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Anthropologische und phänomenologische Aspekte psychischer Erkrankungen

Verfasst von: Thomas Fuchs
Anthropologische Ansätze in der Psychiatrie erforschen zum einen die Bedingungen psychischer Krankheit in der Organisations- und Lebensform des Menschen, zum anderen die subjektive Erfahrungsdimension seelischen Krankseins. Als grundlegende Methodik dazu dient die Phänomenologie: Sie untersucht die zentralen Strukturen des Erlebens, insbesondere Intentionalität, Leiblichkeit, Zeitlichkeit und Intersubjektivität, um so zu einem vertieften Verständnis psychischer Krankheit zu gelangen und therapeutischen Ansätzen eine erweiterte Grundlage zu verschaffen. Die verschiedenen Forschungsansätze werden im Überblick dargestellt und u. a. anhand der speziellen Phänomenologie von Schizophrenie und Depression illustriert.

Phänomenologisch-anthropologische Psychiatrie

Anthropologische Ansätze in der Psychiatrie gehen auf eine Forschungstradition zurück, die sich im 20. Jahrhundert besonders im deutschsprachigen Raum entfaltet hat. Ihr gemeinsames Ziel ist ein umfassendes Verständnis psychischen Krankseins vor dem Hintergrund anthropologischer Erkenntnisse. Über die bloße Beschreibung von psychischen Erlebens- und Verhaltensauffälligkeiten hinaus versuchen sie v. a. das veränderte Selbst- und Weltverhältnis des seelisch Kranken zu erfassen, das seine Existenz in der Krankheit bestimmt. Es geht dabei also nicht nur um einen ethisch-humanen Umgang mit dem Patienten, sondern um ein vertieftes Verständnis seiner individuellen Erkrankung. Darüber hinaus gelten Grundfragen dieser Forschungsansätze den Bedingungen psychischen Krankseins in der Organisations- und Lebensform des Menschen ebenso wie der für die Psychiatrie zentralen Leib-Seele-Problematik, also den Zusammenhängen von psychischer Krankheit und körperlichen Substratprozessen.
Forschungstradition und philosophische Einflüsse
Zu den Begründern der anthropologischen Psychiatrie gehören v. a. L. Binswanger, E. Straus, E. von Gebsattel und E. Minkowski (Passie 1995). Weitere Hauptvertreter der älteren Generation sind u. a. J. Zutt, R. Kuhn, H. Tellenbach, W. Blankenburg, A. Kraus, B. Kimura und A. Tatossian. All diese Autoren entwickelten ihre Konzepte und Forschungen in enger Wechselbeziehung zu zeitgenössischen philosophischen Strömungen, insbesondere der philosophischen Anthropologie (M. Scheler, H. Plessner), der Phänomenologie (E. Husserl, M. Merleau-Ponty) und der Existenzphilosophie (M. Heidegger, K. Jaspers, J.-P. Sartre). Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Psychiatrie philosophisch geklärter Begriffe und übergreifender Konzepte etwa von Selbstbewusstsein, Wahrnehmung, Gedächtnis, Leiblichkeit, Zeitlichkeit, Intersubjektivität u. a. bedarf, um die Erforschung psychischer Störungen auf eine methodisch gesicherte Basis zu stellen (Blankenburg 1982b; Fuchs 2010a).
Philosophische Methoden
Als maßgebliche philosophische Methode hat sich dabei von Beginn an bis heute die Phänomenologie erwiesen, weshalb im deutschsprachigen Raum auch der Begriff der phänomenologisch-anthropologischen Psychiatrie üblich geworden ist (Kraus 1999; Dammann 2014). Dabei ist insbesondere auf die „Deutsche Gesellschaft für phänomenologische Anthropologie, Psychiatrie und Psychotherapie“ (DGAP, www.dgap-ev.de) mit ihrer Schriftenreihe (Alber-Verlag Freiburg) sowie auf die Schweizer „Gesellschaft für Hermeneutische Anthropologie und Daseinsanalyse“ (GAD, www.gad-das.ch) zu verweisen. Aber auch in den angloamerikanischen Ländern hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine intensive Zusammenarbeit von Philosophie und Psychiatrie entwickelt, die sich eher auf Traditionen der analytischen Philosophie stützt (Radden 2004; Kendler und Parnas 2008). Einen Überblick über die gegenwärtige internationale Forschung gibt insbesondere The Oxford Handbook of Philosophy and Psychiatry (Fulford et al. 2013).
Übersicht
Die folgenden Abschnitte gelten zunächst grundsätzlichen anthropologischen Fragestellungen (Abschn. 2), dann den phänomenologischen Ansätzen in der Psychopathologie (Abschn. 3), der speziellen Phänomenologie von Depression und Schizophrenie (Abschn. 4), und schließlich einer anthropologisch fundierten Theorie der Neurowissenschaften (Abschn. 5).

Anthropologische Grundlagen psychischer Krankheit

Begriff der Anthropologie

Unter dem Begriff der Anthropologie werden Ansätze aus unterschiedlichen Wissenschaften zusammengefasst, die sich der erstmals von Kant explizit aufgeworfenen Frage widmen: „Was ist der Mensch?“ (Kant 1800). Dabei lassen sich philosophische, theologische, kultursoziologische, ethnologische, medizinische und biologische Anthropologien unterscheiden. Für die Medizin und Psychiatrie wurde besonders die philosophische Anthropologie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutsam, mit Vertretern wie M. Scheler (1976), H. Plessner (1928), A. Gehlen (1940) oder F. Buytendijk (1967). Sie suchten nach einer neuen Bestimmung des Menschen unter expliziter Bezugnahme auf die Erkenntnisse der Humanwissenschaften, insbesondere der Evolutionsbiologie (vgl. im Überblick Krüger und Lindemann 2006; Fischer 2009). Anthropologische Ansätze gehen zwar nicht von einer fixierten Natur oder Wesensbestimmung des Menschen aus, jedoch von universellen Grundbedingungen der menschlichen Lebensform, die es zu beschreiben und zu erforschen gilt.

Anthropologische Vulnerabilität

Für die Psychiatrie ist dabei die Frage von besonderem Interesse, inwiefern in der conditio humana Bruchlinien, Widersprüche und unausweichliche Konflikte angelegt sind, die unter bestimmten Bedingungen zu einer Überforderung, Dekompensation und schließlich psychischen Erkrankung führen können. Die Tatsache, dass bei frei lebenden Tieren anhaltende psychische Störungen nicht vorkommen, erst recht keine Schizophrenien oder Suizide, spricht für eine anthropologische Vulnerabilität, also eine spezifische psychische Gefährdung des Menschen, die offensichtlich gerade mit den höheren Freiheitsgraden seiner psychophysischen Organisation in Zusammenhang steht. Zu den Bedingungen der Möglichkeit psychischer Erkrankung gehören etwa:
  • die von Scheler (1928) und Gehlen (1940) hervorgehobene „Instinktreduktion“ des Menschen, d. h. seine Entbundenheit von fixierten Trieb- und Verhaltensschemata, mit der Folge, dass er sich seine Verhaltenssicherheit erst erwerben muss;
  • die Offenheit und Wahlfreiheit der individuellen Entwicklung, die unter widersprüchliche Anforderungen (etwa ego- vs. allozentrischer Bedürfnisse) geraten und dabei auch misslingen kann;
  • das Bewusstsein der eigenen Gefährdung und Endlichkeit, das trotz vielfältiger Abwehrmechanismen prekär bleibt und zu psychischen Dekompensationen führen kann (Abschn. 3.3).
Im Folgenden werden weitere mögliche Bruchlinien der menschlichen Existenz dargestellt, die zu psychischen Krisen und Krankheiten Anlass geben können.
Exzentrische Positionalität nach Plessner
Von besonderer Relevanz in diesem Zusammenhang ist die anthropologische Konzeption Plessners (1928). Während das Tier nach Plessner in seiner „zentrischen Position“ an seine jeweilige Umwelt gebunden ist, vermag der Mensch gleichsam aus sich herauszutreten und die Perspektive eines Beobachters seiner selbst einzunehmen, also sich mit den Augen anderer zu sehen – dies charakterisiert seine „exzentrische“ (aus der Mitte gerückte) Position. Damit aber erfährt seine Unmittelbarkeit und Spontaneität eine grundsätzliche Brechung, die sich etwa in selbstreflexiven Emotionen wie Befangenheit, Stolz, Scham oder Schuld äußert. Psychopathologisch manifestiert sich die Labilität des menschlichen Selbstverhältnisses und Selbstwerts z. B. in histrionischen, narzisstischen, depressiven Störungen oder auch in sozialen Phobien: Alle diese Störungen setzen die Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung aus der Sicht der anderen voraus, also die Fähigkeit der Perspektivenübernahme.
Reflexion und Hyperreflexivität
Auch das mit der exzentrischen Position gegebene Reflexionsvermögen ist nicht nur eine Gabe, sondern trägt auch den Keim einer Störung in sich: In den Ruminationen der depressiven, in den Zwangsgedanken der anankastischen oder in der Hyperreflexivität der schizophrenen Patienten verselbstständigt sich das Denken zu einem leeren Gedankenkreisen, ohne dass die Betroffenen einen Ausweg aus den quälenden Spiralen der Reflexion finden (Fuchs 2011). Ebenso lassen sich die verschiedenen Formen der Depersonalisation oder Selbstentfremdung als Manifestationen der grundsätzlichen Gebrochenheit verstehen, die den Menschen als Person auszeichnet: nämlich als ein Wesen, das die Perspektive der anderen auf sich selbst einnimmt, damit in Distanz zu seinem primären Selbstempfinden und Selbsterleben tritt. Auch wenn darin zweifellos ein Gewinn an Freiheit liegt – in den Entfremdungserlebnissen kann die Trennung vom eigenen Empfinden und Spüren auch einen quälenden Charakter annehmen, ja im nihilistischen Wahn als einer äußersten Form der Depersonalisation sogar in der Gewissheit des eigenen Gestorbenseins gipfeln (Debruyne et al. 2009).
Leib-Körper-Verhältnis
Nur für den Menschen wird schließlich auch der selbstverständlich gelebte eigene Leib zum beobachtbaren Körper als einem Instrument oder Objekt, einem Ding unter anderen Dingen, zu dem damit eine ambivalente Beziehung besteht. Die menschliche Existenz bewegt sich zwischen Körper-Haben und Leib-Sein (Plessner 1928; Blankenburg 1982a; Fuchs 2000a). Die ängstlich-hypochondrische Beobachtung des eigenen Körpers, die Herzphobie, die Dysmorphophobie ebenso wie die Essstörungen haben in diesem ambivalenten Verhältnis ihre anthropologische Grundlage: Einerseits ausgeliefert an die Unverfügbarkeit und Kontingenz des eigenen Leibes, versuchen die Patienten andererseits doch ihn zu kontrollieren, zu beherrschen und zu manipulieren.
Strukturdynamische Theorie Janzariks
Eine eigene, aus der Psychiatrie heraus entwickelte anthropologische Konzeption stellt die strukturdynamische Psychopathologie Janzariks (1988, 2007) dar, die besonders auf die Theorie der Psychosen, aber auch der Neurosen und Persönlichkeitsstörungen Anwendung gefunden hat (Frommer 2003). Danach ist die psychische Organisation einerseits durch den Aspekt der Dynamik (Antrieb, Affektivität, Wille) charakterisiert, andererseits durch den Aspekt der Struktur (sprachlich-symbolische Bestände, Einstellungen, Wertgefüge u. a.). Die Dynamik steht der biologischen Fundierung der Psyche nahe, die Struktur repräsentiert eher biografische und kulturelle Einflüsse. Eine gelingende psychische Entwicklung erfordert die Integration beider Aspekte im Sinne einer strukturell-dynamischen Kohärenz. Während die Depression durch dynamische Restriktion, die Manie durch dynamische Expansion gekennzeichnet ist, kommt es bei akuten schizophrenen Psychosen zu dynamischer Unstetigkeit bzw. bei chronischem Verlauf zur dynamischen Insuffizienz, jeweils mit spezifischen Abwandlungen oder Verformungen der repräsentativen psychischen Struktur.

Grundlegende anthropologische Fragen

Zusammengefasst fragt die psychiatrische Anthropologie nach der spezifischen Vulnerabilität der psychischen Organisation von Homo sapiens: Was sind die Bedingungen der Möglichkeit dafür, dass Menschen überhaupt psychisch erkranken können? Worin bestehen die Entgleisungsmöglichkeiten der psychischen Struktur? Unter welchen grundsätzlich problematischen Bedingungen hat der Mensch sein Leben zu führen, so dass ihn die Aufgabe der Existenz auch überfordern kann? Antworten auf diese Fragen ermöglichen ein vertieftes Verständnis für die existenziellen Widersprüche und Konflikte, mit denen sich besonders psychisch kranke Menschen konfrontiert sehen oder unter denen sie unbewusst leiden.
Fazit
Die anthropologische Vulnerabilität für psychische Erkrankungen ist nicht zuletzt in der offenen, exzentrischen Organisation der menschlichen Existenzform begründet, oder mit den Worten von Karl Jaspers: „Dem Menschsein ist seine Unfertigkeit, seine Offenheit, seine Freiheit und seine unabschließbare Möglichkeit selber Grund eines Krankseins“ (Jaspers 1965, S. 8).
Die verschiedenen Forschungsansätze und Themen der anthropologischen Psychiatrie werden in Tab. 1 zusammengefasst und in Abschn. 3 weiter erläutert.
Tab. 1
Forschungsansätze und Themen der anthropologischen Psychiatrie
1 Anthropologische Konzeptionen
1.1 Exzentrische Position
Leib-Sein versus Körper-Haben; Selbstverhältnis; Perspektivenübernahme (Plessner 1928)
Störungen: Hyperreflexivität; Entfremdungsphänomene; Verlust der exzentrischen Position im Wahn (Fuchs 2010a, 2015b)
1.2 Klassische psychiatrische Anthropologien
Gelebte Zeit, Schizophrenie (Minkowski 1927, 1933)
Melancholie, Depersonalisation, Zwang (von Gebsattel 1954)
Psychopathologie der Sinnes-, Raum- und Zeiterfahrung (Straus 1956, 1960)
1.3 Strukturdynamische Konzeption
Psychopathologie von affektiver Dynamik und symbolisch-repräsentativer Struktur der Psyche (Janzarik 1988)
1.4 Leiblichkeit und Verkörperung
Doppelaspekt von leiblichem In-der-Welt-Sein und Organismus-Umwelt-Interaktion; verkörperte Subjektivität (Fuchs 2000a, b, 2008)
2 Phänomenologische Ansätze
2.1 Deskriptive Phänomenologie
„Anschauliche Vergegenwärtigung“ der Erlebnisse des Kranken durch empathisches und imaginatives Sich-Hineinversetzen (Jaspers 1913)
2.2 Eidetische Phänomenologie
Herausarbeitung von Wesenszügen, Grundmustern oder Typologien psychopathologischer Phänomene durch imaginative Variation (Durchspielen verschiedener Erfahrungsbedingungen) oder typische Einzelfallstudien (z. B. Kraus 1977; Tellenbach 1983; Stanghellini 2004; Ratcliffe 2008)
2.3 Transzendentale Phänomenologie
Analyse von Störungen der transzendentalen Organisation von Bewusstsein v. a. im psychotischen Erleben (z. B. Binswanger 1960, 1965; Blankenburg 1971; Fuchs 2000b, 2010a)
2.4 Phänomenologie der Intersubjektivität und der Lebenswelt
Störungen der Perspektivität und der Begegnungsstruktur im Wahn (z. B. von Baeyer 1955; 1979; Blankenburg 1991; Mundt 1996)
Situagenese endogener Psychosen (Tellenbach 1983; Schmidt-Degenhard 1995)
Psychopathologie des „common sense“ (Blankenburg 1969, 1971; Fuchs 2015b)
3 Hermeneutische Ansätze
3.1 Klassische daseinsanalytische Forschung
Deskription und existenzielle Deutung eines individuellen Weltentwurfs im biografischen Sinnzusammenhang, insbesondere hinsichtlich Räumlichkeit, Zeitlichkeit, Gestimmtheit, Eigentlichkeit (Binswanger 1933, 1944, 1957, 1965, Kuhn 1963)
3.1 Neuere Konzeptionen
„Leiden am Dasein“ (Holzhey-Kunz 1994, 2002, 2008); „Existenzielle Vulnerabilität“ (Fuchs 2011, 2013b)
Sinnhorizonte und imaginative Aspekte in psychotischen Erlebniswelten (Müller-Suur 1980; Schmidt-Degenhard 1992, 1995)

Phänomenologie und Psychiatrie

Die auf Edmund Husserl zurückgehende Phänomenologie kann als eine Grundlagenwissenschaft der subjektiven Erfahrung angesehen werden (Husserl 1952, 1954; vgl. zur Einführung Zahavi 2007). Sie untersucht ihre zentralen Strukturen, insbesondere Selbsterleben, Intentionalität, Leiblichkeit, Zeitlichkeit und Intersubjektivität, und ist damit auch zur bevorzugten Methode anthropologischer Ansätze in der Psychiatrie geworden. Dabei hat sich die Phänomenologie seit ihren Anfängen in verschiedene Richtungen und Ansätze differenziert. Für die Psychopathologie und Psychotherapie sind v. a. die deskriptive, die eidetische, die transzendentale und die hermeneutische Phänomenologie bedeutsam geworden.

Deskriptive Phänomenologie

In der erstmals von Jaspers in die Psychopathologie eingeführten Form zielt die phänomenologische Methode auf die „anschauliche Vergegenwärtigung“ der subjektiven Erlebnisse des Kranken mittels eines empathischen und imaginativen Sich-Hineinversetzens (Jaspers 1912). Voraussetzung ist dabei das Absehen von allen theoretischen Vorannahmen, insbesondere von dem Versuch, die Erlebnisse auf ein biologisches Substrat, auf tiefenpsychologische Konstellationen oder andere Ursachen zurückzuführen. Die weitere Entwicklung der Phänomenologie zur Analyse von Bewusstseinsstrukturen (s. unten) vollzog Jaspers jedoch nicht mit, was später zu einer gewissen Verflachung des Phänomen-Begriffs beitrug: Die heute besonders im angloamerikanischen Sprachraum gebräuchliche Bedeutung setzt „Phänomene“ weitgehend mit klinischen Symptomen gleich (Fuchs et al. 2013). Für ein tieferes Verständnis der phänomenologischen Methode ist ein Blick auf die Phänomenologie Husserls erforderlich.

Eidetische und transzendentale Phänomenologie

Husserls Ausgangspunkt ist der unauflösliche Zusammenhang von Subjektivität und Welterfahrung, der sich im Begriff der Intentionalität (nicht zu verwechseln mit Intention im Sinn von „Absicht“) konzentriert: Bewusstsein ist immer intentional gerichtet auf die Welt, und umgekehrt ist uns die raumzeitliche Welt nur insofern gegeben, als sie auf unser erfahrendes Bewusstsein bezogen ist. Die Welt besteht also nicht „an sich“, sondern stellt sich als das Korrelat von sinnbildenden, sie als kohärenten Zusammenhang konstituierenden Bewusstseinsleistungen dar. Diese Leistungen sind uns freilich nicht unmittelbar zugänglich, sondern werden durch den Rückgang auf eine transzendentale Subjektivität erfassbar: Die Einheit der Raum- oder der Zeiterfahrung, der subjektive Leib als Zentrum aller Wahrnehmung und Bewegung, die Objekte in ihrer Gestalt und Bedeutung – all dies wird durch synthetische Funktionen des Bewusstseins konstituiert, deren wir uns nicht als solcher bewusst sind, die sich aber durch phänomenologische Analysen der Erfahrungsstruktur herausarbeiten lassen. Zentrale Methode ist dabei die „eidetische Reduktion“ (gr. eidos = Wesen), d. h. die Zurückführung der konkreten Phänomene auf invariable Muster, Typen oder Strukturen.

Psychische Krankheit und In-der-Welt-Sein

Übertragen auf die Psychiatrie bedeutet die Korrelation von Subjekt und Welt zunächst, dass psychisches Kranksein weder als ein rein objektives, etwa im Gehirn lokalisierbares Geschehen angesehen noch einem verborgenen „Innenraum“ des Psychischen zugeschrieben wird (Fuchs 2008). Bewusstes Erleben ist intentional bezogen auf die erlebte Welt, und daher zeigen sich auch psychische Störungen im leibräumlichen Erleben ebenso wie im Verhalten des Kranken, in der Zeitlichkeit seines Lebensvollzugs, in seinen Beziehungen zu den anderen, kurz: in seinem gesamten In-der-Welt-Sein. „Der Patient ist krank, das heißt, seine Welt ist krank“ (van den Berg 1972, S. 46). Aufgabe des Psychopathologen ist es zunächst, diese abgewandelte Welterfahrung in möglichster Näherung zu erfassen, nachzuvollziehen und zu beschreiben.

Phänomenologische Diagnostik

Seit der Einführung operationalisierter und standardisierter Diagnosesysteme (DSM-III-R, ICD-10) hat zwar die Reliabilität psychiatrischer Diagnostik zugenommen, vielfach jedoch um den Preis eines Verlusts differenzierter Psychopathologie (Andreasen 2007) und einer Verkürzung der Anamnese auf die Erfassung von Einzelsymptomen. Weite Bereiche der menschlichen Erfahrung, die sich mit einem Alltagsvokabular kaum beschreiben lassen – etwa Selbsterleben und Identität, subtile Veränderungen der Wahrnehmung oder existenzielle Grunderfahrungen in Psychosen – sind aus den diagnostischen Manualen verschwunden. Eine phänomenologische Diagnostik hingegen sucht über die pure Aufzählung von Einzelsymptomen hinaus das Selbst- und Weltverhältnis des Patienten insgesamt zu erfassen, das mehr ist als die Summe der Symptome. Die Erlebnisse und Krankheitsmerkmale werden nicht isoliert, sondern immer in Bezug zum Subjekt und dem Ganzen des Bewusstseins gesehen, in dem sie auftauchen. Leitende Fragen für die Exploration sind etwa:
  • Wie ist es für den Patienten, in einem bestimmten psychischen Zustand zu sein (z. B. depressiv zu sein, Stimmen zu hören)? Welche Bedeutung hat dieser Zustand für ihn? Steht er ihm distanziert gegenüber oder ist er ganz mit ihm identifiziert?
  • Wie lebt bzw. erlebt der Patient seinen Leib und seinen Raum?
  • Wie erlebt der Patient die Zeit? Welche Zeitdimension steht im Vordergrund? Besteht eine Kontinuität des Selbsterlebens oder zeigen sich Brüche?
  • Wie erfährt der Patient seine Welt? Erlebt er sich als aktiv handelndes Subjekt oder eher als passiv der Welt ausgesetzt?
  • Inwieweit ist der Patient in der Lage, sich in andere einzufühlen und ihre Perspektive zu übernehmen? Wie erlebt er sich in seinen Beziehungen?
Die phänomenologische Anamnese ermöglicht nicht nur eine differenziertere Psychopathologie, sondern erlaubt auch, den Patienten in seinem je eigenen Erleben zu verstehen und die therapeutische Beziehung zu ihm zu vertiefen.

Eidetische Grundmuster und Typologien

Wie werden die Ergebnisse solch detaillierter Explorationen nun weiter verarbeitet? Die subjektive Erfahrung lässt sich ihrer Natur nach nicht in Form von Durchschnitten berechnen. Die statistische Clusterbildung von Symptomen gelangt nie zu einem in sich bedeutungsvollen Ganzen. Die Phänomenologie sucht vielmehr nach dem Grundmuster, in das die einzelnen Merkmale eingebettet sind: etwa die affektive Selbstentfremdung in der Melancholie oder der Autismus in der Schizophrenie. Ziel ist die Herausarbeitung von eidetischen, also prototypischen oder Wesenszügen der Erfahrung durch imaginative Variation, d. h. das Durchspielen verschiedener Erfahrungsbedingungen, um so zum invarianten Wesen der Sache zu gelangen („In welchen Situationen erlebt der Patient diese Emotion?“ „Wie verhält er sich in unterschiedlichen Kontexten?“). Dies kann den Psychopathologen etwa im Fall histrionischer Patienten zum Grundzug der Inauthentizität führen („Scheinen statt Sein“, Jaspers 1965), oder bei Depressiven zu dem von Tellenbach (1983) beschriebenen Typus Melancholicus mit den Wesenszügen der Ordentlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Harmoniebedürftigkeit.
Einzelfallstudien
Eine besondere Rolle für die eidetische oder Wesenserkenntnis spielen in der Phänomenologie differenzierte Einzelfallstudien (etwa Blankenburg 1971; Huppertz 2000). Es geht dabei nicht um eine Betonung des Subjektiven, sondern um die Erfassung des Allgemeinen oder Typischen im Einzelnen, was freilich eine hinreichende Introspektionsfähigkeit des Patienten ebenso wie eine vertiefte Beziehung zu ihm voraussetzt.
Phänomenologisch-empirische Forschung
Solche Typologien können durchaus als Grundlage für die Entwicklung von standardisierten Erhebungsinstrumenten dienen. Ein Beispiel dafür ist die Examination of Anomalous Self Experience (EASE, Parnas et al. 2005), ein ausführliches phänomenologisches Interview zur Erfassung basaler Selbststörungen in der Schizophrenie. Es beruht auf der Beobachtung, dass die Mehrheit der Patienten schon lange vor einer akuten Psychose subtile Veränderungen der Selbst-, Leib- und Zeiterfahrung erleben, die sich erst einem vertieften Erfragen und Verstehen erschließen.

Transzendentale Psychopathologie

Die transzendentale Phänomenologie geht noch über die deskriptiven und typologisierenden Ansätze hinaus, indem sie im Sinne Kants die apriorischen und synthetischen Leistungen des Bewusstseinsprozesses in den Blick nimmt, also den Aufbau von Erfahrung selbst. Dadurch wird es möglich, insbesondere die Phänomene des Wahns, der Ichstörungen, Denkstörungen oder Halluzinationen in den Psychosen, die sie sich einem rein psychologischen Verstehen entziehen, als spezifische Störungen der transzendentalen Organisation von Bewusstsein zu begreifen. Klassische Beispiele der transzendental-phänomenologischen Forschung sind Binswangers Studien über „Melancholie und Manie“ (1960) und den Wahn (1965) sowie Blankenburgs (1971) „Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit“, die Kasuistik einer an Hebephrenie leidenden Patientin. Aus dieser Sicht zeigen sich Depression und Manie nicht mehr nur als affektive Verstimmungen, sondern als spezifische Störungen der Konstitution von Zeitlichkeit (Binswanger 1960; Fuchs 2011). Schizophrene Ich-Störungen wiederum lassen sich als transzendentale Störungen der Intentionalität begreifen, in deren Folge die Abgrenzung von Selbst und Anderem verloren geht (Fuchs 2015a). Solche transzendental-phänomenologischen Analysen bewegen sich heute zunehmend in Konvergenz zu kognitiv-neurowissenschaftlichen Forschungsansätzen, etwa bezüglich neuronaler Korrelate von Störungen der Zeitlichkeit oder des Selbsterlebens (Vogeley und Kupke 2007; Fuchs 2013a; Sestito et al. 2015).

Hermeneutische Phänomenologie

Daseinsanalyse

Einen anderen Weg phänomenologischer Forschung beschritt die ebenfalls von L. Binswanger begründete Daseinsanalyse, die sich auch als eine hermeneutische Phänomenologie der Lebensgeschichte verstehen lässt (Binswanger 1955; Boss 1954; Kuhn 1963; vgl. im Überblick Holzhey-Kunz 2008). Wesentliche Einflüsse stammen von Diltheys hermeneutischer Lebensphilosophie, von Heideggers Fundamentalontologie in Sein und Zeit (1925), aber auch aus der Freudschen Psychoanalyse.
Weltentwurf
Der für Heidegger zentrale Begriff des „In-der-Welt-Seins“ bezieht sich nicht mehr wie Husserls Phänomenologie auf das Bewusstsein, sondern auf die besondere Existenzform des Menschen als „Dasein“, das einerseits durch sein Selbstverhältnis, andererseits durch seine grundlegende Offenheit zur Welt charakterisiert ist. Davon leitet Binswanger den Begriff des Weltentwurfs ab, als der je individuellen Form der Weltwahrnehmung und Lebensgestaltung, die sich von Kindheit an im Lebenslauf manifestiert. Binswangers Folgerung für die Psychopathologie besteht nun darin, dass auch der psychisch Kranke durch einen apriorischen Weltentwurf charakterisiert ist, der sein spezifisches „In-der-Welt-Sein“ bestimmt, wenngleich vielfach in einer eingeschränkten oder defizienten Weise. Diese grundlegende Seinsstruktur gilt es in der „hermeneutischen Kommunikation“ (Binswanger 1958) mit dem Patienten herauszuarbeiten.
Problematik der Daseinsanalyse der Psychosen
Binswangers große kasuistische Studien über „Ideenflucht“ (1933) und „Schizophrenie“ (1957) gelten den existenziellen Umwandlungsprozessen, die aus einer vorbestehenden Gefährdung heraus in bestimmten Situationen zur psychotischen Entgleisung des Lebenslaufes führen. Allerdings erscheint die Anwendung des Konzepts des Weltentwurfs auf psychotische Patienten nicht unproblematisch, da die Erkrankung leicht zur „folgerichtigen“ oder gar unausweichlichen Konsequenz eines apriorisch vorgegebenen Weltentwurfs gerät (Binswanger 1994). Zudem erfolgt die Untersuchung des Weltentwurfs am Leitfaden einer Norm „eigentlichen“ Daseins (Heidegger), so dass der Lebensweg dieser Patienten dem Verdikt des „missglückten Daseins“ zu unterliegen droht (Binswanger 1956; vgl. zur Kritik auch Holzhey-Kunz 2015).

Existenzielle Vulnerabilität

Eine modifizierte daseinsanalytische Konzeption besteht darin, psychisch Kranken nicht einen grundlegenden Weltentwurf, wohl aber eine besondere Empfindlichkeit oder „Hellhörigkeit“ für die Widersprüche der menschlichen Existenz zuzuschreiben, wie dies Holzhey-Kunz (1994, 2002) unternommen hat. Dieses „Leiden am Dasein“ kann sich sehr unterschiedlich manifestieren, denn die Widersprüche etwa zwischen Autonomie und Abhängigkeit, Freiheit und Sicherheit, Selbstrealisierung und Schuld, Lebensdrang und Todesgewissheit werden nicht von allen Menschen in gleicher Weise erfahren. Psychisch Kranke sind aber durch eine spezifische „existenzielle Vulnerabilität“ charakterisiert (Fuchs 2013b), die sie unter Umständen selbst alltäglich erscheinende Konflikt- oder Verlustsituationen als Grenzsituationen im Sinne Jaspers’ (1919) erfahren lässt: Die Widersprüche des Daseins lassen sich dann nicht mehr verleugnen und werden zu Anlässen für schwere psychische Krisen oder Erkrankungen. Aus der unbewussten Vermeidung solcher Gefahrensituationen resultieren neurotische Daseins- und Persönlichkeitsstile, etwa
  • eine durchgängige Vorläufigkeit der Lebensführung aus Angst vor Festlegung;
  • eine Einengung des Lebensentwurfs mit zwanghaft-angepassten Zügen als Ausweichen vor möglicher Freiheit;
  • ein dependentes Festhalten an Abhängigkeiten, da Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu beängstigend erscheinen;
  • oder die narzisstische Illusion der Besonderheit, die die eigene Gewöhnlichkeit und Sterblichkeit verdecken soll (Fuchs 2002).
Psychische Dekompensationen und Erkrankungen resultieren dann aus Situationen, in denen die Betroffenen der Konfrontation mit den für sie prekären Grundbedingungen der Existenz nicht mehr ausweichen können. Im hermeneutischen Verständnis für diese individuellen Grenzsituationen liegt aber auch das therapeutische Potenzial des existenziellen Zugangs. Mehr als in den anderen phänomenologischen Ansätzen gelangt in der Daseinsanalyse der Mensch in seiner Grundsituation, seiner Freiheit, seiner Endlichkeit, in den biografischen und gesellschaftlichen Bedingungen seiner Existenz in den Blick. Damit kennzeichnet die Daseinsanalyse ebenso wie die mit ihr verwandten Richtungen der Existenzanalyse (Frankl 1959; Yalom 1989; Längle 2008) meist eine größere Nähe zum individuellen Patienten und zur Psychotherapie.
Komplementarität der Ansätze
Doch lässt sich der häufig gegen die Phänomenologie erhobene Vorwurf der Praxisferne nicht aufrechterhalten. Die Psychopathologie bedarf zunächst, abgesehen von ihrer klinisch-empirischen Fundierung, sicher einer philosophisch geschulten Analyse grundlegender Erlebnis- und Bewusstseinsstrukturen. Solche Forschungen tragen aber auch zu einem vertieften Verständnis, zur empirischen Erfassung und zur individuellen Therapie psychischer Störungen bei; gerade phänomenologische Einzelfallstudien können einem psychotherapeutischen ebenso wie einem sozialpsychiatrischen Vorgehen den Weg ebnen (Thoma 2015). Insofern sind die deskriptive, eidetische, transzendentale und hermeneutische Phänomenologie am ehesten in einem konstruktiven Ergänzungsverhältnis zueinander zu sehen.

Spezielle Phänomenologie

Die Darstellung phänomenologisch-anthropologischer Ansätze im Überblick soll nun ergänzt und illustriert werden durch die paradigmatische Analyse zweier Krankheitsbilder, nämlich der melancholischen Depression und der Schizophrenie. Für weitere Themen der speziellen Phänomenologie ist auf die umfangreiche Literatur zu verweisen (vgl. auch Blankenburg 1982b; Kraus 1999; Fuchs 2010a).

Melancholische Depression

Die schwere, in der Psychopathologie auch Melancholie genannte Depression stellt seit den 1920er-Jahren eines der zentralen Themen der anthropologischen Psychiatrie dar (Straus 1928; Minkowski 1933; von Gebsattel 1954; Binswanger 1960; Tellenbach 1983; Schmidt-Degenhard 1983), so dass an dieser Erkrankung auch die unterschiedlichen Perspektiven dieser Ansätze deutlich werden können.

Korporifizierung des Leibes

Eine anthropologische Betrachtungsweise der Depression kann zunächst von der Leiblichkeit und Räumlichkeit depressiven Erlebens ausgehen (Fuchs 2000b, 2014; Micali 2013), in der sich die grundlegende Polarität von Leib-Sein und Körper-Haben (Abschn. 2) in besonderer Weise manifestiert. In der schweren Depression fungiert der Leib nicht mehr als selbstverständliches, fluides und offenes Medium der Beziehung zur Welt, sondern wird als schwerer, unbeweglicher und rigider Körper erlebt, der allen nach außen gerichteten Impulsen und Intentionen Widerstand entgegensetzt.
Die leibliche Verfassung der Depression lässt sich damit als eine „Korporifizierung“ charakterisieren, nämlich als eine Konstriktion oder Starre, die sich lokal als thorakales Panzer- oder Reifengefühl, als Globusgefühl, Kopfdruck oder auch als allgemeine Beklemmung und Angst äußern kann.
Leib und Raum
Damit ist auch der sensomotorische Austausch zwischen Leib und Umraum beeinträchtigt. Zum einen ist die Wahrnehmung depressiver Patienten durch einen Verlust der sinnlichen Qualität und Lebendigkeit gekennzeichnet, der sich bis zur Derealisation steigern kann. Zum anderen sind die motorischen und sprachlichen Äußerungen aufgrund der psychomotorischen Hemmung auf das Notwendigste reduziert. Damit schrumpft der leiblich zugängliche Raum auf die nächste Umgebung zusammen. Die Patienten vermögen ihren Leib nicht mehr auf die Welt hin zu überschreiten. In schweren Fällen kommt es zu einer regelrechten Erstarrung und Verdinglichung des Leibes bis zum depressiven Stupor.
Resonanzverlust
Die leibliche Starre als Grundphänomen der Depression äußert sich nicht nur in gespürter Beklemmung, Schwere und Hemmung, sondern noch subtiler in einem Verlust der emotionalen Schwingungsfähigkeit, die sonst durch feinere leibliche Regungen und Resonanzen vermittelt ist (Fuchs 2000b). Die Fähigkeit, fühlend an der Welt teilzunehmen, weicht damit einer Erstarrung, Einmauerung und Entfremdung. Die affektive Seite der Erkrankung besteht v. a. in der Unfähigkeit, Gefühle wie Zuneigung, Freude, Heiterkeit oder auch Trauer überhaupt noch spüren zu können. Diese Störung der Gefühlsresonanz wird als „Gefühl der Gefühllosigkeit“, ja des Abgestorbenseins von den Kranken selbst schmerzlich erlebt. Sie manifestiert sich auch im Verlust der zwischenleiblichen Resonanz, die sonst die empathische Beziehung zu anderen herstellt, und kann sich bis zu einer affektiven Depersonalisation steigern (Fuchs 2000b; Stanghellini 2004).

Zeitlichkeit

Eine weitere Analyse geht von der Zeitlichkeit depressiven Erlebens aus, die v. a. durch die schwere Antriebshemmung geprägt ist: Das Erlahmen aller in die Zukunft gerichteten Energien und Triebkräfte führt zu einer generellen Stockung der Lebensbewegung, die Straus (1960) und v. Gebsattel (1954) als eine „Hemmung des vitalen Werdens“ auffassten. Nach Straus kommt in der Melancholie die Eigenzeit des Patienten ins Stocken; gleichzeitig läuft aber die äußere Weltzeit weiter und vergeht, ohne dass der Kranke noch aktiv in sie eingreifen könnte. Damit verschließt sich ihm die Zukunft, sie enthält keine neuen Möglichkeiten mehr, sondern hat nur noch den Charakter des sicheren Verhängnisses. Auf der anderen Seite lässt die Hemmung der in die Zukunft gerichteten Lebensbewegung auch nicht zu, das Erlebte und Geschehene hinter sich zu lassen. Das Vergangene bleibt als Versäumnis und Verfehlung, als ständig wachsende Schuld im Bewusstsein. „Je mehr sich die Hemmung verstärkt, das Tempo der inneren Zeit verlangsamt, um so deutlicher wird die determinierende Gewalt der Vergangenheit erlebt“ (Straus 1960, S. 137). Sicheres Verhängnis auf der einen Seite, untilgbare Schuld und irreversibler Verlust auf der anderen Seite beherrschen somit das Zeiterleben.
Desynchronisierung
Diese klassischen Ansätze modifizierend, lässt sich die depressive Zeitlichkeit auch als Desynchronisierung begreifen (Fuchs 2001, 2013a). Diese Konzeption bezieht sich sowohl auf die biologische als auch auf die soziale Sphäre: In beiden ist das Verhältnis von Organismus und Umwelt bzw. Individuum und Gesellschaft durch Prozesse der Synchronisierung geprägt, in denen innere und äußere Zeitabläufe fortwährend aufeinander abgestimmt werden. Demgegenüber bedeutet die Depression sowohl eine biologische Desynchronisierung (erkennbar an der Störung von Tag-Nacht-Rhythmen, neuroendokrinen Zyklen u. a.) als auch ein Zurückbleiben hinsichtlich der sozialen Zeitordnungen: Depressive fallen aus zunehmend beschleunigten Arbeitsprozessen heraus, sie vermögen Verluste oder Trennungen nicht zu bewältigen und bleiben auf die Vergangenheit fixiert. Desynchronisierungen als Folge der allgemeinen gesellschaftlichen Beschleunigung finden auch in der Soziologie besondere Beachtung (Rosa 2005).

Depressiver Wahn

Die depressive Erkrankung radikalisiert diese Entkoppelung von gemeinsamen Zeitabläufen; vergebliche Versuche, das Versäumte doch noch auszugleichen, verstärken nur das Erleben des Zurückbleibens. Die Desynchronisierung erreicht ihren Gipfel im depressiven Wahnerleben: Im Schuld-, Verarmungs- oder Kleinheitswahn wird die Rückkehr zu einer gemeinsamen intersubjektiven Zeit für die Patienten unvorstellbar, die Determination durch die Vergangenheit total. Zugleich macht der Wahn eine Verständigung mit anderen unmöglich, denn er bedeutet den Verlust der „exzentrischen Position“ (Abschn. 2), die den Überstieg in die Perspektive der anderen und damit eine Selbstrelativierung noch erlauben würde (Fuchs 2001, 2013c).

Melancholie bei Tellenbach

Die umfassende anthropologische Melancholie-Konzeption Tellenbachs (1983) verknüpft die Thematik der Zeitlichkeit mit der besonderen existenziellen Vulnerabilität des zur Depression disponierten „Typus Melancholicus“. Diese Persönlichkeitsstruktur ist nach Tellenbach durch eine rigide Ordnungstendenz, Gewissenhaftigkeit und Eingebundenheit in soziale Normen charakterisiert – eine Konstellation, die sich rollentheoretisch als Überidentifikation mit der sozialen Rolle interpretieren lässt (Kraus 1977), oder auch als übermäßiges Angewiesensein auf soziale Synchronisierung (Fuchs 2001). Damit aber wird der Typus Melancholicus spezifisch vulnerabel für Situationen, die ein Abweichen von der üblichen Norm und Ordnung erfordern würden, oder die seine soziale Eingebundenheit in Frage stellen. In solchen Situationen gerät er nach Tellenbach in den Widerspruch zwischen der „Inkludenz“, der Eingeschlossenheit in seine starren Ordnungen, und der „Remanenz“, dem schuldhaften Zurückbleiben hinter dem Anspruch eben dieser Ordnungen. Dieser für den Typus Melancholicus unlösbare Widerspruch führt zur Dekompensation, erkennbar zunächst am Affekt der Verzweiflung. Sie wird zum Anlass für den Einbruch in eine tiefere, vitale Störungsebene, auf der sie sich zur Depression verselbstständigt und als solche nicht mehr nur aus psychologischen Motiven verständlich ist. Die auslösende Situation mündet damit in eine entkoppelte Form der Zeitlichkeit, die auch den Sinnzusammenhang mit der bisherigen Lebensentwicklung unterbricht.

Therapeutische Aspekte

Diese integrative Konzeption verknüpft lebensgeschichtliche, existenzielle und biologische Aspekte und erlaubt eine übergreifende Betrachtung von prämorbider Struktur, auslösender Situation und Psychopathologie der Erkrankung selbst. Besondere Aktualität gewinnt diese Konzeption auch im Kontext der Überlegungen des Soziologen Alain Ehrenberg (2004) zum „erschöpften Selbst“ in den beschleunigten postindustriellen Gesellschaften. Sie eröffnet aber auch Möglichkeiten zu einer Resynchronisierungstherapie, welche die „Auszeit“ einer meist stationären Behandlung zur schrittweisen Wiedergewinnung der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und Anpassung an die sozialen Zeitordnungen nützt (Fuchs 2014). Darüber hinaus gibt die spezifische Vulnerabilität des Typus Melancholicus Anlass zu psychotherapeutischen Ansätzen, die seine eingeengte Existenzweise im Sinne einer erhöhten Rollenflexibilität und Eigenständigkeit gegenüber gesellschaftlichem Anpassungsdruck zu erweitern suchen (Kraus 1997). Dabei werden psychopharmakologische, auf die biologische Vulnerabilität der Patienten gerichtete Therapien keineswegs überflüssig, die Ansätze sind vielmehr als einander ergänzend zu betrachten.

Schizophrenie

Wie keine andere psychische Krankheit erfasst die Schizophrenie die Person in ihrem Gesamtgefüge und betrifft alle Schichten ihres Erlebens, vom basalen leiblichen Selbstempfinden bis zur Einheit des Ich-Erlebens. Für ein Verständnis dieser Erkrankung, das über die Beschreibung einzelner Symptome und Funktionsstörungen hinausgeht, ist daher eine philosophisch fundierte Psychopathologie unabdingbar.
Die folgende Darstellung orientiert sich an neueren phänomenologischen Analysen, die aber den Schizophrenie-Studien Minkowskis (1927), Binswangers (1957), Straus‘ (1960) oder Blankenburgs (1971) maßgebliche Anregungen verdanken. Von zentraler Bedeutung ist dabei weniger die produktive Symptomatik der akuten Phasen (d. h. Wahnideen und Halluzinationen) als vielmehr die schleichende Aushöhlung des Selbst- und Welterlebens, die in unauffälligen Vorstadien nicht selten bis in die Kindheit der Patienten zurückreicht (Sass und Parnas 2003; Parnas et al. 2005; Stanghellini 2004; Ratcliffe 2008; Fuchs 2005, 2012). Sie umfasst folgende Aspekte:
  • eine Schwächung des basalen leiblichen Selbsterlebens;
  • eine Entfremdung der selbstverständlichen Funktionen des Leibes, insbesondere des Wahrnehmens und Handelns („disembodiment“);
  • eine Störung des zwischenleiblichen Kontakts mit anderen;
  • schließlich eine Störung der „exzentrischen Position“ (Plessner 1975) und damit der Abgrenzung von Selbst und Anderen.
Damit wird die Schizophrenie zu einer fundamentalen Störung der Person in ihrer Leiblichkeit ebenso wie in ihren intersubjektiven Beziehungen. Die genannten Aspekte seien im Folgenden näher beschrieben.
Selbsterleben
Die Störung des basalen leiblichen Selbsterlebens manifestiert sich zunächst in einem oft schwer beschreibbaren Gefühl der mangelnden Lebendigkeit, der inneren Leere, fehlenden Anwesenheit und Fremdheit in der Welt bis hin zur ausgeprägten Depersonalisation. Bereits Minkowski (1927) sah dementsprechend die Grundstörung der Schizophrenie in einem „Verlust des vitalen Kontakts mit der Realität“. Sie kann sich auch in Klagen über eine mangelnde Klarheit oder Durchsichtigkeit des Bewusstseins äußern („wie in einem Nebel“). Häufige Folge dieser Selbstentfremdung ist eine zwanghafte Selbstbeobachtung oder Hyperreflexivität (Sass und Parnas 2003; Fuchs 2011), im Bemühen die verlorene primäre Selbstgewissheit zu kompensieren.
Wahrnehmen und Handeln
Die basale Selbststörung erfasst auch die über den Leib vermittelten, sensomotorischen Beziehungen zur Umwelt. Im Handeln äußert sich dies in einer zunehmenden Desintegration von leiblichen Gewohnheiten und automatischen Abläufen. In vielen Situationen gelingt es den Patienten nicht mehr, einen geschlossenen Handlungsbogen auszuführen und sich dabei auf selbstverständliche Weise ihres Leibes zu bedienen. Stattdessen müssen sie sich künstlich, durch Vorsätze oder Rituale zu bestimmten Aktionen veranlassen („Ich muss immer zuerst denken, wie ich etwas mache, bevor ich es ausführe“).
In der Wahrnehmung manifestiert sich die Entfremdung der Leiblichkeit in einer Störung des Erkennens vertrauter Gestalten und Muster, verbunden mit einer Fragmentierung des Wahrgenommenen und einer Überfülle von Details (Matussek 1952, 1953). Die Auflösung von Gestaltzusammenhängen resultiert in einem Verlust vertrauter Bedeutsamkeiten und führt so zu einer grundlegenden Fragwürdigkeit der wahrgenommenen Welt. Wird diese Entfremdung des Wahrnehmens von den Patienten nicht mehr als eigene Störung erkannt, so mündet sie in die paranoide Externalisierung, d. h. die Veränderung der wahrgenommenen Welt wird verborgenen Mächten wahnhaft zugeschrieben.
Störung des „sensus communis“
Wenn in der Schizophrenie die leibliche Einbettung in die Welt verloren geht, muss sich dies auch in einer grundlegenden Entfremdung der zwischenleiblichen Sphäre manifestieren, die auf den intuitiven und praktischen Fähigkeiten des Umgangs mit anderen beruht, also auf einem „sozialen Sinn“ oder „sensus communis“. Statt am Fluss der alltäglichen Interaktionen teilzunehmen, bleiben die Patienten in einer isolierten Beobachterposition und haben Schwierigkeiten, die Bedeutungen und Sinnbezüge der gemeinsamen Lebenswelt zu erfassen. Blankenburg (1971) hat diese subtile Entfremdung als „Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit“ beschrieben, die sich in den kleinen Verrichtungen des Alltags bemerkbar macht, darüber hinaus aber die gesamte Lebensorientierung ergreift. Diese Konzeption lässt sich zu einer „Psychopathologie des common sense“ weiterentwickeln, die den autistischen Rückzug vieler Patienten auf eine grundlegende Störung der intersubjektiven Konstitution der Lebenswelt zurückführt (Blankenburg 1969; Mundt 1985; Stanghellini 2004).
Transitivismus als Verlust der Selbstbehauptung
Aus der primären Schwächung des leiblichen Selbsterlebens resultieren schließlich Störungen der Ich- Demarkation (Scharfetter 1986), d. h. der Abgrenzung von Selbst und Anderen, die Bleuler (1916) als Transitivismus bezeichnete: Die Patienten vermögen fremden Blicken nicht mehr standzuhalten und haben das Erleben, dass andere mit ihrem Bewusstsein in sie eindringen oder ihre Gedanken unmittelbar wahrnehmen könnten. Dies lässt sich als eine Störung der „exzentrischen Position“ verstehen (Fuchs 2012): Der Kranke ist zwar in der Lage, die Perspektive anderer einzunehmen, ja er tut dies sogar in exzessiver Weise, insofern er sich von allen Seiten beobachtet, von geheimen Signalen „gemeint“ wähnt. Doch gerade dieses „Bewusstsein des Bewusstseins anderer“ wird für ihn zu einer Gefährdung des eigenen Selbst, das in der Perspektivenübernahme unterzugehen droht.
Jede Begegnung und Interaktion mit anderen beruht auf der Fähigkeit, zwischen der eigenen, leiblich zentrierten Perspektive und der virtuell eingenommenen Perspektive der anderen zu wechseln und zugleich zu unterscheiden, also auch sich selbst gegenüber den anderen zu behaupten. Mit der Störung des basalen Selbsterlebens jedoch verliert der schizophrene Patient die Verankerung im eigenen leiblichen Zentrum und gerät in eine entkörperte, imaginäre Perspektive, die von den anderen her auf ihn selbst gerichtet ist. Gerade weil er sein leibliches Zentrum verliert, wird er zum vermeintlichen Zentrum aller fremden Blicke und Intentionen. Damit ist es gerade die „Exzentrizität“, also die besondere Fähigkeit des Menschen, die Perspektive der anderen einzunehmen, die ihn vulnerabel macht für den Verlust seines personalen Selbst in der Schizophrenie.
Wahn und Intersubjektivität
Auch der Wahn lässt sich vor diesem Hintergrund als Verlust der exzentrischen Position auffassen (Fuchs 2015b). Wahnkranke vermögen durchaus die (vermeintliche) Perspektive anderer einzunehmen; was ihnen fehlt, ist daher nicht eine „Theory of Mind“, wie häufig von kognitionspsychologischer Seite angenommen wird (McCabe 2004), sondern vielmehr die unabhängige oder „dritte“ Position, von der aus sie ihr Erleben der Eigenbeziehung (d. h. von anderen beobachtet, bedroht, verfolgt zu werden) relativieren könnten. Der Verlust dieser Position resultiert in einer Störung der Konstitution einer gemeinsamen Welt, die durch die eigenweltlich-imaginativen Sinnbildungen des Wahns ersetzt wird (Müller-Suur 1980; Schmidt-Degenhart 1992, 1995).
Die Störung der Intersubjektivität wird besonders deutlich, wenn sich der Patient mit Zweifeln oder Einwänden seitens anderer konfrontiert sieht. In den meisten Fällen wird er nicht adäquat auf sie antworten, sondern entweder eine gemeinsame Situationsdefinition als selbstverständlich voraussetzen oder jedenfalls nicht den Versuch machen, seine Überzeugung mit einer allgemeinen Sicht in Einklang zu bringen (Glatzel 1981, S. 167 ff.). Er wird auch den Zufall als mögliche Erklärung der Eigenbeziehungen prinzipiell ausschließen (Berner 1978). Damit erweist sich der Wahn nicht nur als eine Störung der intersubjektiven Konstitution einer gemeinsamen Welt; das Unvermögen des Wahnkranken zum Perspektivenabgleich mit anderen stellt auch das entscheidende Kriterium für seine klinische Diagnose dar und wird zum Ausgangspunkt für psychotherapeutische Ansätze (Fuchs 2015c; Mundt 1996).
Fazit
Aktuelle phänomenologische Konzeptionen begreifen die Schizophrenie als eine fundamentale Störung der Person in ihrer Fähigkeit, sich durch das Medium des Leibes auf die Welt zu richten und mit anderen in Beziehung zu treten („disembodiment“). Statt als transparentes Medium des In-der-Welt-Seins zu fungieren, verzerrt die leibliche Organisation zunehmend die wahrgenommene Realität und mündet in den Verlust der exzentrischen Position im Wahn.
Die produktive Symptomatik der akuten Psychose erscheint vor diesem Hintergrund nur als Dekompensation einer schon prämorbiden Schwäche der Selbstkonstitution (Sass und Parnas 2003; Fuchs 2015a). Diese Konzeption erlaubt es, die vielfältigen und heterogen anmutenden Symptome der Schizophrenie unter einem integrierenden Blickwinkel zu betrachten. Sie kann aber auch als Grundlage etwa für gesprächs-, körper-, achtsamkeitsbasierte und kreative Therapieansätze dienen, die die Patienten darin unterstützen, ihre Verankerung in der eigenen Leiblichkeit wieder zu erlangen (Röhricht und Priebe 2006; Fuchs und Röhricht 2015; Nischk et al. 2015).

Phänomenologie und Neurowissenschaften

Ein anthropologischer Ansatz zum Verständnis psychischer Krankheiten wäre unvollständig ohne die Einbeziehung ihrer biologischen, insbesondere neurobiologischen Grundlagen. Denn jeder Psychiater, der sowohl psychotherapeutische als auch pharmakologische Behandlungen durchführt, wechselt beständig zwischen zwei grundlegend verschiedenen Sichtweisen – einmal sieht er den Patienten als eine Person mit Wünschen, Ängsten, Motiven oder Konflikten, dann wieder betrachtet er seinen Zustand als Manifestation einer Hirnfunktionsstörung, die sich naturwissenschaftlich beschreiben und durch entsprechende Interventionen beeinflussen lässt. Wie diese unterschiedlichen Perspektiven theoretisch und praktisch integriert werden können, ist jedoch eine nach wie vor ungeklärte Frage.
Das in den letzten Jahrzehnten häufig vertretene „biopsychosoziale Modell“ (Engel 1977) stellte eine Art Kompromisslösung dar, die allerdings oft zu einem bloßen Eklektizismus ursächlicher Faktoren führte. Gegenwärtig dominieren auch in der Psychiatrie eher reduktionistische Konzeptionen einer direkten Verursachung psychischer Phänomene durch Gehirnprozesse, entsprechend dem Diktum Wilhelm Griesingers (1861), psychische Krankheiten seien Gehirnkrankheiten. Dem subjektiven Erleben oder intersubjektiven Prozessen käme dann allenfalls eine epiphänomenale oder sekundäre Rolle zu. Abgesehen von der nach wie vor ungelösten Problematik des Gehirn-Geist-Problems sind solche reduktionistischen Modelle allerdings mit der vielfältigen, polyperspektivischen Praxis der Psychiatrie kaum vereinbar. Zudem gerät eine primär neurobiologische Erklärung psychischer Störungen in den methodischen Zirkel, dass sie die Störung zunächst psychopathologisch identifizieren muss, da sich an Gehirnzuständen für sich genommen gar nicht erkennen lässt, was als gesund und was als krankhaft anzusehen ist.
Mangels eindeutiger biologischer Kennzeichen gelingt die Identifizierung psychischer Störungen nach wie vor nur auf der Ebene intersubjektiver Verständigung.
Gehirn als Beziehungsorgan
Dies legt die Konsequenz nahe, anstelle reduktionistischer Auffassungen die neuronalen Prozesse vielmehr als notwendige, jedoch für sich nicht hinreichende Komponenten in einem komplexen, das Gehirn überschreitenden Geschehen anzusehen. Nach neueren Konzeptionen des „extended mind“ (Clark 1997; Noë 2010) sind Bewusstsein, Geist, Handlung oder Sprache keine Erzeugnisse von Gehirnen, sondern relationale Prozesse, in denen Gehirn, Organismus und Umwelt durch fortlaufende Interaktionen miteinander verknüpft sind. Das Gehirn ist demnach in erster Linie als ein Organ der Vermittlung, der Transformation und der Modulation dieser Interaktionsprozesse anzusehen, kurz als ein „Beziehungsorgan“ (Fuchs 2008).
Ökologie der Psyche
Aus dieser Konzeption folgt aber, dass sich auch psychische Krankheiten nicht auf lokale neurobiologische Dysfunktionen reduzieren lassen. Sie erscheinen vielmehr als Störungen eines einheitlichen, wenn auch in unterschiedliche psychophysische Funktionen differenzierten Lebensprozesses, der das Gehirn und den Organismus in seiner Beziehung zur Umwelt übergreift und insofern auch die psychosozialen Beziehungen der Person umfasst. Gerade eine richtig verstandene biologische Psychiatrie bedürfte insofern eines genuinen Begriffs des Biologischen, nämlich des an den Organismus und seine Interaktion mit der Umwelt gebundenen Lebensprozesses. In den neueren Konzeptionen einer verkörperten und handlungsbezogenen Kognitionswissenschaft („embodied and enactive cognitive science“; Varela et al. 1991; Gallagher 2005; Thompson 2007; Fuchs 2008) könnte auch die Psychiatrie ein erweitertes Paradigma finden, das Gehirn, Organismus und Umwelt in ihrer dynamischen Einheit zu erfassen vermag.
Interaktionskreise
Eine entsprechende, systemisch-ökologische Sichtweise psychischer Krankheiten geht davon aus, dass das Gehirn von Geburt an in Interaktionen von Person und Umwelt eingebettet ist und als Vermittlungs- und Transformationsorgan für biologische, psychische und soziale Prozesse fungiert, die in sensomotorischen ebenso wie kommunikativen Interaktionskreisen miteinander verbunden sind (Fuchs 2008, 2010b). Psychische Krankheiten lassen sich dann als spezifische Störungen dieser Interaktionen begreifen, und zwar sowohl innerorganismisch (vertikal) als auch im Verhältnis von Organismus und Umwelt (horizontal):
  • Vertikale Regelkreisstörung: In psychischen Krankheiten misslingt die zentrale Integration von Teilfunktionen, z.B. von auftauchenden Impulsen, Imaginationen oder überschießenden Reaktionen. Sie verselbstständigen sich und entgleiten der Verfügung der Person, etwa in Form von neurotischen Symptomen wie Zwängen oder Angstanfällen, Störungen der Impulskontrolle, aber auch Ich-Störungen, Halluzinationen und anderen Entfremdungsphänomenen. Gerade als verselbstständigte oder entfremdete Symptombildungen betreffen sie aber immer die Person in ihrem Selbsterleben und Selbstverhältnis. Sie führen daher zu verschiedenen Versuchen der Abwehr oder Bewältigung, aber auch zu sekundären Reaktionen und Symptomen (z. B. „Angst vor der Angst“, negative Antizipationen, Selbstvorwürfe, sozialer Rückzug, usw.), die im Sinne von Teufelskreisen die Erkrankung weiter verstärken.
    Das subjektive Erleben stellt also nicht nur eine Begleiterscheinung eines eigentlich wirksamen „organischen“ Prozesses dar, wie dies häufig angenommen wird; es ist vielmehr eine zentrale Komponente der Erkrankung selbst.
    Freilich sind auch die subjektiven Erlebens- und Verhaltensweisen an entsprechende neuronale Prozesse gebunden – anders könnten sie auch innerorganismisch gar nicht wirksam werden. Dennoch sind die Selbstwahrnehmung und die Stellungnahme zum eigenen Zustand genuin personale Phänomene, die auch die Übertragbarkeit von Tiermodellen immer auf umgrenzte Teilkomponenten der Erkrankung einschränken. Nicht zuletzt ist übrigens die Möglichkeit des Suizids – die nur dem Menschen gegeben ist – ein Beleg dafür, dass das Selbstverhältnis den Krankheitserlauf entscheidend, in diesem Fall allerdings fatal bestimmen kann.
  • Horizontale Regelkreisstörung: Lassen sich psychische Krankheiten also nicht von der Person ablösen und allein dem Gehirnsubstrat zuweisen, so können sie ebenso wenig als rein individuelle Störung, also ohne ihren interpersonalen Aspekt betrachtet werden. Sie sind immer mit Beeinträchtigungen der sozialen Interaktionen verbunden, in denen sich negative Rückkoppelungen und Teufelskreise entwickeln, die die Symptomatik aufrechterhalten oder weiter verschärfen (ungünstige Paarinteraktionen, Verlust des Arbeitsplatzes u. a.). Man kann psychische Störungen insofern auch als Kommunikationsstörungen im weitesten Sinne beschreiben: Krankheitssymptome rufen diese Störungen hervor, werden aber ihrerseits durch die Kommunikationseinschränkung aufrechterhalten, begünstigt oder sogar erzeugt. Diese Interaktionen mit der sozialen Umwelt sind aber nicht primär (neuro-)biologischer Natur, sondern wiederum an das subjektive Erleben und Sich-Verhalten des Patienten gebunden.
Zirkuläre Prozesse
Zusammengefasst liegt allen psychischen Störungen immer ein komplexes Gefüge zirkulärer Prozesse sowohl auf vertikaler, organismisch-individueller Ebene als auch auf horizontaler, interpersoneller Ebene zugrunde. Das Gehirn fungiert in diesen internen und externen Kreisprozessen jeweils als Organ der Transformation oder Vermittlung, somit als Träger der biologischen Komponenten der Pathogenese. Es wird aber in seiner Struktur seinerseits durch die psychosozialen Interaktionen fortlaufend mitgeprägt und verändert. Auf diese Weise übt auch das subjektive Erleben und Sich-Verhalten einen modifizierenden und strukturierenden Einfluss auf das neuronale Substrat aus – ein Aspekt, der nicht zuletzt für die psychotherapeutische Behandlung bedeutsam ist.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass eine reduktionistische Beschreibung und Erklärung psychischer Störungen aus rein biologischen Bedingungen ihrer tatsächlichen Komplexität nicht entspricht. Psychische Erkrankungen sind mehr als Gehirnkrankheiten; sie sind Krankheiten der Person in ihrer Beziehungen zu anderen Personen (Fuchs 2010b). Das Gehirn ist mit seinen Funktionen zentral an ihnen beteiligt, doch eine neurobiologische Sichtweise ist nicht hinreichend, um alle Dimensionen der Erkrankung zu beschreiben oder zu erklären.
Fazit
Keine psychische Erkrankung kann unter Absehung vom Erleben und den interpersonalen Beziehungen des Patienten diagnostiziert, beschrieben oder hinreichend erklärt werden. Eine systematische, die Subjektivität und Intersubjektivität psychischen Krankseins gleichermaßen erfassende Psychopathologie bleibt daher unabdingbare Grundlagenwissenschaft der Psychiatrie.

Resümee und Ausblick

Der Überblick über die phänomenologisch-anthropologischen Ansätze in der Psychiatrie hat gezeigt, welche Spannbreite diese Ansätze umfassen: Sie untersuchen die anthropologischen Voraussetzungen psychischer Krankheit ebenso wie die Strukturen des Bewusstseins, insbesondere Leiblichkeit, Zeitlichkeit, Intentionalität und Intersubjektivität, um so zu Erkenntnissen über die Grundformen menschlichen Erlebens in Gesundheit und Krankheit zu gelangen. Über die Subjekt-/Objekt-Trennung hinausgehend, gilt ihre Aufmerksamkeit dabei dem unauflöslichen Zusammenhang von Subjektivität und Welterfahrung. Für die Erforschung dieser Erfahrungsschichten stellt die Phänomenologie ein reichhaltiges Instrumentarium zur Verfügung, das von der phänomenologischen Deskription über die Erfassung von Typologien bis zur transzendentalen Phänomenologie und zum hermeneutischen Verstehen reicht.
Die phänomenologisch-anthropologische Psychiatrie versteht sich dabei nicht als eine unbeteiligte Beobachtung von außen. Ihre Analysen der Intersubjektivität schließen auch die Beziehung zwischen Patient und Behandler ein, und ihre besondere Aufmerksamkeit gilt der Phänomenologie des diagnostischen und therapeutischen Prozesses selbst: etwa den Phänomenen der Intuition, der Zwischenleiblichkeit, des empathischen Verstehens und der existenziellen Begegnung (v. Baeyer 1955; Fuchs 2010c; Fuchs und Koch 2014; Stanghellini und Rosfort 2013). Damit trägt sie auch zur anthropologischen Grundlegung der Psychotherapie bei (Lang 2004; Fuchs 2007; Dammann 2014).
Die Phänomenologie liefert dabei keinen eigenen Therapieansatz, sondern lässt vielmehr im Sinne einer „phänomenologischen Pragmatik“ die therapeutische Praxis als solche zu Wort kommen und in einem neuen Licht erscheinen. Dabei weist sie eine besondere Affinität zu erlebnisorientierten, künstlerischen und leiborientierten Therapieansätzen auf, die in der Phänomenologie eine geeignete Beschreibungssprache finden (Schmitz 1989; Koch et al. 2007). Schließlich kann die Phänomenologie der Intersubjektivität und der Lebenswelt auch sozialpsychiatrischen Ansätzen eine konzeptuelle Grundlage bieten, die das subjektive Erleben und Sich-Verhalten der Patienten, Angehörigen und Behandler ins Zentrum rückt (Huppertz 2000; Thoma 2012). Anthropologische, sozialphänomenologische und sozialpolitische Fragestellungen können sich dabei wechselseitig ergänzen und bereichern. Damit zeichnen sich zugleich Perspektiven künftiger phänomenologisch-anthropologischer Forschung ab, für die nicht zuletzt die Orientierung an der Alltäglichkeit und Lebenswelt psychisch Kranker zunehmende Bedeutung erhalten dürfte.
Danksagung
Für wertvolle Anregungen danke ich Lukas Iwer, Heidelberg.
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