenziale (LEP) aus, die um den Vertex herum und an temporalen Elektrodenpositionen abgeleitet werden (Abb. 3). Die frühe Komponente (N1) entsteht im operkuloinsulären Kortex in der Nähe des sekundären somatosensorischen Kortex (Peyron et al. 2002). Aufgrund ihrer geringen Amplitude ist sie zur Objektivierung von Sensibilitätsstörungen nicht geeignet (Cruccu et al. 2008).
Die späte LEP-Komponente N2-P2 geht auf simultane Aktivität multipler Hirnareale zurück, darunter auch der mittlere Gyrus cinguli (Tarkka u. Treede 1993). Diese LEP-Komponente ist sensitiv für die Verminderungen der Schmerzsensibilität bei peripheren Neuropathien, spinalen Läsionen, Infarkten im unteren Hirnstamm und im Kortex (Bromm u. Lorenz 1998, Dotson 1997, Treede et al. 2003). Bei multipler Sklerose sind LEPs sensitiver zur Aufdeckung eines nozizeptiven Defizits als die klinische Sensibilitätsprüfung. Bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen können die LEPs reduziert sein und reflektieren somit das sensible Defizit, nicht den Spontanschmerz (García-Larrea et al. 2002). Verminderte Schmerzsensibilität bei psychiatrischen Erkrankungen (Konversionsneurose, Borderline-Persönlichkeitsstörung) ist nicht mit veränderten LEPs verbunden (Treede et al. 2003).
Eine große Zahl von Studien hat gezeigt, dass LEPs ein nozizeptives Defizit verlässlich objektivieren können (Cruccu et al. 2010). Gesteigerte Schmerzempfindlichkeit zeigt sich damit weniger gut. Bei Patienten mit Migräne ist im anfallfreien Intervall die Habituation bei wiederholter Reizung vermindert (Valeriani et al. 2003). Bei Fibromyalgie fanden mehrere Studien eine Steigerung der LEP-Amplitude (Gibson et al. 1994, Lorenz et al. 1996). Diese Veränderungen sind jedoch diskret und nur im Gruppenvergleich nachweisbar.
In der praktischen Schmerztherapie liegt der Einsatzbereich der LEPs daher beim Nachweis von Minuszeichen der Nozizeption (Hypalgesie), während die Positivzeichen eher durch QST erfasst werden. Dem breiten klinischen Einsatz der LEPs steht derzeit noch der hohe Preis der Laserreizgeräte im Weg. Alternative Verfahren befinden sich in der Entwicklung (Baumgärtner et al. 2012).

Elektroenzephalographie (EEG)

Schmerzhafte Reize führen zur Blockade des α-Rhythmus im EEG, zu einer Aktivierung im β1-Frequenzband und zu γ-Band-Oszillationen (Babiloni et al. 2003, Backonja et al. 1991, Zhang et al. 2012). Derartige Veränderungen waren bisher nur im Gruppenvergleich nachweisbar. Der objektive Nachweis von spontanen Schmerzen mittels EEG-Messungen ist im Einzelfall daher nicht möglich.

Mikroneurographie

Die Spontanaktivität und die Reizantworten nozizeptiver C-Fasern können mittels feiner Nadelelektroden in peripheren Nerven abgeleitet werden (Torebjörk 1993). Diese Daten liefern wertvolle Informationen über die Mechanismen des Spontanschmerzes und der Hyperalgesie beim neuropathischen Schmerz (Dotson 1997, Kleggetveit et al. 2012).
Die Mikroneurographie erfordert einen erfahrenen Untersucher und ist sehr zeitaufwendig für den Patienten. Da sie außerdem je Einzelfall nur wenige Daten liefert, ist sie für die klinische Praxis nicht geeignet.

Elektromyographie und Reflexe

Die Elektromyographie (EMG) ist hervorragend geeignet, die Ausfallmuster im Bereich von peripheren Nerven, Plexus und Wurzeln anhand des Surrogatparameters der motorischen Denervierung zu charakterisieren. Positive Befunde liefern präzise Daten für die neurologische Topodiagnostik. Negative Befunde reichen nicht für die Ausschlussdiagnostik, da die sensiblen Funktionen und insbesondere die Funktion der nozizeptiven Afferenzen durch das EMG nicht erfasst werden.
In experimentellen Studien dienen Fluchtreflexe der Objektivierung der spinalen Signalverarbeitung bei verminderter oder gesteigerter Schmerzempfindlichkeit (Grönroos u. Pertovaara 1993, Willer 1985). Der Fluchtreflex ist jedoch kein reiner nozizeptiver Reflex, denn er kann sowohl durch taktile Afferenzen (RII) als auch durch nozizeptive Afferenzen (RIII) ausgelöst werden, die beide zu den sog. Flexorreflexafferenzen gehören (Schomburg 1997). Die Reflexmuster des Fluchtreflexes spielen auch bei der Erzeugung des motorischen Kommandosignals für das Laufen eine Rolle und werden dementsprechend im Verlauf des Schrittzyklus moduliert (Duysens et al. 1990). Erfahrungen mit dem Einsatz des RIII-Reflexes bei Patienten fehlen fast völlig (Cruccu et al. 2010), was möglicherweise auch durch die hohe Variabilität der Reflexantworten bedingt ist.
Unter den Hirnstammreflexen spielt der Blinkreflex eine gewisse Rolle für die Prüfung der zentralen trigeminalen Bahnen bei Patienten mit neuropathischem Schmerz (Cruccu et al. 2010). Der Blinkreflex ist ein trigeminofazialer Reflex, der durch elektrische Reizung des N. supraorbitalis ausgelöst wird. Die Ableitung erfolgt mit Oberflächenelektroden über dem M. orbicularis oculi (Hopf et al. 1991). Die Reizantwort besteht aus einer ipsilateralen frühen Antwort (R1, durch Interneurone im Nucleus principalis verschaltet) und einer bilateralen späten Antwort (R2 und R2c, durch Interneurone im kaudalen Anteil des spinalen Trigeminuskerns verschaltet).
Ausfall der R2 und R2c bei erhaltener R1 spricht für eine Läsion des deszendierenden trigeminalen Trakts oder des spinalen Kerns auf der gereizten Seite. Dieses Befundmuster findet man bei Patienten mit neuropathischem Schmerz nach einem Infarkt in der dorsolateralen Medulla oblongata (Wallenberg-Syndrom), während Patienten ohne Schmerzen nach dieser Läsion eine normale R2/R2c zeigen (Fitzek et al. 2001). Ausfall der R1, R2 und R2c spricht für eine periphere Trigeminusläsion, z. B. bei symptomatischer Trigeminusneuralgie. Bei idiopathischer Trigeminusneuralgie ist der Blinkreflex normal.
Autonome Reflex e halten zunehmend Einzug in die klinisch-neurophysiologischen Labors. Da alle postganglionären autonomen Nervenfasern unmyelinisiert sind, kann die Funktionsprüfung dieser efferenten C-Fasern als Surrogatparameter für die afferenten C-Fasern dienen. Oft sind jedoch die drei Fasersysteme (afferent, sympathisch, parasympathisch) unabhängig voneinander betroffen (Schüller et al. 2000). Die Herzfrequenzvariabilität in Ruhe ist ein einfacher Funktionstest für den Parasympathikus. Die Bestimmung der Vasokonstriktion nach tiefer Inspiration mittels Laser-Doppler-Messung ist ein einfacher Funktionstest für den Sympathikus. Statische Temperaturdifferenzen haben sich nicht als sensitiver Sympathikustest erwiesen; hierfür sind Provokationstests wie z. B. Ganzkörperkühlung erforderlich (Birklein et al. 1998, Wasner et al. 2002). Dem breiten klinischen Einsatz steht derzeit noch die mangelnde Standardisierung der autonomen Reflextests im Weg (Perkins u. Bril 2003).

Vergleich mit anderen Messverfahren für nozizeptive Funktionen

Der praktisch-klinische Wert der elektrophysiologischen Messverfahren ist zu den zur Verfügung stehenden alternativen Verfahren in Beziehung zu setzen. Quantitative sensorische Testung erfasst sämtliche Submodalitäten der Somatosensorik, ist aber wegen der Abhängigkeit von der Mitarbeit des Patienten kein objektives Verfahren (Kap. Quantitaive sensorische Testung (QST)). Funktionelle Bildgebung kann eine veränderte nozizeptive Signalverarbeitung im Gehirn objektivieren. Die Ergebnisse der Gruppenvergleiche in den publizierten Studien lassen sich aber nicht auf den Einzelfall in der klinischen Praxis übertragen, da die Aktivierungsparadigmen nicht bei allen gesunden Probanden zu einem messbaren Signal führen. Nervenbiopsien dienen der ätiologischen Abklärung peripherer Neuropathien. Ohne elektronenmikroskopische Auswertung, die nicht zum Standard gehört, liefern sie keine Aussage über eventuelle Verluste unmyelinisierter Nervenfasern.
Für die Diagnostik bei Patienten mit neuropathischem Schmerz werden statt der Nervenbiopsien inzwischen Hautbiopsien empfohlen (Abb. 4), da sie weniger invasiv und für dünne Nervenfasern sensitiver sind als die Nervenbiopsien (Cruccu et al. 2010). Anfärbung mit einem für Neurone spezifischen Marker erlaubt die Bestimmung der intraepidermalen Nervenfaserdichte, die eng mit der Schmerzsensibilität korreliert ist (Ebenezer et al. 2007). Dieser Labortest gewinnt in der Diagnostik peripherer Nervenläsionen zunehmend an Bedeutung.
Die Bestimmung der Größe der neurogenen Vasodilatation nach Iontophorese oder intradermaler Injektion von Histamin ist ein weiterer Test für die periphere Nozizeptorfunktion (Abb. 5).

Fazit

Zusammenfassend ergibt sich für die Objektivierung der möglichen Befunde aus der klinischen Sensibilitätsprüfung folgendes Bild (Tab. 1):
Tab. 1
Indikationen für Labortests zu Funktionen der Somatosensorik
Läsionsort
Lemniskale Funktionen
Spinothalamische Funktionen
Peripherer Nerv
SEP, ENG, [EMG]a
LEP, Hautbiopsie, Histaminerythem
Spinale Wurzel
SEP, [EMG]a
LEP
Rückenmark
SEP
LEP
Hirnstamm
SEP
LEP, Blinkreflex (R2)
Kortex
SEP
LEP
SEP somatosensorisch evoziertes Potenzial, ENG Elektroneurogramm, LEP Laser-evoziertes Potenzial.
aElektromyographie (EMG) prüft efferente Fasern anstelle von afferenten Fasern; aufgrund der exzellenten räumlichen Auflösung des EMG ist dies oft ein nützlicher Surrogatparameter für die Differenzialdiagnose des Läsionsorts.
1.
Eine taktile Hypästhesie kann nichtinvasiv durch NLG und SEP, invasiv durch Nervenbiopsie objektiviert werden.
 
2.
Für die Thermhypästhesie ist kein Verfahren zur Objektivierung etabliert.
 
3.
Eine Hypalgesie kann reliabel und sensitiv durch LEPs objektiviert werden, im Gesicht auch durch den Blinkreflex (nichtinvasive Verfahren). Bei peripheren Läsionen kann eine minimalinvasive Objektivierung durch histamininduziertes Erythem („flare“) und durch Hautbiopsie erfolgen.
 
4.
Hyperalgesie und Allodynie können in einigen Fällen durch LEP oder Hautbiopsie objektiviert werden. Eine objektive Ausschlussdiagnostik ist mit verfügbaren Verfahren nicht möglich.
 
5.
EMG (Aβ-Fasern) und autonome Reflexe (C-Fasern) erfassen die Funktionen efferenter Nervenfasern. Sie können indirekt als Surrogatparameter für die afferenten Fasern interpretiert werden, wenn man annimmt, dass die Grundkrankheit die jeweiligen Fasergruppen (myelinisiert bzw. unmyelinisiert) pauschal betrifft.
 
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