Die Neuregelung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV)
zur Verordnung von
Cannabinoiden im März 2016 hat dieser Substanzgruppe eine neue Bedeutung in der Schmerzmedizin verschafft, bei insgesamt geringer bis fehlender externer Evidenz zur Wirksamkeit (Häuser et al.
2018a). Vom Gesetz her ist eine Therapie möglich bei schwerer Erkrankung, dem Fehlen alternativer Behandlungsansätze bzw. einer negativen ärztlichen Einschätzung möglicher Alternativen einer positiven Wirkung sowie einer spürbaren, nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Krankheitsverlauf und Symptomatik. In der Psychiatrie wird für Cannabinoide ein relevantes Suchtpotenzial gesehen; die Diagnose einer Substanzabhängigkeit ist mittlerweile unstrittig und etabliert. Eine Komedikation von
Opioiden und Cannabinoiden ist in Ländern mit liberaler Verordnung nicht selten, Patienten berichten subjektiv über ein Einsparpotenzial von Opioiden, was durch kontrollierte Studien bisher nicht belegt ist (Nielsen et al.
2017). In Daten aus Schmerzkliniken finden sich aber auch Hinweise für missbräuchliche Anwendung bis zur Substanzabhängigkeit, wobei derzeit keine belastbare Aussage über das Risiko eines Fehl- oder Missbrauchs- bzw. einer Substanzabhängigkeit bei medizinischer Indikation von Cannabinoiden getroffen werden kann (Nugent et al.
2018). Es empfiehlt sich aber, die Grundsätze einer Therapie mit Opioiden analog auch auf Cannabinoide anzuwenden. Aufgrund fehlender Erfahrungen im Einsatz von Medizinalhanf
wird aus schmerzmedizinischer Sicht der Einsatz pharmakologisch definierter Einzelstoffe oder definierter Extrakte (auch in Kombination) empfohlen, wie z. B. THC oder THC/CBD-Kombinationen, die auch pharmakokinetische Vorteile bieten und eine schnelle Wirkstoffanflutung vermeiden.
In den letzten Jahren häufen sich Hinweise auf eine Zunahme missbräuchlicher Anwendungen von
Pregabalin und in geringerem Ausmaß auch
Gabapentin mit wachsendem Schwarzmarkt sowie
Intoxikationen und vereinzelten Todesfällen im Kontext von multiplem Substanzgebrauch. Insbesondere die Verordnung von Pregabalin hat in den letzten 10 Jahren dabei deutlich zugenommen. Das Abhängigkeitspotenzial könnte an GABA-ähnlichen Eigenschaften und indirekten dopaminergen Effekten im Belohnungssystem liegen; im Vergleich zu Gabapentin hat Pregabalin eine schnellere und höhere
Bioverfügbarkeit. In einer dänischen Untersuchung wurde bei 9,6 % der Patienten über einen Beobachtungszeitraum von sechs Monaten eine Dosis von 600 mg Pregabalin überschritten, Dosen über 1200 mg waren jedoch sehr selten (Schjerning et al.
2016). Bei Patienten mit manifester Suchterkrankung (z. B.
Opioide, Alkohol,
Benzodiazepine) oder multiplem Substanzgebrauch ist der Einsatz von Pregabalin kritisch zu sehen und bedarf sorgfältiger Überwachung (Stannard
2016), in der klinischen Routine sollte die Dosis-Compliance beachtet werden.