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Praktische Schmerzmedizin
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Publiziert am: 12.07.2018

Ischämieschmerz

Verfasst von: Martin Gleim
Ischämieschmerzen spielen in der Schmerztherapie eine oft unterschätzte Rolle. Ein Grund mag sein, dass Ischämieschmerzen vorwiegend in spezialisierten Fachdisziplinen wie Angiologie, Gefäßchirurgie und der interventionellen Radiologie behandelt werden. Patienten suchen „nur“ wegen der Ischämieschmerzen keinen Schmerztherapeuten auf. Andererseits ist die Prävalenz der peripheren arteriellen Durchblutungsstörung (PAVK) zumindest im höheren Lebensalter derart hoch (Diehm et al. 2004a), dass praktisch jeder Schmerztherapeut mit dieser Erkrankung irgendwann konfrontiert werden wird. Die Bedeutung der PAVK liegt darin, dass sie oft die ersten Symptome einer generalisierten Arteriosklerose präsentiert, welche die weitere Prognose der Patienten wesentlich bestimmt. Rund 60 % der Patienten mit PAVK sterben am Myokardinfarkt (Smith et al. 1996).

Zum Einstieg

Ischämieschmerzen spielen in der Schmerztherapie eine oft unterschätzte Rolle. Ein Grund mag sein, dass Ischämieschmerzen vorwiegend in spezialisierten Fachdisziplinen wie Angiologie, Gefäßchirurgie und der interventionellen Radiologie behandelt werden. Patienten suchen „nur“ wegen der Ischämieschmerzen keinen Schmerztherapeuten auf. Andererseits ist die Prävalenz der peripheren arteriellen Durchblutungsstörung (PAVK) zumindest im höheren Lebensalter derart hoch (Diehm et al. 2004a), dass praktisch jeder Schmerztherapeut mit dieser Erkrankung irgendwann konfrontiert werden wird. Die Bedeutung der PAVK liegt darin, dass sie oft die ersten Symptome einer generalisierten Arteriosklerose präsentiert, welche die weitere Prognose der Patienten wesentlich bestimmt. Rund 60 % der Patienten mit PAVK sterben am Myokardinfarkt (Smith et al. 1996).

Periphere arterielle Durchblutungsstörung (PAVK)

Epidemiologie

Die Häufigkeit der PAVK wird oft unterschätzt. Dies mag an der hohen Zahl von Komorbiditäten liegen, die wegen des Behandlungsaufwandes und des Leidensdrucks dann im Vordergrund stehen. Basierend auf dopplersonographischen Untersuchungen kann eine Prävalenz von rund 20 % bei den über 65-Jährigen angenommen werden (Diehm et al. 2004b).

Symptome

Die PAVK tritt überwiegend an den unteren Extremitäten auf. Die in Deutschland gebräuchliche Einteilung ist das Stadienmodell nach Fontaine, das von der Manifestation der Beschwerden ausgeht (Tab. 1).
Tab. 1
Stadien der peripheren arteriellen Durchblutungsstörung (PAVK)
Stadium
Klinisches Bild
I
Beschwerdefreiheit
II
Belastungsschmerz (Claudicatio intermittens)
IIa
Schmerzfreie Gehstrecke > 200 m
IIb
Schmerzfreie Gehstrecke < 200 m
III
Ischämischer Ruheschmerz
IV
Zusätzlich Nekrose, Gangrän oder Ulkus

Akuter Gefäßverschluss

In der Regel verursacht der akute Gefäßverschluss stärkste Schmerzen distal des Verschlusses, die Patienten berichten über einen Schmerz, der wie „wie ein Peitschenschlag“ begann. Die betroffene Extremität ist blass, gelegentlich livide, nach kurzer Zeit deutlich kälter als die Gegenseite. Pulse sind peripher nicht palpabel.

Chronische Ischämie

Je nach Stadium ziehende, krampfende Schmerzen distal der Stenose bzw. des Verschlusses. Die Claudicatio-Schmerzen im Stadium II erfordern oft ein Stehenbleiben, bis die Schmerzen abgeklungen sind; gelegentlich kommt es auch beim Weitergehen zu einer Abnahme der Schmerzen (Walking-through-Phänomen). Ruheschmerzen treten vermehrt nachts auf, wenn nach Abnahme des Herzzeitvolumens die energetische Versorgung nicht mehr ausreicht, Herabhängenlassen der Beine führt dann zu einer Besserung der Perfusion durch einen Anstieg des hydrostatischen Druckes. Viele Patienten können aus diesem Grund nicht mehr im Liegen schlafen.
Das Stadium IV ist als Verschlechterung des Stadiums III zu verstehen, bei dem die Ruheperfusion nicht mehr ausreicht, um den Erhaltungsstoffwechsel zu liefern. Die Ulzera sind Folge der unzureichenden Hämodynamik. Neben Nekrosen treten in variabler Häufigkeit die Symptome Ruheschmerz oder Claudicatio intermittens auf.
Eine gesonderte Betrachtung verlangen die Patienten, die aufgrund der Hämodynamik eher dem Stadium II zuzuordnen sind, die aber aufgrund eines Bagatelltraumas, Nagelmykosen, Druckulzera etc. offene Wunden haben. Diese Patienten sind besser mit dem Begriff „kompliziertes Stadium II“ zu beschreiben.

Diagnostik

Die Diagnose des Ischämieschmerzes erfolgt durch klinische Untersuchung.

Akuter Gefäßverschluss

Durch die Leitsymptome (Schmerz, blasse, kalte, pulslose Extremität) besteht selten diagnostische Unsicherheit; weitere apparative Untersuchungen dienen dann der Verschlusslokalisation und Messung des Perfusionsdrucks im ischämischen Gebiet.

Chronische Ischämie

Bei Verdacht auf ischämisch verursachte Schmerzen muss der Patient körperlich untersucht werden. Palpation der Pulse sowie Auskultation von Stenosegeräuschen nach leichter Belastung (Stufen steigen oder Kniebeugen) kann die Diagnose der ischämischen Schmerzgenese erhärten oder unwahrscheinlich machen. Beispiel: Gut palpable Pulse am Fuß schließen eine Ischämie als Ursache für Oberschenkelschmerzen weitgehend aus, andererseits geben Stenosegeräusche in der Leiste und fehlende palpable Pulse weiter distal bei Schmerzen im Unterschenkel Hinweise sowohl auf die ischämische Genese als auch auf die Lokalisation des Verschlusses.
Provokationstests erlauben eine Abgrenzung der Ischämieschmerzen von Schmerzen anderer Genese: Nimmt bei Muskelarbeit oder Abnahme des Perfusionsdruckes (bei der Ratschow-Lagerungsprobe, Abb. 1) der Schmerz in der Wade zu, ist eine ischämische Genese wahrscheinlich.

Differenzialdiagnose

Thrombangiitis obliterans

Die Verdachtsdiagnose Thrombangiitis obliterans kann bei folgenden klinischen Konstellationen gestellt werden:
  • Erstmanifestation im jungen Alter (< 40 Jahre),
  • männliches Geschlecht (m : w = 9 : 1),
  • distale Verschlusslokalisation,
  • Befall der oberen Extremitäten,
  • Nikotinabusus.
Weitere Hinweise geben typische angiographische Befunde sowie letztlich die histologische Begutachtung, wenn im Rahmen von Gefäßeingriffen oder Amputationen Gewebe gewonnen werden kann.

Polyneuropathie

Die oft umfangreiche Komorbidität der Patienten mit einer PAVK führt dazu, dass neben den reinen Ischämieschmerzen neuropathische Schmerzen durch diabetisch und/oder ischämisch verursachte Polyneuropathien auftreten. Im Gegensatz zu Ischämieschmerzen werden diese Schmerzen eher auf der Oberflächliche empfunden, eine Verstärkung der Ischämie durch Provokationstests (Gehen, Ratschow-Lagerungsprobe) verursacht nicht eine Schmerzverstärkung. Neurologische Untersuchungen können die Diagnose eines neuropathischen Schmerzes untermauern.

Chronische venöse Insuffizienz

Schmerzen bei chronischer venöser Insuffizienz bessern sich in der Regel durch Muskeltätigkeit. Hochlagerung der Extremität bringt im Gegensatz zum Ischämieschmerz Erleichterung. Gelegentlich bestehen gleichzeitig sowohl Ischämieschmerzen als auch Schmerzen durch eine venöse Insuffizienz, sodass nur durch genaue Untersuchung und Anamnese die relevante Schmerzdiagnose erschlossen werden kann.

Vertebragene Schmerzursachen

Spinalkanalstenosen können eine der ischämischen Claudicatio ähnliche Symptomatik verursachen. Oft ist eine strenge Diagnose der Schmerzgenese nicht möglich, da rund 30 % der Patienten mit einer Spinalkanalstenose auch unter Durchblutungsstörungen leiden. Vertebragene Schmerzen präsentieren sich oft als pseudoradikulär, gelegentlich führt ein Vorbeugen durch Erweiterung des Spinalkanalstenose zu einer Symptomlinderung. Eine Festigung der Diagnose ist durch MRT der Wirbelsäule möglich.

Wundschmerzen, Schmerzen des Bewegungsapparates

Die Differenzialdiagnose der Schmerzart (Ischämieschmerz vs. Wund-[Nozizeptor-]Schmerz) kann wiederum durch ischämische Provokation mittels Ratschow-Lagerung gestellt werden. Schmerzen des Bewegungsapparates machen in der Regel keine großen diagnostischen Probleme; sie sind typischerweise lokalisiert und bessern sich meistens mit zunehmender Mobilisierung. Die körperliche Untersuchung und Prüfung der Gelenkbeweglichkeit – evtl. mit Bildgebung – erbringt oft weitere Sicherheit.

Therapie

Akute Ischämie

Ziel ist rasche Linderung der Schmerzen, um eine Diagnostik und evtl. weiterführende therapeutische Maßnahmen zur Beseitigung der Durchblutungsstörung zu ermöglichen.
Hier kommen Verfahren zur Anwendung, die sich in der Akutschmerztherapie bewährt haben: i. v.- Gabe von Analgetika, z. B. Piritramid 3,75–7,5–15 mg, Metamizol 0,5–1 g langsam, Paracetamol 1 g. Regionalanästhetische Verfahren bieten den Vorteil einer sensorischen Blockade und gleichzeitigen Sympathikusblockade.
Sofern seitens der Blutgerinnung keine Kontraindikationen bestehen, empfehlen sich Katheterverfahren, um durch repetitive Gaben von Lokalanästhetika eine langdauernde Analgesie zu schaffen. Hier kommen Epiduralkatheter, Katheter an Nervenplexen oder an peripheren Nerven in Frage.
In der Regel erfordert ein akutes ischämisches Ereignis ein zügiges operatives oder radiologisch interventionelles Eingreifen, um die Extremität zu retten. Schmerzen aufgrund einer Vasospastik mit hohem Sympathikotonus (Endangiitis, Ergotismus, Folge nach Gefäßpunktionen oder -operationen) lassen sich auch durch selektive Sympathikusblockaden (Ggl. stellatum, lumbaler Grenzstrang) erfolgreich behandeln.

Chronische Ischämie

Da der Ischämieschmerz nur ein Symptom der Durchblutungsstörung ist, die wiederum als Folge einer systemischen Erkrankung auftritt, ist beim chronischen Krankheitsverlauf folgende Hierarchie der therapeutischen Maßnahmen zu wählen:
1.
Behandlung der Grunderkrankung,
 
2.
Ausschaltung von Noxen,
 
3.
Beseitigung der Durchblutungsstörung,
 
Die Ausschaltung von Noxen besteht in erster Linie in der Beendigung des Rauchens. Die Behandlung weiterer Risikofaktoren wie Hypertonus, Diabetes, Hyperlipidämie, Hyperhomozysteinämie, die die Progredienz der Ischämie und eine Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität erhöhen, ist anzustreben (Diehm et al. 2004a).
Die Indikation für eine der im Folgenden aufgezählten Maßnahmen zur Beseitigung der Ischämie (und damit der Schmerzen) wird in erster Linie nach Konsultation der therapierenden Fachdisziplinen (Angiologie, Radiologie, Gefäßchirurgie) erfolgen. Leitlinien und Konsensuspapiere können bei der Entscheidungsfindung helfen (Dormandy und Rutherford 2000, AWMF-S3-Leitlinie).
  • Kontrolliertes Gehtraining fördert die Kollateralisierung einer Stenose, im Stadium II ist das Gehtraining Therapie der Wahl mit ausgezeichneten Langzeitergebnissen. Der Nutzen ist in Einzelfällen jedoch eingeschränkt, wenn aufgrund allgemeiner körperlicher Schwäche oder Erkrankungen des Bewegungsapparates ein effektives Gehen nicht mehr möglich ist.
  • Rekanalisierung der Stenose (u. U. Einbringen eines Stents) durch radiologisch-interventionelle Verfahren.
  • Gefäßchirurgie zur Desobliteration und Anlage von Bypasses.
  • Selektive Sympathikusblockaden bzw. Neurolysen des lumbalen Grenzstranges: Da es sich nicht um lumeneröffnende Verfahren handelt, sind Sympathikusblockaden erst indiziert, wenn die zuvor angeführten Verfahren nicht durchführbar oder erfolglos waren. Sympathikusblockaden werden heute fast ausnahmslos perkutan durch Injektion von Lokalanästhetika oder Ethanol an den Grenzstrang durchgeführt. Als Wirkmechanismus wird eine Dilatation periischämisch verengter Arteriolen angenommen, durch die es zu einem Anstieg des prä-/poststenotischen Druckgradienten und somit der Strömungsgeschwindigkeit über der Stenose kommt.
    Vor einer Sympathikusneurolyse muss obligat eine diagnostische Sympathikusblockade (mit Lokalanästhetikum) durchgeführt werden, um den späteren Effekt und unerwünschte Nebenwirkungen abschätzen zu können. Kommt es nach dieser Blockade zu einer klinischen Verbesserung (weitere Gehstrecke, Abnahme von Ruheschmerzen, Erwärmung der Haut als Zeichen verbesserter Hautdurchblutung), besteht die Indikation zur Neurolyse des Sympathikus. Tritt nach der diagnostischen Blockade eine klinische Verschlechterung (Schmerzzunahme, vermehrtes Ödem bei venöser Insuffizienz) oder Störung der Blasenentleerung oder eine Stuhlinkontinenz auf, ist die Alkoholneurolyse des Grenzstranges kontraindiziert (Abb. 2). Neben der inoperablen PAVK sind vasospastische Zustände mit einem erhöhten Sympathikotonus eine wesentliche Indikation für Sympathikusneurolyse (sek. M. Raynaud, Endangiitis). Im eigenen Krankengut sahen wir eine relevante Besserung der Gehstrecke nach Sympathikusneurolyse sowohl bei den Patienten im Stadium III und IV n. Fontaine als auch bei Patienten mit einer stark beeinträchtigen Claudicatio (Stadium IIb nach Fontaine).
  • Vasoaktive Substanzen: Es kommen Prostanoide, z. B. PGE1, zur Anwendung. Wirkmechanismus ist eine Thrombozytenaggregationshemmung und eine Vasodilatation. Indikationen sind kritische Durchblutungsstörungen, die keiner Revaskularisierung zugänglich sind.
  • Spinal Cord Stimulation führt zu einer Linderung ischämischer Ruheschmerzen. Als Wirkmechanismus wird eine Besserung des nutritiven Blutflusses angenommen; somit dürfte auch eine kausale Behandlung der Ischämieschmerzen anzunehmen sein.
Eine Schmerztherapie mit Analgetika wird nach den Regeln der Behandlung von Schmerzen nichtmaligner Genese durchgeführt (Kap. „Analgetika und Koanalgetika in der Schmerzmedizin“). Hierzu gehört die zeitkontingente Verabreichung von möglichst retardierten Zubereitungen, z. B. 2×100 mg Tramadol ret. oder 2×30 mg ret. Morphinsulfat. Überwiegt die neuropathische Schmerzkomponente, z. B. bei diabetischer Polyneuropathie, ist die einschleichende Behandlung mit membranstabilisierenden Substanzen wie Gabapentin indiziert. Reine Nozizeptorschmerzen, wie sie gelegentlich in Ulzera entstehen, sprechen gut auf Nichtopioidanalgetika wie Metamizol an.
Die medikamentöse Behandlung von Ischämieschmerzen ist – verglichen mit anderen Indikationen – meistens weniger wirkungsvoll. Dies mag zum einen daran liegen, dass keine Besserung der Ischämie und somit der Schmerzursache erreicht werden kann, zum anderen daran, dass eine ausreichend hohe Dosierung wegen Nebenwirkungen (Obstipation, Verwirrtheit) nicht erreicht werden kann.

Raynaud-Phänomen

Symptome

Das Raynaud-Phänomen bezeichnet eine anfallsartig einsetzende Ischämie der oberen Extremitäten, die mit Abblassung, Parästhesien und oft mit Schmerzen einhergeht. Gebräuchlich ist eine Unterscheidung in primäres und sekundäres Raynaud-Phänomen, die ausschließlich vom Nachweis einer organischen vaskulären Erkrankung abhängt (Tab. 2).
Tab. 2
Unterscheidungsmerkmale zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen
Merkmal
Erkrankungsalter
Jung, 10–45 Jahre
Oft > 50 Jahre
Geschlechtsverteilung
m : w = 1 : 5
Uneinheitlich
Befall der Finger
Symmetrisch DII–V
Asymmetrisch, oft einzelne Finger
Vaskuläres Grundleiden
Nie
Entsprechend der Grunderkrankung
Akrale Nekrosen
Keine
Häufig
Serologische Veränderungen
Keine
Entsprechend der Grunderkrankung
Kapillarmikroskopie
Keine morphologischen Veränderungen
Häufig pathologisch
Arteriografie
Vasospasmen
Abnormitäten der kleinen Gefäße, Wandveränderungen, Vasospasmen
Traumen, zugrunde liegende Systemerkrankung
Fehlt
Kollagenose (Sklerodermie, Lupus erythematodes), PAVK, Endangiitis obliterans, Vibrationstraumen, Intoxikation, Pharmaka, Malignom (paraneoplastisch)

Primäres Raynaud-Phänomen

Passagere Vasospastik, oft mit typischer Farbsequenz („Trikolore“) blass – zyanotisch – rot (als Ausdruck der reaktiven Hyperämie) ablaufend. Befall meist symmetrisch, betrifft Finger distal der Grundgelenke, Daumen ist oft ausgespart. Frauen sollen 5-mal häufiger betroffen sein.

Sekundäres Raynaud-Phänomen

Erkrankung, die definitionsgemäß mit strukturellen Veränderungen der Handarterien einhergeht. Allerdings wird die Diagnose der Grunderkrankung oft erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome gestellt. Trophische Störungen und Nekrosen treten speziell nach längerem Verlauf auf.

Diagnostik

1.
Anamnese: Erfassung exogener Noxen (Nikotin, Ergotaminpräparate, Betarezeptorenblocker, berufliche Exposition, Vibrationstraumata), Auslöser für die Anfälle (Kälte, Stress), Seitenpräferenz.
 
2.
Objektivierung der Symptome und gegebenenfalls Dokumentation des digitalen Fingerarteriendrucks durch kontrollierte Exposition (Kälte), Untersuchung auf Nekrosen, Blutdruckmessung.
 
3.
Suche nach Ursachen eines möglicherweise sekundären Raynaud-Phänomens: Ausschluss proximaler Stenosen, ggfls durch Angiografie, Entzündungsparameter, Rheumaserologie, Autoantikörper, zirkulierende Immunkomplexe, Kapillarmikroskopie. Für weitergehende Information sei auf Lehrbücher der Angiologie verwiesen (Rieger und Schoop 1998).
 

Differenzialdiagnose

Die wesentlichen differenzialdiagnostischen Überlegungen betreffen zunächst die Entscheidung, ob es sich um ein primäres oder ein sekundäres Raynaud-Phänomen handelt, da hieraus Konsequenzen für Prognose und weitere Therapieoptionen erwachsen.

Therapie

Akutbehandlung

Topische Anwendung von Nitroglyzerinsalbe (2 %) und milde Erwärmung (kein heißes Wasser!) führen rasch zur Vasodilatation und Beschwerdelinderung. Durch Sympathikusblockaden (Ggl. stellatum) kann die Spastik im akuten Anfall ebenfalls gelöst werden.

Langzeittherapie, Prophylaxe

Abbau von emotionalem Stress und Aufklärung des Patienten über die prinzipielle Gutartigkeit speziell beim primären Raynaud-Phänomen helfen, die Anfallhäufigkeit und -dauer zu verringern. Ein Verzicht auf potenziell vasokonstriktiv wirkende Pharmaka und sowie Nikotinkarenz sollte angestrebt werde.
Prophylaktisch hat sich die Gabe von Kalziumkanalblockern (Nifedipin) als Maßnahme der 1. Wahl zur Senkung der Anfallsfrequenz bewährt. Behandlungsversuche mit dem 5-HT2-Antagonisten Ketanserin bei Sklerodermie führten zu einer Abkürzung der Anfallsdauer; die Frequenz blieb unverändert.
Sympathikusblockaden über das Ganglion stellatum eignen sich wegen der Invasivität und Gefahr von schweren Komplikationen nicht so sehr für die Dauerbehandlung, da die Injektionen in nahezu täglichen Abständen durchgeführt werden müssten. Thorakale Sympathektomien führen zunächst zu einer Besserung der Symptomatik, die Langzeitergebnisse sind jedoch enttäuschend, es kommt nach wenigen Monaten zu einer erneuten, oft stärker ausgeprägten Kälteempfindlichkeit der behandelten Extremität.
Bei gesichertem positivem Effekt nach einer passageren Sympathikusblockade kann durch Anwendung von epiduraler Elektrostimulation (SCS) eine langfristige Besserung der akralen Durchblutung erreicht werden.
Bei der sekundären Raynaud-Symptomatik ist die kausale Behandlung der Grunderkrankung anzustreben; hier sei auf die einschlägigen Lehrbücher der inneren Medizin bzw. Rheumatologie verwiesen.

Koronare Herzerkrankung

Symptome

Schmerzen als Folge einer koronaren Ischämie werden überwiegend linksthorakal empfunden; etwas seltener kommt es zur Schmerzausstrahlung in die Dermatome der unteren und mittleren Zervikalnerven (Arm, Hals, Gesicht). Der Schmerzausbruch ist oft von vegetativen Symptomen wie Schwitzen, Zittern und Angst begleitet.
Generell sollte bei passender Risikokonstellation (Alter, Geschlecht, Komorbidität) bei allen (links)thorakalen Schmerzen eine koronare Ischämie in Betracht gezogen werden.

Diagnostik

Die Klinik im Verbindung mit entsprechender Risikokonstellation (s. oben) ist für die Verdachtsdiagnose einer koronaren Ischämie und Veranlassung von Notfallmaßnahmen ausreichend. Bei entsprechender apparativer Ausrüstung erfolgt eine Sicherung der Diagnose durch mehrkanalige EKG-Ableitung.
Laborchemische Untersuchungen sowie Bildgebung sind der weiterbehandelnden Klinik vorbehalten.

Diffenzialdiagnose

Differenzialdiagnostische Überlegungen sind erst nach Ausschluss einer Koronarischämie als Schmerzursache zu überprüfen. Eine Auswahl von Differenzialdiagnosen ist in Tab. 3 dargestellt.
Tab. 3
Differenzialdiagnosen beim linksthorakalen Schmerz
Differenzialdiagnose
Atemabhängig
Bewegungsabhängig
Neurologischer Befund
Nahrungsabhängig
Pleuritis
×
(×)
  
×
(×)
  
×
   
Interkostalneuralgie
 
×
(×)
 
Zosterschmerz (akut)
  
×
 
  
×
 
Vertebragene Ursachen
 
×
  
×
   
Tietze-Syndrom
 
×
  
Herzneurose/somatoforme Schmerzstörung
    
Refluxerkrankung, Ulkus
   
×

Therapie

Akutes Ereignis

Bei Verdacht auf Herzinfarkt, Angina pectoris:
  • Gabe von Nitroglyzerinspray sublingual,
  • Anlage eines periphervenösen Zugangs,
  • Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern, Vasodilatatoren, Opioiden (z. B. Morphin titriert 2,5–5–10 mg), Sedativa (z. B. Midazolam titriert 1–3–5 mg),
  • Notfalleinweisung in die Klinik.

Chronischer Verlauf

In der Regel liegt die Behandlung der koronaren Herzerkrankung in der Hand der Kardiologen. Leitlinien erlauben ein standardisiertes Vorgehen.
Säulen der Behandlung sind:
  • Elimination und Behandlung der Risikofaktoren wie Nikotinkonsum, Hypertonus, Diabetes, LDL-Cholesterin,
  • Pharmakotherapie mit Thrombozytenaggregationshemmern, Nitraten, Betarezeptorenblockern, Kalziumantagonisten,
  • Koronarchirurgie und rekanalisierende Maßnahmen.
Auch unter diesem Therapieregime sind nicht alle Patienten frei von Angina pectoris. Hier kann eine Behandlung mit retardiertem Opioid über einen langen Zeitraum eine Minderung der Beschwerden und eine bessere Lebensqualität bringen (Mouallem et al. 2000).
Unter epiduraler Elektrostimulation (SCS) kommt es ebenfalls zu einer wesentlichen Beschwerdereduktion, die vergleichbar dem Effekt einer koronaren Bypassoperation ist (Mannheimer et al. 1998).
Auch durch Anwendung von TENS im Thoraxbereich lässt sich eine Minderung der anginösen Schmerzen erzielen (Borjesson et al. 1997).

Abdomineller Ischämieschmerz

Symptome

Akutes Ereignis

In der Frühphase der Erkrankung können die Symptome relativ unspezifisch erscheinen – diffuser Bauchschmerz, Stuhlunregelmäßigkeiten –, dann kommt es rasch zur Entwicklung eines akuten Abdomens mit starkem Schmerz, Abwehrspannung, teilweise blutigen Stühlen sowie Zeichen der Peritonitis mit Hypotonie. Ursache ist meistens ein Mesenterialinfarkt, seltener die Mesenterialvenenthrombose.

Chronischer Verlauf (Angina abdominalis)

Häufige Symptomatik von abdomineller Minderperfusion sind postprandiale Schmerzen nach 20–30 min. In späteren Stadien kann es zu ständigen Bauchschmerzen, teilweise mit Hyperperistaltik und aufgrund von Malabsorption zu einem Gewichtsverlust kommen. In der Regel finden sich auch weitere Merkmale der generalisierten fortgeschrittenen Arteriosklerose.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Akutes Ereignis

Das akute Ereignis erlaubt keine ausgedehnte präklinische Diagnostik, die sich deshalb auf Anamnese (Rhythmusstörungen, andere Manifestationen einer Verschlusserkrankung, Nahrungsaufnahme?), körperliche Untersuchung, Auskultation und Palpation beschränken sollte.
Bei Verdacht auf einen Mesenterialinfarkt ist eine umgehende Aufnahme zur stationären Diagnostik und Therapie zu veranlassen.

Chronischer Verlauf

Zahlreiche Erkrankungen zeigen ähnliche Symptome wie die chronische Angina abdominalis; in der Regel kann dann die weitergehende gastrointestinale Funktionsdiagnostik andere Ursachen der Beschwerden ausschließen. Richtungweisend ist häufig schon die Anamnese (Vorhoffflimmern, KHK, zerebrovaskuläre Insuffizienz, PAVK). Eine dopplersonographische oder angiographische Darstellung der intestinalen Blutgefäße kann die Diagnose erhärten.

Therapie

Akutes Ereignis

Die Behandlung der akuten Schmerzen steht im Vordergrund, aufgrund der unsicheren enteralen Resorption sollte die Therapie ausschließlich intravenös erfolgen. Parallel erfolgt die Behandlung der Hypovolämie durch Flüssigkeitsersatz. Die Dosierung der Analgetika muss sich am Allgemeinzustand und dem Volumenstatus des Patienten orientieren, z. B. Morphin 5–10 mg, Metamizol 0,5–1 g (langsam, cave: Blutdruckabfall!), Tramadol 50–100 mg.

Chronischer Verlauf

Die Behandlung des chronischen, ischämisch bedingten Abdominalschmerzes besteht zunächst darin, die Auslöser der Attacken zu vermeiden. Häufige kleine Mahlzeiten statt weniger großer können die Intensität der Anfälle verringern, ferner sind die Möglichkeiten einer Revaskularisierung oder Rekanalisierung zu prüfen.
Inwieweit Analgetika langfristig eine Beschwerdelinderung bewirken (z. B. Metamizol 4–6×0,5–1 g, Opioide), ist bislang nicht geklärt. Eine langfristige Antikoagulation wird wegen der Gefahr von gastrointestinalen Blutungen kontrovers diskutiert.

Leitlinien

Literatur
Borjesson M, Eriksson P, Dellborg M, Eliasson T, Mannheimer C (1997) Transcutaneous electrical nerve stimulation in unstable angina pectoris. Coron Artery Dis 8(8–9):543–550PubMed
Diehm C, Kareem S, Lawall H (2004a) Epidemiology of peripheral arterial disease. Vasa 33:183–189CrossRef
Diehm C, Schuster A, Allenberg J et al (2004b) High prevalence of peripheral arterial disease and co-morbidity in 6880 primary care patients: cross-sectional study. Atherosclerosis 172:95–105CrossRef
Dormandy JA, Rutherford RB (2000) Management of peripheral arterial disease (PAD) TASC Working GroupTransAtlantic Inter-Society Consensus (TASC). J Vasc Surg 31(1 Pt 2):S1–S296PubMed
Mannheimer C, Eliasson T, Augustinsson L et al (1998) Electrical stimulation versus coronary artery bypass surgery in severe angina pectoris: the ESBY study. Circulation 97:1157–1163CrossRef
Mouallem M, Schwartz E, Farfel Z (2000) Prolonged oral morphine therapy for severe angina pectoris. J Pain Symptom Manag 19:393–397CrossRef
Rieger H, Schoop W (1998) Klinische Angiologie. Springer, Berlin/Heidelberg/New YorkCrossRef
Smith I, Franks PJ, Greenhalgh R et al (1996) The influence of smoking cessation and hypertriglyceridaemia on the progression of peripheral arterial disease and the onset of critical ischaemia. Eur J Vasc Endovasc Surg 11:402–408CrossRef