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Praktische Schmerzmedizin
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Publiziert am: 11.07.2018

Forensische Aspekte in der Schmerzmedizin

Verfasst von: Otto Ernst Krasney
Die wesentliche rechtliche Grundlage zwischen dem Behandelnden und dem Patienten bildet der Behandlungsvertrag nach §§ 630a–630h BGB. Das maßgebende Vertrauen zwischen den Partnern des Behandlungsvertrages auch als Grundlage der Einwilligung des Patienten in die erforderlichen Maßnahmen soll durch die Informationspflichten des Behandelnden vor Beginn der Behandlung und die Aufklärung des Patienten sowie die Dokumentationspflicht des Behandelnden gestützt werden. Die rechtliche Darstellung dieser Pflichten zeigt auf Grund der vielen Besonderheiten der jeweiligen Behandlung eine erhebliche Kasuistik. Eine Haftung kann sich auch durch eine Verletzung dieser Pflichten, vornehmlich aber durch Behandlungsfehler ergeben. Bei der Verschreibung von Arzneimitteln und der Anwendung neuer Behandlungs- und Untersuchungsmethoden sind neben den allgemeinen Rechtsvorschriften die besonderen Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachten.

Pflichten des Arztes aus der Übernahme der Behandlung

Der Arzt ist aufgrund des nunmehr in wesentlichen Teilen in § 630a bis 630h BGB gesetzlich geregelten Behandlungsvertrages (Katzenmeier 2013) primär verpflichtet, den Patienten eingehend nach dem zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standard zu untersuchen, die Diagnose zu stellen und ihn mit dem Ziel der Heilung oder wenigstens der Linderung auf die angemessen einfachste, schnellste und schonendste Weise zu therapieren (§ 630a BGB). Die Entwicklung des Arztrechts ist in Spickhoff (2003–2016) in Form von jährlichen Übersichten dargestellt.
Für die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten besteht nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegenüber der Krankenkasse Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie u. a. notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Der Patient hat somit sowohl nach dem Behandlungsvertrag als auch nach der Regelung in § 27 SGB V Anspruch auf die erforderliche Schmerztherapie (BSGE 68, 190, 193; SozR 4–2500 § 109 Nr. 30; Abschn. 7).
Im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherter Patienten gilt die Qualitätsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Personen gemäß § 145 Abs. 2 SGB V (Qualitätsvereinbarung Schmerztherapie) vom 18.03.2005 (DÄBl Heft 11, S. A-78; zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 05.01.2015, DÄBl Heft 1–2, S. A-45). Sie enthält u. a. eine Umschreibung chronisch schmerzkranker Patienten (bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren und selbstständigen Krankheitswert erlangt hat), eine Aufzählung wesentlicher Vorgaben für die Versorgung Schmerzkranker, spezifische persönliche und fachliche Voraussetzungen für die (zu beantragende) Teilnahme an der ambulanten Behandlung Schmerzkranker und die Verpflichtungen des teilnehmenden Arztes (SozR 4–2500 § 82 Nr. 1 und speziell für Krankenhausbehandlung SozR 4–2500 § 109 Nr. 30).
Nach § 630c Abs. 1 BGB haben Behandelnder und Patient zur Durchführung des Behandlungsvertrages zusammenzuwirken (zu Ausnahmen siehe § 630c Abs. 4 BGB). In Absatz 2 dieser Vorschrift ist eine allgemeine Pflicht des Behandelnden festgeschrieben, den Patienten zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern (Abschn. 2). Dazu gehört auch die Information über dem Behandelnden bekannte Zweifel an der Kostenübernahme (§ 630c Abs. 3 BGB). Wesentlich neu erscheint jedoch die in ihrer praktischen Bedeutung umstrittene Pflicht des Behandelnden, den Patienten zu informieren, wenn für den Behandelnden Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen (Spickhoff 2014, § 630c Rdnr. 15; Laufs et al. 2015, S. 112; Bergmann et al. 2014, S. 434; Ehlers und Broglie 2014, S. 97). Diese Pflicht besteht jedoch nur auf Nachfrage des Patienten oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren. Sie umfasst aber auch solch Umstände, die auf ein eigenes fehlerhaftes Handeln des Behandelnden hinweisen. Die Information betrifft nur die darauf deutenden Umstände, nicht aber eine Stellungnahme, ob diese medizinisch oder rechtlich einen Behandlungsfehler bilden. In einem Strafverfahren darf diese Information nicht verwertet werden (§ 630c Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB).
Auch im Rahmen der praktischen Schmerztherapie ist der Arzt verpflichtet, die ärztliche Behandlung – in der Regel als Dienstleistung – persönlich zu erbringen. Dazu gehören insbesondere die Erhebung der Anamnese, die Untersuchung, die Diagnose und Indikation, die Aufklärung und Dokumentation sowie die Behandlung einschließlich der Nachsorge und Kontrolle sowie ggf. der Abbruch der Behandlung.
Das Vertrauen des Patienten ist Grundlage und zugleich Maßstab ärztlicher Pflichten. (Deutsch und Spickhoff 2008, Rdnr. 17)

Aufklärung

Der Arzt hat seinen Patienten nach § 630e Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB über sämtliche für die Einwilligung (Abschn. 4) wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören nach § 630e Abs. 1 Satz 2 BGB insbesondere – und damit nicht als abschließende Aufzählung – Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahmen sowie die Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussicht im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie, ebenso Alternativen zur Maßnahme, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Aufzuklären ist auch über die beabsichtigten Befunderhebungen und im Anschluss an sie über die sich daraus ergebende Diagnose sowie über die vorgesehene Behandlung und insbesondere die damit verbundenen medizinisch gebotenen Eingriffe und die erforderliche Medikation – therapeutische Aufklärung (Deutsch und Spickhoff 2008, Rdnr. 266; Laufs et al. 2015, S. 119 f.; Geiß und Greiner 2014, S. 124; von Pentz 2016). Das Aufklärungsgebot beruht letztlich auf dem in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Satz 1 GG verankerten Persönlichkeitsrecht eines Menschen, selbst über die ihn so unmittelbar betreffenden Maßnahmen ärztlicher Eingriffe mitzuentscheiden – sog. Selbstbestimmungsaufklärung (von Pentz 2016).
Es ist jedoch nicht nur über die beabsichtigten Maßnahmen als solche, sondern auch über die Notwendigkeit ihrer Durchführung und über mögliche Alternativen (BGH NJW 2004 57: 3702–3705) sowie über die Folgen eines Unterlassens und ebenso über die Risiken der Durchführung dieser Maßnahmen aufzuklären – Risikoaufklärung (Laufs et al. 2014, S. 117; Ehlers und Broglie 2014, S. 279; Geiß und Greiner 2014, S. 272, S. 181; Spickhoff 2014, § 630c Rdnr. 11).
Für die Aufklärung soll es grundsätzlich genügen, wenn dem Patienten ein allgemeines Bild von der Schwere und der Richtung des maßgeblichen Risikos gegeben wird (Aufklärung „im Großen und Ganzen“, BGH AHRS 4280/112; OLG Nürnberg AHRS 1050/339; Laufs et al. 2015, S. 115; Pauge 2015, S. 177). Zum Teil wird schon der Nachweis einer generellen sachgerechten Aufklärungspraxis als genügend erachtet. Dies dürfte in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht zu halten sein, da nach § 630e BGB über alle wesentlichen Umstände aufzuklären ist. Letztlich entscheiden aber die besonderen Umstände des Einzelfalles, die insbesondere auch die Person des Aufzuklärenden erfassen (Spickhoff 2014, § 630e Rdnr. 4 und 6). Die vielen Beispiele (Pauge 2015), in denen die Rechtsprechung eine unzureichende Aufklärung angenommen hat, zeigen, dass doch von einer eingehenderen Aufklärung ausgegangen wird und deshalb im Interesse des Arztes dieser im Zweifelsfalle eher mehr als zu wenig aufklären sollte.
Das jeweilige Risiko, um das es geht, ist das, was nach dem medizinischen Wissens- und Erfahrungsstand im Zeitpunkt der Behandlung bekannt ist. Jedoch setzt die ärztliche Aufklärungspflicht in Fällen zur Verfügung stehender Behandlungsalternativen nicht voraus, dass die wissenschaftliche Diskussion über bestimmte Risiken einer Behandlung bereits abgeschlossen ist und zu allgemein akzeptierten Ergebnissen geführt hat. Es genügt vielmehr, dass ernsthafte Stimmen der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen (BGH AHRS 5000/140).
Über nicht sicher vermeidbare Folgen ist somit aufzuklären. Über schwere mögliche Folgeschäden ist selbst dann aufzuklären, wenn sie selten eintreten (BGH NJW 2000, 53: 1784–1788; BGH AHRS 5400/319). Ebenso ist darüber aufzuklären, wenn ein Misserfolg der Maßnahme zu einer Verschlimmerung des davor bestehenden Krankheitszustandes führen kann. Abzuwägen mit dem Patienten sind auch geringere Risiken bei ggf. nicht so wirksamen Behandlungsalternativen (Deutsch und Spickhoff 2008, Rdnr. 296, 297; Laufs et al. 2015, S. 119). Der Patient ist z. B. über verschiedene Methoden der intraoperativen Schmerzausschaltung mit unterschiedlichen Risiken aufzuklären (OLG Düsseldorf AHRS 5000/125; Schelling und Erlinger 2003), es sei denn, die vom Arzt angewandte Methode ist eindeutig diejenige der Wahl (OLG Düsseldorf AHRS 5000/134). So muss z. B. vor einer Schmerzmittelbehandlung mittels paravertebraler Infiltration über deren Risiken und über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt werden (OLG Hamm AHRS 5100/100). Bei beabsichtigter Therapie mit wissenschaftlich umstrittenen Arzneimitteln muss dem Patienten nicht nur das typische Risiko derartiger Mittel mitgeteilt werden, sondern auch der Umstand, dass deren Wirksamkeit nicht voll anerkannt ist (OLG München AHRS 5100/103). Eine erhöhte Aufklärung wird bei neuen Behandlungsmethoden gefordert.
Nach § 630e Abs. 3 BGB bedarf es der Aufklärung des Patienten dann nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat. An diese Ausnahmen sind strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt ebenso für die Rechtsprechung, die eine Pflicht zur Aufklärung auch nicht als gegeben ansieht, wenn und soweit sie Leben oder Gesundheit ernstlich gefährden würde (BGH VersR 1984, 35: 465–468).
Aufzuklären sind nicht nur geschäftsfähige, sondern alle Personen, die bereits oder noch über eine natürliche Einsichtsfähigkeit verfügen und die nach der Aufklärung ihre Einwilligung zu der jeweiligen Maßnahme zu geben haben (Abschn. 4).
Aufzuklären hat grundsätzlich der Arzt, welcher die Maßnahmen durchführt (§ 630e Abs. 1 Satz1 Nr. 1 BGB; BGH AHRS 5300/101, 102, 4100/328), soweit nicht feststeht, dass ein anderer Arzt sie bereits in dem erforderlichen Umfang vorgenommen hat. Der behandelnde Arzt kann die Aufklärung einem anderen Arzt übertragen (§ 630e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB). Der andere Arzt muss kein Facharzt sein. Er muss aber über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügen. Dem behandelnden Arzt treffen aber bei der Delegation der Aufklärung Überwachungspflichten. So sollte er regelmäßig überprüfen, ob beispielsweise der Assistenzarzt die Aufklärung den Anweisungen entsprechend durchführt. Die Aufklärung kann nach dem Gesetzeswortlaut auch durch eine andere „Person“ mit entsprechender Ausbildung erfolgen (§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Nach dem Gesetzeswortlaut braucht die andere „Person“ kein Arzt zu sein (Spickhoff 2014, § 630c Rdnr. 4; Bergmann et al. 2014, § 630c Rdnr. 32, bei OP jedoch durch Arzt; anderer Auffassung: Palandt 2017, § 630e Rdnr. 8: nur auf anderen Arzt). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11488) sind als Beispiele allerdings nur Ärzte aufgeführt. Spickhoff geht zutreffend davon aus, dass entscheidend das Aufklärungsgebiet sei. Soweit die Maßnahme, über die aufzuklären ist, eine ärztliche Tätigkeit bildet, hat auch die Aufklärung durch einen (anderen) Arzt zu erfolgen. Ist aber eine Maßnahme in ihrer Durchführung wesentlich dem Aufgabengebiet nichtärztlicher Personen übertragen, kann insoweit auch diese Person aufklären. Die Aufklärung eines Patienten über Nebenwirkungen eines Medikamentes obliegt in der Regel dem rezeptierenden Arzt (OLG Köln, AHRS 5300/7).
Die Aufklärung hat grundsätzlich zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, in dem der Patient noch ausreichend Zeit für eine Überlegungsfrist zur wohlüberlegten Entscheidung hat (§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB) und v. a. nicht unter dem Druck schon eingeleiteter Vorbereitungen steht (BGH NJW 2003, 56: 2012–2014; Geiß und Greiner 2014, S. 306; Laufs et al. 2015, S. 132).
Aufzuklären ist im Wesentlichen im Rahmen eines Arzt-Patienten-Gesprächs (§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Aufklärungsformulare werden immer kritisch bewertet und nicht als Ersatz für das Aufklärungsgespräch angesehen (OLG Düsseldorf AHRS 4100/112; Geiß und Greiner 2014, S. 389). Nach § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB kann auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Ein unterzeichnetes Aufklärungsformular wird als ein Indiz für ein tatsächlich stattgefundenes Aufklärungsgespräch angesehen (BGH NJW 2014 67:1527–1529), jedoch muss das Risiko im Einwilligungsformular aufgeführt sein (BGH AHRS 6805/3; OLG Hamm AHRS 4265/119; OLG Schleswig AHRS 6805/1007).
An den dem Arzt obliegenden Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung (§ 630h Abs. 2 Satz 1 BGB) dürfen keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen gestellt werden (BGH AHRS 6805/3).
Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung, so kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). Jedoch trifft den Arzt die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Patient auch ohne ordnungsgemäße Aufklärung sich zu der vorgenommenen Behandlungsmaßnahme entschlossen hätte (BGH AHRS 6805/105). Der Arzt haftet wegen Aufklärungsversäumnisses nur für Schäden, die gerade auf den ärztlichen Eingriff zurückzuführen sind, über dessen Risiko nicht hinreichend aufgeklärt ist (OLG Düsseldorf AHRS 4100/117; BGH AHRS 4100/304).
Eine weitere Aufklärung kann auch während der Behandlung notwendig werden, wenn zu treffende Maßnahmen dies erfordern.

Dokumentationspflicht

Nunmehr ist auch die Dokumentationspflicht des Behandelnden ausdrücklich gesetzlich festgelegt (§ 630f BGB). Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zwecke der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen (§ 630f Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie dient (Schlund 2010, § 59) sowohl vornehmlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der unter Abschn. 1 aufgeführten Pflichten und gegebenenfalls zur Information beim Wiederauftreten der dokumentierten oder beim Auftreten einer anderen Erkrankung (Therapiesicherung: OLG Düsseldorf AHRS 2270/101, 6450/330) als auch ggf. im Streitfall dem Nachweis der Pflichterfüllung (Beweissicherung: OLG Oldenburg AHRS 6180/135; umstritten: Schlund 2010, § 59).
Der Patient muss in der Lage sein, den Verlauf und das Ergebnis der Behandlung durch einen anderen Arzt nachprüfen zu lassen. Die Dokumentation bezieht sich vornehmlich auf die in Abschn. 1 aufgeführten Bereiche ärztlichen Handelns, v. a. auch auf die Aufklärung (Bollweg und Brahms 2003, S. 1509). Der Dokumentationsstandard richtet sich danach, was in dem jeweiligen Fachgebiet erforderlich und darüber hinaus üblich ist. Nach § 630f Abs. 2 BGB ist der Behandelnde verpflichtet , in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnose, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärung. Arztbriefe sind ebenfalls in die Patientenakte aufzunehmen.
Die Dokumentation kann in Stichworten, handschriftlich, Speicherung im Computer sowie in jeder anderen, den Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht entsprechenden Form erfolgen. Sie muss für den Fachmann, insbesondere für den nachbehandelnden Arzt, nicht aber für den Patienten selbst klar verständlich sein (OLG München AHRS 6450/306).
Dokumentationsversäumnisse sind in aller Regel kein eigenständiger Anknüpfungspunkt für eine vertragliche oder deliktische Haftung (OLG Hamm AHRS 2090/123; OLG Oldenburg AHRS 6550/304). Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen seiner Verpflichtung zur Dokumentation nicht in die Patientenakte aufgenommen oder die Patientenakte nicht gemäß § 630f Abs. 3 BGB lang genug aufbewahrt, so wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat (§ 630h Abs. 3 BGB). Diese Vermutung kann der Behandelnde widerlegen; er trägt jedoch die Beweislast dafür. Dokumentationsmängel können darüber hinaus zu Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten führen, wenn sich aus dem Dokumentationsmangel eine unzumutbare Verschlechterung der Beweissituation für den Patienten ergibt (BGH AHRS 6590/7 und 11; OLG Oldenburg AHRS 6450/109; OLG Düsseldorf AHRS 6580/301; Schlund 2010, § 60).
Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen (§ 630g Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ablehnung ist zu begründen (§630g Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies kann bei therapeutischen Gründen schwierig sein, ohne mit diesen Gründen den beabsichtigten Schutz des Patienten zu gefährden. Im Falle des Todes stehen die Rechte auf Einsicht zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu (§ 630g Abs. 3 BGB). In die vom Arzt niedergelegten subjektiven Wertungen (z. B. Wiedergabe persönlicher Eindrücke über den Patienten und seine Angaben, vorläufige Verdachtsdiagnosen, Beurteilung über querulatorisches Verhalten) besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einsichtnahme. Dies kann nach Schlund (2010 § 60) zu einer „dualen Gestaltung der Unterlagen“, also gewissermaßen zu einer „doppelten Buchführung“ des Arztes führen (Deutsch und Spickhoff 2008, Rdnr. 610: Alternativaufzeichnungen; Laufs et al. 2015, S. 236; zur Frage einer Zurückbehaltung von Krankenunterlagen zum Schutz des Behandelnden siehe Bayer (2017) und MedR 35: 2114).
Ein Recht auf Herausgabe der Originale besteht nicht; Fotokopien und elektronische Abschriften auf Kosten der Einsicht nehmenden Person sind ausreichend (§ 630g Abs. 2 BGB).
Die Patientenakte ist 10 Jahre aufzubewahren, sofern nicht abweichende Sonderregelungen bestehen (§ 630f Abs. 3 BGB).

Einwilligung

Der Patient muss gemäß § 630d BGB in die Untersuchungen und in die Behandlung mit den damit verbundenen therapeutischen Maßnahmen einwilligen. Die Rechtsprechung sieht trotz der insbesondere im medizinischen Bereich erheblichen Gegenstimmen (Deutsch und Spickhoff 2008, S. 111) einen ohne Einwilligung vorgenommenen körperlichen oder psychischen Eingriff als Körperverletzung im Sinne des Strafrechts an.
Die Einwilligung setzt keine Geschäftsfähigkeit, sondern – nur – Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit (Einwilligungsfähigkeit) voraus. Das folgt auch aus § 630d Abs. 1 Satz 2 BGB, der die Fälle der Einsichtsunfähigkeit und nicht die der Geschäftsunfähigkeit regelt. Ist der Patient einwilligungsunfähig, so ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB die Maßnahme gestattet oder untersagt (§ 630d Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu beachten sind auch die notwendigen Genehmigungen des Betreuungsgerichts (siehe unter §§ 1904 ff. BGB).
Die Einwilligung hat in der Regel ausdrücklich zu erfolgen. Nach dem Gesetz (§ 630d Abs. 1 Satz 1 BGB) ist sie „einzuholen“. Sie kann aber auch konkludent durch schlüssiges Handeln geschehen, wenn z. B. ein Patient nach durchgeführter Aufklärung und ausreichender Überlegungszeit beim Arzt erscheint, um den besprochenen Eingriff vornehmen zu lassen.
Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht (§ 630d Abs. 1 Satz 4 BGB). Maßgebend ist in erster Linie der „aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, aus seinen individuellen Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermittelnde“ hypothetische Patientenwille und nicht von vornherein die Sicht des Arztes, was er in gleicher Lage getan hätte (BGH NJW 1994, 799; OLG Koblenz AHRS 1040/303; Spickhoff 2014, § 630d Rdnr. 12; Pauge 2014, S. 189; Geiß und Greiner 2014, S. 309). Auch insoweit ist eine die Maßnahme mit erfassende Patientenverfügung zu berücksichtigen. Sind derartige persönliche Umstände des Patienten nicht ersichtlich und auch nicht über die Angehörigen rechtzeitig zu erlangen, dann darf sich der Arzt an dem Bild eines „verständigen Patienten orientieren“ (Steffen und Pauge 2010, Rdnr. 418). In diese Abwägung dürfte allerdings dann auch die Sicht des Arztes einfließen, was er als Patient in gleicher Lage getan hätte.
Die mutmaßliche Einwilligung wird aber regelmäßig nur bei vitaler dringender medizinischer Indikation in Betracht kommen und sonst nur gerechtfertigt sein, „wenn das Schadenrisiko“ des Eingriffs oder der Eingriffserweiterung geringfügig ist und hinter dem Risiko der Eingriffsbegrenzung zurückbleibt (OLG Koblenz AHRS 1040/303; Geiß und Greiner 2014, S. 309).
Je gravierender der Eingriff die Lebensführung des Patienten belasten kann, umso dringlicher muss er medizinisch geboten sein (Pauge 2014, S. 189), um von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen zu dürfen.
Ergeben nachträgliche Befunde eine Indikation für einen medizinischen Eingriff, der ohne wirksame Einwilligung vorgenommen wurde und deshalb rechtswidrig ist, rechtfertigt dieser Umstand den Eingriff nicht; die persönliche Entscheidungsfreiheit des Patienten darf nicht begrenzt werden durch das, was aus ärztlicher Sicht oder objektiv erforderlich und sinnvoll ist (BGH NJW 2003, 56: 1862–1863).

Haftung

Haftung aus Vertrag und Delikt

Eine Haftung des Arztes kann aus der schuldhaften Verletzung seiner Pflichten aus dem Behandlungsvertrag entstehen (Laufs et al. 2015, S. 92; Ehlers und Broglie 2014, S. 223). Sie tritt ein, wenn der Patient einen Schaden erleidet, weil der Arzt eine ärztliche Maßnahme bei der Diagnose und der Behandlung einschließlich Rezeptierung, Medikation und Methodenwahl (Abschn. 2 und 5.3 zur Aufklärung) nicht mit der dem Stand der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung entsprechenden beruflich gebotenen Sorgfalt oder nicht mit dem erforderlichen Können (Übernahmeverschulden) durchgeführt hat (Behandlungsfehler). Die Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften können „nicht unbesehen“ als Maßstab für den Standard des ärztlichen Wissens und Könnens zugrunde gelegt werden (BGH AHRS 1305/312; Laufs et al. 2015, S. 339; Bergmann et al. 2014, S. 429). Er kann insbesondere bei länger zurückliegender Festlegung der Leitlinien überholt sein und höher liegen.
Der behandelnde Arzt hat im Hinblick auf den auch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff grundsätzlich für sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehen auch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus einer persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen vermag (BGH NJW 2001, 54: 1786–1787). Der Arzt haftet bereits bei leichter Fahrlässigkeit. Dabei ist maßgebend der im jeweiligen Berufskreis (Allgemein- oder Facharzt) vorausgesetzte Standard oder das dort zugrunde gelegte Können und die dort erwartete Sorgfaltspflicht (BGH NJW 2011 64: 375–377; Geiß und Greiner 2014, S. 67).
Die Beweislast für eine schuldhafte Verletzung der Pflichten des Arztes trifft grundsätzlich den Patienten (Laufs et al. 2015, S. 427; Geiß und Greiner 2014, S. 179; Abschn. 5.3 zum groben Behandlungsfehler). Ein Fehler bei der Behandlung wird nach § 630h Abs. 1 BGB vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit geführt hat. Der Behandelnde muss auch beweisen, dass er ordnungsgemäß aufgeklärt und die Einwilligung eingeholt hat (§ 630h Abs. 2 Satz 1 BGB). Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e BGB, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahmen eingewilligt hätte (§ 630h Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Behandelnde trägt hierfür allerdings die Beweislast. Hätte jedoch ein vernünftiger Patient sich für die Maßnahme entschieden, so muss der Patient plausibel darlegen, warum er trotz Aufklärung und Notwendigkeit der Maßnahme diese dennoch abgelehnt hätte (BGH MedR 1991, 9: 137–139). Dabei ist wiederum zu beachten, dass auch der Wille eins „unvernünftigen“, erhebliche gesundheitliche Folgen oder Risiken in Kauf nehmenden Patienten zu respektieren ist.
Die Haftung des Arztes kann bei einem Behandlungsfehler auch aufgrund unerlaubter Handlung (Delikt) beruhen. Da nunmehr nicht nur bei deliktischer, sondern auch bei vertraglicher Haftung ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegeben sein kann und außerdem die Verjährung für beide Anspruchsgrundlagen gleich geregelt ist, hat die Unterscheidung im Ergebnis keine so große Bedeutung mehr.
Ob ein Behandlungsfehler vorliegt, entscheidet sich nach den oben angeführten Kriterien. Nur beispielhaft können hier erwähnt werden:
  • Risiko des Einsatzes aggressiver Medikamente nicht beachtet (BGH AHRS 2715/2),
  • Morphine intravenös zur Schmerzlinderung,
  • Untersuchungen auf Erkrankungen, bei denen gegen die Anwendung der Narkotika oder wenigstens gegen ihre intravenöse Verwendung Bedenken bestehen (BGH AHRS 2745/2).
  • Ein Arzt, der einem Patienten eine spezifische Migräneschmerzbehandlung anbietet, schuldet den Standard der Behandlung durch einen in der Schmerztherapie erfahrenen Facharzt (OLG Oldenburg AHRS 2745/100).
  • Ein grober Behandlungsfehler (Abschn. 5.3) wurde u. a. angenommen bei der Verordnung eines Schmerzmittels ohne eigene klinische Untersuchung oder Hinweise auf den ärztlichen Notdienst (OLG Hamm AHRS 2715/110).
  • Verdacht auf Medikamentenabhängigkeit; Warnung vor Suchtpotenzial des Schmerzmittels (OLG Koblenz AHRS 2715/339).

Schadenersatz

Behandlungs- und Aufklärungsfehler werden nur relevant, wenn durch sie ein Schaden entstanden ist. Es werden die durch den Behandlungsfehler verursachten Gesundheitsschäden und deren wirtschaftlichen Folgen entschädigt. Es muss zunächst ein Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne bestehen, d. h. der Behandlungsfehler darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg (Gesundheitsschaden) entfiele. Es kommen aber von diesen Bedingungen nach der im Zivilrecht zugrunde zu legenden sog. Adäquanztheorie nur solche Bedingungen in Betracht, die die Möglichkeit eines Erfolges der eingetretenen Art generell nicht unerheblich erhöht haben; das Ereignis muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ungewöhnlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (BGH NJW 1998, 51: 138–142).
Die Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden trifft grundsätzlich den Patienten.
Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für die Verletzung ursächlich war (§ 630h Abs. 5 Satz 1 BGB; so schon die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 630h BGB: BGH MDR 2012 66: 966–967). Dies gilt auch, wenn der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fahrlässig gewesen wäre (§ 630h Abs. 5 Satz 2 BGB).
Einen groben Behandlungsfehler nimmt der BGH an bei einem Fehlverhalten, das aus ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf oder es sich um einen fundamentalen Fehler bei der Interpretation von Krankheitssymptomen handelt (BGH AHRS 6560/4, 20, 111, 119; BGH NJW 2001, 54: 2795–2796; Deutsch und Spickhoff 2008, Rdnr. 218, 219; Laufs et al. 2015, S. 432; Pauge 2014, S. 239; Spickhoff 2014, § 630h Rdnr. 14; Bergmann et al. 2014, S. 469). Der Tatrichter darf einen groben Behandlungsfehler nicht ohne ausreichende Grundlage in den medizinischen Darlegungen des Sachverständigen und erst recht nicht entgegen dessen fachlichen Ausführungen aus eigener Wertung bejahen (BGH NJW 2001, 54: 2792–2793; 2002, 55: 2944–2945).
Aus den fachlichen Ausführungen des Sachverständigen muss sich ergeben, dass nicht nur ein eindeutiger Verstoß gegen den ärztlichen Standard, sondern ein schlechterdings unverständliches Fehlverhalten vorliegt (BGH NJW 2001, 54: 2794–2795). An die Einstufung als grober Behandlungsfehler sind somit hohe Anforderungen zu stellen (BGH AHRS 6560/4, 111, 119; OLG Oldenburg AHRS 6560/109).
Eine Haftung kann den Arzt auch für die Heranziehung von Hilfskräften treffen. Er und insbesondere auch Krankenhäuser haben für Behandlungsfehler einzustehen, die auf einem Organisationsverschulden beruhen.

Verjährung von Schadenersatzansprüchen

Schadenersatzansprüche aus Vertrag und/oder Delikt, die auf Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen, verjähren grundsätzlich in 3 Jahren (§ 195 BGB), bei vorsätzlicher Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit in 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt im Allgemeinen mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Patient) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (Arzt) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Schadenersatzansprüche, die auf Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen, würden, wenn der Gläubiger die vorstehend angeführte Kenntnis nicht erlangt und auch keine grobe Unkenntnis vorliegt, somit an sich nicht verjähren. Um dies zu vermeiden, verjähren Schadenersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 2).

Fahruntüchtigkeit

Die Fahrtüchtigkeit kann durch die Auswirkungen einer oder mehrerer Krankheiten wesentlich beeinträchtigt oder ausgeschlossen sein. Fahruntüchtigkeit kann aber auch aufgrund der Medikation selbst (BGH MedR 2003, 21: 629) oder dadurch bestehen, dass das Arzneimittel die Wirkung auch von geringfügigen Alkoholmengen wesentlich verstärkt. In diesen Fällen hat der Arzt den Patienten auch als Verpflichtung aus dem Arztvertrag im Rahmen einer „intensiven Aufklärung“ von sich aus auf die dauerhafte oder auf eine bestimmte Zeit beschränkte Fahruntüchtigkeit oder wesentlich eingeschränkte Fahrtüchtigkeit hinzuweisen. Es kommt auf die Beurteilung bei dem einzelnen Patienten an, wobei auch das Alter und der gesamte Gesundheitszustand bedeutsam sind. Die umfassende Beratung hat der Arzt von sich aus und nicht erst auf Fragen oder Hinweise des Patienten (z. B. er sei mit dem Auto gekommen) vorzunehmen, da der Patient den Einfluss der Erkrankung oder der Medikation auf die Fahrtüchtigkeit oft gar nicht erkennt oder aber nicht zu beurteilen vermag, wie lange diese Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit andauern.
Ist der Patient trotz eingehender und ggf. wiederholter Beratung nicht einsichtig, so ist der Arzt nach Auffassung im Schrifttum zwar nicht zur Unterrichtung der Verkehrsbehörde verpflichtet, darf aber insoweit als ultima ratio gemäß § 34 StGB (Rechtfertigender Notstand) seine Schweigepflicht durchbrechen, um eine akute Gefährdung der Allgemeinheit und des Patienten zu vermeiden.

Nicht zugelassene Arzneimittel und neue Behandlungs- und Untersuchungsmethoden

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die vornehmlich dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz in der Neufassung vom 12. Dezember 2005 – BGBl I S. 3394 – mit zahlreichen Änderungen; siehe aber auch die weiteren Bestimmungen in Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift sowie die Ausnahmen in Abs. 3; siehe auch § 4; zum Arzneimittelbegriff siehe auch BSGE 100, 103, 106–114; BSG NJW 2009, 874).
Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Arzneimittelgesetz). Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz sind, dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das In-Verkehr-Bringen erteilt hat (§ 21 Arzneimittelgesetz; BSGE 82, 233–238). Eine Ausnahme gilt allerdings im Rahmen der klinischen Prüfung eines Arzneimittels nach §§ 40 ff. Arzneimittelgesetz.
Demgemäß darf auch der Vertragsarzt im Rahmen der ambulanten Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten kein Medikament verordnen, das nicht nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen ist; dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung über die Nichtzulassung des Arzneimittels noch nicht bestandskräftig geworden ist (BSGE 82, 233–238). Darüber hinaus dürfen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung bestimmte Arzneimittel kraft Gesetzes nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden (§§ 31, 34, 91, 92 SGB V).
Der Gemeinsame Bundesausschuss soll in regelmäßigen Zeitabständen die nach § 34 SGB V ganz oder für bestimmte Indikationsgebiete von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossene Arzneimittel in einer Übersicht zusammenstellen; die Übersicht ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 93 Abs. 1 SGB V).
Neue Behandlungs- und Untersuchungsmethoden dürfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat (§ 135 SGB V). Diese Regelung gilt auch für neuartige Arzneitherapien (BSGE 82, 233–238). Im Rahmen einer Krankenhausbehandlung sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann ausgeschlossen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag des Spitzenverbandes Bund, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger in einer Richtlinie feststellt, dass diese Methoden für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht erforderlich sind (§ 137c SGB V).
Ein Kostenerstattungsanspruch des Patienten wird vom BSG nur ausnahmsweise dann angenommen, „wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird“ (BSGE 88, 51–62, hier S. 61). Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (§ 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V; BVerfG SozR 4–2500 § 27 Nr. 5; siehe aber auch die „verfassungskonforme Konkretisierung der Leistungsansprüche“ bei lebensbedrohlichen Erkrankungen BSGE 96,170; 97,190).
Der Anspruch Versicherter auf außerhalb ihrer Zulassung verordnete Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich, soweit er nicht spezialgesetzlich begründet ist, nach den allgemeinen, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens darf ein Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung jenseits einer bestehenden Zulassung nur verordnet werden, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Risiken des Mittels aufgrund von Phase-III-Studien vorliegen, die eine erweiterte Zulassung ermöglichen (BSGE 109, 211–218).
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