Das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG, 2009) änderte die Bundespflegesatzverordnung (BPflV). Es schreibt mit einem neuen § 17d Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) die Entwicklung und Einführung eines neuen Entgeltsystems von Tagespauschalen vor. Diese Pauschalen sind nach aufwands(kosten-)homogenen Gruppen differenziert. Das neue pauschalierende Entgeltsystem ist ab dem Jahr 2013 optional und budgetneutral und – gemäß der 2014 geänderten Rechtslage – ab 2017 verpflichtend anzuwenden.
Zu den Motiven des Gesetzgebers und seiner Berater gehörte, die bisherigen, krankenhausindividuell ausgehandelten und in ihrer Höhe und Variabilität im Wesentlichen nur historisch begründbaren Tagespflegesätze (welche Abschlagszahlungen auf das auf Basis des Personalbedarfs gemäß Psychiatrie-Personalverordnung
(PsychPV) ausgehandelte Abteilungsbudget darstellen) durch zumindest tendenziell leistungsgerechte Entgelte abzulösen, diesbezüglich vergleichbar dem 2003 eingeführten System diagnosebezogener Fallgruppen (DRG)
somatischer Einrichtungen. Damit sollen
-
der mutmaßlich auch ökonomisch begründeten Variabilität von Krankenhaushäufigkeit und -belegungstagen entgegengewirkt,
-
die Transparenz erhöht und
-
Dabei sollen aber ausdrücklich psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen von Fallpauschalen wie im DRG-System grundsätzlich ausgenommen bleiben, um ökonomisch motivierte Verkürzungen der Verweildauer zum Schaden der Kranken abzuwenden.
Ausdrücklich soll es den psychisch Kranken mit dem neuen System erleichtert werden, mit Mitteln des Krankenhauses in ihrem Lebensfeld – also „sektorübergreifend“ auch als Home-Treatment, statt vollstationär – behandelt zu werden. Das entspricht Beschlüssen auch der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) und der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Bundesländer. Um dies zu unterstützen, wurden mit § 64b SGB V (Psych-Entgeltgesetz 2012) besondere Möglichkeiten von Modellprojekten geschaffen.
PEPP-System
Die Struktur des PEPP folgt einerseits einer institutionellen (nach Fachgebieten) und medizinisch-klassifikatorischen (Diagnosen bzw. Diagnosegruppen) Logik („Basis-PEPP“), andererseits ergibt sie sich aus der Logik der Kostenkalkulation nach Kriterien der Kosten-Homogenität. Die Kostenkalkulation basiert auf den fallbezogenen Ist-Kosten jeweils zwei Jahre zuvor (für PEPP 2015 also das Datenjahr 2013), die freiwillig mitwirkende „Kalkulationskrankenhäuser“ dem InEK – nach Regeln des Kalkulationshandbuchs aufbereitet – zur Verfügung stellen. Für das PEPP-System 2015 hatten 118 (von möglichen 405) Einrichtungen die Datenlieferung vereinbart, nach Bereinigungen gemäß Datenqualität umfasste die Datengrundlage 177.348 vollstationäre und 28.189 teilstationäre Fälle (entsprechend etwa 20 % aller jährlichen Fälle) aus 85 Einrichtungen.
In der Kostenkalkulation bewirken die OPS-Codes PEPP-Differenzierungen, wenn mit ihnen bedeutsame Kostenunterschiede verbunden sind. Dies gilt beispielhaft für „Intensivcodes“, 1 : 1-Betreuung und ärztliche oder psychologische Therapie mit mehr als 6 Einheiten/Woche an mehr als 50 % der Pflegetage. Da die Kosten je Behandlungstag mit der Verweildauer sinken, sahen PEPP-Systeme der Vorjahre eine Degression der Bewertungsrelationen mit der Verweildauer („Vergütungsstufen“) vor. Dies wurde als Anreiz für das Vorenthalten der Verweildauer und damit als ethisch unvertretbar interpretiert.
Deshalb haben sich die Selbstverwaltungspartner für PEPP-2015 auf eine einheitliche Vergütung je Tag, die in Abhängigkeit von der Anzahl der Berechnungstage sinkt, verständigt (es resultieren bis zu 23 „Vergütungsklassen“ eines PEPP). Erstmals 2015 gibt es „ergänzende Tagesentgelte“ (ET
) als eine Art Zusatzentgelt für Intensivbehandlung (mit mehr als zwei Merkmalen) bzw. für 1 : 1-Betreuung über mehr als 6 h bei Erwachsenen sowie ET für intensive Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen. Der Entgeltkatalog 2015 enthält insgesamt 77 pauschalierte Entgelte
(52 vollstationäre, 20 teilstationäre und 5 Fehler-PEPP). Neben den ET steht ein Katalog von 87 Zusatzentgelte
n zur Verfügung, der im Wesentlichen dem entsprechenden Katalog im DRG-System entspricht, zuzüglich u. a. der
Elektrokonvulsionstherapie (unbewertet, weil Datenbasis unzureichend).
Legt man die sog. Bezugsgröße für 2015 zugrunde (230,32 € als fiktiver durchschnittlicher Tagespflegesatz), so reichen die gemäß Bewertungsrelation je Tag erzielbaren Tagespflegesätze von 188,77 € bis 485,31 €. Einen realistischeren Eindruck vermitteln die Abweichungen der Bewertungsrelationen in der Strukturkategorie „Psychiatrie, vollstationär“, in der sich bei Weitem die Mehrzahl der Patienten finden wird: Hier liegen die Bewertungsrelationen der PEPP nur im Mittel um 10 % (nicht gewichtet für die Fallzahlen in einem PEPP) über dem definitorischen Wert 1, was also etwa 23 €/Tag entsprechen würde. Das 10-Fache wäre mit nur einem zusätzlichen Behandlungstag zu erzielen.
Es stellt sich also die Frage, inwieweit Beträge in dieser Größenordnung den Aufwand des Codierens rechtfertigen, letztlich also finanziell zumindest ausgleichen können. Am 10.07.2015 hat der Bundesrat das vom Bundestag beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Dieses adressiert zwar nicht spezifisch die Krankenhäuser, bekräftigt aber in einer Reihe anderer Maßnahmen des Gesetzgebers den politischen Willen, Bürokratieaufwände nicht weiter ausufern zu lassen.
Zweifel an der Rechtsfertigung der Dokumentationsaufwände weckt schon der Begriff „Regelbehandlung“. Indem OPS-Codes nur dann eingeführt werden und Bestand haben sollen, wenn sie kostentrennend wirken, ist eine Codierung der „Regelpatienten“, also der Patienten ohne Merkmale, die besondere Aufwände bedingen, überflüssig, indem sie automatisch einem PEPP als Restekategorie zugeordnet werden könnten. Logische Rechtfertigung findet dieser „Verstoß“ nur dadurch, dass den Primärcodes und damit auch der „Regelbehandlung“ Codes für die Zahl der Therapieeinheiten (TE) zugeordnet sind (allerdings gibt es auch Codes für Fälle ausdrücklich ohne TE). Das Konzept der TE wurde von der DGPM eingebracht. Indem die TE schlicht kontingentierte Arbeit (Personalbindungszeiten) darstellen, haben sie mit der im Gesetz geforderten Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun (im DRG-System wird z. B. eine Operation nicht in Zeitkontingenten abgebildet). Vielmehr dienen die TE dem Gegenteil, nämlich der Selbstkostenerstattung.
Abgesehen davon, dass TE bisher – also immerhin im dritten PEPP-Jahr – kaum Einfluss auf das PEPP-System haben, zwingt perspektivisch die ökonomische Vernunft die Einrichtungen, jenseits von medizinischer Notwendigkeit in einen Wettlauf um die Zahl der erzielten TE einzutreten, was nur zu einer Entwertung als Kostentrenner und damit Nivellierung der (ohnehin kaum unterschiedlichen) Bewertungsrelationen und damit Entgelte führen kann. Außerdem steht das Zählen von TE in logischem Widerspruch zur berechtigten Forderung nach Standards der Personalausstattung (analog PsychPV), die – nur als Empfehlungen – bis 2017 zu etablieren dem Gemeinsamen Bundesausschuss mit § 137 Abs. 1c aufgegeben ist. Was wäre, wenn die Summe der TE mit den Standards in welcher Richtung auch immer inkompatibel wäre? Eine Soll-Personalausstattung ist durch eine Sockelfinanzierung – also über alle Patienten – zu finanzieren.
Wären die TE entgeltrelevant, so würden sie bei der Rechnungsprüfung von den Kostenträgern hinterfragt. Also muss jede TE rechtssicher dokumentiert sein. Hier reicht nicht eine formale Dokumentation (z. B. eine TE von nur 24 min gilt als nicht erbracht), sondern auch die medizinische Notwendigkeit muss sich belegen lassen (andernfalls Fehlbelegung). Welche Bürokratiekosten damit wohl verbunden wären bzw. sein werden?