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Alkoholismus-Forschung, aktuelle Befunde, künftige Perspektiven

Verfasst von: Falk Kiefer und Rilana Schuster
Durch Alkoholkonsum bedingte Veränderungen von Kognition, Verhalten und sozialer Interaktion zählen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Unter alkoholbedingten Störungen fasst man insbesondere Alkoholintoxikation, schädlichen Gebrauch, Alkoholabhängigkeit und assoziierte Syndrome wie Alkoholentzug, psychotische Störung, amnestisches Syndrom und andere psychische Störungen oder Verhaltensstörungen zusammen. Diese sowie auch internistische und neurologische Folgeerkrankungen des Alkoholkonsums führen dazu, dass Störungen durch Alkohol ein erhebliches medizinisches und soziales Problem darstellen. In Bezug auf die Ätiopathogenese der Alkoholerkrankung werden verschiedene soziale und lerntheoretische, aber auch genetische und biologische Theorien diskutiert. Entsprechend kommen in der Therapie unterschiedliche Ansätze zum Tragen, z. B. Psychotherapie, sozialpsychiatrische Maßnahmen oder/und Therapie mit Anti-Craving-Substanzen.

Epidemiologie

Der Alkoholverbrauch in Deutschland je Einwohner stagnierte in den vergangenen Jahren auf hohem Niveau bei ca. 10 l je Einwohner und Jahr (Drogen- und Suchtbericht 2015). Die Lebenszeitprävalenz für Alkoholkonsum in Deutschland liegt bei ca. 95 % (Küfner 2010). Die derzeit aktuellste Repräsentativumfrage unter 18- bis 64-jährigen Erwachsenen (Epidemiological survey of substance abuse, ESA; Pabst et al. 2013) ergab einen Anteil von 3,6 % Erwachsenen, die noch nie Alkohol konsumiert haben. Dabei ist zu beachten, dass im europäischen Vergleich die Prävalenzraten der Alkoholabhängigkeit stark schwanken und u. a. von der Trinkkultur und sozialen Normen beeinflusst werden (Rehm et al. 2015; Tab. 1).
Tab. 1
Prävalenzdaten für alkoholbezogene Störungen
Alkoholkonsum Erwachsener
Alkoholkonsum Jugendlicher/junger Erwachsener
Alkoholabhängigkeit
- 3,4 % (18–64 Jahre); Männer: 5,2 %; Frauen: 2,1 %
- 0,7 % (> 65 Jahre)
Regelmäßiger Alkoholkonsum
(mindestens 1-mal/Woche)
- 13,6 % (12–17 Jahre); Jungs: 18 %, Mädchen: 9 %
- 38,4 % (18–25 Jahre); Männer: 52,3 %, Frauen: 23,8 %
Riskanter Konsum
(Männer: > 30 g/Tag, Frauen: > 20 g/Tag)
12 % (18–64 Jahre)
Episodisches Rauschtrinken
(an ≥ 4 Tagen in 30 Tagen, 5 oder mehr Gläser Alkohol)
- 19,8 % (14–17 Jahre);
- 20,6 % (21–24 Jahre)
nach dem Epidemiologischen Suchtsurvey 2012; Kraus et al. 2015; Lampert et al. 2014
Die Diagnose der Alkoholabhängigkeit ist dabei bei den 18- bis 20-Jährigen mit 5,5 % und bei den 21- bis 24-Jährigen mit 6,1 % mehr als doppelt so häufig vertreten als in der Gruppe der 25- bis 50-Jährigen. Dabei nahm insbesondere der Trinkstil des „Komatrinkens“ („Binge Drinking“) bei Kindern und Jugendlichen zu. Im Jahr 2013 mussten rund 23.267 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholintoxikation ins Krankenhaus gebracht werden, eine Steigerung um fast das Dreifache im Vergleich zu 2000 (Drogen- und Suchtbericht 2015). Männer und junge Erwachsene trinken eher episodisch große Mengen Alkohol (Pabst et al. 2013). Eine große Studie aus dem Jahr 2010 („Global Burden of Disease“) zeigte, dass der Alkoholkonsum neben Bluthochdruck und Tabakkonsum zu den größten Risikofaktoren für die Entwicklung von Krankheiten zählt (Lim et al. 2012). Bei Männern in Deutschland nimmt der Alkoholkonsum als Risikofaktor für die Entwicklung für Krankheiten Platz fünf ein (Plass et al. 2014). Es scheint in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern an der Umsetzung von Präventivmaßnahmen zu fehlen (wie beispielsweise eine Erhöhung der Alkoholsteuer oder ein einheitliches Werbeverbot für Alkohol; Adams und Effertz 2010).
Aktuelle Analysen zu alkoholbezogenen Gesundheitsstörungen und Todesfällen gehen von jährlich ca. 47.000 Todesfällen und von täglich ca. 200 Todesfällen durch den Konsum von Alkohol aus (Gärtner et al. 2015). Der Anteil an Todesfällen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren beträgt bei Männern ca. 25 % und bei Frauen ca. 13 % (Hanke und John 2003). In Deutschland liegen die Kosten für die Behandlung alkoholbezogener Störungen mit 30 Mrd. Euro jährlich im europäischen Vergleich an der Spitze aller durch psychische Störungen bedingten Kosten (Effertz und Mann 2013). Dabei werden ca. 70 % der Gesamtkosten durch Männer verursacht (Konnopka und König 2007). Im Jahr 2013 lagen psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (inklusive der Alkoholintoxikationen) mit 338.204 Fällen an Stelle zwei der vollstationären Krankenhausbehandlungen (Drogen- und Suchtbericht 2015). Dabei nimmt allerdings die Inanspruchnahme des suchtspezifischen Hilfesystems einen geringen Anteil ein. Es befinden sich nach aktueller Datenlage schätzungsweise nur 16 % aller alkoholabhängigen Erwachsenen in suchtspezifischer Behandlung (Kraus et al. 2015). Nur ca. 1,8 % begeben sich in stationäre Rehabilitationsbehandlung.

Ätiopathogenese

Es gibt keine einheitliche Erklärung für die Entwicklung von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit. Zentraler Aspekt ist die wiederholte Einnahme von Alkohol als einer zentral aktiven pharmakologischen Substanz mit Abhängigkeitspotenzial. Aufgrund vielfältiger, die Alkoholeinnahme modulierender Faktoren (Abb. 1) handelt sich bei der Entwicklung der Alkoholabhängigkeit um ein multifaktorielles Kausalitätsgefüge. Sieht man von der ganz offensichtlichen hohen Komorbidität verschiedener psychischer Störungen mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit ab, werden heute im Wesentlichen das Zusammenspiel sozialer und lerntheoretischer Theorien, aber auch genetische und biologische Befunde als mögliche Erklärungen für Alkoholismus genannt.

Umweltfaktoren und soziale Einflüsse

Zahlreiche Untersuchungen haben sich mit der Frage beschäftigt, welche Faktoren zur Entwicklung von Alkoholismus führen können (Übersicht in Feuerlein et al. 1998). Folgende zentrale Ansätze wurden dabei verfolgt:
Sozialisationsbezogener Ansatz
Jugendliche haben im Rahmen ihrer Sozialisation entwicklungsspezifische Aufgaben zu bewältigen (Entwicklung eigener Werte und Normen, Loslösung von der Familie, Gewinnung von Autonomie, Differenzierung der Geschlechterrolle und der beruflichen Identität etc.). Auch der gesellschaftlich meist akzeptierte Alkoholkonsum kann als eine solche Entwicklungsaufgabe angesehen werden und auf die verschiedenen Sozialisierungsinstitutionen (z. B. Schule) Einfluss nehmen.
Sozialer Stressansatz
Soziale Beziehungen und andere soziale Faktoren der Umwelt können zu verschiedenen Belastungssituationen führen, die für den Einzelnen möglicherweise nicht mehr zu bewältigen sind. Alkohol kann hier als „Problemlöser“ eingesetzt werden.
Soziale Stützung
Soziale Beziehungen und die Integration in ein soziales Netz können bedeuten, dass eine Reihe von sozialen Stützfaktoren zur Bewältigung von Problemen und Konflikten für den Einzelnen zur Verfügung stehen.
Enkulturation
Die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen (Peergroup) und Kulturen führen im Allgemeinen dazu, dass die dort geltenden Normen und Wertvorstellungen bezüglich des Konsums von Alkohol übernommen werden oder sich eine entsprechende Gegenposition entwickelt.
Marktaspekte
Soziale Makrofaktoren bestimmen das Angebot und die Verfügbarkeit von Alkohol (Griffnähe) auf vielfältige Weise:
  • die Preise von Alkohol,
  • das Gesetz über Herstellung und Vertrieb von Alkohol,
  • Jugendschutz und
  • Werbung.
Höhere Preise führen z. B. regelhaft zu einer Verminderung des Konsums.

Weitere Einflussfaktoren

Zu den sozialen Einflussfaktoren, die zur Entwicklung eines Alkoholismus beitragen können, gehören die Herkunftsfamilie, die Primärfamilie, Schule, Peergroups, Freunde und Gruppierungen, aber auch die sozialen Lebensbedingungen einschließlich der Arbeitssituation und der finanziellen Situation. Zusätzlich zum familiären Umfeld („Mikrokosmos“) tragen auch makrosoziale Bedingungen zur Entwicklung von Suchtverhalten bei. Dazu gehören soziokulturelle Einflüsse, wobei sich im Wesentlichen bezüglich des Alkoholkonsums 4 Kulturformen unterscheiden lassen:
  • Abstinenzkulturen: Verbot jeglichen Alkoholgenusses,
  • Ambivalenzkulturen: Konflikt zwischen koexistenten Wertstrukturen gegenüber Alkohol,
  • Permissivkulturen: Alkoholgenuss ist erlaubt, Trunkenheit und andere pathologische Erscheinungen des Alkoholkonsums werden jedoch meist abgelehnt.
Andere Einflussgrößen sind die sozialen Schichten sowie die gesetzlichen Bedingungen (Alkoholpreise, Alkoholsteuern) und mögliche Einflüsse der modernen Industriegesellschaft.
Die klinische Erfahrung zeigt, dass neben der Griffnähe von Alkohol insbesondere der „Trinkstil“ in der Familie (z. B. Vorbildfunktion der Eltern) sowie – speziell im Jugendalter – das persönliche Umfeld eine große Bedeutung für die mögliche Entwicklung eines Alkoholmissbrauchs haben.
Präventive Ansätze sind im Wesentlichen über eine Beeinflussung des persönlichen Umfelds denkbar. Dabei kann aber nicht übersehen werden, dass die Anwendung einer bestimmten Droge, wie z. B. Alkohol, auch durch globale soziokulturelle Einflüsse (oder den Lifestyle) beeinflusst wird. So stellt sich beispielsweise die Akzeptanz von Betrunkenen oder Rauchern in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren anders dar als früher, was sich gesellschaftlich etwa im Alkoholverkaufsverbotsgesetz in Baden-Württemberg, in der Einschränkung von Tabakwerbung oder im Bundesnichtraucherschutzgesetz widerspiegelt.

Genetische Befunde

Eine familiäre Häufung von Alkoholismus ist seit Langem bekannt (Cotton 1979) und empirisch gut belegt. Die familiäre Häufung allein sagt noch nichts über eine mögliche hereditäre oder genetische Belastung bzw. Vererbbarkeit von Alkoholismus aus. Um den Einfluss von Genen vom Einfluss eines familiären Umfelds unterscheiden zu können, werden zumeist 2 Untersuchungsmethoden gewählt: die Zwillings- und die Adoptionsstudien.
Zwillingsstudien
Der erste Ansatz, die Zwillingsstudie, nutzt den Umstand, dass Zwillingspaare üblicherweise gemeinsam aufwachsen und somit vergleichbaren Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Da eineiige Zwillinge annähernd 100 % ihres genetischen Materials teilen, zweieiige Zwillinge aber im Schnitt nur 50 %, erlaubt diese Form von Studien Rückschlüsse auf die Auswirkung der genetischen Faktoren auf die Abhängigkeitsentstehung. Die Mehrzahl der in den letzten Jahren durchgeführten Zwillingsstudien zur Abhängigkeit belegen, dass die Konkordanzraten (konkordant erkrankt: beide Zwillinge sind erkrankt) eineiiger Zwillingen weitaus höher als die zweieiiger Zwillingen sind. Die aus der Gesamtschau dieser Studien abgeschätzte Heritabilität z. B. für die Alkoholabhängigkeit liegt bei ca. 50 % (McGue 1999). Zwar wurde bei Männern eine besonders starke Assoziation zwischen positiver Familienanamnese und Erkrankungsrisiko für Alkoholabhängigkeit diskutiert, Zwillingsstudien zeigen jedoch, dass der Einfluss genetischer Faktoren bei der Entstehung der Alkoholabhängigkeit bei Frauen und Männern vergleichbar ist (Kendler et al. 1992).
Adoptionsstudien
Diese stellen einen zweiten Ansatz zur Unterscheidung des Einflusses von genetischen Faktoren und Umweltbedingungen dar. Untersuchungen an Halbgeschwistern sowie die Evaluation des Erkrankungsrisikos adoptierter Kinder von Abhängigen belegen ebenfalls die Annahme, dass das Risiko für die Entstehung einer Sucht genetisch beeinflusst ist (Goodwin et al. 1973). Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien geben keinen Hinweis darauf, dass einfache dominante oder rezessive Faktoren zum Risiko der Entstehung alkoholbezogener Erkrankungen beitragen.
Die genetische Veranlagung zur Entwicklung einer Abhängigkeit wird daher als polygen (durch eine Vielzahl von Genen bedingt) angesehen, wobei die tatsächliche Entstehung der Erkrankung durch eine Wechselwirkung dieser verschiedenen genetischen Faktoren mit Umwelteinflüssen verursacht wird (d. h. multifaktoriell).

Alkoholismus als Ausdruck eines multidimensionalen Phänotyps

Unzureichend geklärt ist derzeit, welche Merkmale vererbt werden und wie sich diese auf einen erhöhten Alkoholkonsum auswirken. Bislang konnte v. a. ein Einfluss genetischer Faktoren auf die Alkoholmetabolisierung gezeigt werden. Nach Agarwal und Goedde (1990) lässt sich Alkoholismus als Ausdruck eines multidimensionalen Phänotyps mit unterschiedlichen klinischen Zügen, biochemischen Grundlagen, Organfolgeschäden, unterschiedlicher Auswirkung auf neurophysiologische und neuropsychologische sowie soziale und biologische Parameter auffassen. Abgesehen von den vielfach wiederholt gezeigten erheblich höheren Alkoholismusraten bei Männern ist bislang offen, ob vermehrt persönlichkeitsgebundene oder z. B. neuropsychologische Auffälligkeiten vererbt werden oder auch neurobiologische Varianzen.
Langzeituntersuchungen an High-Risk-Gruppen (Nachkommen alkoholkranker Eltern) wiesen wie erwartet eine vielfach erhöhte Alkoholismusrate bei Kindern alkoholkranker Eltern nach, wobei diese Kinder im Vergleich eine geringere Sensitivität für die Alkoholwirkung bzw. geringere Ausfälle bei entsprechenden Intoxikationen zeigten. Nicht gezeigt werden konnte dagegen eine erhöhte Rate von psychischen Auffälligkeiten wie z. B. Depression (Kiefer et al. 2010).
Trotz intensiver Bemühungen war es bislang nicht möglich, einen verlässlichen biologischen bzw. genetischen Marker für Alkoholismus zu etablieren. Derzeit wird eine Fülle von Assoziations- und Kopplungsstudien bei Patienten mit familiärer Belastung mit Alkoholismus durchgeführt. Hypothesengeleitete Ansätze konzentrieren sich dabei aktuell auf die Bedeutung von Risikogenen aus den dopaminergen, glutamatergen, opioidergen, cannabinoidergen und GABAergen Systemen (Schuckit 2002). Seit kurzer Zeit ist es möglich, genomweite Assoziationsuntersuchungen durchzuführen. Die Ergebnisse der ersten genomweiten Assoziationsuntersuchungen zu Suchterkrankungen (Uhl et al. 2008; Treutlein et al. 2009) zeigen in Übereinstimmung mit genomweiten Assoziationsuntersuchungen bei somatischen Erkrankungen, dass v. a. pharmakogenetische Therapieansätze von dieser Methode profitieren können (Kiefer et al. 2010). Ein wichtiges Ziel ist dabei die Entwicklung fokussierter und effektiver Präventions- und Therapiemaßnahmen im Sinne einer möglichst individualisierten Intervention. Das zunehmende Wissen um die biologischen Mechanismen und genetischen Einflüsse, die zu spezifischen Subtypen einer erhöhten Vulnerabilität führen, könnte sowohl die Prävention als auch die Therapie deutlich verbessern.

Neurobiologische Aspekte

Bislang ist offen, ob alle psychotropen Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial ihre psychotropen Wirkungen über gemeinsame „common pathways“ entfalten. Unterstützt wird diese Vermutung jedoch durch die Erkenntnis, dass alle uns bekannten Suchtstoffe sich zwar erheblich in ihrer Pharmakodynamik und -kinetik unterscheiden, dabei jedoch einen Klasseneffekt haben, der ihnen ihr „Suchtpotenzial“ verleiht: Ihre Einnahme ist mit der Aktivierung mesolimbischer-mesokortikaler Bahnen verbunden und hat damit einen unmittelbaren Effekt auf Verhaltensbewertung und Motivationsbildung.
Alkohol und andere Suchtmittel verändern auf pharmakologischem Wege über eine Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin die Bewertung des mit der Einnahme einhergehenden Verhaltens und markieren dieses als „positiv“ (belohnungsankündigend). Damit setzen bzw. verstärken sie ein Motiv, eben dieses Verhalten zu wiederholen (Kiefer 2004). Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dass diese positive Bewertung zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeit in Richtung der Reize erfolgt, die mit der Substanzeinnahme einhergehen, im Sinne einer positiven Wahrnehmungsselektion gegenüber nicht (oder weniger stark) wirksamen Verhaltensverstärkern. Mithilfe von funktioneller Kernspintomografie kann eine Reiz-Reaktivität (Cue-Reaktivität) beim Menschen untersucht werden. Alkoholabhängige Menschen zeigen eine erhöhte Aufmerksamkeit für alkoholassoziierte Reize (Kiefer et al. 2013). Es konnte gezeigt werden, dass alkoholbezogene Reize bestimmte Gedächtnisareale und das Belohnungssystem aktivieren (Vollstädt-Klein et al. 2010). Auch nach längerer Abstinenz können spezifische Reize Verlangen auslösen und einen Rückfall herbeiführen (Heinz et al. 2009).

Belohnungsassoziiertes Lernen

Das Gehirn ist kein statisches Organ, sondern plastisch in Abhängigkeit von Aktivität und Erfahrung. Lernen umfasst zunächst die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung und in der Folge die Fähigkeit, künftiges Verhalten daran zu orientieren. Eine für die Entstehung von Suchterkrankungen entscheidende Rolle spielt dabei das belohnungsassoziierte Lernen (von der Goltz und Kiefer 2009). Dabei initiieren die über das mesolimbische Verstärkersystem vermittelten hedonischen Konsequenzen Lernprozesse, insbesondere für die positive Bewertung der Hinweisreize, die den Erhalt einer Belohnung vorhersagen (Hyman et al. 2006).
In Übertragung der Modelle der klassischen Konditionierung (nach Pawlow) können ursprünglich neutrale Reize, die mit einer Suchtmitteleinnahme assoziiert werden, zum erneuten Konsum motivieren, während bei der operanten (instrumentellen) Konditionierung die Konsequenzen, die einem Verhalten folgen, über die Wahrscheinlichkeit seines zukünftigen Auftretens entscheiden. Dabei kann der Suchtmittelkonsum sowohl zu angenehmen Konsequenzen (positive Verstärkung) als auch zur Vermeidung von unangenehmen Konsequenzen (z. B. Entzugserscheinungen) beitragen (negative Verstärkung).

Dopaminsystem

Die Erkenntnisse über die Rolle von Dopamin bei der Verarbeitung belohnungsanzeigender Hinweisreize waren für das Verständnis von Suchterkrankungen von entscheidender Bedeutung. Die „Incentive Sensitization Theory of Addiction“ von Robinson und Berridge (1993) postuliert, dass es durch wiederholten Substanzkonsum zu einer durch neuroadaptive Prozesse vermittelten Sensitivierung des dopaminergen mesolimbischen Systems und daraus resultierend zu einer erhöhten Aufmerksamkeitszuwendung für suchtmittelassoziierte Reize („incentive salience“) kommt.
Die Sensitivierung des mesolimbischen dopaminergen Systems wird dabei durch assoziative Konditionierungsprozesse beeinflusst. Prinzipiell ist Suchtmitteln die Eigenschaft gemein, direkt oder indirekt die synaptische Dopaminmenge im Nucleus accumbens über die Projektionen vom ventralen Tegmentum zu erhöhen (Abb. 2; Di Chiara und Imperato 1988). Galt Dopamin früher noch als hedonisches Signal, nimmt man heute an, dass es eher als ein belohnungsankündigendes und aufmerksamkeitslenkendes Signal fungiert (Schultz et al. 1997). Demnach wird die Prädiktion für eine Belohnung als „besser als erwartet“ mit einem phasischen Anstieg (positiver Vorhersagefehler für Belohnungsereignisse) oder „schlechter als erwartet“ mit einer phasischen Abnahme (negativer Vorhersagefehler für Belohnungsereignisse) der dopaminergen Transmission codiert. Dabei wird durch den pharmakologisch induzierten Anstieg der dopaminergen Transmission immer das Signal „besser als erwartet“ erzeugt, unabhängig vom subjektiven Empfinden der Wirksamkeit des Suchtmittels. Dieser Hypothese folgend resultiert daraus ein pathologisches „Überlernen“ drogenassoziierter Hinweisreize im Vergleich zu den Assoziationen mit natürlichen Verstärkern (Montague et al. 2004).

Andere Neurotransmittersysteme

Andere wichtige Neurotransmittersysteme, die für die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit zumindest indirekt mitverantwortlich sein könnten, sind das Glutamatsystem und spezielle N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptorsubtypen sowie die Beeinflussung von Stresshormonen durch Alkohol. Aktuell werden neben genetisch bedingten Unterschieden der alkoholmetabolisierenden Enzyme (ADH, ALDH) insbesondere Veränderungen der GABA- und Glutamatrezeptoren als mögliche Vulnerabilitätsmarker für Alkoholismus diskutiert. Beide Systeme haben für zahlreiche Alkoholwirkungen wie Sedation und Anxiolyse eine zentrale Bedeutung (Spanagel 2010).

Ätiopathogenese des Alkoholentzugssyndroms

Veränderte Homöostase
Die Pathophysiologie des Alkoholentzugssyndroms wird heute im Wesentlichen auf gegenregulatorische Phänomene bei zuvor längerer Alkoholexposition zurückgeführt. Fast alle Neurotransmittersysteme werden durch chronische Alkoholexposition dahingehend abgewandelt, dass sich die Zahl und Empfindlichkeit der Neurorezeptoren ändern. Eine längere Alkoholexposition führt dabei zu einer Toleranz, deren Unterbrechung wiederum die zuvor erreichte Homöostase mit adaptiven zellulären und neurochemischen Veränderungen beendet. Als wesentliche neurochemische Grundlagen des Alkoholentzugssyndroms werden einerseits eine verminderte Aktivität des GABAergen sowie eine erhöhte Funktion des glutamatergen Systems verantwortlich gemacht (Abb. 3), dazu kommen aber auch Veränderungen im noradrenergen System und bei anderen Neurotransmittern.
Insgesamt ist die Aktivität hemmender Neurotransmitter (GABA) im Alkoholentzug vermindert, die Aktivität erregender Neurotransmitter (Glutamat) erhöht.
„Kindling“-Hypothese
Interessant ist die sog. Kindling-Hypothese, die auf neurophysiologische Grundlagenuntersuchungen zurückgeht (Ballenger und Post 1978). Danach führt die repetitive Anwendung schwacher elektrischer Reize in unterschiedlichen Hirnarealen, insbesondere im Bereich des limbischen Systems, zu zunächst subklinischen Entladungen, d. h., dass geringe Reize zunächst keine Depolarisation bzw. Reizantwort bewirken. Erst bei chronisch repetitiven Reizungen kommt es zu Nachentladungen, sodass schließlich schon geringe Reize diese auslösen können. Für die Übertragung auf das Alkoholentzugssyndrom bedeutet dies, dass durch wiederholte Abstinenzphasen und darauffolgende (subklinische) Entzüge die Entwicklung eines schweren Alkoholentzugssyndroms und epileptischer Anfälle bis hin zum Alkoholdelir gebahnt werden könnte (Becker 1998).
Störungen der zirkadianen Rhythmik
Speziell für das Alkoholdelir wurde auch eine Reihe weiterer pathophysiologischer Mechanismen verantwortlich gemacht. Dazu gehört neben den genannten biochemischen Veränderungen (verminderte Aktivität inhibitorischer, vermehrte Aktivität exzitatorischer Neurotransmitter) insbesondere auch eine Störung der zirkadianen Rhythmik. Alkohol führt zu einer Veränderung der Schlafarchitektur mit Unterdrückung der REM-Phasen. Bei Alkoholdelirpatienten findet man einen sog. REM-Rebound, also ein vermehrtes Auftreten von REM-Phasen, was zu den „traumartigen“ Eindrücken und Wahrnehmungen vieler Deliranten passen könnte. Hier könnte es also ähnlich wie im neurochemischen Bereich zu einer kompensatorischen Veränderung im Gehirn kommen (Kurella et al. 1990a, b).
Elektrolytstörungen
Darüber hinaus werden heute eine Reihe bestimmter Elektrolytstörungen sowie Störungen des Wasserhaushalts für die Entwicklung eines Delirs mitverantwortlich gemacht. Dies betrifft v. a. die Hypokaliämie und Hypomagnesiämie. Magnesium spielt nicht nur für die Zellfunktionen, sondern auch für spezifische Neurotransmitter (z. B. am glutamatergen NMDA-Rezeptor) eine große Rolle. Weiter wird, neben Störungen der Blut-Hirn-Schranke, insbesondere auch eine respiratorische Alkalose, die ähnlich wie eine Hypomagnesiämie zu einer Übererregbarkeit des ZNS führt, mit für die Entwicklung eines Delirs verantwortlich gemacht.

Symptomatologie

Intoxikations- und Entzugssymptome

Alkoholintoxikation

Für die Ausgestaltung und Symptomatologie der bei einer jeweiligen Blutalkoholkonzentration (BAK) gefundenen neuropsychiatrischen und klinischen Trunkenheitssymptome spielen verschiedene Faktoren wie die individuelle Alkoholgewöhnung und -toleranz, jeweilige Begleitumstände (z. B. Übermüdung), die körperliche Verfassung und eine Vielzahl anderer somatischer und psychischer Faktoren eine Rolle. Rein klinisch lassen sich leichte von mittelgradigen und schweren Rauschzuständen bis hin zum alkoholischen Koma von spezifischen Rauschzuständen und Intoxikationen abgrenzen. Die Blutalkoholkonzentration kann mithilfe der Witmark-Formel errechnet werden, falls der Alkohol bereits im Körper abgebaut ist.
BAK (‰) = Alkoholmenge (g)/Körpergewicht (kg) × Reduktionsfaktor (♀: 0,6; ♂: 0,7)
Symptomatik der Alkoholintoxikation
Die Symptome der normalen Alkoholintoxikation sind:
Generell ist zu berücksichtigen, dass geringe Mengen Alkohol auf das Nervensystem erregend (weil enthemmend), höhere Konzentrationen dagegen allgemein dämpfend wirken, sodass es mit steigender BAK zu einer zunehmenden Trübung des Bewusstseins kommt.
Erfahrungsgemäß entspricht einer BAK von 1 ‰ je nach Körpergewicht und Resorption in etwa eine Trinkmenge von 2–2,5 l Bier.
Die höchste BAK ist nach ca. einer Stunde des Konsums erreicht.
Leichte Rauschzustände
Sie sind klinisch v. a. durch eine Gang- und Standunsicherheit, verwaschene Sprache, leichte Beeinträchtigung komplexerer motorischer Funktionen und der Koordination sowie durch Störungen der Augenbewegungen gekennzeichnet.
Mittelgradige Rauschzustände
Bei Blutalkoholkonzentration von ca. 1,5–2 ‰ finden sich zunehmende psychische Auffälligkeiten, insbesondere affektive Entgleisungen und Enthemmungen, ein gehobener Affekt bis hin zur Euphorie, rasch wechselnd mit zunehmender Gereiztheit und Aggressivität. Das Denken ist meist noch geordnet, aber außenorientiert bei üblicherweise erhaltener Orientierung. Deutliche Beeinträchtigungen finden sich in den Bereichen Konzentration, Auffassungsgabe und Kritikfähigkeit.
Schwere Rauschzustände
Bei einer BAK von etwa 2–2,5 ‰ kommt es zu zunehmenden Bewusstseins- und Orientierungsstörungen, illusionären Verkennungen, seltener auch Halluzinationen, Angst und Erregung. Neurologische Symptome sind praktisch obligat, speziell Gleichgewichtsstörungen, Dysarthrie, Vertigo und Ataxie. Insbesondere schwere Rauschzustände können differenzialdiagnostische Probleme aufwerfen, da vergleichbare Symptome bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen auftreten können und differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden sollten.
Differenzialdiagnostik der Alkoholintoxikation
Mit schweren Rauschzuständen vergleichbare Symptome sind:
  • Polyintoxikationen,
  • schwere Leberfunktionsstörungen,
  • andere Stoffwechselstörungen,
  • Störungen des Wasser-/Elektrolythaushalts,
  • intra-/extrazerebrale Blutungen,
  • Insult,
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
  • Psychose.
Alkoholvergiftung
Blutalkoholkonzentrationen von über 4 ‰ sind häufig tödlich. Bei einer BAK von 5 ‰ liegt die Letalität bei mindestens 50 % (Sellers und Kalant 1976). Tödlich wirkt in der Regel eine direkte Dämpfung des Atemzentrums oder eine Aspiration von Erbrochenem.
Bei schweren Trinkern können die Trunkenheitssymptome selbst einer BAK von deutlich über 3 ‰ erstaunlich gering sein.

Pathologischer Rausch

Trotz seiner relativen Seltenheit spielt der sog. pathologische Rausch oder die „idiosynkratische Alkoholintoxikation“ v. a. aus forensischer Sicht eine große Rolle und soll daher gesondert besprochen werden. Unter diesem Begriff werden bei nur gering bis mäßiger Alkoholisierung auftretende, ungewöhnliche Rauschzustände zusammengefasst, die klinisch durch ungewöhnliche paranoide Denkinhalte und aggressive Erregungszustände gekennzeichnet sind. Als Synonym für den pathologischen Rausch wird auch der Begriff „alkoholinduzierter Dämmerzustand“ verwendet.
Klinisch kommt es bei den entsprechenden Patienten zu aggressiven Durchbrüchen, Gewalttaten, Sinnestäuschungen oder paranoiden Denkinhalten, meistens in Form von Verfolgungs- und Bedrohungsängsten. Dabei können die Trunkenheitssymptome nur ganz gering ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen. Verschiedene Faktoren wie verminderte Alkoholtoleranz, z. B. bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma oder Enzephalitis, oder auch eine alkoholtoxische Hirnschädigung begünstigen das Auftreten eines pathologischen Rausches.
Über die Pathophysiologie ist bislang wenig bekannt. Differenzialdiagnostisch ist eine Fülle anderer psychischer Störungen in Erwägung zu ziehen (s. o.). Auch erfahrene Psychiater mit langjähriger Arbeit im Suchtbereich sehen einen pathologischen Rausch nur sehr selten.

Alkoholentzugssyndrom und assoziierte Störungen

Das Alkoholentzugssyndrom ist die häufigste neuropsychiatrische Störung bei Alkoholabhängigkeit, für die Diagnosestellung allerdings keineswegs obligat.
Während die meisten Alkoholabhängigen leichtere Entzugssyndrome (wie z. B. das Zittern) kennen, ist das Alkoholdelir vergleichsweise selten. Die Prävalenz wird mit 8–20 % angegeben. Viele auch langjährig alkoholabhängige Patienten entwickeln keine Entzugserscheinungen, während diese sich in anderen Fällen schon nach wenigen Monaten oder Jahren einstellen. Die Symptomatologie des Alkoholentzugssyndroms geht fließend ins Alkoholdelir über. Früher war in der Literatur für schwerere vegetative Entzugssyndrome der Begriff „Prädelir“ üblich, der heute nicht mehr verwendet wird.
Das Alkoholentzugssyndrom ist durch eine Reihe von psychovegetativen und körperlichen, aber uncharakteristischen Beschwerden gekennzeichnet. Dazu gehören der (praktisch obligate) Tremor, vermehrte Schweißneigung und auch eine innere Unruhe. Diese Symptome sind für den Patienten subjektiv häufig am stärksten belastend.
Typischerweise beginnen die Entzugssymptome in Abhängigkeit von der Trinkmenge sehr rasch nach Beginn der Abstinenz, bei schweren Trinkern sogar noch während der Alkoholisierung. Übelkeit und Erbrechen beeinträchtigen den Patienten subjektiv häufig stark, daraus resultieren Wasser- und Elektrolytverluste. Depressive Verstimmungen sind häufig, Bewusstsein und Orientierung sind aber meist ungestört.
Symptomatologie des einfachen Alkoholentzugssyndroms
Die nachfolgende Übersicht fasst die Symptome des einfachen Alkoholentzugssyndroms zusammen:
  • somatisch-internistische Symptome:
    • allgemeines Unwohlsein und Schwäche
    • gastrointestinale Störungen: Appetitmangel, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Durchfälle
    • Herz-Kreislauf-Störungen, Tachykardien, periphere Ödeme
  • vegetative Symptome:
  • neurologische Symptome:
  • psychische Symptome:
Das typische Alkoholentzugssyndrom klingt innerhalb weniger Tage bis längstens einer Woche ab. Epileptische Anfälle treten fast ausschließlich innerhalb der ersten 24 h, längstens 48 h nach Abstinenzbeginn auf.
Delirium tremens
Demgegenüber steht das Delir als klassischer Prototyp einer exogenen Psychose mit den Leitsymptomen Bewusstseins- und Orientierungsstörungen, Angst, kognitive Defizite und (meist optische) Halluzinationen. Es stellt eine unspezifische Reaktion des Gehirns auf verschiedene somatische und zerebrale Erkrankungen dar, tritt aber insbesondere bei Alkohol in Verbindung mit körperlichen Entzugssymptomen (Delirium tremens) sehr häufig auf. Der typische Delirpatient ist unruhig, schwer zu beruhigen und speziell nachts tritt eine verstärkte Unruhe auf.
Das Delir beginnt typischerweise etwa am 4. Tag nach der letzten Alkoholeinnahme. In den meisten Fällen handelt es sich um ein Entzugsdelir, gelegentlich kann sich ein Delir aber auch bei fortgesetztem Alkoholkonsum (sog. Kontinuitätsdelir) entwickeln. Dies ist insbesondere beim Hinzutreten weiterer körperlicher Folgeschäden der Fall. Häufig treten Delire nach schweren Verletzungen, Unfällen, aber auch postoperativ auf. Fast obligat sind Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus. Optische und selten auch akustische Halluzinationen, die häufig etwas Traumartiges haben, werden berichtet. Meist handelt es sich um massenhafte Bewegungen kleiner Tiere. Als akustische Halluzinationen werden Stimmen, v. a. aber auch Musik wahrgenommen. Verfolgungsgedanken, auch Eifersuchtsideen treten hinzu.
Der Delirant ist durch reine Ansprache kaum zu beruhigen, wirkt getrieben, ist reizbar und zeigt im Übrigen auch Symptome einer gesteigerten Aktivität des autonomen Nervensystems. Tachykardie, Fieber und Schwitzen treten hinzu. Eine Hyperthermie ist prognostisch ungünstig. Für das Delir besteht nach dessen Abklingen fast immer eine Amnesie, nur in seltenen Fällen kann der Patient das psychotische Erleben wiedergeben. Gefährdet ist der Delirant v. a. durch epileptische Anfälle, die sich im Vorfeld des Delirs häufig finden, aber auch durch kardiale Störungen und Kreislaufstörungen wie Hyper- und Hypotension.
Die Prognose wird beim Auftreten komplizierender körperlicher Erkrankungen (z. B. einer Pankreatitis) deutlich ungünstiger. Andere wichtige Komplikationen sind beispielsweise intestinale, aber auch zerebrale Blutungen, Pneumonien, Schock, hypertone Krisen, Vorhofflimmern und – seltener – eine akute Rhabdomyolyse.
Alkoholischer Eifersuchtswahn
Paranoide Störungen bei Alkoholabhängigen sind insgesamt nicht selten, wurden aber kaum untersucht. Zahlenmäßig dürfte sicherlich der „klassische Eifersuchtswahn“ die größte Rolle spielen. Aktuelle psychiatrische Klassifikationssysteme wie die ICD-10 führen den alkoholischen Eifersuchtswahn als diagnostische Entität allerdings nicht mehr auf.
Psychopathologische Verlaufsuntersuchungen zeigten, dass ein Eifersuchtswahn einerseits akut im Rahmen einer anderen Alkoholpsychose, z. B. eines Alkoholdelirs oder einer Alkoholhalluzinose, auftreten kann und mit dieser dann verschwindet, zum anderen gibt es auch einen chronischen, monosymptomatischen Eifersuchtswahn mit eher schleichendem Verlauf.
Alkoholbedingte Schlafstörungen
Klinisch finden sich häufig Hyposomnien und Störungen der Schlafkontinuität, die auch außerhalb des eigentlichen Alkoholentzugssyndroms auftreten können. Sieht man von anderen körperlichen Erkrankungen und Beschwerden (z. B. gastrointestinale Beschwerden) ab, finden sich v. a. im Alkoholentzugssyndrom starke Veränderungen der Schlafrhythmik im Sinne einer deutlichen Fragmentierung. Weiter liegen eine Tiefschlafreduktion, ein häufiger Wechsel der Schlafstadien und vermehrte Aufwachreaktionen vor, häufig auch ein sog. REM-Rebound (Kurrella et al. 1990a, b). Die bei Alkoholikern recht häufigen Schlafstörungen mit verminderter Schlafqualität führen oft nur zu subjektiv geringen Beeinträchtigungen.
Protrahiertes Alkoholentzugssyndrom
Wahrscheinlich aufgrund einer im ZNS lange nachweisbaren erhöhten neuronalen Erregbarkeit können bei Alkoholabhängigen auch bei erreichter Abstinenz über viele Wochen bis Monate unspezifische Symptome wie Angst, Dysphorie, Appetitmangel, Schlafstörungen, Schweißausbrüche oder andere somatische Symptome persistieren, die in der Literatur häufig unter dem Begriff „protrahiertes Alkoholentzugssyndrom“ beschrieben werden (Satel et al. 1993). Neben Persönlichkeits- und Umwelteinflüssen sowie hirnorganischen Symptomen dürften hier auch eine Reihe biologischer Faktoren wirksam sein.

Diagnostik und Differenzialdiagnose

Schädlicher Konsum und Abhängigkeit

Der Früherkennung alkoholassoziierter Probleme sollte in Kenntnis der oben genannten epidemiologischen Zahlen große Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Praxis folgt dem ersten klinischen Eindruck (s. Symptomatologie Abschn. 3: Foetor alcoholicus, gerötete Fazies etc.) meist ein Screening alkoholassoziierter Laborparameter (γ-Glutamyltransferase [γ-GT], Transaminasen [ALAT, ASAT], mittleres Erythrozytenvolumen [MCV] sowie Carbohydrate Deficient Transferrin [CDT]). Um einen positiven Befund für CDT zu erhalten, müsste ein täglicher Konsum von mindestens 60 g Ethanol stattgefunden haben. Die Halbwertszeit liegt bei 2 Wochen. Ein Phase-II-Metabolit von Ethanol ist Ethylglucuronid (EtG), der als Biomarker für einen vorausgegangenen Alkoholkonsum bis zu 4 Tage nach Konsum im Urin nachgewiesen werden kann (Sensitivität: 89,3 %; Spezifität 98,9 %; Staufer et al. 2011). Dieser Biomarker findet Anwendung bei der Überprüfung der Fahrtüchtigkeit. Für die Identifikation von riskantem Konsum, schädlichem Gebrauch oder gar Abhängigkeit sind einzelne Laborwerte jedoch nicht hinreichend aussagekräftig. Die Gesamtschau erhöhter Werte ermöglicht jedoch einen Verdacht, der im direkten Gespräch mit dem Betroffenen geklärt werden muss. Diese indirekten Verfahren der Diagnosestellung bergen allerdings das Risiko, den Patienten mit Indizien „überführen“ zu wollen und hiermit Abwehr und Verleugnungsstrategien auszulösen.
Laborparameter können Hinweise auf ein Alkoholproblem geben, belegen lässt sich eine Abhängigkeit hierdurch jedoch nicht.
Somit sind die Laborparameter für den behandelnden Arzt das Signal, die Diagnostik zu komplettieren. Bevor man zur Diagnostik mithilfe der internationalen Diagnoseklassifikationssysteme schreitet, haben sich zur einfachen und standardisierten Anwendung die deutschsprachige Version des „Alcohol Use Disorder Identification Test“ (AUDIT; Marlatt und Gordon 1985; Miller et al. 2003) und der Lübecker Abhängigkeits- und Missbrauchstest (LAST; Miller und Rollnick 1991; Moyer et al. 2002) bewährt. Während der LAST eine geringere Sensitivität für riskanten Alkoholkonsum aufweist (Prochaska und DiClemente 1986) und der sensitivere AUDIT in der Vollversion im primär medizinischen Bereich zu aufwendig erscheint, kann der AUDIT-C (Schmidt et al. 2006; Abb. 4) für die tägliche Praxis empfohlen werden. Für den AUDIT-C spricht zudem, dass er sowohl bei jüngeren Menschen als auch bei Älteren angewandt werden kann (Rumpf et al. 2013; Berner et al. 2007).
Kommt es zu einem positiven Screening mit diesem Instrument, sollten die Symptome der Abhängigkeit im Gespräch abgeklärt werden. Die Diagnose ist auf Basis der Kriterien für schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit in ICD-10 (International Classification of Diseases) sowie der Alkoholgebrauchsstörung im DSM-5 (Diagnostic and statistical Manual of mental Disorders) zu stellen.
Sowohl ICD-10 als auch DSM-5 kennen eine ganze Reihe psychischer Störungen und Verhaltensstörungen, die durch psychotrope Substanzen hervorgerufen werden können. Die diagnostischen Kriterien für schädlichen Gebrauch und Abhängigkeit nach ICD-10 sowie die Alkoholgebrauchsstörung nach DSM-5 sind nachfolgend zusammenfassend dargestellt. Ihre Kenntnis ist wichtig, da sich die diagnostischen Grundlagen z. T. erheblich unterscheiden.
ICD-10-Kriterien für den schädlichen Gebrauch sowie für das Abhängigkeitssyndrom
ICD-10: F10.1 „Schädlicher Gebrauch“
Ein Konsummuster psychotroper Substanzen (Alkohol), das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Diese kann eine körperliche Störung … oder eine psychische Störung sein, z. B. eine depressive Episode nach massivem Alkoholkonsum.
Diagnostische Leitlinien:
Die Diagnose erfordert eine tatsächliche Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit des Konsumenten.
Schädliches Konsumverhalten wird häufig von anderen kritisiert und hat auch häufig unterschiedliche negative soziale Folgen. Die Ablehnung des Konsumverhaltens oder einer bestimmten Substanz von anderen Personen oder einer ganzen Gesellschaft ist kein Beweis für den schädlichen Gebrauch, ebenso wenig wie etwaige negative soziale Folgen (z. B. Inhaftierung oder Eheprobleme).
Eine akute Intoxikation oder ein „Kater“ („hangover“) beweisen allein noch nicht den „Gesundheitsschaden“, der für die Diagnose schädlicher Gebrauch erforderlich ist.
Schädlicher Gebrauch ist bei einem Abhängigkeitssyndrom (F10.2), einer psychotischen Störung (F10.5) oder bei anderen spezifischen alkoholbedingten Störungen nicht zu diagnostizieren.
ICD-10: F10.2 „Abhängigkeitssyndrom“
Es handelt sich um eine Gruppe körperlicher, verhaltensmäßiger und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber einer anderen Verhaltensweise, die von ihr früher höher bewertet wurde. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen zu konsumieren. Es gibt Hinweise darauf, dass die weiteren Merkmale des Abhängigkeitssyndroms bei einem Rückfall nach einer Abstinenzphase schneller auftreten als bei Nichtabhängigen.
Diagnostische Leitlinien:
Die sichere Diagnose „Abhängigkeit“ sollte nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres 3 oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:
1.
Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren
 
2.
Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums
 
3.
Ein körperliches Entzugssyndrom (F10.3 und F10.4) bei Beendigung oder Reduktion des Konsums …
 
4.
Nachweis einer Toleranz
 
5.
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen …
 
6.
Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen …
 
DSM-5-Kriterien für Alkoholgebrauchsstörung (Alcohol Use Disorder)
DSM-5: „Alkoholgebrauchsstörung“ (Alcohol Use Disorder)
Es handelt sich um eine Gruppe körperlicher, verhaltensmäßiger und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber einer anderen Verhaltensweise, die von ihr früher höher bewertet wurde. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen zu konsumieren. Es gibt Hinweise darauf, dass die weiteren Merkmale des Abhängigkeitssyndroms bei einem Rückfall nach einer Abstinenzphase schneller auftreten als bei Nichtabhängigen.
Diagnostische Leitlinien:
Die Alkoholgebrauchsstörung ist erfüllt, wenn 2 der folgenden Kriterien innerhalb der letzten 12 Monate zutreffen:
1.
Wiederholter Konsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt
 
2.
Wiederholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann
 
3.
Wiederholter Konsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
 
4.
Toleranzentwicklung gekennzeichnet durch Dosissteigerung oder verminderte Wirkung
 
5.
Entzugssymptome oder deren Vermeidung durch Substanzkonsum
 
6.
Konsum länger oder in größeren Mengen als geplant (Kontrollverlust)
 
7.
Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
 
8.
Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz sowie Erholen von der Wirkung
 
9.
Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums
 
10.
Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis von körperlichen oder psychischen Problemen
 
11.
Craving, starkes Verlangen oder Drang, die Substanz zu konsumieren
 
In der ICD-10 wurde der früher übliche Begriff des Missbrauchs durch den Begriff „schädlicher Gebrauch“ ersetzt, während am Abhängigkeitsbegriff festgehalten wurde. Die ICD-10 kennt 6 Kriterien für Abhängigkeit, von denen 3 für die Diagnose erfüllt sein müssen. In den DSM-5-Kriterien wird eine „mild“ (2–3 Kriterien) von einer „moderate“ (4–5 Kriterien) und einer „severe“ Alcohol Use Disorder unterschieden. Die dimensionale Diagnostik stellt einen bedeutsamen Fortschritt im Vergleich zu den veralteten DSM-IV-Kriterien dar (Rumpf und Kiefer 2011).

Delirium tremens

Nicht jedes Alkoholdelir wird durch einen abrupten Alkoholentzug ausgelöst, oft reicht auch ein nur relativer Abfall des Alkoholspiegels aus. Von denen im Abschnitt Symptomatologie (Abschn. 3) genannten Charakteristika sind zumeist die psychomotorische Unruhe, die partielle oder komplette Desorientierung sowie das Auftreten von vorwiegend visuellen Halluzinationen in Zusammenhang mit einer Entzugssituation diagnostisch leitend.
Bei bestimmten neuropsychiatrischen Symptomen sind besondere diagnostische Maßnahmen notwendig, um differenzialdiagnostisch andere Ursachen einer deliranten Symptomatik ausschließen zu können. Dies gilt insbesondere bei initialen epileptischen Anfällen, neurologischen Herdbefunden und ausgeprägten Bewusstseinsstörungen. Zu den Untersuchungsmethoden gehören:
Abhängig von der häufig vorkommenden Multimorbidität des Alkoholkranken gibt es eine Reihe von typischen Komplikationen beim Alkoholdelir. Dazu gehören:
Am wichtigsten ist die Beachtung von Kreislaufkomplikationen sowie Leberschäden, einschließlich Gerinnungsstörungen und portaler Hypertension.

Epileptische Anfälle bei Alkoholikern

Epileptische Anfälle bei Alkoholikern lassen sich folgendermaßen differenzieren:
  • epileptische Anfälle im Rahmen des Alkoholentzugs (sog. Gelegenheitsanfälle),
  • epileptische Anfälle als Spätmanifestation einer direkten oder indirekt alkoholbedingten hirnorganischen Störung (Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma oder intrazerebraler Blutung),
  • epileptische Anfälle bei primär latenter Krampfbereitschaft, die durch den Alkoholabusus manifest wird,
  • Alkoholepilepsie im engeren Sinne (Auftreten von epileptischen Anfällen ohne zeitliche Bindung an erneuten Alkoholkonsum oder Abstinenz),
  • Komorbidität einer genuinen Epilepsie und einer Alkoholkrankheit.
Die epileptischen Anfälle im Zusammenhang mit Alkoholintoxikationen und Alkoholentzug sind die mit Abstand häufigste Anfallsform. Sie treten, anders als genuine Epilepsien, typischerweise im mittleren Erwachsenenalter erstmals auf und haben keine tageszeitliche Bindung.
Entzugskrampfanfälle treten fast ausschließlich innerhalb der ersten 48 h nach Beginn der Abstinenz auf, bei schweren Alkoholikern sogar bei noch bestehender Alkoholisierung. Zusätzlicher Medikamentenmissbrauch oder hirnorganische Störungen begünstigen das Auftreten von epileptischen Anfällen.
Differenzialdiagnostisch müssen eine Hypoglykämie und Elektrolytstörungen, hirntraumatische Schädigungen, Blutungen, andere toxische Einflüsse und genuine Epilepsien ausgeschlossen werden. Das EEG beim typischen Entzugskrampfanfall ist unauffällig, nur gelegentlich finden sich typische paroxysmale Störungen und Spike-Wave-Komplexe. Das EEG trägt im Wesentlichen zum Ausschluss anderer Hirnfunktionsstörungen bei. Bei der Erstmanifestation eines epileptischen Anfalls ist eine zerebrale Bildgebung sinnvoll.

Hirnorganische Störungen

Hirnorganische Störungen und neuropsychologische Defizite bei Alkoholabhängigkeit sind häufig, ihre Differenzialdiagnose ist aber oft schwierig. Besonders häufig kommt es bei Alkoholabhängigen zu Beeinträchtigungen beim Erlernen neuen Materials, beim Gedächtnis, Abstrahieren und Problemlösen, bei der räumlichen Wahrnehmung, der perzeptuellen und motorischen Geschwindigkeit, dem Tempo der Informationsverarbeitung und deren Effizienz (Parsons und Nixon 1996).
Früher wurde die Hypothese vertreten, dass Alkoholismus zu vorzeitigen Alterungsprozessen im ZNS führe. Ausreichende Belege dafür gibt es bislang aber nicht. Demenzielle und amnestische Syndrome finden sich vorwiegend, aber nicht nur bei älteren Alkoholikern. Hier können sich besonders Probleme der differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber anderen demenziellen Prozessen ergeben.
Folgt man psychiatrischen Klassifikationssystemen wie der ICD-10, so lassen sich die hirnorganischen Störungen bei Alkoholabhängigkeit differenzieren in
  • das „durch Alkohol bedingte amnestische Syndrom“ (ICD-10, F10.6), welches dem früheren Begriff des Korsakow-Syndroms entspricht, außerdem in
  • die Alkoholdemenz (ICD-10, F10.73).
Von diesen Störungen sind die hepatische Enzephalopathie und andere neuropsychiatrische Störungen abzugrenzen. Für die Verifizierung kognitiver Defizite bietet sich eine Reihe verschiedener psychometrischer Verfahren an (Tab. 2). Zur Diagnostik eignen sich neuroradiologische und neurophysiologische Untersuchungen, insbesondere CCT, NMR (Kernspintomografie), EEG, evozierte Potenziale und z. T. auch die PET (Positronenemissionstomografie). Demenzielle Syndrome bei Alkoholabhängigen sind häufig und verschlechtern die therapeutischen Chancen bei Alkoholismus.
Tab. 2
Testpsychologische Verfahren in der Diagnostik hirnorganischer Störungen bei Alkoholikern. (Aus Soyka 1995)
Einzelne Subtests des Hamburg-Wechsler-Intelligenztests
Hirnorganische Leistungsminderung
Feinmotorik nach Grünberger
Feinmotorik, Koordination
Benton-Test
Hirnorganische Leistungsminderung
Farbe-Wort-Interferenztest (FWIT)
Interferenzfestigkeit
Pfadfindertest
Visuomotorische Geschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit (frontale Schädigung)
Zahlenverbindungstest
Visuomotorische Geschwindigkeit (frontale Schädigung)
Zerebraler Insuffizienztest
Interferenzfestigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit
Test d2 – Aufmerksamkeits-Belastungs-Test
Aufmerksamkeit, Konzentration, Belastbarkeit
Halstead-Category-Test
Problemlösungsstrategien (frontale Schädigung)
Diagnostikum für Zerebralschädigungen
Hirnorganische Leistungsminderung
Spezielle Fragestellungen
Wiener Testgerät
Reaktionsfähigkeit (Fahreignung!)
Verkehrsverständnistest
Fahreignung
Differenzialdiagnostisch ist bei Auftreten neuropsychologischer Defizite insbesondere an nichtalkoholtoxische Hepatopathien, v. a. Virushepatitiden, Morbus Wilson, Hämochromatose, Leberdystrophien und andere Noxen zu denken.
Neben den klinisch-chemischen Parametern (erhöhte Transaminasen) hat v. a. die Neurophysiologie große Bedeutung für die Diagnostik. Im EEG sieht man hochamplitudige bi- bis triphasische δ-Wellen. Die Cholinesterase als Maß der Synthesekapazität der Leber ist vermindert, erhöhte Ammoniakspiegel und verminderte Gerinnungsfaktoren sind diagnostisch wegweisend.

Psychotische Störungen durch Alkohol (Alkoholhalluzinose)

Die Symptomatik der Alkoholhalluzinose ähnelt stark der paranoiden Schizophrenie (Tab. 3), die gleichzeitig die wichtigste Differenzialdiagnose darstellt. Der Verlauf ist in den meisten Fällen günstig, etwa 10–20 % der Betroffenen entwickeln aber chronische Halluzinationen, die sich dann psychopathologisch entweder als chronische schizophreniforme Psychosen mit lebhafter halluzinatorischer Symptomatik, häufig auch einem Eifersuchtswahn oder auch in hirnorganischen Störungen manifestieren (Übersicht bei Soyka et al. 2006a).
Tab. 3
Differenzialdiagnostische Kriterien zur Abgrenzung der Alkoholhalluzinose von paranoiden Schizophrenien. (Nach Soyka et al. 2006a)
Kriterium
Alkoholhalluzinose
Schizophrenie
Beginn
Akut
Oft schleichend
Alter bei Erstmanifestation
Etwa 40–50 Jahre
Meist vor dem 30. Lebensjahr, selten nach dem 40. Lebensjahr
Prognose
Meist gut (80–90 %)
Öfter chronische Verläufe
Alkoholanamnese
Langjährig positiv
Kann positiv sein
Familiäre Belastung mit Schizophrenie
Nicht erhöht
Deutlich erhöht
Psychopathologie
Stimmenhören
Obligat
Häufig
Optische Halluzinationen
Manchmal
Selten
Denkstörungen
Sehr selten
Denkzerfahrenheit
Affektstörungen
Ängstlich depressiv, keine Parathymie
Parathymie
Sehr selten
Sehr häufig
Neurologische Symptomatik
Häufig
Selten

Verlauf, Prognose, Komorbidität

Bisher existieren nur wenige Arbeiten zum Abstinenzverlauf primär therapienaiver alkoholabhängiger Menschen. Edwards (1996) konnte über einen Beobachtungszeitraum von 20 Jahren zeigen, dass ca. zwei Drittel der Abhängigen den Konsum fortgeführt hatten und nur ein Drittel abstinent oder zumindest symptomverbessert war. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Alkoholabhängigen während der Beobachtungszeit nicht therapienaiv blieben, sondern unterschiedlichste Behandlungsmaßnahmen in Anspruch nahmen. Das Follow-up alkoholabhängiger Männer von Vaillant (2003) über einen Zeitraum von 60 Jahren ergab, dass am Ende eines solchen Zeitraums nur noch selten eine chronische Alkoholabhängigkeit zu beobachten ist, bedingt durch vorzeitigen Tod oder aber stabile Abstinenz.
Bis zum Alter von 70 Jahren waren in 2 unabhängigen Samples bereits 54 % bzw. 58 % der Patienten verstorben, 32 % bzw. 21 % waren abstinent, 1 % bzw. 10,5 % betrieben einen sporadischen („kontrollierten“) Konsum und nur 12 % bzw. 10,5 % tranken regelmäßig Alkohol. In beiden Kohorten zeigte sich, dass ein schädlicher Alkoholgebrauch (Alkoholmissbrauch) über Jahre ohne Remissions- oder Progressionstendenz persistieren konnte.
Über den Langzeitverlauf bei Patienten unter Therapiebedingungen des deutschen Suchthilfesystems gibt eine Studie Aufschluss, die das Trinkverhalten und den Abstinenzverlauf über 16 Jahre nach Durchführung einer qualifizierten Entzugsbehandlung untersucht hat (Mann et al. 2005). Sechzehn Jahre nach Indexbehandlung waren in dieser Studie 27 % der Patienten verstorben, 54 % waren abstinent, 14 % zeigten eine verbesserte Symptomatik und 31 % zeigten weiterhin alkoholabhängige Konsummuster. Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass abstinente alkoholabhängige Patienten über die Erhebungspunkte einen relativ stabilen Verlauf zeigten, während bei Patienten mit unregelmäßigem Konsum („kontrolliertem Trinken“) häufiger ein sehr wechselhafter Verlauf zu beobachten war, mit Übergängen in abstinente Phasen, in Phasen von massivem Trinken und in tödliche Verläufe.

Komorbidität psychiatrischer Störungen mit Alkoholismus

Zur Komorbidität psychiatrischer Störungen mit Alkoholismus liegt eine ganze Reihe klinischer und auch epidemiologischer Daten vor. In mehreren klinischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Prävalenzraten für Alkoholismus bei Schizophrenen in verschiedenen Untersuchungen zwischen 20 % bis über 50 % betrugen. Auch Patienten mit affektiven Erkrankungen wiesen eine hohe Komorbidität auf, wobei häufig Prävalenzraten von 20–40 % mitgeteilt wurden (Soyka 1997; Mann und Kiefer 2008).
Eine große epidemiologische Komorbiditätsstudie aus den USA (National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions, NESARC) mit 43.093 Teilnehmern zeigte deutliche Assoziationen einer Alkoholerkrankung zu folgenden komorbiden psychischen Störungen:
  • antisoziale Persönlichkeit (Odds-Ratio [OR] 4,8; 95 %, Konfidenzintervall [CI] 4,1–5,6),
  • histrionische Persönlichkeit (OR 4,7; 95 %, CI 3,8–5,8),
  • dependente Persönlichkeit (OR 3,0; 95 %, CI 1,9–4,8 ; Grant et al. 2004a),
  • affektive Störungen (OR 2,6; 95 %, CI 2,3–2,9),
  • Angsterkrankung (OR 1,7; 95 %, CI 1,5–2,0; Grant et al. 2004b),
  • Drogenmissbrauch/Drogenabhängigkeit (OR 5,7; 95 %, CI 4,49–7,30/OR 9,9; 95 %, CI 6,47–15,01; Stinson et al. 2005).
Insgesamt zeigte bereits eine frühere epidemiologische Studie (ECA, Regier et al. 1990), dass 53 % der Personen mit Substanzmissbrauch oder Abhängigkeit auch eine andere psychische Störung aufwiesen (Regier et al. 1990).
Sullivan et al. (2005) fanden in einer Übersicht über 35 Studien bei depressiv Erkrankten eine gegenüber der Normalbevölkerung auf 16 % (aktuell) bzw. 30 % (Lebenszeit) erhöhte Alkoholismusrate. Am höchsten ist das relative Risiko für bipolare Störungen (Kessler et al. 1997). Bei Schizophrenie findet sich eine Lebenszeitprävalenz für Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit von 34 % (Regier et al. 1990), für Angsterkrankungen lag die Lebenszeitprävalenz bei Alkoholkranken bei 6–20 %. Soziale und spezifische Phobien sind besonders häufig (Kessler et al. 1997). Bei Patienten mit einer Borderlinepersönlichkeitsstörung ist das Auftreten einer Alkoholabhängigkeit mit 47 % (OR 5,38) deutlich erhöht gegenüber der Allgemeinbevölkerung (Trull et al. 2010; Tomko et al. 2013).
Die nachfolgende Übersicht fasst noch einmal die durch Alkohol induzierten psychischen Störungen und Verhaltensstörungen nach ICD-10 zusammen.
ICD-10-Klassifikation der durch Alkohol induzierten psychischen Störungen und Verhaltensstörungen
F10.0 akute Intoxikation
  • .00 ohne Komplikation
  • .01 mit Verletzung oder anderer körperlicher Schädigung
  • .02 mit anderer medizinischer Komplikation
  • .03 mit Delir
  • .04 mit Wahrnehmungsstörungen
  • .05 mit Koma
  • .06 mit Krampfanfällen
  • .07 pathologischer Rausch
F10.1 Schädlicher Gebrauch
F10.2 Abhängigkeitssyndrom
  • .20 gegenwärtig abstinent
  • .21 gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung
  • .22 gegenwärtig Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm
  • .23 gegenwärtig abstinent, aber in Behandlung mit aversiven oder hemmenden Medikamenten (z. B. Disulfiram)
  • .24 gegenwärtiger Substanzgebrauch
  • .25 ständiger Substanzmissbrauch
  • .26 episodischer Substanzmissbrauch (Dipsomanie)
F10.4 Entzugssyndrom mit Delir
  • .40 ohne Krampfanfälle
  • .41 mit Krampfanfällen
F10.5 Psychotische Störung
  • .50 schizophreniform
  • .51 vorwiegend wahnhaft
  • .52 vorwiegend halluzinatorisch
  • .53 vorwiegend polymorph
  • .54 vorwiegend depressive Symptome
  • .55 vorwiegend manische Symptome
  • .56 gemischt
F10.6 Durch Alkohol bedingtes amnestisches Syndrom
F10.7 Durch Alkohol bedingter Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
  • .70 Nachhallzustände (Flashbacks)
  • .71 Persönlichkeits- und Verhaltensstörung
  • .72 affektives Zustandsbild
  • .74 andere anhaltende kognitive Beeinträchtigung
  • .75 verzögert auftretende psychotische Störung
F10.8 Andere durch Alkohol bedingte psychische oder Verhaltensstörungen
F10.9 Nicht näher bezeichnete durch Alkohol bedingte psychische Störungen oder Verhaltensstörungen

Therapie

Die Behandlung der Alkoholabhängigkeit ist erfolgversprechend; ein weit verbreiteter therapeutischer Nihilismus ist fehl am Platze. Dies wird umso deutlicher, wenn man, wie bei anderen chronischen Erkrankungen, nicht lebenslange Symptomfreiheit als Therapieziel definiert, sondern Schadensminderung, Ermöglichung von symptomfreien Intervallen und eine Verbesserung der Prognose. In den vergangenen Jahrzehnten ist eine Fülle von Kurz- und Langzeitkatamnesen zur Evaluierung des Erfolgs verschiedener Behandlungskonzepte bei Alkoholabhängigen vorgelegt worden, die vergleichsweise günstige Behandlungsergebnisse gezeigt haben. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass nur ein relativ kleiner Teil von Alkoholabhängigen überhaupt in entsprechenden Facheinrichtungen oder in psychiatrischen Kliniken behandelt wird (Abb. 5).
Versorgungsstrukturen
Die adäquate Behandlung der Alkoholabhängigen beginnt oft beim Hausarzt oder aber auch im nichtärztlichen Bereich, z. B. bei Suchtberatungsstellen oder in Selbsthilfegruppen. Anders als bei anderen psychischen Störungen spielen in der Versorgung von Suchterkrankungen nichtärztliche Therapeuten und Versorgungsstrukturen eine sehr große Rolle.
Behandlungsbeginn
Am Anfang der Behandlung muss die Diagnosestellung stehen, wobei dem Patienten sowohl Diagnose als auch Therapiemöglichkeiten verständlich erklärt werden müssen. Dies kann schon ein erstes Stück der notwendigen Motivationsarbeit sein. Oft ist es jedoch erst nach längeren Bemühungen möglich, den Patienten zu einer weitergehenden Behandlung zu motivieren. Auch hier können Selbsthilfegruppen eine große Rolle spielen.
In der Regel führen meist massive psychosoziale oder familiäre Probleme dazu, dass ein Alkoholabhängiger sich in Behandlung begibt. Dies können Probleme am Arbeitsplatz, aber auch eine drohende Scheidung oder ein Führerscheinverlust sein, aber auch – weniger häufig – körperliche Störungen. Dennoch sollte der Einfluss der ärztlichen Empfehlung nicht unterschätzt werden, auch wenn diese vom Patienten nicht immer unmittelbar umgesetzt werden kann. Während sich die klassischen Suchttherapien auf die Rehabilitationsbehandlung zur Abstinenzerhaltung nach Alkoholentzugsbehandlung („Entgiftung“) konzentrieren, ist in den letzten Jahren die Relevanz der Frühintervention vor Entzugsbehandlung in den Fokus gerückt. Primäres Ziel ist es, dem Patienten eine kritische Betrachtung des eigenen Alkoholkonsums zu ermöglichen und seine Veränderungsbereitschaft hinsichtlich einer Motivation zur Trinkmengenreduktion bzw. Abstinenz zu unterstützen.
Die Förderung und Stabilisierung von Motivation ist somit bereits eine Aufgabe der Therapie und nicht deren Vorbedingung.
Therapieziele
Die Therapieempfehlungen bei schädlichem Alkoholgebrauch und Abhängigkeit orientieren sich, wie bei anderen Erkrankungen auch, an dem Schweregrad der Erkrankung und den vordringlichen Therapiezielen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Behandlungsziel der „lebenslangen Alkoholabstinenz“ in der Behandlung zwar eine Idealnorm darstellt, der tatsächlichen Problemlage aber selten entspricht und zuweilen eher geeignet ist, Patienten und Behandler zu demotivieren. Hier muss positiv gewertet werden, dass abstinente Episoden, die von „Rezidiven“ (Rückfällen) unterbrochen werden, gegenüber dem unbehandelten „chronisch-progredienten“ Verlauf einen wesentlichen Therapieerfolg darstellen. Aktuell wird auch die Trinkmengenreduktion als mögliche Option bei Patienten, die sich mit ihrem Alkoholkonsum auf einem hohen Risikoniveau (>60 g/Tag für Männer; > 40 g/Tag für Frauen) befinden und nicht die Abstinenz als Primärziel anstreben, diskutiert. Diese Therapieoption sollte außerhalb der stationären Entwöhnung stattfinden und kann pharmakologisch mit Nalmefen im Rahmen eines Behandlungskonzepts unterstützt werden. Die Trinkmengenreduktion könnte sich im Sinne eines „stepped care“ zunächst ohne, später mit medikamentöser Unterstützung als sinnvolle Erweiterung der Therapiemöglichkeiten ergeben (S3-Leitlinie Alkoholabhängigkeit).
Aufbauend auf den dargestellten lerntheoretischen Ansätzen zur Ätiopathogenese der Erkrankung ist dennoch die Abstinenz die Voraussetzung für eine Entkopplung von konditionierten alkoholassoziierten Reizen und dem Alkoholkonsum. Abstinenz kann also als eine die Extinktion fördernde Intervention betrachtet werden und damit nicht nur als therapeutisches Ziel, sondern auch als therapeutisches Mittel.
Die nachfolgende Übersicht gibt eine Hierarchisierung der Therapieziele bei Alkoholabhängigen wieder.
Hierarchie der Therapieziele bei Alkoholabhängigen
  • Sicherung des Überlebens
  • Behandlung von Folge- und Begleitkrankheiten
  • Förderung von Krankheitseinsicht und Motivation zur Veränderung
  • Aufbau alkoholfreier Phasen
  • Verbesserung der psychosozialen Situation
  • Dauerhafte Abstinenz
  • Angemessene Lebensqualität

Therapie des riskanten Konsums

Bei riskantem Konsum (nicht Abhängigkeit!) gilt die „Minimalintervention“ („brief intervention“) als wirksam, eine sehr wenig aufwendige therapeutische Maßnahme, die von Allgemein- oder Fachärzten oder im Krankenhaus durchgeführt werden kann (Evidenzgrad Ia für „very brief intervention“, Poikolainen 1999; Ib für „Gesundheitsrat“, Küfner 2000). Sie besteht in der Regel in einem einmaligen Kontakt für die Dauer von 5–20 min, in dem auf die Risiken des Alkoholkonsums bzw. vermehrten Trinkens hingewiesen wird und eine Verminderung der Trinkmenge (auf Mengen unterhalb der vorgegebenen Grenzwerte, d. h. 30–40 g bei Männern, 20 g bei Frauen) bzw. trinkfreie Tage empfohlen werden. Solche Verhaltens- und Therapievorschläge haben sich in einer ganzen Reihe von Untersuchungen als wirksam erwiesen. Je größer dabei die Trinkmengen und/oder je stärker die gesundheitlichen Folgen, umso wirksamer erweisen sich die zusätzlichen Beratungen (Evidenzgrad Ia; Kaner et al. 2007).
Bei täglichem Gebrauch/Missbrauch sind umfassende therapeutische Maßnahmen notwendig, in denen neben der Vermittlung der Untersuchungsergebnisse und der Diagnosestellung therapeutische Hilfe und Rat gegeben werden sollten hinsichtlich einer Trinkmengenreduzierung, Trinkpausen oder Abstinenz. Dazu gehören z. B. die wiederholte Nachfrage nach Veränderungen im Trinkverhalten und die Kontrolle bzw. Rückmeldung alkoholtypischer Laborparameter (γ-GT, MCV, CDT oder Atem-Alkohol-Luft). Auch die Vermittlung von Selbsthilfemanualen oder Trinktagebüchern und die Entwicklung von Verhaltensalternativen zum Trinkverhalten und zur Stressbewältigung gehören dazu. Bei Patienten ist je nach Ausprägung der Organschädigung auch eine fachärztliche Untersuchung und Beratung anzuraten.

Therapie der Alkoholabhängigkeit

Bezüglich der vergleichenden Beurteilung evidenzbasierter Interventionen sind insbesondere die Arbeiten der Arbeitsgruppe um W. R. Miller und R. R. Hester hervorzuheben, die wiederholt umfangreiche Literaturübersichten unter Einbeziehung jeweils aktuellster Ergebnisse vorgelegt haben. In ihrer aktuellsten Übersicht (Miller et al. 2003) berechnen sie für 381 Studien, die von 1953–2001 erschienen sind, einen „Cumulative Evidence Score“ unter Berücksichtigung der methodischen Qualität der Studien. Auch die von der „American Psychological Association“ eingesetzte „Task Force on Promotion and Dissemination of Psychological Procedures“, das „Swedish Council on Technology Assessment in Health Care“ (SBU), das „Health Technology Board for Scotland“ (HTBS) und insbesondere die „Cochrane Collaboration“ (www.cochrane.org. Zugegriffen am 30.04.2016) analysieren und bewerten regelmäßig Wirksamkeit und Evidenzgrade (auch) suchttherapeutischer Interventionen.
Therapie der Alkoholabhängigkeit (EbM-Info)
Fasst man die Ergebnisse der oben genannten Gruppen zusammen, so kann man unter den psychotherapeutischen Verfahren
  • den Motivationssteigerungsansatz,
  • das (kognitiv-verhaltenstherapeutische) Bewältigungstraining,
  • das soziale Kompetenztraining,
  • die Paar- und Familientherapie,
  • das gemeindenahe Verstärkermodell und
  • die Reizexposition
als wirksame Behandlungsverfahren bezeichnen (Lindenmeyer 1999). Als pharmakologisch wirksam erwies sich die rückfallprophylaktische Behandlung mit Acamprosat und Naltrexon (Kiefer und Mann 2005). Zu beiden Ergebnissen liegen Metaanalysen randomisierter Studien vor, sodass diese Verfahren dem Evidenzgrad Ia zugeordnet werden können (s. Küfner 2003).
Hervorzuheben ist, dass sich ein hoher Evidenzgrad aus positiven Ergebnissen in kontrollierten Interventionsstudien ableitet und sich daher nur auf einzelne Verfahren beziehen kann. Therapiepraxis ist aber die Kombination von komplexen Interventionen zu Therapieprogrammen („qualifizierte Entzugsbehandlung“, „Langzeittherapie“), deren Evidenzeinschätzung entweder erfahrungsbasiert ist („Expertenmeinung“, Evidenzgrad IV) oder sich aus Ergebnissen von deskriptiven Studien ableitet, die jedoch aus immanenten methodologischen Gründen (keine randomisierte Zuteilung, Evidenzgrade II–III) primär unterschiedliche Kollektive miteinander vergleichen und daher einen geringeren Evidenzgrad aufweisen. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass integrierende Behandlungen langfristig wirksamer sind als die Anwendung einer einzelnen Behandlungskomponente (Müller-Fahrnow et al. 2002).
Aus Gründen der Praxisrelevanz wird das vorliegende Kapitel primär die komplexen, für das deutsche Versorgungssystem charakteristischen Therapieangebote innerhalb der Motivationsbehandlung, der Entzugsbehandlung sowie der Rehabilitation und Nachsorge vorstellen, dabei aber insbesondere auf diejenigen Therapiebausteine und Einzelinterventionen eingehen, deren Wirksamkeit man auf Grundlage vorliegender Daten als nachgewiesen betrachten kann.

Herstellung und Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation

Als erfolgreich zur Herstellung und Steigerung der Abstinenzmotivation haben sich die auf dem Modell der dynamischen Veränderungsbereitschaft (Prochaska und DiClemente 1986) beruhenden Kurzinterventionen gezeigt, die häufig Elemente der motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing [MI]; Miller und Rollnick 1999; Miller und Wilbourne 2002; Lundahl und Burke 2009; Evidenzgrad Ia) enthalten. Hauptmerkmal ist es, abhängige Patienten nicht durch konfrontative Methoden in eine Abwehr zu zwingen, sondern sie durch offene Fragen ohne implizierte Wertung zu einer Selbsteinschätzung zu veranlassen, die sie – durch reflektiertes Zuhören und positive Rückmeldung – zur Problemerkennung und Veränderungsbereitschaft motiviert. Weitere wesentliche Merkmale der motivierenden Gesprächsführung sind eine empathische Grundhaltung und das Aufbauen von Vertrauen in die Selbstwirksamkeit und die Vereinbarung von gemeinsam festgelegten Behandlungszielen.
Motivierende Gesprächsführung (nach Miller und Rollnick 1999)
Merkmale
1.
empathische Grundhaltung mit Verzicht auf Konfrontation
 
2.
Förderung der Diskrepanzwahrnehmung und der Veränderungsbereitschaft
 
3.
Aufbau von Vertrauen in die Selbstwirksamkeit
 
4.
Vereinbarung von gemeinsam erarbeiteten Behandlungszielen
 
Techniken
1.
offene Fragen ohne implizite Wertung
 
2.
reflektierendes Zuhören
 
3.
positive Rückmeldung
 
4.
strukturierende Zusammenfassung
 
Kurzintervention bei Alkoholabhängigkeit (EbM-Info)
Bereits eine hausärztliche Maßnahme wie Information, Aufklärung oder Ratschlag von max. 30-minütiger Dauer veranlasst bis zu 50 % der Patienten, den Alkoholkonsum zu reduzieren (Evidenzgrad Ia). Effekte einer Kurzintervention lassen sich bis zu 48 Monate nach der Durchführung nachweisen (Moyer et al. 2002).
In dieser Phase des Motivationsprozesses ist die Einbeziehung von Angehörigen sehr wichtig, da von vielen Abhängigen bereits ein charakteristisches Abwehrverhalten mit Bagatellisierungstendenzen gezeigt wird. Auch im Rahmen der qualifizierten Entzugsbehandlung ist der Motivationssteigerungsansatz wichtiger Bestandteil der Therapie alkoholabhängiger Patienten. Hier wird die sensible Phase der Entgiftung genutzt, um den Patienten zur Inanspruchnahme weiterer suchtspezifischer Hilfsangebote und zur Aufrechterhaltung einer abstinenten Lebensweise zu motivieren. Im Vergleich zur traditionellen Entgiftung ist die qualifizierte Entzugsbehandlung, die motivationssteigernde Verfahren integriert, mit einer deutlichen Erhöhung der Effektivität verbunden (Mann et al. 2006).

Entzugsbehandlung

Ambulante Entzugsbehandlung

Die Entzugsbehandlung kann erfolgreich ambulant durchgeführt werden, wenn keine Hinweise auf drohende Entzugskomplikationen bestehen (Soyka und Schmidt 2009). Komplikationen sind zu erwarten bei
  • positiver Anamnese für schwere vegetative Entzugserscheinungen,
  • Entzugskrämpfen,
  • Delirien sowie
  • bei „Spiegeltrinkern“ mit einer täglichen Alkoholeinnahme von mehr als 150 g/Tag,
  • polytoxikomanen Patienten,
  • Patienten mit psychiatrischer oder somatischer Komorbidität (insbesondere kardiovaskulär) sowie
  • Patienten mit sozialer Instabilität.
Im einfachsten Fall erfolgt der Entzug durch eine ärztlich begleitete Trinkmengenreduktion. Die pharmakologische Behandlung ist bei ca. einem Drittel der Patienten erforderlich. Häufig genügt es, die Patienten in eine ruhige und kompetente Umgebung zu bringen, Zuwendung und Hilfe anzubieten und eine normale Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr zu gewährleisten. Prägen v. a. deutliche Blutdruckerhöhungen das klinische Bild, hat sich für die ambulante Behandlung die Gabe von Clonidin (initial 75 μg oral, max. 600 μg/Tag) bewährt. Bei weniger ausgeprägter Symptomatik kann auch die Monotherapie mit Carbamazepin (600–900 mg/Tag, nicht retardiert) oder Oxcarbazepin (300–900 mg/Tag) zur Anfallsprophylaxe empfohlen werden. Carbamazepinderivate scheinen zudem den „Kindling“-Effekt zu mindern, der über Sensitivierungsmechanismen zu sukzessiv schwerer und komplikationsreicher verlaufenden Alkoholentzügen führt.
Ambulanter Entzug: Kombinationsbehandlung (EbM-Info)
Ist eine Pharmakotherapie zur Minderung der vegetativen Entzugssymptome bei gleichzeitiger Anfallsprophylaxe notwendig, erscheint eine Monotherapie mit Antikonvulsiva nicht ausreichend (Minozzi et al. 2010, Evidenzgrad Ia). Stattdessen liegen inzwischen gute Erfahrungen über die Kombinationsbehandlung mit Tiaprid und Carbamazepin vor (Soyka et al. 2006b, Evidenzgrad III).
Die Patienten werden täglich ambulant gesehen, nach 5 Tagen ist die Entgiftung in den meisten Fällen abgeschlossen. Alle genannten Pharmakotherapien müssen „off-label“ verordnet werden, eine Zulassung für die ambulante Alkoholentzugsbehandlung liegt für keine der Substanzen vor.

Stationäre Entzugsbehandlung

Ist eine stationäre Entzugsbehandlung notwendig, sollte diese als „qualifizierte Entzugsbehandlung“ in suchtmedizinischen Abteilungen von psychiatrischen Kliniken erfolgen (Mann et al. 2006). Hier erfolgen neben einer differenzierten Diagnostik und Behandlung der Entzugssymptome sowie der körperlichen Begleit- und Folgeerkrankungen v. a. therapeutische Maßnahmen zur Motivationsbildung bezüglich Abstinenz und Veränderung im Verhalten und in der Lebensführung. Ohne Motivationsarbeit weist der rein körperliche Entzug hohe Rückfallraten auf und mündet nur in wenigen Fällen in der Weiterführung der Behandlung. Andererseits sind in diesem Stadium der Vulnerabilität von Patienten und Angehörigen besonders gute Voraussetzungen für Aufbau und Stabilisierung einer Veränderungsmotivation gegeben. Die qualifizierte Entzugsbehandlung weist beeindruckende Abstinenzraten in Verlaufsuntersuchungen auf, sollte aber wegen der am Beginn des Alkoholentzugs typischen kognitiven Störungen drei Wochen nicht unterschreiten (Mann et al. 1999).
Stationärer Entzug (EbM-Info)
Zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Alkoholentzugserscheinungen haben sich im stationären Rahmen zumeist Clomethiazol (Distraneurin, alle 2–4 h 2 Kapseln, max. 24 Kapseln/Tag) oder Benzodiazepine (z. B. Diazepam 10–20 mg alle 2 h) bewährt (Amato et al. 2010; Evidenzgrad Ia für Anfallskontrolle, Ib für andere Alkoholentzugserscheinungen). Beide Substanzklassen sind für den ambulanten Entzug nicht geeignet, da ihr Suchtpotenzial und ihre Verstärkung der sedierenden Alkoholeffekte zu einer Gefährdung der Patienten führen könnten.
Delirium tremens
Bei ca. 5 % der Alkoholabhängigen, bei denen ein vegetatives Entzugssymptom auftritt und die nicht medikamentös behandelt werden, entwickelt sich das Vollbild eines Delirium tremens . Während Halluzinationen (vorwiegend optisch) auch bei schweren vegetativen Entzugssyndromen beobachtet werden können, ist das Vorliegen einer Desorientiertheit das differenzialdiagnostische Kriterium, das die Diagnosestellung des Delirs rechtfertigt. Hinzu kommen nicht selten visuelle, taktile und akustische Halluzinationen, manchmal Grand-Mal-Anfälle sowie Störungen des Bewusstseins und der kognitiven Fähigkeiten. Charakteristisch ist darüber hinaus eine psychomotorische Hyperaktivität. Das Vollbild eines Delirium tremens ist eine lebensbedrohliche Situation, die Patienten sind in der Regel intensivpflichtig. Da Clomethiazol zur i. v.-Applikation nicht mehr vertrieben wird, werden heute vorzugsweise Benzodiazepine, in der Regel in Kombination mit hochpotenten Neuroleptika appliziert. Zugleich erfolgt ein Elektrolyt- und Flüssigkeitsausgleich. Hierunter klingt das Delirium zumeist innerhalb von 2–4 Tagen ab. Die Gabe von Thiamin (50 mg langsam i. v., 50 mg i. m.) zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie wird auf Grundlage klinischer Erfahrung empfohlen, auch wenn dies durch klinische Studien bisher nur vereinzelt belegt werden konnte (Ambrose et al. 2001; Day et al. 2004; Evidenzgrad IIb).
Delire erfordern aufgrund der oben dargestellten Schwere der Symptomatik grundsätzlich eine stationäre Behandlung.
Im Vordergrund der initialen Maßnahmen stehen:
Zu den allgemeinen Therapiemaßnahmen gehören:
  • angemessene Überwachung, ggf. Intensivmonitoring,
  • ausreichende Flüssigkeitszufuhr,
  • exakte Bilanzierung,
  • Zufuhr von Spurenelementen und Magnesium,
  • Therapie einer Hypokaliämie,
  • Therapie einer Hyponatriämie (ggf. langsamer Ausgleich wegen Gefahr der zentralen pontinen Myelinolyse, s. u.),
  • ruhige, freundliche Umgebung wegen Unruhe, Desorientierung und Angst des Patienten,
  • Ausgleich eines Vitamin B1-Mangels,
  • symptomatische Behandlung von Komplikationen.
Krampfanfall im Alkoholentzug
Das erstmalige Auftreten eines Krampfanfalls im Alkoholentzug bedarf zahlreicher differenzialdiagnostischer Überlegungen. Eine medikamentöse Akuttherapie ist in der Regel nicht erforderlich (Victor 1992). Ein Status epilepticus ist sehr selten. Alkoholiker mit bekannter Neigung zu Entzugskrampfanfällen sollten allerdings im Entzug frühzeitig mit Clomethiazol und Benzodiazepinen, eventuell auch in Kombination mit Carbamazepin (bis 1200 mg/Tag) behandelt werden. Allerdings ist in diesen Fällen beim raschen Auftreten von Entzugskrampfanfällen häufig eine rechtzeitige Aufsättigung nicht zu erreichen. Mittlerweile liegt eine Reihe von Therapieempfehlungen von hohem Evidenzgrad zum Umgang mit epileptischen Anfällen bei Alkoholkrankheit vor (Brathen et al. 2005; Hillbom et al. 2003). In vielen Fällen ist eine kurze stationäre Beobachtung des Patienten sinnvoll, aber nicht immer zwingend notwendig.
Prävention von Krampfanfällen (EbM-Info)
Eine Metaanalyse von Studien zur Primärprävention von alkoholassoziierten Entzugskrampfanfällen zeigte eine signifikante Reduktion des Anfallsrisikos bei Therapie mit Benzodiazepinen und ein erhöhtes Risiko für Neuroleptika (Evidenzgrad Ia; Hillbom et al. 2003). Zu den bevorzugt eingesetzten Substanzen gehören Diazepam und Lorazepam. Studien zur Sekundärprävention von Entzugskrampfanfällen zeigten, dass Benzodiazepine effektiv (Amato et al. 2010; Evidenzgrad Ia), intravenös appliziertes Phenytoin dagegen wirkungslos ist (Alldredge et al. 1989; Evidenzgrad Ib).
Bei konsequenter Abstinenz ist die Prognose der sog. Gelegenheitsanfälle gut und eine antikonvulsive Dauertherapie z. B. mit Carbamazepin nicht indiziert. Bei der sehr seltenen Alkoholepilepsie sollte dagegen je nach Anfallshäufigkeit eine antiepileptische Dauertherapie mit Carbamazepin begonnen werden. Dabei sind die vielfältigen pharmakokinetischen Interaktionen von Antiepileptika mit Alkohol zu beachten.

Teilstationäre Entzugsbehandlung

In Ergänzung ambulanter und vollstationärer Versorgung im Rahmen eines gemeindeintegrierten Behandlungssystems bietet sich die tagesklinische Behandlung von Patienten mit Alkoholproblemen an. Meist beinhaltet die Behandlung ein an den stationären qualifizierten Entzug angelehntes Programm zur Wiederherstellung der körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit und zur Unterstützung der Abstinenzmotivation. Der tagesklinische Ansatz ermöglicht eine große Alltagsnähe, durch die der Transfer von im Rahmen der Behandlung erworbenen Coping-Strategien in den persönlichen Alltag möglich wird.
Für die Tagesklinik geeignet sind insbesondere Patienten, bei denen der Chronifizierungsprozess der Abhängigkeit noch nicht fortgeschritten ist, die sozial integriert sind und noch über ausreichend Bewältigungsressourcen verfügen. Darüber hinaus ist die tagesklinische Behandlung für Patienten möglich, bei denen nach Beendigung des körperlichen Entzugssyndroms ein protrahiertes Entzugssyndrom besteht, das sich in depressiven Verstimmungen, Angst oder einer länger anhaltenden vegetativen Dysregulation mit einem erhöhten Rückfallrisiko ausdrückt.

Rehabilitation (Rückfallprophylaxe)

Stationäre Rehabilitation

Die stationäre Entwöhnungsbehandlung („Langzeittherapie“) war lange Zeit Kernstück der Rehabilitation von alkoholabhängigen Patienten. Die zumeist 4(–6) Monate langen stationären Therapien in Suchtfachkliniken werden von den Rentenversicherungsträgern finanziert. Die stationäre Entwöhnungsbehandlung wird empfohlen, wenn gravierende Störungen im körperlichen, psychischen oder sozialen Bereich vorliegen, das soziale Umfeld des Patienten keine ausreichende Unterstützung bietet, keine berufliche Integration besteht, keine stabile Wohnsituation gegeben ist oder wiederholte Rückfälle während der ambulanten oder teilstationären Postakutbehandlung vorgekommen sind (AWMF-Leitlinien; Geyer et al. 2006).
In den letzten Jahren wurden immer mehr verhaltenstherapeutische Elemente in die Behandlung integriert. Hierzu gehören die Analyse von Rückfallsituationen, Rollenspiele zur Rückfallprophylaxe, soziales Kompetenztraining und Alkoholexpositionstraining. Die Behandlung versucht insbesondere, die persönlichen Ressourcen, v. a. Bewältigungsfähigkeiten, zu aktivieren. Verhaltensmuster und Gewohnheiten, die zur Unterstützung der Sucht beitragen, werden hinsichtlich der Bedingungsfaktoren analysiert und im Idealfall durch alternative Verhaltensweisen ersetzt. Nach einer multizentrischen prospektiven Studie in der Bundesrepublik in 21 stationären Behandlungseinrichtungen mit 1410 Patienten waren nach 18 Monaten 53 % und nach 4 Jahren 46 % der alkoholabhängigen Patienten während des gesamten Katamnesezeitraums alkoholabstinent (Küfner et al. 1988).

Ambulante Entwöhnungsbehandlung

Die ambulante Entwöhnungsbehandlung wird meist durch psychosoziale Beratungsstellen (Suchtberatungsstellen) oder durch niedergelassene Psychiater und Psychotherapeuten mit entsprechender Erfahrung in der Suchtbehandlung durchgeführt. Als Indikationskriterien für die ambulante Behandlung können gelten: eine gute soziale Integration (Familie, Arbeit) sowie die Fähigkeit, zu Beginn der Entwöhnungsbehandlung eine alkoholabstinente Phase zu erreichen und zu halten. Bei einer Therapiefrequenz von 1–2 h pro Woche sollte mit einer Behandlungsdauer von ca. 1 Jahr gerechnet werden. Die Behandlung kann in Form einer Gruppentherapie oder in Form von Einzelbehandlungen erfolgen.

Bausteine abstinenzerhaltender Rehabilitationsmaßnahmen

Verhaltenstherapeutische Interventionen zur Aufrechterhaltung der Abstinenz
Basierend auf den in der Einleitung genannten vergleichenden Analysen zur Therapiewirksamkeit sind insbesondere Verfahren erfolgreich, die verhaltenstherapeutische Erklärungs- und Behandlungsmodelle in das Zentrum der funktionalen Analyse des Suchtverhaltens und der spezifischen Interventionen stellen. Menschliches Verhalten wird als eingebettet in Stimulusbedingungen gesehen, die ihre Wirkung über Erwartungen und Kognitionen vermitteln. Gleichzeitig wird das Verhalten über dessen Konsequenzen gesteuert. Als vorausgehende Bedingungen spielen externe und interne Faktoren, die den Alkoholkonsum initiieren, eine Rolle. Hierzu gehören Emotionen (Ärger, Depressivität) ebenso wie physiologische Reaktionen (beispielsweise konditionierte Entzugssymptome) und soziale Faktoren (sozialer Druck).
Zur Erfassung der Bedeutung aufrechterhaltender Faktoren ist zu berücksichtigen, welche Veränderungen der Substanzkonsum in den genannten Bereichen bewirkt. Da der Substanzkonsum infolge dieses Modells als kurzfristig adaptiver, langfristig jedoch dysfunktionaler Bewältigungsversuch betrachtet wird, ist weiterhin die Erhebung von Verhaltensdefiziten von Bedeutung. Ausgehend von einem solchen Bedingungsgefüge beziehen sich die Verfahren zur Behandlung substanzbezogener Störungen sowohl auf die Modifikation vorausgehender und aufrechterhaltender Bedingungen als auch auf den Abbau von Verhaltensdefiziten (Loeber und Mann 2006). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde ein Manual zur alkoholismusspezifischen Psychotherapie publiziert (Brueck und Mann 2006).
Einzelverfahren, die häufig Bestandteil von Komplexinterventionen bei Alkoholabhängigkeit sind, werden nachfolgend beschrieben (Loeber und Mann 2006).
Rückfallprophylaxe und -management
Ausgehend von dem sozial-kognitiven Rückfallmodell von Marlatt und Gordon (1985) werden in Rückfallpräventionsprogrammen verschiedene bewährte Strategien miteinander kombiniert mit dem Ziel, den Betroffenen für rückfallkritische Situationen zu sensibilisieren und ihm Bewältigungsstrategien zum Umgang mit diesen Situationen zu vermitteln. Dabei wird auch der Abstinenzverletzungseffekt thematisiert und Möglichkeiten zur Beendigung des wieder aufgenommenen Alkoholkonsums erarbeitet.
Verfahren zum Aufbau von Selbstkontrolle und Selbstmanagement dienen dem Ziel, dem Patienten ein höheres Ausmaß an Selbstkontrolle über seinen Alkoholkonsum zu vermitteln. Hierzu zählen beispielsweise eine Selbstdokumentation des Alkoholkonsums in Form eines Tagebuchs, der Abschluss von Verhaltensverträgen, die Einübung von Verhaltensweisen, die inkompatibel mit dem Alkoholkonsum sind, und die Selbstbelohnung beim Erreichen von Zielen.
Soziales Kompetenztraining
Das Ziel beim sozialen Kompetenztraining liegt auf der Einübung eines funktionalen, erfolgreichen Verhaltens in zwischenmenschlichen Interaktionen. Es dient zum einen der Reduktion oder Vermeidung unangenehmer Gefühle, die durch zwischenmenschliche Kontakte ausgelöst und durch Substanzkonsum gedämpft werden. Gleichzeitig können so weitere Verstärkungsmöglichkeiten, beispielsweise durch den Aufbau oder die Erweiterung sozialer Kontakte, geschaffen werden. Hier spielt auch der Aufbau von Kompetenzen zur Ablehnung einer Einladung zu einem alkoholischen Getränk eine wichtige Rolle. Soziales Kompetenztraining kann sowohl in der Einzel- als auch der Gruppentherapie angewendet werden.
Paar- und Familientherapie
Spannungen und Konflikte in der Beziehung und/oder im Familiensystem sind bei vielen abhängigen Patienten Folge, aber auch Ursache eines erhöhten Alkoholkonsums. Im Rahmen einer Paar- bzw. Familientherapie werden dysfunktionale Interaktionsmuster aufgedeckt und Möglichkeiten einer alternativen Beziehungsgestaltung erarbeitet. Verhaltenstherapeutische Techniken und Techniken aus anderen Therapierichtungen, insbesondere der systemischen Therapie, werden hier miteinander kombiniert. Ein solcher Behandlungsansatz ist jedoch nur möglich, wenn Angehörige bereit sind, aktiv im Therapieprozess mitzuarbeiten.
Stressbewältigungstraining
Bei Stressbewältigungstrainings kommen neben kognitiven Therapieelementen zur Veränderung eigener Erwartungen und Attributionen konkret übende Verfahren zum Einsatz. Im Rahmen von Interventionen der „Situationskontrolle“ geht es z. B. um die Veränderung Stress auslösender Bedingungen und um das Erlernen von Zeitmanagement- und/oder Problemlösestrategien. Interventionen der „Reaktionskontrolle“ beinhalten demgegenüber z. B. die Vermittlung eines Entspannungsverfahrens und den Aufbau angenehmer Aktivitäten.
Reizexpositionsverfahren
Das Ziel der Reizexpositionsbehandlung besteht darin, die bei alkoholabhängigen Patienten in entsprechenden Auslösesituationen bestehenden Konditionierungs- bzw. Sensitivierungsprozesse zu modulieren, damit sie nicht zu einem Rückfall führen (Boening 2001). Der Patient soll lernen, kritische Situationen für einen Rückfall zu identifizieren, die zu erhöhtem Verlangen nach Alkohol führen (alkoholspezifische Reize) und Bewältigungsstrategien zum Umgang mit Alkoholverlangen in diesen rückfallkritischen Situationen einüben.
Pharmakologische Interventionen
Insbesondere für die ambulante abstinenzstützende Behandlung gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, eine pharmakologische Rückfallprophylaxe („Anti-Craving-Behandlung“) einzusetzen. Während für Substanzen mit Wirkung auf das cholinerge, dopaminerge und sertotonerge System bisher kein replizierbarer abstinenzerhaltender Effekt gezeigt werden konnte, zeigten sich der Glutamatmodulator Acamprosat (Campral) und der Opioidantagonist Naltrexon (Nemexin) am erfolgversprechendsten (Spanagel und Kiefer 2008). Für das alkoholaversiv wirksame Disulfiram (Antabus) besteht eine Nischenindikation (Ehrenreich et al. 1997; Kiefer 2007). Eine Übersicht über die Therapieziele der genannten Medikamente zeigt Tab. 4.
Tab. 4
Pharmakologische Interventionen zur Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit
Therapieziel
Medikament
Abstinenzunterstützung
Acamprosat
Rückfallprophylaxe
Naltrexon
Trinkmengenreduktion
Nalmefen
Abstinenzwunsch bei fehlenden Alternativen und intensiver Begleittherapie
Disulfiram
Acamprosat
Die Wirksamkeit des 1996 in Deutschland eingeführten Glutamatmodulators Acamprosat in der rückfallprophylaktischen Behandlung bei Alkoholabhängigkeit wurde in den vergangenen Jahren in 18 placebokontrollierten Studien überprüft. Die Metaanalysen klinischer Studiendaten ergeben einen Anteil kontinuierlicher Abstinenz nach 6 Monaten von 36,1 % unter Acamprosatbehandlung (verglichen mit 23,4 % unter Placebobedingungen) und eine Effektstärke von 0,26 (Mann et al. 2004; Rösner et al. 2008; Evidenzgrad Ia). Die Anzahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um einen Rückfall zu vermeiden (numbers needed to treat [NNT]) liegt bei 7,5. Acamprosat besitzt ein günstiges Nebenwirkungsprofil (seltene, meist nur initiale Diarrhö als häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung) und erhöht nicht die Toxizität von Alkohol. Die Standardtagesdosis beträgt 3-mal 2 Tbl. à 333 mg/Tag, Kontraindikation ist die Niereninsuffizienz.
Naltrexon
Auch zur Wirksamkeit des μ-Opioidrezeptorantagonisten Naltrexon wurden in der letzten Zeit aktuelle Daten vorgelegt. Die aktuellen Metaanalysen belegen insgesamt die Effektivität bezüglich einer Minderung der Rückfallwahrscheinlichkeit nach erfolgter Entzugsbehandlung (Effektstärke: 0,28; NNT = 7; Srisurapanont und Jarusuraisin 2005; Snyder und Bowers 2008; Evidenzgrad Ia). Da in Deutschland die Zulassung für Naltrexon auf die Indikation „Aufrechterhaltung der Abstinenz bei Opiatabhängigkeit“ beschränkt ist, ist der Einsatz bei alkoholabhängigen Patienten nur unter den besonderen Voraussetzungen des Off-Label-Gebrauchs möglich. Naltrexon besitzt eine gute Verträglichkeit (Übelkeit als häufigste initiale unerwünschte Arzneimittelwirkung) und erhöht nicht die Toxizität von Alkohol. Die Standardtagesdosis beträgt 1 Tbl. à 50 mg/Tag.
Nalmefen
Der selektive Opioidrezeptorligand Nalmefen mit antagonistischer Wirkung an den μ- und δ-Rezeptoren sowie partiell agonistischen Effekten am k-Rezeptor wird „nach Bedarf“ an Tagen eingenommen, an denen die betroffenen Patienten einen erhöhten Alkoholkonsum erwarten. Dabei zielt erstmals ein Mittel zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit nicht auf den Erhalt einer zuvor erreichten Abstinenz ab, sondern auf die Reduktion der Trinkmenge . Zum Einsatz kommen sollte das Medikament bei erwachsenen Patienten mit Alkoholabhängigkeit, wenn der Alkoholkonsum „sich auf einem hohen Risikoniveau befindet“ (> 60 g/Tag für Männer; > 40 g/Tag für Frauen), keine körperlichen Entzugserscheinungen vorliegen und keine sofortige Entgiftung erforderlich ist. Eine kontinuierliche psychosoziale Unterstützung sollte die Behandlung begleiten. Therapieadhärenz und die weitere Reduktion des Alkoholkonsums sollten dabei forciert werden (Kiefer und Dinter 2013).
Disulfiram
Disulfiram stellt keine klassische „Anti-Craving“-Substanz dar, sondern greift in den Abbauweg des Alkohols ein. Die Acetaldehyddehydrogenase wird blockiert, sodass der weitere Abbau zu Essigsäure gestört wird und es zu einer Akkumulation von Acetaldehyd kommt. Dies führt zu unangenehmen Symptomen wie Hautrötung (Flush), Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, einem Abfall des Blutdrucks und unter Umständen auch Synkopen. Auf der Basis vorliegender Daten sollte Disulfiram nur unter der Bedingung begleitender regelmäßiger, idealerweise täglicher Kurzkontakte verordnet werden (supervidierte Einnahme). Unter dieser Voraussetzung ließen sich auch bei vorher hoch rückfallgefährdeten Patienten gute Abstinenzraten erzielen (Krampe et al. 2006; Evidenzgrad IIb).
Da die Zulassung in Deutschland ausgelaufen ist, kann eine Verordnung nur bei Import über internationale Apotheken (z. B. aus Österreich, Frankreich oder der Schweiz) erfolgen.
Folgende Dosierung wird empfohlen:
  • am 1. Tag 1,5 g Disulfiram (das entspricht 3 Antabus 0,5 Dispergetten);
  • am 2. Tag 2 Dispergetten;
  • am 3. Tag 1 Antabus 0,5 Dispergette, was auch der Erhaltungsdosis entspricht.
Als Gegenanzeigen gelten koronare Herzkrankheit, schwerwiegende Herzrhythmusstörungen, klinisch manifeste Kardiomyopathien, zerebrale Durchblutungsstörungen, fortgeschrittene Arteriosklerose, Ösophagusvarizen und Hypothreose. Auch bei nichtalkoholbedingten Depressionen und schizophrenen Psychosen sollte von einem Einsatz von Disulfiram abgesehen werden. Gleiches gilt für schwere Hypotonien, dekompensierte Leberzirrhosen und Asthma bronchiale. Bei nicht supervidierter Gabe wurden vereinzelt Todesfälle beschrieben. Hieraus folgt, dass die Disulfiramgabe heute lediglich als eine nachrangige, wenn auch wirksame Therapie betrachtet werden kann.

Langfristige Abstinenz

Besuch von Selbsthilfegruppen und „Zwölf-Schritte-Therapie“

Traditionell spielen Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker, das Blaue Kreuz, der Kreuzpunkt und die Guttempler eine große Rolle in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit . Die Anonymen Alkoholiker (AA) wurden 1935 von 2 trockenen Alkoholabhängigen gegründet. Heute gibt es etwa 87.000 Gruppen der AA mit mindestens 1,7 Mio. Mitgliedern in etwa 150 Ländern (Angaben der Anonymen Alkoholiker 1990). Die Mitglieder der AA sagen von sich selber, dass sie machtlos gegenüber Erkrankungen sind und dass sie zu ihrer Heilung die Hilfe einer höheren Macht und die Unterstützung anderer trockener Alkoholiker benötigen. Ihr Vorgehen ist in 12 sog. Schritten dargelegt (s. nachfolgende Übersicht). Die AA waren so effektiv, dass sich Selbsthilfegruppen für zahlreiche andere Störungen auf ähnlicher Basis („twelve-step movements“) gebildet haben.
Die 12 Schritte der Anonymen Alkoholiker
1.
Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern können.
 
2.
Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
 
3.
Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen.
 
4.
Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
 
5.
Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.
 
6.
Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
 
7.
Demütig baten wir ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
 
8.
Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten und wurden willig, ihn bei allen wieder gutzumachen.
 
9.
Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war –, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
 
10.
Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu.
 
11.
Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – wie wir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.
 
12.
Nachdem wir durch diese Schritte ein geistiges Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.
 
Naturgemäß entzieht sich die Effektivität von Selbsthilfegruppen wie den AA weitgehend der wissenschaftlichen Beurteilung, da diese v. a. über die Basis arbeiten und in den seltensten Fällen wissenschaftlich begleitet werden. Miller und Hoffmann (1995) stellten fest, dass Alkoholabhängige, die nach einer stationären und ambulanten Alkoholbehandlung ein Jahr lang die Zusammenkunft der AA besuchten, höhere Abstinenzraten hatten als Patienten, die dies nicht taten. Diejenigen, die regelmäßig die AA-Gruppen besuchten, waren zu über 70 % nach einem Jahr abstinent, während nicht einmal 50 % der Patienten, die diese Gruppen nicht besuchten, noch trocken waren.
Eine ähnliche Untersuchung war von Hoffmann et al. (1983) publiziert worden, die eine positive Assoziation zwischen der Häufigkeit der Gruppenbesuche und der Abstinenzrate fanden. Die Abstinenzrate 6 Monate nach der Behandlung betrug für Patienten, die AA-Gruppen regelmäßig besuchten, 73 % und 45 % für diejenigen, die sie nur einmal im Monat besuchten, während sie nur 33 % bei den Patienten betrug, die an keinen Meetings teilnahmen. Ähnliche Ergebnisse wurden von Bottlender und Soyka (2005) mitgeteilt.
12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker (EbM-Info)
Für das „12-Schritte-Programm“, ein manualisierter Therapieansatz auf Grundlage des Konzepts der AA, konnte eine Überlegenheit im Vergleich zur kognitiv-behavioralen Therapie bei Patienten mit höherem Schweregrad der Abhängigkeit, aber ohne ausgeprägte psychische Komorbidität nachgewiesen werden. Es kann als gesichert gelten, dass das 12-Schritte-Programm effektiv ist (Evidenzgrad IV, Berglund et al. 2003).
Auswahl der Selbsthilfegruppen
Eine typische „AA-Persönlichkeit“ gibt es wahrscheinlich nicht. Für welchen Patienten welche Selbsthilfegruppe infrage kommt, ist dabei im Einzelfall schwierig zu entscheiden. Neben den nichtreligiös gebundenen AA spielen das auf christlicher Grundlage arbeitende Blaue Kreuz Deutschland (das auch verschiedene Selbsthilfegruppen, v. a. Beratungsstellen, aber auch Fachkrankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen unterhält), die Guttempler sowie der Kreuzbund zahlenmäßig die größte Rolle.
Angehörigengruppen
Insgesamt spielen familientherapeutische Ansätze in der Behandlung Alkoholabhängiger eine große Rolle (Steinglass 1983). Angehörige von Alkoholabhängigen haben sich auch in eigenen speziellen Selbsthilfegruppen wie z. B. den AL-Teen, AL-Fam, AL-Anon organisiert.

Alkoholassoziierte Erkrankungen

Da alkoholassoziierte Erkrankungen Verlauf und Prognose der Alkoholabhängigkeit beeinflussen sowie eigenständige therapeutische Maßnahmen erfordern, sollen ausgewählte Erkrankungen hier zusammenfassend dargestellt werden. Für detailliertere Darstellungen sei auf neurologische und internistische Standardwerke verwiesen.

Wernicke-Korsakow-Syndrom

Wernicke-Enzephalopathie und Korsakow-Psychose werden heute als Krankheitsentität aufgefasst.
Wernicke-Enzephalopathie
Klinisch ist die akute Form der Wernicke-Enzephalopathie charakterisiert durch die Symptomtrias:
  • Ophthalmoplegie,
  • Ataxie,
  • Bewusstseinsstörung.
Bei den chronischen Formen stehen demenzielle Veränderungen bzw. ein Korsakow-Syndrom im engeren Sinne im Vordergrund. Bei den sehr typischen Augenmuskelstörungen handelt es sich fast ausschließlich um bilaterale Abduzensparesen. Die Ataxie ist – wie bei der alkoholischen Kleinhirnatrophie – meist rumpf- und beinbetont, Zeichen einer vegetativen Dysregulation mit Hypothermie, Hypotension, Tachykardie und Schweißausbrüchen können hinzutreten. Neben deliranten Symptomen stehen Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma, Desorientierung und Apathie klinisch im Vordergrund. Beim abklingenden Korsakow-Syndrom sind amnestische Lücken und Konfabulationen häufig.
Korsakow-Syndrom
Das eigentliche Korsakow-Syndrom ist gekennzeichnet durch
  • einen weitgehenden Verlust des Altzeitgedächtnisses,
  • schwere Merkfähigkeitsstörungen,
  • eine verminderte Auffassungsgabe,
  • Konzentrations- und Antriebsstörungen,
  • v. a. aber durch die Unfähigkeit, neue Gedächtnisinhalte zu speichern.
Sprach- und Artikulationsstörungen können hinzutreten. In der ICD-10 wird das Korsakow-Syndrom als „amnestische Störung“ geführt (Tab. 5).
Tab. 5
Diagnostische Kriterien für das alkoholbedingte amnestische Syndrom und das Wernicke-Korsakow-Syndrom nach ICD-10
Amnestisches Syndrom
Wernicke-Korsakow-Syndrom
Störungen des Kurzzeitgedächtnisses
- Ataxie
- Ophthalmoplegie
Ursache: Thiaminmangel
Störungen des Zeitgefühls
Korsakow-Syndrom:
- Bewusstseinsstörungen
- Konfabulationen
Substanzinduzierte Schäden v. a. am Frontalhirn, den Corpora mammilaria, dem Dienzephalon, um den Aquädukt und den 3. und 4. Ventrikel
Thiaminmangel
Für die Wernicke-Enzephalopathie ist das Vorliegen eines Thiaminmangels ursächlich. Neuere Befunde zeigten, dass ein genetisch determinierter Polymorphismus der Transketolase für die Störung des Vitamin B1-Stoffwechsels von großer Bedeutung ist (Nixon 1984; Mukherjee et al. 1987). Außerdem scheinen weitere Faktoren wie gestörte Leberfunktion, veränderte Proteinbildung, thiaminarme Kost, die intrazelluläre Magnesiumkonzentration und der Alkohol selbst den Thiaminstoffwechsel zu beeinflussen.
Störungen im Neurotransmittersystem
Auf molekularbiologischer Ebene deutet eine Reihe von Befunden auf eine Störung insbesondere im glutamatergen System bei Wernicke-Korsakow-Patienten hin. Alkohol selbst wirkt bei akuter Zufuhr inhibitorisch auf den glutamatergen NMDA-Rezeptor, wobei es im Alkoholentzug zu einer überschießenden Aktivität kommt, die zu Zelluntergängen führen kann (Übersicht bei Langlais und Mair 1990; Tsai et al. 1995).
Morphologische Veränderungen
Morphologisch findet man beim Wernicke-Korsakow-Syndrom makroskopisch meist schon eine Schrumpfung und bräunliche Verfärbung der Corpora Mammillaria oder der subependymalen Bereiche um den 3. Ventrikel herum (Pfeiffer 1985), aber auch eine Ausweitung des 3. Ventrikels. Besonders geschädigte Gebiete sind neben den Corpora Mammillaria der Thalamus, die Gegend des Aquädukts, der Boden des Ventrikels sowie der Vorderlappen des Kleinhirns und die basalen Anteile des Vorderhirns. Störungen im Bereich der mediodorsalen thalamischen Nuklei sollen hauptursächlich für die Gedächtnisstörungen bedeutsam sein. Mikroskopisch zeigen sich eine spongiöse Gewebsauflockerung und Proliferationstendenzen im Bereich der Glia, Kapillaren und Venolen. Nervenzellschädigungen sind seltener. Leichte Erythrodiapedesen aus pathologischen Gefäßen lassen sich bei akuten Wernicke-Enzephalopathien finden. In chronischen Fällen finden sich v. a. im Dienzephalon Siderophagen als Residuen.

Diagnose

Die Diagnose wird meist klinisch gestellt. Im EEG finden sich unspezifische bis mittelgradige Allgemeinveränderungen in Form von Verlangsamungen. In der Kernspintomografie lassen sich die hämorrhagischen Veränderungen in Dienzephalon und Hirnstamm zeigen. Die bildgebenden Verfahren haben für die Diagnose insgesamt eine relativ geringe Bedeutung, können aber zur Verlaufsdokumentation (Pro- oder Regression der Ausfälle) von Bedeutung sein (Jernigan et al. 1991; Besson et al. 1989).

Akutbehandlung

Für die Akutbehandlung der Wernicke-Enzephalopathie ist die rasche Zufuhr von Thiamin entscheidend (300 mg/Tag parenteral). Unterbleibt diese, so liegt ein ärztlicher „Kunstfehler“ vor. Toxische Wirkungen treten nur bei wesentlich höheren Dosen auf. Bekanntermaßen sprechen die Okulomotoriusstörungen innerhalb weniger Stunden auf die Gabe von Thiamin an. Ein vertikaler Nystagmus kann aber auch längere Zeit persistieren (Victor 1992). Nur ganz gelegentlich kommt es bei parenteralen Thiaminbehandlungen zu anaphylaktischen Reaktionen. Bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand und insbesondere bei Glukoseinfusionen ist prophylaktisch Thiamin zuzusetzen, da diese den Bedarf an Vitamin B erhöhen.

Alkoholische Kleinhirnatrophie

Die Prävalenz dieser häufigen Komplikation wird mit 10–36 % angegeben. Typischerweise beginnt sie im mittleren bis höheren Erwachsenenalter und verläuft progredient. Männer sind häufiger als Frauen betroffen. Klinisch steht eine Stand- und Gangataxie im Vordergrund, wobei die Koordination der oberen Extremität meist weniger gestört ist. Fast obligat ist auch ein Halte- und Intentionstremor, v. a. der oberen Extremität. Typisch sind weiter ein verminderter Muskeltonus, eine Dysarthrie mit verwaschener Artikulation sowie eine intersegmentale Instabilität beim Stehen mit typischem Vor- und Seitwärtsschwingen des Beckens (Frequenz 2–4 Hz). Außerdem können Störungen der Okulomotorik hinzutreten. Neuropathologisch findet sich eine Degeneration von Zellen im vorderen oberen Teil des Kleinhirnwurms und in der Kleinhirnrinde. In der CT lassen sich diese Veränderungen des Kleinhirns darstellen, besser allerdings in der MRT.
Die Ätiopathogenese ist nicht völlig klar. Die Menge des konsumierten Alkohols scheint nicht für die Entwicklung einer alkoholtoxischen Kleinhirnschädigung verantwortlich zu sein. Neben der neurotoxischen Wirkung von Alkohol scheinen auch andere Metaboliten oder Begleitstoffe alkoholischer Getränke (Acetaldehyd, Fuselalkohole) eine Rolle zu spielen. Andere Kofaktoren sind Hypovitaminosen und eine Malnutrition.
Trotz fehlender Korrelation von Vitamin-B-Spiegeln und dem Ausmaß einer Kleinhirnatrophie wurden positive Erfahrungen durch die Gabe von Thiamin publiziert (Graham et al. 1971). Die Prognose ist bei Abstinenz recht günstig. Entscheidend sind krankengymnastische Übungen.

Corpus-callosum-Atrophie (Marchiafava-Bignami-Syndrom)

Dieses sehr seltene neurologische Krankheitsbild findet sich fast ausschließlich bei Rotweintrinkern in romanischen Ländern. Ganz selten wurden in Deutschland Fälle berichtet. Klinisch ist diese Störung durch psychopathologische Symptome wie vermehrte Reizbarkeit, sexuelle Enthemmung, aber auch Verwirrtheitszustände, epileptische Anfälle, Dysarthrie, Pyramidenbahnzeichen, Primitivreflexe, Demenz und Koma gekennzeichnet. Die Mortalität ist extrem hoch. Nur gelegentlich kommen auch chronische Verläufe vor.
Die Ätiopathogenese ist unklar. Wiederholt wurde die mögliche Bedeutung einer Störung des Vitamin B12-Stoffwechsels mit daraus resultierenden endogenen und demyelinisierend wirkenden Zyaniden diskutiert.
Über die Therapie ist nichts Gesichertes bekannt. Die Gabe von Thiamin wird empfohlen.

Alkoholische Myelopathie

Auch diese Störung ist extrem selten. Gelegentlich kommt es bei Alkoholikern zu einem axonomyelotropen Schädigungsmuster und einer spinalen Strangdegeneration. Klinisch stehen Hinterstrangsymptome, Blasenstörungen und eine spastische Paraparese im Vordergrund. Differenzialdiagnostisch sind in erster Linie die funikuläre Myelose, aber auch andere Schädigungen des Myelons auszuschließen.
Ätiopathogenetisch werden neben einer direkten alkoholtoxischen Schädigung des Myelons auch eine Leberschädigung und Hypovitaminosen als wichtige Kofaktoren angesehen.
Therapeutisch wird die Gabe von Vitamin B12 und Nikotinsäure empfohlen.

Tabak-Alkohol-Amblyopie

Auch diese Störung ist relativ selten (Prävalenzrate von 0,5 %). Hierbei kommt es zu einer Demyelinisierung markhaltiger Fasern in den zentralen Teilen des Sehnervs, des Chiasmas und des Tractus opticus. Die Störung entwickelt sich meist innerhalb einiger Tage bis Wochen. Beim ophthalmologischen Befund sind die visuell evozierten Potenziale diagnostisch wegweisend. Klinisch besteht ein meist beidseitiger Visusverlust mit Verschwommensehen. Die Retrobulbärneuritis kann isoliert, aber auch im Zusammenhang mit anderen Enzephalo- und Neuropathien (z. B. einem Wernicke-Korsakow-Syndrom) auftreten. Differenzialdiagnostisch sind andere Intoxikationen, chronischer Vitamin-B-Mangel, die perniziöse Anämie, Sellatumoren oder hereditäre Optikusatrophien auszuschließen.
Ätiopathogenetisch wird das gleichzeitige Vorliegen eines starken Alkohol- und Tabakkonsums als bedeutsam angesehen. Einige Befunde deuten darauf hin, dass die beim Rauchen in größeren Mengen aufgenommenen Zyanide infolge einer alkoholbedingten Leberschädigung nicht mehr entgiftet werden können und so für das Auftreten der Optikusneuritis verantwortlich sind.
Bei mehrmonatigem Verlauf ist die Prognose schlecht. Abgesehen von der Ausschaltung der toxischen Einflüsse (Alkohol, Rauchen) wird die hoch dosierte Gabe von Vitamin-B-Präparaten empfohlen.

Zentrale pontine Myelinolyse

Auch diese Störung ist relativ selten. Klinisch ist sie durch subakut bis akut auftretende Tetraparesen, Sensibilitätsstörungen, eine Bulbärsymptomatik, Symptome einer Kleinhirnatrophie, Kleinhirnschädigung, Lähmung der äußeren Augenmuskeln, horizontale Blicklähmung und Pupillen- sowie Blasenstörungen gekennzeichnet. Die Prognose ist schlecht bei einer Mortalität von bis zu 75 %. Allerdings sind auch Vollremissionen möglich. Diagnostisch kann man die Schädigungen in der MRT deutlich besser nachweisen als in der CCT. Histologisch zeigen sich schmetterlingsförmige, symmetrische Entmarkungsherde im orodorsalen Brückenfuß. Gelegentlich können auch extrapontine Myelinolysen auftreten, z. B. im Thalamus, Putamen und Nucleus caudatus.
Differenzialdiagnostisch sind zentrale pontine Myelinolysen bei nichtalkoholtoxischen Lebererkrankungen auszuschließen. Außerdem können sie bei Karzinomen, Mangelernährung und zahlreichen toxischen und metabolischen Störungen auftreten.
Ätiopathogenetisch scheint der zu forcierte Ausgleich v. a. von Hyponatriämien, die bei Alkoholikern häufig sind, eine entscheidende Rolle bei dem Auftreten der zentralen pontinen Myelinolyse zu spielen. Möglicherweise spielen auch andere Elektrolytentgleisungen eine Rolle.
Nach Sterns et al. (1986) sollte bei Hyponatriämien der Anstieg des täglichen Natriumspiegels 12 mmol/l nicht überschreiten. Therapeutisch entscheidend ist die Prophylaxe mit langsamem Ausgleich von Elektrolytentgleisungen.

Hepatische Enzephalopathien

Die hepatischen Enzephalopathien kann man in das eigentliche hepatische Koma sowie die hepatische Enzephalopathie differenzieren.
Hepatisches Koma
Das hepatische Koma ist gekennzeichnet durch akut einsetzende Bewusstseinsstörungen, psychomotorische Unruhe, Benommenheit und Stupor bis hin zum Koma. Weiter fällt eine Fülle von neurologischen Symptomen, insbesondere der „flapping tremor“ der ausgestreckten Hände, unwillkürliche Muskelkontraktionen, Primitivreflexe, Hyperreflexie, Pyramidenbahnzeichen, fokale oder generalisierte Krampfanfälle oder andere neurologische Herdsymptome auf. Das EEG zeigt häufig bilateral synchrone langsame δ-Wellen, aber auch hochamplitudige langsame Wellen.
Chronische hepatische Enzephalopathie
Für den Themenbereich Demenz wichtiger sind die chronischen hepatischen Enzephalopathien, die sich z. T. als Folge eines hepatischen Komas, z. T. auch schleichend entwickeln können. Leitsymptome sind demenzielle Veränderungen, aber auch neurologische Störungen wie Tremor, Ataxie, Dysarthrien, choreoathetotische Bewegungen, Primitivreflexe und Pyramidenbahnzeichen.
Im psychischen Bereich liegen neben demenziellen Veränderungen häufig ein pseudoneurasthenisches Syndrom und Veränderungen im Bereich von Antrieb, Konzentration und Merkfähigkeit vor.
Pathophysiologisch ist eine Reihe von Faktoren von Bedeutung, insbesondere postkontusionelle Hirnschädigungen, intrazerebrale Blutungen, Infarkte und andere Vaskulopathien, rezidivierende Hypoglykämien und andere Stoffwechselveränderungen. Auch die neurotoxische Wirkung von Alkohol und seinen Metaboliten (Acetaldehyd) ist zu bedenken.
Seit Langem wird die Rolle anderer Neurotoxine, insbesondere Ammoniak, aber auch Mercaptan, Fettsäuren und Phenole diskutiert. Außerdem wurden Störungen der Blut-Hirn-Schranke mit erhöhter Durchlässigkeit für Toxine und spezielle Neurotransmitterveränderungen im Sinne der Bildung „falscher“ Neurotransmitter wie z. B. Oktopamin und Phenyläthanolamin anstelle von Dopamin und Noradrenalin und ein erhöhter GABAerger Tonus (Mullen et al. 1990) diskutiert (Übersicht bei Egberts 1993).

Diagnose und Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch ist insbesondere an nichtalkoholtoxische Hepatopathien, v. a. Virushepatitiden, Morbus Wilson, Hämochromatose, Leberdystrophien und andere Noxen zu denken.
Neben den klinisch-chemischen Parametern (erhöhte Transaminasen) hat v. a. die Neurophysiologie große Bedeutung für die Diagnostik. Im EEG sieht man hochamplitudige bi- bis triphasische δ-Wellen. Die Cholinesterase als Maß der Synthesekapazität der Leber ist vermindert, erhöhte Ammoniakspiegel und verminderte Gerinnungsfaktoren sind diagnostisch wegweisend.

Therapie

Die akuten Fälle sind intensivmedizinisch zu behandeln. Zur Reduktion des Ammoniakspiegels werden neben einer Eiweißrestriktion Antibiotika sowie Laktulose eingesetzt. Auch die Entleerung des Darms und chirurgische Maßnahmen zur Entlastung des Kolons kommen zum Einsatz. Die Behandlung mit verzweigtkettigen Aminosäuren (Leucin, Isoleucin und Valin) ist noch nicht ausreichend überprüft (Naylor et al. 1988; Kretz et al. 1990). Gleiches gilt für die Behandlung mit Benzodiazepinantagonisten vom Typ des Flumazenil (Plauth und Egberts 1993).
Neuere Befunde deuten darauf hin, dass bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie ein Zinkmangel vorzuliegen scheint. Eine längerfristige Behandlung mit Zinkaspartat hat zu einer Verminderung der Plasmaammoniakkonzentrationen und einem Anstieg der Serumzinkspiegel geführt (Grüngreiff 1996). Zumindest bei manifestem Zinkmangel sollte eine Substitution erwogen werden. Im Übrigen sind Vitamine und Elektrolyte nach Klinik zu substituieren.

Alkoholinduzierte Polyneuropathie

Die alkoholinduzierte Polyneuropathie ist mit einer Prävalenz von etwa 15–30 % die häufigste neurologische Komplikation einer Alkoholkrankheit. Klinisch ist sie durch überwiegend distal und beinbetonte sensomotorische Ausfälle und Muskelatrophien gekennzeichnet. Schmerzen und Parästhesien sind häufig, wobei der Schmerzcharakter meist dumpf, z. T. aber auch lanzinierend mit einschießendem Schmerz ist. Eine Begleitmyopathie, Muskelkrämpfe und eine Muskelschwäche können hinzutreten.
Diagnostisch wegweisend ist eine Druckempfindlichkeit der langen Nervenstämme, v. a. des N. peroneus im Bereich des Fibulaköpfchens sowie des N. tibialis (Wadendruckschmerz!). In den meisten Fällen liegt auch eine Störung der Tiefensensibilität vor. Am ehesten erlischt der Achillessehnenreflex. Die Armeigenreflexe sind in der Regel enthalten. Bei schwereren Fällen treten distal betonte Paresen und Atrophien hinzu. Hirnnervenausfälle sind sehr untypisch, ebenso isolierte Paresen der kleinen Handmuskeln. Auch Schädigungen des autonomen Nervensystems mit vegetativen und neurotrophen Störungen sind eher untypisch, Potenzstörungen dagegen häufig. Die Diagnose wird klinisch, aber auch oft aufgrund der neurophysiologischen Symptome gestellt. Differenzialdiagnostisch sind andere Polyneuropathien vom axonalen Schädigungstyp (Diabetes mellitus, andere toxische Einflüsse) auszuschließen.
Die genaue Ätiopathogenese ist nicht völlig klar. Am wahrscheinlichsten ist eine direkte neurotoxische Schädigung durch Alkohol. Außerdem scheinen Hypovitaminosen und eine allgemeine Malnutrition eine Rolle zu spielen.

Therapie und Verlauf

Die Prognose ist bei Alkoholabstinenz in den meisten Fällen günstig, auch ausgeprägte Polyneuropathien bilden sich innerhalb weniger Wochen bis mehrerer Monate meist zurück. Unterstützend kann die Gabe von B-Vitaminen indiziert sein. Bei schwereren Fällen sollten diese nicht oral, sondern wegen der besseren Resorption intramuskulär verabreicht werden. Einige Befunde weisen darauf hin, dass fettlösliche Vitamin-B-Präparate auf diese Art besser resorbiert werden. Keine klinische Bedeutung hat bislang der Einsatz von Gangliosiden erlangt. Entscheidenden Anteil an der Rehabilitation der Patienten hat die Krankengymnastik.
Nur bei stärkeren Schmerzen oder dem Auftreten einer Hyperpathie sind niedrige Dosen von Acetylsalicylsäure (100–300 mg) indiziert. Dabei ist das Risiko für Magenblutungen zu beachten.

Alkoholische Myopathien

Die Prävalenz der alkoholischen Myopathien wird mit etwa 1–3 % angegeben, wobei subklinische Zeichen einer Myopathie bei bis zu zwei Dritteln der Alkoholiker auftreten sollen (Conde-Martel et al. 1992). Viele alkoholische Myopathien verlaufen bland, dagegen stehen klinisch Muskelschmerzen und Schwellungen einzelner Muskelgruppen sowie bei Myoglobinurie eine Braunverfärbung des Urins im Vordergrund. In extremen Fällen kann es zur völligen Bewegungsunfähigkeit der betroffenen Muskeln kommen. Typischerweise ist die proximale Muskulatur bevorzugt befallen.
Laborchemisch finden sich Erhöhungen der Kreatinphosphokinase, der Aminotransferase und der Lactatdehydrogenasen LDH1 und LDH2.
Nicht übersehen werden darf die mögliche Assoziation mit einer alkoholischen Kardiomyopathie (dilatative Kardiomyopathie).
Die Ätiopathogenese ist nicht völlig klar. Neben einer myotoxischen Wirkung von Alkohol dürften eine Malnutrition, eine muskuläre Hyperaktivität (wie z. B. bei epileptischen Anfällen oder Delirium tremens) sowie mechanische Einflüsse (Muskelkompressionssyndrom), aber auch alkoholtoxische Gefäßschädigungen, lokale Druck- und Kälteschädigungen, ein Hyperkortisolismus und Leberfunktionsstörungen von Bedeutung sein.
Akute Rhabdomyolyse
Wichtig ist der Ausschluss der gefürchteten akuten Rhabdomyolyse, die als Folge der alkoholischen Myopathie mit exzessiven Erhöhungen der Kreatinkinasewerte auftreten kann. Die Folge kann ein myoglobinurämisches Nierenversagen sein.

Therapie

Im Regelfall sind bei leichteren Fällen krankengymnastische Übungen notwendig und ausreichend. Elektrolyt- und Vitamindefizite müssen ausgeglichen werden.
Sonderform
Eine Sonderform ist die akute hypokaliämische Myopathie der Alkoholiker (Rubenstein und Wainapel 1977), die durch (innerhalb weniger Tage bis mehrerer Wochen) auftretende schmerzlose proximal betonte Paresen und Muskelschwellungen bei ausgeprägter Hypokaliämie (unter 2 mval/l) gekennzeichnet ist. Die Therapie erfolgt durch Kaliumsubstitution.
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