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Psychopharmakotherapie – pharmakologische Grundlagen

Verfasst von: Walter E. Müller und Anne Eckert
Das Verständnis der pharmakologischen Grundlagen der Psychopharmakotherapie ermöglicht es zum einen, neue Forschungsansätze auf dem Gebiet der psychiatrischen Pharmakotherapie nachzuvollziehen. Zum anderen erleichtern diese Kenntnisse für den klinisch tätigen Arzt eine adäquate und rationale Auswahl der von ihm verwendeten Pharmaka unter Einbeziehung der pharmakologischen und pharmakokinetischen Eigenschaften. Durch die Kenntnis des Wirkmechanismus und des Abbauweges des gewählten Pharmakons können darüber hinaus unerwünschte Arzneimittelwirkungen vorausgesehen und nach Möglichkeit vermieden werden.

Klassifikationen und Terminologie

Wie in vielen anderen Bereichen der Psychiatrie gibt es auch bei der Einteilung der Psychopharmaka kein einheitliches, allgemein anerkanntes Unterteilungsprinzip. Die Klassifikation der Psychopharmaka ist von Lehrbuch zu Lehrbuch unterschiedlich. Tendenziell setzt sich aber in den letzten Jahren mehr und mehr eine auf der klinischen Anwendung beruhende Klassifikation der Psychopharmakagruppen durch (Tab. 1). Diese hat den großen Vorteil eines direkten Bezugs zur klinischen Praxis, hat aber den Nachteil, dass eine Reihe von Substanzen nicht eindeutig zugeordnet werden können bzw. dass sie verschiedenen Psychopharmakagruppen zugeordnet werden müssen.
Tab. 1
Klassifikation von Psychopharmaka und anderen zentral wirksamen Substanzen
Wirkstoffgruppen
Präparate (Beispiele)
Synonyme
Psychopharmakagruppen
Haloperidol
Olanzapin
Tranquillanzien
Diazepam
Lorazepam
Minor Tranquilizer
Ataraktika
Amitriptylin
Mirtazepin
Citalopram
Thymoleptika
Tranylcypromin
Thymeretika (speziell für MAO-Hemmer)
Psychostimulanzien
Amphetamin
Methylphenidat
Psychoanaleptika
Psychotonika
Ginkgo-Extrakt EGb761
Donepezil
Cognition Enhancers
Psychotrope Nichtpsychopharmakagruppen
Halluzinogene
Psychodysleptika
Andere zentral angreifende Pharmakagruppen
Schlafmittel
Morphin
Opioide (Opiate)
Antikonvulsiva
Anti-Parkinson-Substanzen
L-Dopa
Biperiden
Acamprosat
Naltrexon
Nalmefen
Antidipsotropika
Neuroleptika und Tranquillanzien
Sedierende bzw. affektiv dämpfende Wirkungen haben sowohl die Neuroleptika wie auch die Tranquillanzien. Beide Substanzgruppen werden daher in der Behandlung von Angst und Spannungszuständen überschneidend verabreicht. Allerdings werden bei diesem für sie heute an Bedeutung verlierenden Einsatz die Neuroleptika sehr niedrig dosiert. Dieser in gewissem Sinn ähnlichen Wirkung trägt die alte Unterteilung in „Major“- und „Minor-Tranquilizer“ Rechnung. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Substanzgruppen ist aber die nur bei den Neuroleptika in hoher Dosierung vorhandene antipsychotische Wirksamkeit. Aus diesem Grund werden diese Substanzen im neueren Sprachgebrauch auch als Antipsychotika bezeichnet, ein Begriff, der ihrer klinischen Anwendung näher kommt als die Bezeichnung Neuroleptika, die sich eigentlich eher auf die Nebenwirkungen dieser Substanzklasse beziehen. Trotzdem hat sich im deutschen und europäischen Sprachgebrauch der Begriff Neuroleptika erhalten. Er ist allerdings im vorliegenden Artikel durch den Begriff Antipsychotika ersetzt.
Antidepressiva und Psychostimulanzien
Affektiv aufhellende Wirkungen haben sowohl Antidepressiva wie auch Psychostimulanzien, wobei Antidepressiva diesen Effekt weniger beim affektiv Gesunden als beim depressiven Patienten zeigen, Psychostimulanzien dagegen ihre stimmungsaufhellende Wirkung unabhängig von pathologischen Veränderungen der Affektivität zeigen können. Heute eher weniger verwendete Synonyma für Antidepressiva sind die Begriffe Thymoleptika bzw. Thymeretika, wobei letzter Begriff primär Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmstoffe meint. Bei den Stimulanzien hat sich neben dem Einsatz von Amphetamin bei Narkolepsien und in Ausnahmefällen bei ADHS v. a. das Methylphenidat als wirksames Therapeutikum bei ADHS etabliert, wobei neuere Erkenntnisse zum Wirkungsmechanismus die klinische Erfahrung eines sehr viel geringeren Abhängigkeitsrisikos im Vergleich zu Amphetamin erklären können (Fone und Nutt 2005).
Antidementiva
Eine weitere indikationsbezogene Psychopharmakagruppe, die heute zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind die Antidementiva (früher Nootropika), im angelsächsischen Sprachgebrauch auch gerne als „cognition enhancer“ bezeichnet. Diese Substanzen werden in der Behandlung von Hirnleistungsstörungen besonders im Alter eingesetzt. Hier steht heute die Behandlung der Demenz im Vordergrund, sodass sich der Begriff Antidementiva mehr und mehr durchsetzt. Neben einigen älteren Substanzen wie Piracetam stehen hier heute hauptsächlich Azetylcholinesterasehemmstoffe, Memantin und der Ginkgo-Spezialextrakt EGb761 zur Verfügung.
Halluzinogene
Losgelöst von diesen 5 Psychopharmakagruppen müsste man die Gruppe der Halluzinogene bzw. Psychodysleptika betrachten. Diese Substanzen werden derzeit nicht als Psychopharmaka eingesetzt. Sie bewirken im Gegensatz zu den Psychostimulanzien weniger eine unspezifische zentrale Stimulation, sondern können eher spezifisch psychoseartige Symptome auslösen. Die Übergänge sind aber fließend, und viele Psychostimulanzien haben in Abhängigkeit von der Dosis und der Anwendung deutliche halluzinogene Wirkungen.
Neben diesen Substanzgruppen mit relativ spezifischen Effekten auf bestimmte psychische Funktionen müssten noch verschiedene andere Arzneimittelgruppen erwähnt werden, die auch alle zentral wirksam sind, deren primäre Indikationen aber nicht auf Veränderungen psychischer Funktionen abzielen. Auch hier sind die Übergänge fließend,
Obwohl die vorliegende Klassifikation (Tab. 1) sich in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt und im Prinzip bewährt hat, hat sie auch ihre Grenzen. Die indikationsspezifische Einordnung vernachlässigt das oft sehr breite therapeutische Wirkungsspektrum der einzelnen Substanzen (z. B. den Einsatz von Neuroleptika als Antipsychotika oder als Tranquillanzien oder sogar als Schlafmittel). Dies führt dazu, dass viele Psychopharmaka in mehr als eine dieser Substanzklassen eingeordnet werden können bzw. eingeordnet werden müssten. Ein wichtiges Beispiel ist hier die aktuelle Differenzialtherapie der Angsterkrankungen. Hier werden heute Substanzen aus praktisch allen Psychopharmakaklassen eingesetzt, wobei Antidepressiva sogar die Hauptrolle spielen.

Praktische Pharmakokinetik

Die Entscheidung zum Einsatz eines bestimmten Medikaments wird zunächst von seinen pharmakodynamischen Eigenschaften bestimmt, d. h. der qualitative Aspekt der erwünschten Wirkung steht initial im Vordergrund. Quantitative Fragen schließen sich an, denn die Substanz sollte in genau richtiger Konzentration an den Wirkort, im Falle der Psychopharmaka das zentrale Nervensystem (ZNS), gebracht werden. Ist die Konzentration am Wirkort zu hoch, können unerwünschte Arzneimittelwirkungen dominieren, ist die Konzentration zu niedrig, wird die therapeutische Wirkung nicht ausreichend sein.
Gute Kenntnisse der pharmakokinetischen Kerndaten einer eingesetzten Substanz sind die Voraussetzung dafür, dass der richtige Medikamenteneffekt in richtiger Intensität zur richtigen Zeit in ausreichender Wirkdauer mit einem Minimum an unerwünschten Wirkungen erreicht wird.
Im vorliegenden Kapitel ist keine allgemeine Einführung in die Grundlagen der Pharmakokinetik intendiert. Es soll nur versucht werden, praxisrelevante pharmakokinetische Basisdaten als Voraussetzung einer rationalen Therapie mit Psychopharmaka aufzuzeigen.

Resorption, Verteilung und Elimination

Die Pharmakokinetik beschreibt den Zeitverlauf der Wirkstoffkonzentration im Organismus. Wünschenswert wäre die Kenntnis der Wirkstoffkonzentration am Wirkort (ZNS). Dies ist beim Menschen nicht möglich; die Wirkstoffkonzentration kann nur im Blut ermittelt werden. Trotz dieser Limitierung sind pharmakokinetische Informationen wichtig und können für eine Therapie mit Psychopharmaka dienlich sein.
Ein typischer Blutspiegelverlauf nach oraler Applikation ist in Abb. 1 gezeigt. Nach Einnahme nimmt der Blutspiegel der Substanz mit der Zeit langsam zu, erreicht bei ausreichender Dosis den minimalen therapeutischen Bereich (Invasionsphase), liegt dann für eine bestimmte Zeit im therapeutisch benötigten Plasmakonzentrationsbereich und wird danach durch Eliminationsprozesse langsam abgebaut (Evasionsphase). Die Evasionsphase ist somit für die Dauer, in der sich das Medikament in einem therapeutisch erwünschten Plasmakonzentrationsbereich befindet, von essenzieller Bedeutung.

Evasionsphase

Bei vielen Substanzen kann sich die Evasionsphase aus verschiedenen Prozessen zusammensetzen (Abb. 2). Wie hier am Beispiel einer intravenösen Applikation gezeigt, kann in der halblogarithmischen Darstellung der Abbau der Plasmakonzentration in 2 lineare Prozesse zerlegt werden, eine α-Phase mit kurzer und eine β-Phase mit längerer Zeitkonstante.
α-Phase
Die α-Phase, die im gewählten Beispiel sehr deutlich ausgeprägt ist, wird meist von Umverteilungsphänomenen bestimmt. Der Wirkstoff erscheint zunächst in sehr hoher Konzentration im Blut und wird dann in Abhängigkeit von der Durchblutung in die einzelnen Organe verteilt. Dies bedeutet, dass in der initialen Phase der sehr hohen Plasmakonzentration der Wirkstoff v. a. in den Organen, die sehr stark durchblutet werden, angereichert wird. Dies gilt besonders für das ZNS.
Da in diesen Organen die Substanzkonzentration mit abfallendem Plasmaspiegel wieder abnimmt, verhält sich hier der Konzentrationsverlauf ähnlich wie der Plasmaverlauf. Dieses Phänomen nutzt man z. B. bei der i. v.-Narkose aus (Barbiturate oder Benzodiazepine), wo die Determinierung der Bewusstseinseintrübung ausschließlich von Rückverteilungsphänomenen (aus dem Gehirn in periphere Gewebe) bestimmt wird und nicht etwa von einer terminalen Eliminationsgeschwindigkeit (β-Phase), die z. B. bei Diazepam mehrere Tage betragen kann. Neben der Narkose spielen aber solche Umverteilungsphänomene bei sehr vielen Psychopharmaka eine Rolle. Sie äußern sich immer dann, wenn nach akuter (parenteraler aber auch oraler) Applikation initial sehr ausgeprägte, zentrale erwünschte oder auch unerwünschte Wirkungen gesehen werden, die sehr viel schneller sistieren, als man es von der pharmakokinetischen Eliminationsgeschwindigkeit her erwarten würde.
β-Phase
Die eigentliche terminale Eliminationsphase (β-Phase, Abb. 2) wird nur bei wenigen Psychopharmaka durch eine direkte renale Elimination bestimmt (z. B. Lithium).
Bei den meisten Substanzen ist eine Metabolisierung in der Leber (s. unten) der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Evasion (Abb. 3; Tab. 2).
Tab. 2
Unterteilung der hepatischen Eliminationsprozesse und ihre Veränderung im Alter. (Nach Müller 1997b)
Phase-I-Reaktionena
(oft im Alter relevant verlangsamt)
Phase-II-Reaktionena
(meist im Alter nicht relevant verändert)
Hydroxylierung
Glukuronidierung
N-Desalkylierung
Sulfatierung
Nitro-Reduktion
Azetylierung
Sulfoxidierung
Hydrolyse
aPhase-I-Reaktionen beinhalten direkte chemische Veränderungen am Wirkstoffmolekül und erfordern andere metabolisierende Enzyme als die Phase-II-Reaktionen, bei denen gut wasserlösliche Moleküle an aktive Gruppen des Wirkstoffmoleküls angekoppelt werden

Verteilung

Nach Erscheinen in der Blutbahn verteilt sich der Wirkstoff über den Organismus. Während in der Initialphase die Durchblutung der einzelnen Gewebe eine wichtige determinierende Größe ist (s. oben), bestimmen im Weiteren die Größe des jeweiligen Gewebekompartiments und die Fettlöslichkeit des Arzneimittels (Lipophilie) die Verteilung. Dies ist schematisch in Abb. 4 gezeigt. Hat der Wirkstoff eine ausreichende Affinität zu Gewebestrukturen (das gilt für die meisten gut fettlöslichen Arzneistoffe), wird er sich nicht nur gleichmäßig in alle Kompartimente verteilen, sondern sich auch in Gewebestrukturen anreichern. Hierbei spielen quantitativ gesehen die Plasmaproteine nur eine geringe Rolle. Aus dem Verteilungsschema wird ersichtlich, dass der Wirkstoff zum größten Teil in dem großen Kompartiment der Gewebeproteine gebunden sein wird.
Während dieses Verteilungsprozesses steht die freie Konzentration im Plasma mit den freien Konzentrationen des Wirkstoffs in anderen Kompartimenten im Gleichgewicht. In Kompartimenten, in denen anreichernde Proteine fehlen (z. B. Liquor), kann die Gesamtkonzentration der freien Konzentration in anderen Geweben entsprechen. Wichtig an dem Verteilungsschema (Abb. 4) ist die Tatsache, dass bezogen auf den Gesamtorganismus das Plasma nur ein sehr kleines Kompartiment darstellt. Besitzt der Wirkstoff zudem eine hohe Affinität zu Gewebekomponenten, erklärt das Verteilungsschema sehr deutlich, warum für Wirkstoffe mit hoher Gewebebindung nur der geringste Teil der verabreichten Dosis im Plasma als Plasmaspiegel nachweisbar ist.
Solche Stoffe haben als pharmakokinetische Kenngröße ein sehr großes Verteilungsvolumen (Tab. 3). Je größer das Verteilungsvolumen, desto kleiner ist der Anteil der applizierten Dosis, der sich im Plasma befindet. Die Tab. 3 zeigt, dass sehr viele Psychopharmaka extrem große Verteilungsvolumina haben, d. h. bei diesen Substanzen liegt nur ein Bruchteil der verabreichten Dosis im Plasma in freier oder gebundener Form vor.
Tab. 3
Verteilungsvolumina (VD) und terminale Eliminationshalbwertszeiten (β-Phase; t1/2) wichtiger Psychopharmaka am Menschen
Wirkstoff
VD (l/kg)
t1/2 (h)
Amisulprid
5
12
Amitriptylin
14
16
1,4
15
Citalopram
14
33
Clonazepam
3
23
Desipramin
34
18
Diazepam
1,1
43
Doxepin
20
17
Haloperidol
18
18
Imipramin
23
18
0,8
22
Lorazepam
1,3
14
Nortriptylin
18
31
Olanzapin
15
7
Oxazepam
1,0
8
0,6
6–24
10
4
Sertralin
25
30
Reboxetin
32
12
Risperidon
1
4
Temazepam
1,1
8
Triazolam
1,1
2,3
Venlafaxin
6
4
a VD errechnet sich aus der Formel VD D/CO, wobei D die i. v. gegebene Dosis ist und C die fiktive Ausgangskonzentration im Plasma (unter der Annahme einer vollständigen Verteilung der Dosis ohne schon stattfindende Elimination). Eine Substanz, die sich nur im Blutwasserraum verteilen würde, hätte in diesem System ein Verteilungsvolumen von 0,06. Das Verteilungsvolumen von Phenytoin (0,6) entspricht ungefähr dem Körperwasserraum. Verteilungsvolumina >1 sind nur möglich, wenn sich die Substanz in bestimmten Organen in wesentlich höherer Konzentration befindet als im Plasma
Die Blut-Hirn-Schranke, eine wichtige Verteilungsbarriere, soll das Gehirn vor exogenen Substanzen schützen. Viele Medikamente erreichen das Gehirn in niedrigeren Konzentrationen, als man es aufgrund ihrer Lipophilie erwarten würde. Grund ist die Blut-Hirn-Schranke, die neben der dicken Gliazellumhüllung der Blutgefäße hauptsächlich aus dem in den Gefäßwänden sitzenden p-Glykoprotein (einem „multiresistant transporter“) besteht, das die Substanzen kurz nach ihrem Eindringen in die Wand der Hirngefäße gleich wieder in das Gefäßlumen zurückpumpt. Dieses als Schutz gedachtes System ist natürlich für betroffene Wirkstoffe nachteilig, da in einem solchen Fall eine ausreichende Hirnkonzentration nur bei relativ hohen Plasmakonzentrationen erreicht wird (Lin und Yamazaki 2003).

Elimination

Sind die Umverteilungsprozesse abgeschlossen, wird die Abnahme des Plasmaspiegels ausschließlich von den Eliminationsprozessen getragen. Aus der linearen Komponente der β-Phase lässt sich die terminale Eliminationshalbwertszeit (t1/2) errechnen. Sie gibt an, in welcher Zeit sich eine vorhandene Plasmakonzentration in der β-Phase (Eliminationsphase) um die Hälfte reduziert. Die terminale Eliminationshalbwertszeit ist unabhängig von der tatsächlich vorliegenden Plasmakonzentration. Sie ist die wichtigste pharmakokinetische Kenngröße eines bestimmten Arzneimittelstoffes (Tab. 3) beim Menschen. Sie gibt Auskunft darüber, wie schnell der Wirkstoff aus dem Organismus eliminiert wird. Sie kann natürlich von Individuum zu Individuum schwanken und sich v. a. bei pathologischen Veränderungen der Eliminationsorgane deutlich verlängern. Zusammen mit der Dosis ist sie die wesentliche Determinante für die Höhe des zu erreichenden Arzneistoffspiegels bei einer Dauermedikation (Abschn. 2.3).
Die pharmakokinetische Eliminationshalbwertszeit darf jedoch nicht mit einer biologischen Halbwertszeit oder einer Halbwertszeit der therapeutischen Wirkung verwechselt werden. Diese pharmakodynamischen Größen können, müssen aber nicht mit der pharmakokinetischen Eliminationshalbwertszeit übereinstimmen.
Die Eliminationshalbwertzeit ist über die Clearance mit dem Verteilungsvolumen verbunden.
Demnach nimmt die Plasmakonzentration eines Pharmakons umso rascher ab, je größer die Clearance, d. h. die Eliminationsfähigkeit, ist. Die Plasmakonzentration nimmt langsam ab, wenn das Volumen, aus dem das Pharmakon entfernt werden muss, groß ist.
Die Clearance ist ein Maß für die Fähigkeit des Organismus, ein Pharmakon zu eliminieren.
First-pass-Metabolismus
Ein Sonderfall der Elimination ist die sog. präsystemische hepatische Elimination oder auch „First-pass-Metabolismus“ bezeichnet. Hierunter versteht man das Phänomen, dass der venöse Abfluss des Magen-Darm-Trakts zunächst über die Pfortader in die Leber gelangt (Abb. 5). Haben die Mukosa des Dünndarms oder die Leber nun eine besonders hohe Kapazität, einen bestimmten Wirkstoff zu metabolisieren, so wird schon bei der ersten Passage ein Großteil des aus dem Magen-Darm-Trakt resorbierten Wirkstoffs metabolisiert und damit eliminiert.
Dies bedeutet, dass nur ein kleiner Teil der oral applizierten Dosis systemisch zur Verfügung steht. Ein ausgeprägter First-pass-Metabolismus ist der wichtigste Grund für eine geringe orale Bioverfügbarkeit. Er erklärt, dass eine Substanz trotz 100 %iger Resorptionsquote nur eine orale Bioverfügbarkeit von wenigen Prozent aufweisen kann. Viele Psychopharmaka, besonders Antidepressiva und Antipsychotika, weisen einen ausgeprägten First-pass-Metabolismus und eine schlechte orale Bioverfügbarkeit auf.
Natürlich kann eine niedrige Bioverfügbarkeit durch eine entsprechend höhere orale Dosis ausgeglichen werden. Da aber die Bioverfügbarkeit direkt von interindividuellen oder auch alters- bzw. krankheitsbedingten Schwankungen der hepatischen Elimination beeinflusst wird, ist die interindividuelle Varianz der Plasmaspiegel bei Substanzen mit schlechter Bioverfügbarkeit besonders ausgeprägt.
Die Pfortader wird umgangen bei der Resorption aus der Mundhöhle oder aus dem Rektum (Abb. 5). Da aber die Resorption bei diesen Applikationsformen aus anderen Gründen unsicher ist, sind bukkale bzw. rektale Arzneiformen für die meisten Psychopharmaka keine Alternative.

Hepatischer Metabolismus

Da lipophile Substanzen wie die meisten Psychopharmaka nach der glomulären Filtration in den Nierentubuli weitgehend wieder rückresorbiert werden, können sie nur langsam, wenn überhaupt, renal ausgeschieden werden. Um die Elimination fettlöslicher Stoffe zu beschleunigen, verwendet der Körper Enzymsysteme, die diese Stoffe in hydrophilere und somit leichter renal ausscheidbare Substanzen umwandeln. Die Metabolisierung von Fremdsubstanzen erfolgt v. a. in der Leber und nur in untergeordnetem Maße in anderen Organen (z. B. Darm, Niere, Lunge). Die an der Biotransformation beteiligten Enzyme sind weitgehend substratunspezifisch. Man unterscheidet
  • die strukturgebundenen Enzyme, die hauptsächlich in der Membran des endoplasmatischen Retikulums (z. B. Monooxygenasen, Glukuronyltransferasen) vorkommen, und
  • die strukturungebundenen Enzyme, die als lösliche Enzyme im Zytosol vorliegen (z. B. Esterasen, Amidasen; Tab. 2).

Phase-I- und Phase-II-Reaktionen

Als Phase-I-Reaktionen werden Biotransformationsmechanismen bezeichnet, die eine oxidative, reduktive und hydrolytische Veränderung der Pharmakonmoleküle bewirken. Dagegen erfolgt bei Phase-II-Reaktionen eine Konjugation eines Arzneistoffmoleküls bzw. eines aus Phase I entstandenen Metaboliten an körpereigene Substanzen (z. B. aktivierte Glukuronsäure, Glyzin, S-Adenosylmethionin). Somit schafft in vielen Fällen die Biotransformation in Phase I oft erst die Voraussetzung für die Konjugation in Phase II und für die nachfolgende Elimination des Pharmakons (Abb. 3).

Zytochrom P450

In der Phase I sind v. a. Oxidationsreaktionen besonders wichtig. Die weitaus größte Bedeutung für die oxidative Biotransformation von Pharmaka kommt den mikrosomalen Monooxygenasen zu, welche die Hämproteine Zytochrom-P450 enthalten. Die Grundfunktion der Monooxygenasen vom P450-Typ besteht in der Einführung von molekularem Sauerstoff in das Zielmolekül. Dadurch wird die Wasserlöslichkeit erhöht. Dies bewirkt eine verbesserte renale Ausscheidung und somit eine Verkürzung der Halbwertszeit und häufig, aber nicht zwangsläufig, eine Abnahme der pharmakologischen Wirkung aufgrund der Bildung von Metaboliten mit geringerer Aktivität.
Beim Zytochrom P450 handelt es sich nicht um ein einzelnes Enzym, sondern um eine durch eine Supergenfamilie kodierte Gruppe von Enzymen (CYP-Enzyme; Tab. 4). Um eine sichere Zuordnung dieser Enzyme zu ermöglichen, wurde eine Nomenklatur entwickelt, die die Enzyme auf der Basis von Homologien der Aminosäuresequenzen in Familien und Subfamilien unterteilt (Tab. 4).
Tab. 4
Klassifizierung der humanen CYP-Enzyme. (Mod. nach Preskorn und Magnus 1994)
CYP
1
2
3
4
7
11
17
19
21
27
1A1
1A2
2A6
2A7
2B6
2C8
2C9/10
2C18
2C19
2D6
2E1
2F1
3A3/4
3A5
3A7
4A9
4B1
4F2
4F3
 
11A1
11B1
11B2
  
21A2
 
Klassifizierungsschlüssel: erste arabische Zahl = Familie; Buchstabe = Subfamilie; zweite arabische Zahl = individuelles Gen innerhalb der Subfamilie
Die CYP-Isoenzyme können in 2 Klassen eingeteilt werden: mitochondriale und mikrosomale Enzyme. Die CYP-Enzyme der inneren Mitochondrienmembran sind bei der Steroidsynthese von Bedeutung (Familien 7, 11, 17, 19, 21, 27), während die Enzyme in den mikrosomalen Membranen (Familien 1, 2, 3, 4) Xenobiotika wie z. B. die Arzneistoffe metabolisieren. In der letzten Gruppe zählen CYP1A2, CYP2C9/10, CYP2C19, CYP2D6 und CYP3A3/4 zu den wichtigsten Isoenzymen (Nebert et al. 1991), die sich allerdings in ihrer Substratspezifität erheblich unterscheiden (Tab. 5).
Tab. 5
Die wichtigsten am Metabolismus von Arzneistoffen beteiligten Zytochrom-P450-Isoenzyme und ihre Substrate sowie potente Inhibitoren bzw. Induktoren. (Mod. nach Eckert et al. 1998; s. auch Preskorn 1996; Riesenman 1995 und Lane 1996)
Isoenzym
CYP1A2
CYP2C9/10
CYP2C19
CYP2D6
CYP3A3/4
(Enzymgehalt in der Leber)
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13 %
CYP2C 18 %
1,5 %
29 %
Substrat
SSRI
SSRI
SSRI
SSRI
Fluvoxamin?
 
Citalopram
Fluoxetin (erst in höherer Konzentration)
Paroxetin
Fluoxetin
Norfluoxetin
Sertralin?
N-Desmethylcitalopram
Sertralin
Norfluoxetin und Fluoxetin (beide erst in höheren Konzentrationen)
TZA
Nichtsteroidale Antirheumatika
TZA
TZA
β-Blocker
TZA
Kalziumblocker
Amitriptylina
Imipramina
Clomipramina
Piroxicam
Naproxen
Clomipramina
Imipramina
Desimpraminb
Notriptylinb
Amitriptylinb
Imipraminb
Clomipraminb
Propranolol
Timolol
Metoprolol
Imipramina
Amitriptylina
Clomipramina
Terfenadin
Astemizol
Diltiazem
Verapamil
Nifedipin
Antikonvulsiva
MAOH: Moclobemid
Antiarrhythmika-
Andere Antidepressiva
Haloperidol
Olanzapin
Flecainid
Nefazodon
Desmethyl-Venlafaxin
Antiarrhythmika
Verschiedene
Andere
Antidepressiva
Propafenon
S-Warfarin
Tolbutamid
Makrolidantibiotika
β-Blocker
Diazepam
Venlafaxin
Mianserin
Maprotilin
m-CPP-Metabolit von Nefazodon
Erythromycin
Propranolol
Opiate
Benzodiazepine
Kodein
Dextramethorphan
Alprazolam
Midazolam
Triazolam
Diazepam
Antipsychotika
Verschiedene
Hexobarbital
Clozapin
Risperidon
Sertindol
Haloperidol
Perazin
Perphenazin
Steroide
R-Warfarin
Tacrin
Dexamethason
β-Blocker
 
Propranolol
Antipsychotika
Clozapin
Haloperidol
Remoxiprid
Risperidon
Chlorpromazin
Fluphenazin
Quetiapin
Perphenazin
Trifluperidol
Statine
S-Mephenytoin
Lovastatin
Paracetamol
Potenter Inhibitor
Fluvoxamin
Cimetidin
 
Fluvoxamin
Fluoxetin
Norfluoxetin
Paroxetin
Chinidin
Ketoconazol
Itraconazol
Erythromycin
Nefazodon
Cimetidin
Grapefruitsaft
Potenter Induktor
Omeprazol
    
Carbamazepin
Phenobarbital
 
Phenobarbital
Phenobarbital
Phenobarbital
  
Dexamethason
Johanniskrautextrakt
 
Phenytoin
    
Phenytoin
  
Rifampicin
Rifampicin
Rifampicin
  
Rifampicin
  
Tabakrauch
       
aN-Demethylierung; bHydroxylierung; ? Metabolismus noch nicht vollständig geklärt; m-CPP: meta-Chlorophenylpiperazin
Arzneimittelinteraktionen
Die Zuordnung der Substrate zu den Enzymen hat erhebliche Konsequenzen für das Interaktionspotenzial des Arzneistoffes: Wenn 2 Arzneistoffe über dasselbe Enzym verstoffwechselt werden, besteht die Möglichkeit einer metabolischen Interaktion. Insbesondere die Kombination eines Substrates mit einem Enzyminhibitor bzw. -induktor führt zu erheblichen Veränderungen der Plasmaspiegelkonzentation des Substrates: Im Falle des Inhibitors erhöht sich der Substratplasmaspiegel infolge eines verringerten Metabolismus; im Falle des Induktors wird das Substrat schneller abgebaut und die Substratplasmaspiegel können unter den therapeutischen Bereich absinken. Es sollte ferner nicht außer Acht gelassen werden, dass auch Nahrungsmittel solche Interaktionen bewirken können, so ist z. B. Grapefruitsaft ein Inhibitor des CYP3A/4. Viele andere Nahrungsmittelinteraktionen sind allerdings bisher nur sehr wenig untersucht. Tab. 5 zeigt die wichtigsten am Stoffwechsel von Arzneimitteln beteiligten CYP-Enzyme und ihre Substrate.
Erbfaktoren als Ursache variabler Aktivität von CYP-Enzymen
Etwa 8–10 % unserer Bevölkerung besitzt nur eine geringe bis keine Aktivität von CYP2D6. Hier liegt ein genetischer Polymorphismus vor. Dieser Defekt wird autosomal-rezessiv vererbt. Personen mit diesem Merkmal sind langsame Metabolisierer oder „poor metabolizer“ im Unterschied zu schnellen Metabolisierern oder „extensive metabolizer“. Nur zu einem geringeren Ausmaß (ca. 3 %) spielt der CYP2C19-Polymorphismus eine Rolle in unserer Bevölkerung. Bei orientalischen Völkern kommt dem CYP2C19-Defekt jedoch eine sehr viel größere Bedeutung zu (ca. 20 %).
Von der schwarzen Bevölkerung sind nur ungefähr 4 % von einem CYP2D6-Defekt betroffen. In der Bundesrepublik Deutschland sind es 8–10 %, somit sind ungefähr 6 Mio. Menschen Träger eines CYP2D6-Defekts. Diese genetische Variante ist demnach bei uns v. a. für interindividuelle Variabilität verantwortlich. CYP1A2 ist ein wichtiges Enzym für den Abbau vieler Psychopharmaka (Tab. 5). Genetische Defektvarianten wurden bisher nicht gefunden.
Auch an der Blut-Hirn-Schranke bzw. am p-Glykoprotein kann es z. B. durch Substrathemmung zu deutlichen Arzneimittelinteraktionen kommen, mit erheblichem Einfluss auf die Hirnkonzentration der betroffenen Psychopharmaka. Verschiedene Antidepressiva sind hier besonders hervorzuheben (O’Brien et al. 2012). Ob hier genetische Polymorphismen des p-Glykoproteins einen relevanten Einfluss auf das therapeutische Ansprechen haben, erscheint einer neueren Metaanalyse nach eher unwahrscheinlich (Breitenstein et al. 2015).

Dosis, Dosierungsintervall und Eliminationshalbwertszeit

Einmalanwendung

Der in Abb. 1 gezeigte Plasmaspiegelverlauf einer Substanz nach oraler Applikation und die damit verbundene Wirkungsdauer gelten nur für den kleinen Teil der therapeutischen Anwendungen von Psychopharmaka, bei denen eine Einmalwirkung ausgenutzt werden soll. Wichtigstes Beispiel ist der Einsatz eines Medikaments als Schlafmittel. Die Bedeutung von Dosis und Eliminationshalbwertszeit bei einer solchen Einmalanwendung ist in Abb. 6 für verschiedene Benzodiazepinhypnotika gezeigt.
Im Fall der Substanz Temazepam wird kurz nach abendlicher Einnahme ein ausreichender substanzspezifischer Plasmaspiegel aufgebaut, der sich zunächst durch Umverteilungsphänomene, dann aber determiniert durch die β-Phase der Elimination (t1/2 = 8 h) langsam wieder abbaut. 24 h nach der Einnahme von Temazepam ist nur noch ein minimaler Plasmaspiegel vorhanden, sodass eine neue Einnahme in den folgenden Nächten nicht zu wesentlich anderen Plasmaspiegelverläufen führt.
Etwas anders sieht es beim Nitrazepam aus, wo bedingt durch die wesentlich längere Eliminationshalbwertszeit (t1/2 = 26 h) der Plasmaspiegel 24 h nach Einnahme der ersten Dosis nicht vollständig gesunken ist. Deshalb kommt es bei weiterer Einnahme in den folgenden Nächten zu einer deutlichen Kumulation, d. h. es bildet sich mit der Zeit ein zunehmender Nitrazepamplasmaspiegel tagsüber aus; nach etwa 5 Eliminationshalbwertszeiten (ca. 5 Tagen) wird ein Fließgleichgewicht (Steady State) erreicht.
Diese Kumulation ist bei der Substanz N-Desalkylflurazepam (einer der hypnotisch wirksamen Metaboliten des Flurazepams) infolge einer sehr langen Eliminationshalbwertszeit (t1/2 = 50 h) sehr stark ausgeprägt. Das Fließgleichgewicht wird hier erst nach ca. 10 Tagen erreicht.

Dauermedikation

Dosierungsintervall
Bei den meisten anderen Substanzen ist das Erreichen eines ausreichend stabilen Wirkstoffspiegels Ziel der Dauermedikation. Dabei sind Dosierungsintervall, Dosis und Eliminationshalbwertszeit zu beachten. Die Auswirkung unterschiedlicher Dosierungsintervalle ist in Abb. 7 dargestellt. Hierbei wird in beiden Fällen die gleiche Dosis gegeben; das Medikament hat eine t1/2 von 20 h. Im Fall der gestrichelten Kurve wird die Gesamtdosis auf einmal genommen, und im Fall der durchgezogenen Kurve wird die Gesamtdosis aufgeteilt in 3 gleiche Einzeldosen. Das Dosierungsintervall beträgt damit im ersten Fall 24 h, im zweiten Fall 8 h. Bei Mehrfachdosierung mit der gleichen Dosis wird das Fließgleichgewicht der Plasmakonzentration nach ungefähr 5 Eliminationshalbwertszeiten erreicht. Dies trifft im vorliegenden Fall für beide Dosierungsschemata zu, Maxima und Minima bleiben nach ca. 5 Tagen konstant. Der wesentliche Unterschied beider Applikationsarten sind aber die Schwankungen zwischen maximalen und minimalen Plasmaspiegeln innerhalb des Dosierungsintervalls. Die mittleren Plasmaspiegel im Fließgleichgewicht unterscheiden sich bei beiden Dosierungsschemata, bei denen ja die gleiche tägliche Dosis gegeben wurde, nicht.
Dosishöhe
Die Höhe des im Fließgleichgewicht zu erreichenden mittleren Plasmaspiegels wird direkt determiniert von der Dosis. In Abb. 8 wird ein Medikament bei gleichem Dosierungsintervall in einem Fall in der doppelten Dosierung (gestrichelte Linie) im anderen Fall in einfacher Dosierung (durchgezogene Linie) appliziert. Der Zeitverlauf bei Erreichen des Fließgleichgewichts ist identisch, aber wie zu erwarten, führte die doppelte Dosis zu einem doppelt so hohen Fließgleichgewicht.
Nimmt man eine reziproke Dosisänderung vor, erhöht man die niedrige Dosis bzw. erniedrigt die hohe Dosis, dauert es wiederum 5 Eliminationshalbwertszeiten, bis sich in beiden Fällen das neue Fließgleichgewicht eingestellt hat. Nach Absetzen der Dosis fällt in beiden Fällen der Plasmaspiegel mit der Eliminationshalbwertszeit der Substanz von 36 h ab.
Dieses Beispiel macht deutlich, dass über die Dosis einer bestimmten Substanz am individuellen Patienten eine Veränderung des Plasmaspiegels erreicht werden kann und dass nach jeder Dosisänderung wiederum 5 Eliminationshalbwertszeiten benötigt werden, bis sich ein neues Fließgleichgewicht eingestellt hat.
Eliminationshalbwertszeit
Im interindividuellen Vergleich wird für das gleiche Medikament die Höhe des im Fließgleichgewicht zu erreichenden Plasmaspiegels auch sehr stark von der individuellen Eliminationshalbwertszeit bestimmt. Dies wird in Abb. 9 dargestellt. Hier wurde die gleiche Dosis eines Medikaments einem jungen und einem alten Patienten verabreicht. Aufgrund einer Einschränkung der metabolischen Kapazität der Leber ist beim alten Patienten die Eliminationshalbwertszeit des Medikaments verdoppelt. Obwohl die gleiche Dosis gegeben wird, wird beim alten Patienten ungefähr der doppelte Plasmaspiegel im Fließgleichgewicht erreicht. Darüber hinaus benötigt der alte Patient ebenfalls 5 Eliminationshalbwertszeiten zur Erreichung des Fließgleichgewichts, was im vorliegenden Fall bedeutet, dass der maximale bei dieser Dosis zu erreichende Plasmaspiegel beim älteren Patienten erst nach 10 Tagen erreicht wird im Vergleich zu 5 Tagen beim jungen Patienten. Der möglicherweise zu hohe Plasmaspiegel beim alten Patienten kann problemlos durch Gabe einer geringeren Dosis reduziert werden (Abb. 8). Keinen Einfluss hat der Therapeut aber auf den Zeitverlauf bis zum Eintreten des Fließgleichgewichts, das sich bei jeder Dosisänderung neu einstellen muss.
Wichtig ist, dass im interindividuellen Vergleich die Höhe des Plasmaspiegels wesentlich von der Eliminationshalbwertszeit determiniert wird.

Depotarzneiformen

Es können mehr oder weniger gleichmäßige Plasmaspiegel über längere Zeit durch eine tägliche Dauermedikation aufrechterhalten werden. Ist die Compliance der Patienten schlecht, stellt sich oft die Frage nach einer Depotarzneiform, die einen gleichmäßigen Wirkstoffspiegel im Organismus über viele Tage mit einer einmaligen Applikation gewährleisten soll.
Dieses Problem stellt sich in der Psychiatrie v. a. bei der Rezidivprophylaxe schizophrener Psychosen mit Antipsychotika. Hier werden besondere galenische Darreichungsformen benötigt, wie in Abb. 10a veranschaulicht wird. Die Pharmakokinetik einer Depotarzneiform wie bei Aripiprazol-Depot setzt sich aus zwei sehr unterschiedlichen, aber letztlich zusammenspielenden Mechanismen zusammen. Die Abgabe ins Plasma wird von dem in der Regel intramuskulär injizierten Depot und seiner langsamen Lösung bestimmt.Die Abnahme des Wirkstoffs aus dem Blut hängt von den klassischen Eliminationsmechanismen ab, im Falle des Wirkstoffs Aripiprazol vom hepatischen Metabolismus, und folgt den gleichen Kriterien wie bei einer oralen Einnahme. Im Fließgleichgewicht nach mehrfacher Anwendung des Depots (Abb. 10a) spielen beide Mechanismen zusammen. Die über den Metabolismus täglich ausgeschiedene Menge wird durch die neu aus dem Depot gelöste Menge Wirkstoff ersetzt, sodass über viele Wochen ein relativ stabiler Plasmaspiegel erreicht wird (Abb. 10a).
Die Bedeutung der Phamakokinetik des Depots kommt an zwei Punkten der Zeitachse zum Tragen. In den ersten Wochen nach der initialen Injektion ist die Aripiprazol-Freigabe aus dem Depot noch nicht ausreichend, um allein den gewünschten Plasmaspiegel von etwa 100–200 ng/ml zu erreichen, sodass eine zusätzliche orale Einnahme von 10 mg Aripiprazol empfohlen wird (Abb. 10a). Nach Absetzen der Depotinjektionen wird der Plasmaspiegel zunächst nicht durch die klassische Eliminationshalbwertszeit beschrieben, sondern durch die Freigabe aus dem Depot (Müller 2014). Diese Halbwertszeit liegt bei etwa 47 Tagen (400-mg-Depot) beziehungsweise 40 Tagen (300-mg-Depot). Erst ganz am Ende, wenn kein Wirkstoff mehr aus dem Depot freigesetzt werden kann, folgt der Plasmaspiegelverlauf den gleichen pharmakokinetischen Kriterien wie nach oraler Einnahme.
Methylphenidat, das heute als Standardtherapie der ADHS gilt, hat eine kurze Halbwertszeit und muss daher meist 2- bis 3-mal täglich eingenommen werden. Für Kinder und Jugendliche bedeutet dies mindestens eine Einnahme während der Schulzeit, was mit einer erheblichen Stigmatisierung verbunden sein kann. Dies wird bei oralen Depotarzneiformen (Abb. 10b) umgangen, die eine kontinuierliche Freigabe vom Morgen bis in den Nachmittag gewährleisten.

Pharmakokinetische Interaktionen

Bei der Behandlung mit Arzneimitteln fallen immer wieder Patienten auf, die nach Gabe von Standarddosen ungewöhnlich in Hinblick auf erwünschte oder unerwünschte Wirkungen reagieren. Dieses Phänomen beruht teilweise auf den erheblichen interindividuellen Unterschieden des Arzneimittelstoffwechsels. Hierbei ist insbesondere das Zytochrom-P450-System involviert. Ursachen dieser Variabilität von Patient zu Patient können außer in genetischen Polymorphismen (z. B. CYP2D6: 8 % der Bevölkerung sind „poor metabolizers“) in der Induktion oder Hemmung der Zytochrom-P450-Enzymaktivitäten durch gleichzeitig verabreichte Arzneimittel oder Nahrungsbestandteile liegen. Es tritt häufig eine erwartete Response bei einer ungewöhnlichen Dosis auf. So kann z. B. bei einem Patienten die Wirkung bei einer Dosis ausbleiben, die normalerweise therapeutisch wirksam ist. Umgekehrt kann ein Patient eine dosisabhängige Nebenwirkung bei einer Dosis entwickeln, die sonst gut toleriert wird. Pharmakokinetische Interaktionen werden oft fälschlicherweise dem Patienten zugeschrieben – der als „resistent“ oder „sensibel“ eingestuft wird – und haben ein ähnliches Resultat wie eine Dosisveränderung.
Besonders relevant sind pharmakokinetische Interaktionen bei Arzneimitteln mit kleiner therapeutischer Breite.
Durch eine bestimmte Komedikation kann eine Plasmaspiegelerhöhung des Arzneimittels hervorgerufen werden, die mit einem starken Anstieg der Nebenwirkungen bis hin in den toxischen Bereich verbunden ist.
Kombination mit anderen Arzneimitteln
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten spielen in der Psychopharmakologie eine wichtige Rolle. Psychopharmaka werden häufig mit anderen psychotropen Arzneimitteln kombiniert, was zu Veränderungen der Pharmakokinetik der Substanzen führen kann. Hinzu kommt, dass bei psychiatrischen Patienten und hier speziell bei älteren Patienten häufig eine internistische Komorbidität vorliegt, die mit den entsprechenden Arzneimitteln behandelt wird.
Ebene der Interaktion
Interaktionen auf der Ebene der hepatischen Metabolisierung nehmen v. a. bei Psychopharmaka einen bedeutenden Stellenwert ein, während Interaktionen auf der Ebene der Verteilung (z. B. Plasmaproteinbindung) oder der Elimination (Lithium) nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Im Folgenden werden die pharmakokinetischen Interaktionen der hepatischen Metabolisierung am Beispiel der Antidepressiva ausführlicher dargestellt.

Hepatische Metabolisierung

Die Kenntnisse über Arzneimittelinteraktionen erweitern sich ständig und wurden durch die Einführung der neueren Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) intensiviert.
Antidepressiva der 1. Generation
Bei den schon lange zur Verfügung stehenden tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (TZA) stellten v. a. die pharmakodynamischen Interaktionen ein wichtiges Problem dar, da sie nicht nur Rezeptorsysteme im ZNS, sondern auch in der Peripherie beeinflussen können. Darüber hinaus sind additive Effekte mit ähnlich wirkenden Substanzen möglich (z. B. das Auftreten des zentralen Serotoninsyndroms oder des anticholinergen Delirs). Zudem sind mit diesen Substanzen auch pharmakokinetische Interaktionen, v. a. auf der Ebene der hepatischen Metabolisierung, häufig. Diese Interaktionsprobleme sind für alle Vertreter der strukturverwandten Gruppe der TZA ähnlich. Da die meisten dieser älteren Substanzen nur eine geringe therapeutische Breite haben, ist v. a. eine Wirkungsverstärkung des TZA gefürchtet.
Neuere Antidepressiva
Diese Situation hat sich durch die Einführung der Antidepressiva der 2. bzw. 3. Generation, den SSRI, wesentlich gebessert, da diese
  • eine größere therapeutische Breite,
  • ein erhöhtes Sicherheitsprofil gegenüber Überdosierungen mit Mortalitätsrisiko und in der Regel
  • kein kardiales Risiko
haben. Bei diesen Substanzen muss man mit weniger pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Interaktionen rechnen, sodass mit den SSRI ein echter therapeutischer Fortschritt vorliegt. Aber auch die SSRI sind als Gruppe nicht ganz frei von Interaktionsproblemen. Einige SSRI (Fluoxetin, Fluvoxamin und Paroxetin) wirken als potente Enzyminhibitoren des hepatischen Zytochrom-P450-Systems. Somit kann – im Gegensatz zu den TZA – eine kritische Wirkungsverstärkung des Kombinationsarzneimittels auftreten.
Inhibition von CYP-Isoenzymen
Tab. 5 zeigt, welche CYP-Isoenzyme von Fluoxetin, Fluvoxamin und Paroxetin inhibiert werden. Die aufgeführten Substrate, die über die entsprechenden Enzyme metabolisiert werden, stellen somit potenzielle Interaktionspartner dar. So ist z. B. die Kombination von Fluvoxamin und Theophyllin kritisch, da Fluvoxamin den Abbau von Theophyllin über CYP1A2 inhibiert. Theophyllin besitzt außerdem nur eine geringe therapeutische Breite. Die Komedikation kann somit zu einer Theophyllinplasmaspiegelerhöhung führen, die das klinische Erscheinungsbild einer Theophyllinüberdosierung, wie Tremor und eine ausgeprägte Tachykardie, zeigt.
Eine derartige Interaktion würde sich nach dem heutigen Wissensstand voraussagen lassen. Exaktes Wissen über die Mechanismen, die solche Interaktionen auslösen können, muss daher heute als Grundlage für den rationalen Umgang mit den SSRI gelten. Basierend auf den metabolischen Grundlagen sind einige kritische Interaktionspartner der SSRI und von Carbamazepin exemplarisch in Tab. 6 zusammengefasst.
Tab. 6
Kritische Interaktionspotenziale einzelner Psychopharmaka basierend auf pharmakokinetischen Interaktionen
Psychopharmaka
Pharmakokinetische Interaktionspartner
Art der Interaktion und klinische Relevanz
SSRI im Vergleich:
  
Citalopram
Keine Enzyminhibition, deshalb keine klinisch relevanten Interaktionen bekannt
Fluoxetin und Norfluoxetin
β-Blocker, trizyklische Antidepressiva, Mianserin, Venlafaxin, Maprotilin, Haloperidol, Clozapin, Propafenon, Opiate
CYP2D6-Enzyminhibition durch Fluoxetin und Norfluoxetin:
Klinisch relevante Erhöhung der Plasmaspiegel der Interaktionspartner, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Fluvoxamin
Trizyklische Antidepressiva, Clozapin, Propranolol, Theophyllin, Koffein, Tacrin
Trizyklische Antidepressiva, Moclobemid, Hexobarbital, Diazepam, Propranolol
CYP1A2- und CYP2C19-Enzyminhibition durch Fluvoxamin:
Klinisch relevante Erhöhung der Plasmaspiegel der Interaktionspartner, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Paroxetin
(Analog Fluoxetin)
β-Blocker, trizyklische Antidepressiva, Mianserin, Venlafaxin, Maprotilin, Haloperidol, Clozapin, Propafenon, Opiate
CYP2D6-Enzyminhibition durch Paroxetin:
Klinisch relevante Erhöhung der Plasmaspiegel der Interaktionspartner, dadurch vermehrte Nebenwirkungen
Sertralin
Keine Enzyminhibition, deshalb keine klinisch relevanten Interaktionen bekannt
Carbamazepin
Ketoconazol, Itraconazol;Makrolidantibiotika (z. B. Erythromycin)
CYP3A3/4-Enzyminhibition durch Komedikation:
Höhere Carbamazepinplasmaspiegel, dadurch vermehrte Carbamazepinnebenwirkungen bis hin zur Neurotoxizität
Klinische Einschätzung
Die klinische Einschätzung einer pharmakokinetischen Interaktion erfolgt dabei je nach Ausmaß des Plasmaspiegelanstiegs bzw. der Vergrößerung der „area under the curve“ (AUC) des gleichzeitig verabreichten Substrats von nicht klinisch relevant (<20) über leicht (20–50), mittelgradig (50–150) bis stark (>150; auch hier gilt: Cave Arzneimittel mit kleiner therapeutischer Breite!). Tab. 6 zeigt v. a. kritische Interaktionspotenziale mit mittelgradiger bis starker klinischer Relevanz.
Auch Carbamazepin ist ein Arzneimittel mit kleiner therapeutischer Breite. Kombinationen mit Substanzen wie Erythromycin, die das Abbauenzym CYP3A3/4 inhibieren, sollten somit auf jeden Fall vermieden werden.
Zwei Substrate des gleichen Enzyms
Bei den bisher beschriebenen Interaktionen handelte es sich hauptsächlich um eine Kombination eines potenten Inhibitors mit einem Substrat des gleichen CYP-Isoenzyms. Bei dieser Kombination sind die ausgeprägtesten Arzneimittelinteraktionen zu erwarten. Aber auch 2 Substrate können die Enzymaktivität ihres gemeinsamen Abbauenzyms in einem gewissen Maße beeinflussen. Zum Beispiel besitzen auch Neuroleptika eine inhibitorische Potenz auf bestimmte CYP-Isoenzyme, was den Plasmaspiegel von z. B. gleichzeitig verabreichten Antidepressiva ansteigen lässt. Meist kommt es allerdings hier nicht zu klinisch relevanten Interaktionen.
Beitrag zur Gesamtclearance
Für die Abschätzung einer möglichen Interaktion muss außerdem noch beachtet werden, in welchem Umfang ein Abbauweg zur gesamten Clearance des Arzneimittels beiträgt. Dies soll am Beispiel von Citalopram verdeutlicht werden (Abb. 3). Der initiale Metabolisierungsschritt ist die Demethylierung von Citalopram zu Desmethylcitalopram. In diesen Schritt scheinen die Isoenzyme CYP2C19 und/oder CYP3A3/4 involviert zu sein. Desmethylcitalopram wird im 2. Schritt zumindest teilweise über das Isoenzym CYP2D6 zu Didesmethylcitalopram demethyliert.
Das Verhältnis der Plasmakonzentration von Citalopram zu den Metaboliten Desmethylcitalopram soll 2–3:1 und von Citalopram zu Didesmethylcitalopram 10–15:1 bei erwachsenen Patienten und Probanden betragen. Demzufolge spielt der Metabolismus von Citalopram über das CYP2D6-Enzym nur eine untergeordnete Rolle in der Gesamtclearance. Ein CYP2D6-Inhibitor würde somit keine klinisch relevante Interaktion bewirken. Im Gegensatz dazu wird bei der Metabolisierung von Imipramin – neben einer direkten Hydroxylierung – durch Demethylierung der aktive Metabolit Desipramin gebildet. Ein CYP2D6-Inhibitor würde somit eine deutliche pharmakokinetische Interaktion erzeugen.
Enzyminduktion
Neben den bisher aufgeführten Interaktionen aufgrund einer CYP-Enzyminhibition kann umgekehrt auch eine Enzyminduktion stattfinden. Somit kann es zu einer stärkeren Metabolisierung und folglich zu konsekutiv erniedrigten Plasmaspiegelkonzentrationen kommen. Wichtige Induktoren sind Phenobarbital, Carbamazepin, Rifampicin, Nikotin, Alkohol, orale Kontrazeptiva und andere Östrogenpräparate. Diese Kombinationen führen demnach nicht zu einem kritischen Anstieg der Nebenwirkungen, sondern zu einer „Unterdosierung“ und demnach zu einer herabgesetzten Wirkung des Arzneimittels.

Pharmakokinetik im Alter

Im Alter können praktisch alle Einzelparameter der Pharmakokinetik von Psychopharmaka verändert sein (Müller 1997b). Von Praxisrelevanz sind für Psychopharmaka Veränderungen der Elimination im Sinne einer verlängerten Eliminationshalbwertszeit. Dies gilt für das einzige primär renal eliminierte Psychopharmakon (Lithium), aber ganz besonders für alle anderen Psychopharmaka, die hepatisch eliminiert werden. Betroffen sind v. a. Psychopharmaka, die in einer Phase-I-Reaktion metabolisch verändert werden müssen (Tab. 2). Weniger stark betroffen von altersabhängigen Veränderungen der Pharmakokinetik sind Psychopharmaka, die nur über eine Phase-II-Reaktion (z. B. Glukoronidierung) eliminiert werden. Wie differenziert das Alter die Elimination auch innerhalb einer Substanzklasse beeinflussen kann, ist am Beispiel einiger Benzodiazepine in Tab. 7 gezeigt.
Tab. 7
Einfluss des Alters auf die terminale Eliminationshalbwertszeit (t1/2) verschiedener Benzodiazepine. (Nach Klotz und Laux 1996)
Wirkstoff
Zunahme von t1/2(%)
Hypnotika
Brotizolam
±35–95
Flunitrazepam
±0
Flurazepam
±35–135
Lorazepam
±0
Lormetazepam
±0
Nitrazepam
±40
Temazepam
±0
Triazolam
±0
+65
+40
Tranquillanzien
Alprazolam
±40
Bromazepam
±75
Chlordiazepoxid
±80–370
Diazepam
±125–200
Lorazepam
±0
Oxazepam
±0
Pharmakokinetische Veränderungen im Alter
Die Herabsetzung der metabolischen Aktivität der Leber im Alter kann 2 wichtige pharmakokinetische Parameter beeinflussen. Zum einen wird, wie Abb. 9 zeigt, durch eine Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit bei beibehaltener Dosis der im Fließgleichgewicht zu erreichende Plasmaspiegel erhöht. Zum anderen wird durch eine Reduktion der hepatischen Metabolisierung der First-pass-Metabolismus verringert, was zu einer Verbesserung der Bioverfügbarkeit führt (Abb. 5). Beide Prozesse führen aber letztlich dazu, dass bei gleicher Dosierung die Plasmaspiegel bei älteren Patienten deutlich höher sein können als bei jungen Patienten. Dies impliziert immer die Gefahr einer relativen Überdosierung.
Durch Reduktion der Dosis beim älteren Patienten kann zwar die Höhe des Plasmaspiegels im Fließgleichgewicht angepasst werden, nicht aber das verlängerte Zeitintervall, bis das Fließgleichgewicht erreicht wird. Dosisveränderungen sollten somit beim älteren Patienten erst nach längeren Zeitintervallen vorgenommen werden als bei jüngeren Patienten.
Pharmakodynamische Empfindlichkeit
Darüber hinaus kann sich die Therapie mit Psychopharmaka bei älteren Patienten dadurch komplizieren, dass selbst bei Substanzen, deren Pharmakokinetik im Alter nicht verändert ist (z. B. einige Benzodiazepinderivate, Tab. 7), aufgrund einer Erhöhung der pharmakodynamischen Empfindlichkeit älterer Patienten eine Dosisreduktion angebracht ist. Allerdings benötigt nicht jeder ältere Patient eine geringere Dosis als jüngere Patienten, sodass im Einzelfall auch bei älteren Patienten der zur Verfügung stehende Dosisbereich ausgeschöpft werden muss. Die Eingangs- oder Initialdosis sollte aber stets niedriger sein als bei jüngeren Patienten.

Dosis, Plasmaspiegel und Wirkung

Nur für sehr wenige der in Psychiatrie und Neurologie eingesetzten Medikamente können Patienten auf einen optimalen Plasmaspiegelbereich eingestellt werden. Neben einigen Antiepileptika gilt das v. a. für das Lithium. Pharmakokinetisch gesehen ist allen diesen Substanzen gemeinsam, dass sie ein relativ kleines Verteilungsvolumen haben (Tab. 3). Das bedeutet, dass ein relativ großer Prozentsatz der im Körper vorhandenen Dosis sich im Plasma nachweisen lässt. Nur dann gibt das Kompartiment Plasma einen relativ guten Einblick in den Gesamtkonzentrationsverlauf im Organismus. Dies gilt für die meisten in der Regel sehr lipophilen Psychopharmaka nicht.
Diese ungünstigen pharmakokinetischen Voraussetzungen erklären letztlich, warum für viele Psychopharmaka die individuelle Dosis nicht anhand eines Plasmaspiegels sondern anhand der therapeutischen Situation festgelegt werden muss. Andererseits können aber trotzdem bei einer ganzen Reihe von Substanzen Plasmaspiegelbestimmungen (therapeutisches Drug-Monitoring) sehr hilfreich sein und sollten deshalb zumindest im stationären Bereich zur Verfügung stehen (Kap. Therapeutisches Drugmonitoring in der Psychiatrie). Viele Untersuchungen gerade bei Antipsychotika und Antidepressiva haben gezeigt, dass durch konsequent angewandte Plasmaspiegelbestimmungen sehr leicht diejenigen Patienten herausgefunden werden können, die sich an den Randbereichen bewegen. So sind viele unter normalen klinischen Dosierungen als Nonresponder einzuordnende Patienten deshalb Nonresponder, weil sie ungenügende Plasmaspiegel zeigen. Die Ursache hierfür kann auf metabolischer Ebene liegen, aber auch durch eine Noncompliance bedingt sein. Durch konsequent durchgeführte Plasmaspiegelbestimmungen können gerade bei einer Antidepressivatherapie Patienten sowohl vor Intoxikationen als auch vor anderen belastenden Nebenwirkungen geschützt werden.

Zentrale Neurotransmission als Angriffspunkt der Psychopharmaka

Aufgrund der zentralen Rolle der chemischen Neurotransmission für die Kommunikation innerhalb des Netzwerkes von Nervenzellen in unserem Gehirn (Kap. Störungen der Neurobiochemie und Signaltransduktion als Grundlage psychischer Erkrankungen) ist es nicht weiter verwunderlich, dass fast alle Psychopharmaka über einen Angriff in die chemische Neurotransmission wirken (Abb. 11). Hierbei können praktisch alle prä- und postsynaptischen Mechanismen zentraler Synapsen beeinflusst werden. Eine wichtige Ausnahme sind die meisten Phasenprophylaktika oder Mood Stabilizer, die meist direkt die Erregbarkeit von Nervenzellen reduzieren, häufig über Veränderungen von Ionenleitfähigkeitsmechanismen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass diese Substanzen häufig primär als Antikonvulsiva eingesetzt werden, nicht weiter verwunderlich.

Akute pharmakologische Beeinflussung durch Psychopharmaka

Transmittersynthese
Veränderungen der Biosynthese von Neurotransmittern (Kap. Störungen der Neurobiochemie und Signaltransduktion als Grundlage psychischer Erkrankungen) spielen für Psychopharmaka fast keine Rolle. Das klassische Beispiel für einen solchen Mechanismus ist die Verstärkung der relativen dopaminergen Unteraktivität im nigrostriatalen dopaminergen System durch die Gabe der Dopamin(DA)-Vorstufe L-Dopa und deren erfolgreicher Einsatz in der Behandlung des idiopathischen Parkinson. Man hat versucht, weitere rationale Pharmakotherapien zentralnervöser Erkrankungen, bei denen als Ursache ein relativer Mangel eines bestimmten Neurotransmitters vermutet wird, zu entwickeln. Beispiele hierfür wären die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung mit Azetylcholinvorstufen wie Cholin und Lezithin oder die Depressionsbehandlung mit L-Tryptophan bzw. 5-Hydroxytryptophan.
Im Gegensatz zu den guten therapeutischen Erfolgen der L-Dopa-Behandlung des M. Parkinson haben die anderen Behandlungsstrategien keine oder nur minimale klinische Erfolge gezeigt. Ebenso wenig erfolgreich waren Behandlungsversuche der Depression mit der NA-Vorstufe L-Tyrosin.
Transmitterfreisetzung
Während die durch Exozytose vermittelte Freisetzung des Transmitters in die Synapse als Angriffspunkt von Psychopharmaka keine Rolle spielt, ist eine Beeinflussung regulativer Faktoren der Transmitterfreisetzung als Wirkungsmechanismus von Psychopharmaka durchaus relevant. Zum Beispiel kann die Menge des synaptisch freigesetzten Noradrenalins durch inhibitorische Autorezeptoren (vom α2-Typ) im Sinne einer negativen Rückkopplung reguliert werden. Autorezeptoren können entweder die Menge des freigesetzten Transmitters beeinflussen oder können auch seine Syntheserate regulieren. Eine Blockade inhibitorischer α2-Rezeptoren und einer damit verbundenen initialen Erhöhung der NA-Konzentration an zentralen Synapsen spielt für die Wirkung des Antidepressivums Mirtazapin eine große Rolle (Abschn. 4; Abb. 13). Darüber hinaus ist eine Blockade dopaminerger inhibitorischer Autorezeptoren (vom Typ D2) im Gesamtwirkungsspektrum von Antipsychotika, v. a. bei ihrem Einsatz in niedriger Dosierung als Tranquilizer, von Bedeutung (Abschn. 5; Abb. 15).
Inaktivierung
Um eine repetitive Aktivierung postsynaptischer Rezeptoren zu ermöglichen, muss der in die Synapse freigesetzte Transmitter sehr schnell wieder aus der Synapse entfernt werden. Neben enzymatischem Abbau sind hier v. a. die Wiederaufnahme ins präsynaptische Neuron bzw. die Aufnahme in die Synapse umgebende Gliazellen von Bedeutung. Der Wiederaufnahme-Carrier befördert den Transmitter mit hoher Affinität. Er erlaubt ein „Recycling“ des Transmitters. Den Nachbarzellen fehlen solche hochaffinen Carrier meist, und in ihnen folgt der Aufnahme stets der Abbau. Für Dopamin, Noradrenalin, Serotonin, Glutamat, GABA und Glycin gibt es jeweils verschiedene spezifische Wiederaufnahme-Carrier im präsynaptischen Axolemm. Sie sind nicht verwandt mit den vesikulären Carriern. Der Wiederaufnahmetransporter für Noradrenalin wird z. B. durch das Antidepressivum Desipramin nicht aber durch Reserpin blockiert, das nur die vesikuläre Speicherung zu blockieren vermag.
Eine Blockade solcher Inaktivierungsmechanismen stellt einen für Psychopharmaka wichtigen Angriffspunkt dar. So blockieren z. B. viele klassische Antidepressiva die neuronale Wiederaufnahme der Transmitter Noradrenalin und Serotonin. Inhibitoren des u. a. in den Mitochondrien (Abb. 13) lokalisierten Enzyms MAO hemmen den intra- und extraneuronalen Abbau aminerger Transmitter. Verschiedene Substanzen, die über eine Hemmung der Azetylcholinesterase die synaptische Konzentration von Azetylcholin im ZNS erhöhen, werden derzeit für die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung therapeutisch genutzt.
Rezeptoren
Die Informationsweitergabe wird auf der postsynaptischen Seite von Rezeptoren übernommen, die vom freigesetzten Transmitter besetzt werden und das hierüber ausgelöste Signal dann über verschiedene Transduktionsmechanismen in das rezeptive Neuron weiterleiten. Ähnlich wie im peripheren Nervensystem ist dieser Teil der chemischen Neurotransmission im ZNS ein ganz wesentlicher Angriffspunkt für Pharmaka. Neben Agonisten, die die Funktion des physiologischen Transmitters nachahmen, gibt es hier Antagonisten, die durch eine Blockade der Rezeptoren die Informationsweitergabe unterbinden. In den letzten Jahren bekommen sog. partielle Agonisten eine zunehmende Bedeutung. Sie können zwar den Rezeptor aktivieren, die Signalübertragung in das rezeptive Neuron ist aber nur abgeschwächt. In Gegenwart hoher synaptischer Konzentrationen des physiologischen Transmitters wirken sie eher als Antagonisten.

Adaptionsphänomene und klinischer Wirkungseintritt

Die bisher beschriebenen Effekte sind alle mehr oder weniger akuter Natur, d. h. nach Applikation des Psychopharmakons sind sie in relativ kurzer Zeit vorhanden und deutlich ausgeprägt. Dieser sehr schnelle Eintritt der akuten pharmakologischen Wirkung steht bei einer Reihe von Psychopharmaka im Gegensatz zum Zeitverlauf der gewünschten klinischen Wirkung, die sich oft erst über einen Zeitraum von Tagen oder Wochen ausbildet. Dies hat zu der Annahme geführt, dass die oben beschriebenen akuten Effekte möglicherweise nicht den eigentlichen Wirkungsmechanismus einer Reihe von Substanzen darstellen, sondern dass sie nur den Anstoß zu adaptiven Veränderungen der Funktionalität bestimmter zentraler Neurone geben.
Die extrem komplexe Verschaltung aller zentraler Neurone untereinander bringt es mit sich, dass viele zentrale Neurone zu einer Reihe von adaptiven Leistungen fähig sind, d. h. sie können ihren Funktionszustand den vorliegenden Bedingungen anpassen und damit überschießende oder ungenügende Aktivitäten in bestimmten Bereichen des ZNS kompensieren bzw. ausgleichen. Dies kann in größeren Regelkreisen erfolgen, in die verschiedene Neurone involviert sind, dies kann aber auch schon an einer einzelnen Synapse passieren, wo in vielen Fällen die postsynaptische Seite in der Lage ist, Perioden chronischer Über- bzw. Unteraktivität der Präsynapse durch bestimmte Adaptationen der Rezeptorkonzentration, aber auch der Rezeptorfunktionalität zu kompensieren.
Adaptionsphänomene bei Antidepressiva
Wichtigstes Beispiel dafür, dass der eigentliche Wirkungsmechanismus von Psychopharmaka mit der Ausbildung solcher kompensatorischer Mechanismen verbunden ist, sind die Antidepressiva. Bei den Antidepressiva geht man heute davon aus, dass, z. B. angestoßen durch die akute Blockade der neuronalen Wiederaufnahme und der damit verbundenen initialen Konzentrationserhöhung der Transmittersubstanzen Noradrenalin bzw. Serotonin in den jeweiligen Synapsen, solche adaptiven Veränderungen auf der postsynaptischen Seite ausgelöst werden. Diese Veränderungen lassen sich im noradrenergen wie auch im serotonergen System finden und betreffen Veränderungen von Dichte und Funktionalität der postsynaptischen Rezeptoren.
Die heutigen Vorstellungen solcher adaptiver Veränderungen an der serotonergen Synapse, wie sie von sehr vielen Antidepressiva ausgelöst werden, sind in Abb. 12 zusammengefasst. Hiermit soll auch die Komplexität dieser Phänomene alleine auf der Ebene der klassischen Neurotransmission dokumentiert werden.
Weitere Adaptionsphänomene
Ein anderes Beispiel für adaptive Veränderungen der Funktionalität zentraler Neurone, die wahrscheinlich sehr eng mit dem eigentlichen Wirkungsmechanismus von Psychopharmaka verbunden sind, wäre der sich erst langsam ausbildende Depolarisationsblock dopaminerger Neurone des mesolimbischen bzw. nigrostriatalen dopaminergen Systems unter chronischer Therapie mit Antipsychotika.
Neuroplastizität
Wie in Kap. Störungen der Neurobiochemie und Signaltransduktion als Grundlage psychischer Erkrankungen beschrieben, stellt unser Gehirn kein statisches Netzwerk der neuronalen Strukturen dar, sondern alle neuritischen Strukturen (Dendriten, Axone) und die postsynaptischen Spines unterliegen einem konstanten Auf- und Abbauprozess. Selbst im adulten Gehirn können Nervenzellen entgegen des früheren Dogmas neu synthetisiert werden, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß in zwei kleinen Gehirnarealen (in der Hippokampusformation in der subgranulären Zone des Gyrus dentatus und in der subventrikulären Zone, welche die Seitenventrikel umrahmt).
Diese Prozesse scheinen bei affektiven Erkrankungen deutlich gestört zu sein und werden durch praktisch alle Antidepressiva im Sinne einer Normalisierung beeinflusst (Pittenger und Duman 2008; Abschn. Adaptive Veränderungen bei längerer Anwendung von Antidepressiva).

Pharmakologische Selektivität und funktionelle Spezifität

Bei unserem heutigen Verständnis zentralnervöser Funktionen müssen wir davon ausgehen, dass einzelne Funktionen unseres Gehirns bestimmten Kerngebieten bzw. bestimmten Verbänden von Neuronen zugeordnet werden können, die allerdings dann zusätzlich noch über verschiedenartige Querverbindungen modulierende Impulse aus anderen Arealen des Gehirns erhalten. Ausgehend von dem klinischen Vorhaben, bestimmte psychopathologische Symptome bzw. Syndrome möglichst selektiv korrigieren zu können, sind solche Psychopharmaka wünschenswert, die gezielt bestimmte Funktionen oder ggf. bestimmte Areale des ZNS beeinflussen können.
Pseudoselektivität der Benzodiazepine
Ein typisches Beispiel hierfür ist die Meinung, dass Benzodiazepine hauptsächlich in Arealen des limbischen Systems wirken. Sie wird in noch sehr vielen Lehrbüchern vertreten. Diese Aussage ist in dieser Vereinfachung mehrfach falsch. Zum einen wissen wir heute, dass Benzodiazepine praktisch alle Bereiche des ZNS beeinflussen, da ja eben in praktisch allen Bereichen des ZNS auch Benzodiazepinrezeptoren vorhanden sind. Dass sie auch und möglicherweise sogar besonders gut bestimmte emotionelle Funktionen beeinflussen, die wir mit dem limbischen System assoziieren, ist nicht dadurch zu erklären, dass die Benzodiazepine bevorzugt im limbischen System angreifen, sondern ist damit zu erklären, dass Areale des limbischen Systems eine sehr hohe Dichte an Benzodiazepinrezeptoren aufweisen.
Benzodiazepine sind spezifisch für die mit ihrer Wirkung eng verbundenen Rezeptoren, sie sind aber nicht spezifisch für einzelne Hirnareale oder einzelne funktionelle Abläufe unseres ZNS.
Funktionelle Selektivität
Dass Psychopharmaka überhaupt unterschiedliche Wirkungsqualitäten zeigen, muss dadurch erklärt werden, dass ein bestimmter Effekt, den man mit einer gegebenen Substanz über einen spezifischen biochemischen Mechanismus (z. B. an einem Rezeptor) erreichen kann, in einem Hirnareal funktionell relevant ist, in einem anderen Hirnareal aber bei der Fülle von neurochemischen Impulsen funktionell keine große Rolle spielt. Die Strategie, biochemisch hochselektive Psychopharmaka zu entwickeln, die z. B. nur noch eine Unterklasse eines Rezeptors aktivieren, erhöht die Chance, dass eine Beeinflussung dieses hochselektiven Systems nur noch in sehr wenigen Arealen des ZNS funktionell relevant wird. Insofern kann diese Strategie durchaus zu funktionell spezifischen Pharmaka führen.
Es muss davor gewarnt werden, von vornherein ein Psychopharmakon, das pharmakologisch hochselektiv ist (im Hinblick auf seinen biochemischen Angriffspunkt), auch in der klinischen Einschätzung als funktionell spezifisch zu betrachten.
Klinische Spezifität kann leider oft nicht durch die experimentelle Pharmakologie vorhergesagt werden, sondern muss erst nur durch die klinische Praxis erwiesen werden.
Selektivität vs. Spezifität
Als Beispiel für diese kritische Aussage sind die hochselektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer zu erwähnen, die im Vergleich zu den klassischen trizyklischen Antidepressiva eine hohe pharmakologische Selektivität aufweisen. Eine klinische Spezifität im Sinne eines besseren oder schlechteren Ansprechens bestimmter Untergruppen depressiver Patienten konnte für diese Substanzen allerdings bis heute nicht belegt werden. Darüber hinaus entwickelt man heute, nach einer Phase hochselektiver Substanzen, ganz bewusst auch Psychopharmaka mit mehreren biochemischen Wirkungsmechanismen (z. B. die dualen Antidepressiva oder die atypischen Neuroleptika). Die Selektivität verschiedener Antidepressiva ist in Tab. 8 dargestellt.
Tab. 8
Inhibitionskonstanten (Ki-Werte in nmol) und Rezeptorprofile typischer Antidepressiva für die Hemmung der neuronalen Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin
Wirkstoff
NA-Aufnahme
5-HT-Aufnahme
5-HT-Selektivitäta
H1-Rezeptor
M-Rezeptor
α1-Rezeptor
α2-Rezeptor
5-HT2-Rezeptor
TZA
Amitriptylin
14
84
0,17
1
10
24
940
18
Clomipramin
28
5
5.6
31
37
38
>1000
54
Desipramin
0,6
180
0,003
60
66
100
>1000
350
Doxepin
18
220
0,08
0,2
23
24
>1000
27
Imipramin
14
41
0,3
37
46
32
>1000
150
Mirtazapin
>1000
>1000
0,5
500
500
10
5
Nortriptylin
2
154
0,01
6
37
55
>1000
41
Trimipramin
510
>1000
0,02
0,3
58
24
680
32
Viloxazin
170
>1000
0,01
>1000
>>1000
>1000
>>1000
>1000
SSRI
Citalopram
>1000
1
3076
470
>1000
>1000
>1000
>1000
Fluoxetin
143
14
10
>1000
590
>1000
>1000
280
Fluvoxamin
500
7
71
>1000
>1000
>1000
>1000
>1000
Paroxetin
33
0,7
47
>1000
110
>1000
>1000
>1000
Sertralin
220
3
73
>1000
630
380
>1000
>1000
SSNRI
Duloxetin
2,1
0,53
3,96
>1000
>1000
>1000
>1000
504b
Venlafaxin
210
39
5
>1000
>1000
>1000
>1000
>1000
aDas 5-HT-Selektivitätsverhältnis gibt an, um wie viel die Substanz die Serotonin(5-HT)-Aufnahme stärker als die Noradrenalin(NA)-Aufnahme hemmt. Inhibitionskonstanten >1000 bedeuten, dass dieser Rezeptortyp nicht relevant ist; b5HT2A
TZA trizyklische Antidepressiva; SSRI selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer; SSNRI selektive Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer

Psychopharmakologische Grundlagen der Antidepressiva

Biochemische Wirkungsmechanismen

Der Wirkungsmechanismus der Antidepressiva ist trotz intensiver Forschungsarbeiten in den letzten 50 Jahren noch nicht vollständig geklärt worden. Zwar sind die neurobiochemischen Wirkungen antidepressiver Substanzen relativ gut aufgeklärt. Jedoch herrscht über den Stellenwert dieser Wirkungen für die Beeinflussung der Depression weiterhin Unklarheit, da wegen des Fehlens valider Modelle der Depression die biochemischen Grundlagen der Krankheit selbst letztlich noch nicht geklärt sind (Müller 1997a, 2006; Frazer 1997; Leonard 1995, 1996; Ebmeier et al. 2006).
Wirkung an der monoaminergen Synapse
Seit der Entdeckung der thymoleptischen Wirkung von Imipramin vor über 50 Jahren steht bei der Erforschung der Wirkungsmechanismen von Antidepressiva die Übertragung an monoaminergen Synapsen des ZNS im Mittelpunkt des Interesses. Zunächst bezogen sich die biochemischen Hypothesen über die Ursachen der Depression auf einen Mangel an Transmittern im synaptischen Spalt, später auch auf eine reduzierte Sensibilität postsynaptischer Rezeptoren. Die Wirkungsweise der Antidepressiva wurde als ein spezifischer Effekt (s. unten) auf diese hypothetischen Defizite angesehen. Bis heute gibt es praktisch kein wirksames Antidepressivum, das nicht zumindest auch über die Monoamine wirkt (Berton und Nestler 2006).
Wirkungen im gesamten neuronalen System
Zunehmend wird neuerdings auch die Möglichkeit diskutiert, dass die antidepressive Wirkung der Antidepressiva nicht solchen spezifischen Prozessen zuzuschreiben ist. So vermuten bereits Paioni et al. (1983), dass vielmehr monoaminerge Synapsen lediglich als besonders günstige Interventionspunkte zur pharmakologischen Beeinflussung neuronaler Systeme zu betrachten sind, und zwar im Sinne eines Anstoßes an einem Punkt mit der Folge einer langsamen Normalisierung des zuvor gestörten Gesamtregulationssystems. Hierfür sprechen die unter allen Antidepressiva nachweisbaren adaptiven Veränderungen in vielen Neurotransmittersystemen (s. oben) und die Tatsache, dass die primär von den Antidepressiva angestoßenen zentralen Transmittersysteme (Noradrenalin, Serotonin, Dopamin) modulierend viele unterschiedliche anatomische Strukturen oder viele unterschiedliche Funktionsabläufe des ZNS beeinflussen. Auch Stassen et al. (1996) kommen über die Auswertung von Zeitverläufen unter Antidepressiva und Plazebotherapie zu dem Schluss, dass die Antidepressiva eher nur einen physiologisch ablaufenden Normalisierungsprozess beschleunigen.
Neuordnung statt Defizitregulierung
Dies würde bedeuten, dass weder die akut zu sehenden pharmakologischen Effekte (Aminwiederaufnahmehemmung, MAO-Hemmung) noch die mit einer gewissen Latenzzeit auftretenden adaptiven Veränderungen verschiedener Signaltransduktionsmechanismen direkt neurochemische Defizite der Depression korrigieren, sondern nur Ausdruck einer Neuordnung bestimmter Funktionen der zentralen Neurotransmission darstellen, die letztlich zur depressionslösenden Wirkung beim Patienten führen.
Da viele sehr unterschiedliche Substanzklassen (Trizyklika, SSRI, MAO-Hemmer, Johanniskrautextrakt), aber auch Therapiemaßnahmen wie Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und die schnellwirksamen Interventionen wie Schlafentzug und Ketamininfusion auf der Ebene der adaptiven Veränderungen konvergieren, könnte diese „Neuordnungshypothese“ erklären, dass viele pharmakologisch sehr unterschiedliche antidepressive Therapiemaßnahmen klinisch gesehen doch sehr analoge Wirkungen zeigen können. Ein wichtiges Argument für diese Hypothese ist auch die Tatsache, dass diese adaptiven Veränderungen auch im Tierexperiment eine gewisse Latenz zeigen (1–2 Wochen), was wiederum besser mit der verzögert auftretenden antidepressiven Wirkung am Patienten korreliert als die akuten Effekte.
Wirkung durch Wiederaufnahmehemmung
Das biochemische Profil der Antidepressiva wird hauptsächlich abgeleitet aus den akuten Wirkungen auf die NA- und Serotoninwiederaufnahmehemmung (Abb. 13a, b; Tab. 8) und den mit einer gewissen Latenz auftretenden adaptiven Veränderungen bestimmter zentraler Signaltransduktionsmechanismen (Abb. 13a, b). Wir unterscheiden somit zwischen
  • selektiven Noradrenalinwiederaufnahmehemmern (z. B. Desipramin und besonders Reboxetin) bzw.
  • hochselektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (z. B. alle SSRI) und
  • solchen Antidepressiva, die bezüglich dieser beiden Systeme z. T. auch über aktive Metaboliten einen gemischten Einfluss haben (sog. duale Substanzen, z. B. Amitriptylin, Imipramin, Clomipramin, Duloxetin und Venlafaxin).
Das auch für die Depressionsbehandlung zugelassene Bupropion ist das einzige Antidepressivum, das unter therapeutischen Bedingungen in relevantem Maß die Dopaminwiederaufnahme hemmt. Eine weitere Ausnahme bildet Johanniskrautextrakt, der über den wichtigsten Inhaltsstoff Hyperforin etwa gleich stark die synaptosomale Aufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin hemmt (Müller 2003).
Wirkung auf Rezeptoren
Neben diesem Charakteristikum ist aber auch der Effekt der einzelnen Antidepressiva auf die prä- und postsynaptischen Rezeptoren für das Profil zu berücksichtigen. Diese sind allerdings weniger für die antidepressive Wirkung (Ausnahme α2-Antagonismus, primärer Wirkungsmechanismus bei Mirtazapin), sondern eher für erwünschte (Sedation, Anxiolyse) – besonders aber für die vielen unerwünschten vegetativen – Nebenwirkungen der Antidepressiva verantwortlich (Tab. 9).
Tab. 9
Mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Hemmung der neuronalen Wiederaufnahme von Noradrenalin (NA), Serotonin (5-HT) und Dopamin (DA) und der Blockade von Neurorezeptoren
Wiederaufnahmesysteme
Unerwünschte Wirkungen
NA-Wiederaufnahme
– Verstärkung der Effekte von Sympathomimetika
– Tachykardie
– RR ↑
– Unruhe,Tremor
– Erektions- bzw. Ejakulationsstörungen
5-HT-Wiederaufnahme
– Gastrointestinale Störungen, Übelkeit, Erbrechen
– Unruhe, Schlafstörungen
– Extrapyramidal-motorische Symptome (?)
– Appetitminderung, Gewichtsabnahme
DA-Wiederaufnahme
– Psychomotorische Aktivierung
– Psychoseauslösung bzw. -verstärkung
– Anti-Parkinson-Wirkung
Neurorezeptoren
M-
– Trockener Mund
– Verschwommenes Sehen, Akkomodationsstörungen
– Sinustachykardie
– Verstopfung
– Harnretention, Miktionsstörungen
H1
– Sedation, Müdigkeit, Schläfrigkeit
– Verstärkung anderer zentral dämpfender Substanzen
– Gewichtszunahme (?)
α1
– Orthostase, RR ↓
Schwindel, Benommenheit, Sedation
– Reflextachykardie (+ α2-Blockade?)
– Verstärkung der Wirkung anderer α1-Blocker
D2
– Extrapyramidal-motorische Symptome
Prolaktin
– Sexuelle Funktionsstörungen
5-HT2
– Appetitzunahme, Gewichtszunahme
– RR ↓
5-HT3
– Antiemetische Wirkung
– Anxiolyse (?)
Agomelatin ist der erste Melatoninrezeptor (MT1, MT2)-Agonist und gleichzeitig Antagonist auf den Serotoninrezeptorsubtyp 5-HT2C (Fuchs et al. 2006), sodass die Substanz zumindest auch wie die meisten anderen Antidepressiva in die serotonerge Neurotransmission eingreift.
Weitere Substanzen, die in diesem Konzept eine Sonderstellung einnehmen, sind Tiapeptin (McEwen et al. 2010), das seit ca. 2 Jahren auch in Deutschland eingeführt ist, die neue Substanz Vortioxetin (Otte 2014; Müller 2015) sowie Ketamin, dessen Einsatz als sehr rasch wirkendes Antidepressivum bei therapieresistenten Patienten erforscht wird.
Tiapeptin führt paradoxerweise nicht zu einer Hemmung sondern eher zu einer Verstärkung der neuronalen Serotoninaufnahme, hat dann aber auch wie andere serotonerge Antidepressiva ähnliche adaptive Effekte an der serotonergen Synapse und zeigt sehr deutliche Effekte auf Neuroplastizitätsmechanismen. Zu diesen trägt auch bei, dass die Substanz direkt modulierend in die glutamaterge Neurotransmission eingreift, besonders am AMPA-Rezeptor.
Vortioxetin hemmt die Serotoninwiederaufnahme und hat agonistische und antagonistische Effekte an verschiedenen Serotoninrezeptoren, die synergistisch zur guten antidepressiven Wirkung beitragen, besonders aber auch die guten Effekte auf die kognitive Dysfunktion depressiver Patienten erklären können, die die Substanz von anderen Antidepressiva abhebt.
Ketamin, ein Arzneimittel aus der Klasse der Narkotika, hat eine antagonistische Wirkung am Glutamat-NMDA-Rezeptorkomplex. Es hemmt die NMDA-abhängige Freisetzung von Acetylcholin und scheint eine zusätzliche opioide Wirkkomponente zu besitzen.
Wirkung durch verzögerten Abbau
Auch die reversiblen und irreversiblen MAO-Hemmer passen in dieses Schema, da sie über eine Hemmung des enzymatischen Abbaus von Noradrenalin und Serotonin letztlich auch zu einer erhöhten synaptischen Verfügbarkeit führen.

Klinische Wirkprofile

In Anbetracht der erheblichen Unterschiede in den pharmakologischen Profilen zwischen den Antidepressiva stellt sich zwangsläufig die Frage, inwieweit diese für die klinische Wirkung der Präparate von Bedeutung sind. Von verschiedenen Autoren wurde versucht, diese klinischen Wirkungsprofile der Antidepressiva untereinander abzugrenzen. Die bekannteste von Kielholz (1971) vorgeschlagene schematische Darstellung unterscheidet 3 Wirkungsmerkmale (Antriebssteigerung, Stimmungsaufhellung und Anxiolyse) der Antidepressiva, ohne dass es in klinischen Studien gelungen ist, Antidepressiva mit unterschiedlichem Wirkungsprofil für syndromal verschiedene Subgruppen von Depressiven zu klassifizieren. Auch im Hinblick auf die stimmungsaufhellende, also eigentliche antidepressive Kernwirkung, ist es nicht gelungen, quantitative Unterschiede zu belegen.
Die unterschiedliche pharmakologische Wirkung steht eher in einer Beziehung zu den typischen Nebenwirkungen als zu den therapeutischen Effekten dieser Präparate. So scheinen im Gegensatz zu den Trizyklika die SSRI weniger sedativ zu wirken und häufiger Schlafstörungen, innere Unruhe und Tremor hervorzurufen. Man geht daher heute davon aus, dass sich die Antidepressiva in ihrer eigentlichen „antidepressiven“ Kernwirkung eher nicht unterscheiden, sich aber aufgrund ihrer unterschiedlichen primär sedierenden bzw. schlafanstoßenden Eigenschaften untergliedern lassen (Abb. 14). Nur die sedierenden Substanzen lassen sich bei bestimmten Indikationen als primäre Hypnotika einsetzten, während alle anderen Substanzen nur Schlafstörungen im Rahmen des depressiven Syndroms verbessern.
Einige Substanzen haben darüber hinaus positive Effekte auf Symptome des depressiven Syndroms, die unabhängig von der antidepressiven Wirkung auftreten können, wie z. B. analgetische Eigenschaften (Clonipramin, Duloxetin, Venlafaxin) und kognitionsverbessernde Effekte (Duloxetin, insbesonders aber Vortioxetin).
Wirkung auf das noradrenerge System
Die traditionellen Hypothesen gingen davon aus, dass bei depressiven Patienten bzw. bei einer Subgruppe von depressiven Patienten ein Mangel des Neurotransmitters Noradrenalin (NA) in noradrenergen zentralen Synapsen besteht. Obwohl sich diese pathophysiologischen Vorstellungen heute nicht mehr halten lassen, ist eine vermehrte synaptische Verfügbarkeit von NA ein wichtiger initialer Wirkungsmechanismus vieler Antidepressiva (Montgomery 1997). Eine Konzentrationserhöhung lässt sich medikamentös auf 3 Wegen erreichen (Abb. 13a).
Wiederaufnahmehemmung („re-uptake-inhibition“)
Verschiedene Antidepressiva hemmen relativ selektiv (z. B. Maprotilin, Nortriptylin) oder nichtselektiv (z. B. Amitriptylin, Clomipramin, Imipramin und Venlafaxin) die Wiederaufnahme des Noradrenalin in die präsynaptische Nervenendigung.
Präsynaptische α2-Rezeptorblockade
α2-Rezeptoren regulieren die NA-Konzentration im synaptischen Spalt in dem Sinne, dass sie bei zu hoher Konzentration die Freisetzung und die Syntheserate von Noradrenalin bei den nachfolgenden Nervenimpulsen vermindern. Die Blockade dieser Rezeptoren erfolgt z. B. durch das Antidepressivum Mianserin und noch spezifischer durch Mirtazapin.
Im Gegensatz zu Mianserin antagonisiert Mirtazapin α1-Rezeptoren (Abb. 13b) auf serotonergen Neuronen nicht, sodass die erhöhte noradrenerge Aktivität auch zu einer Aktivitätszunahme des serotonergen Systems führt.
Hemmung des Abbaus
Der Abbau von Noradrenalin erfolgt vorwiegend über die Monoaminoxidase-(MAO-)A. Wird diese Substanz durch selektive (Moclobemid) und nichtselektive (Tranylcypromin) MAO-Hemmer inhibiert, verbleibt mehr Noradrenalin in der Synapse bzw. im synaptischen Vesikel.
Eine unlimitierte Erhöhung der NA-Konzentration in der Synapse gibt es aber bei keinem dieser synaptischen Eingriffe, da die Syntheserate von NA (auch bei α2-Blockade) durch polysynaptische Rückkopplungsmechanismen abnimmt.
Wirkung auf das serotonerge System
Traditionelle Hypothesen gingen auch davon aus, dass bei Depressiven bzw. bei Subgruppen von Depressiven im ZNS ein Serotoninmangel im synaptischen Spalt besteht. Obwohl sich auch diese pathophysiologischen Vorstellungen bis heute nicht belegen lassen, ist die erhöhte Verfügbarkeit von synaptischem Serotonin ein ebenfalls wichtiger initialer Wirkungsmechanismus vieler Antidepressiva (Müller und Eckert 1997). Bei der heute sehr aktuellen Gruppe der SSRI ist es der alleinige initiale Effekt. Die große pharmakologische Bedeutung der serotonergen Neurotransmission geht parallel, da zwar die Serotoninkonzentration nicht verändert scheint, dafür aber verschiedene andere Mechanismen in diesem System (Cowen 2008).
Wiederaufnahmehemmung („re-uptake-inhibition“)
Verschiedene Antidepressiva hemmen selektiv (z. B. SSRI) bzw. nichtselektiv (z. B. Amitriptylin, Clomipramin, Imipramin und Venlafaxin) die Wiederaufnahme von Serotonin in die präsynaptische Nervenendigung.
5-HT1A-Rezeptorenaktivierung
Es gibt auch im serotonergen System 5-HT1A-Autorezeptoren, die analog den α2-Rezeptoren im noradrenergen System die Freisetzung regulieren. Neben dem Anxiolytikum Buspiron gibt es einige Entwicklungssubstanzen (z. B. Gepiron), die als partielle 5-HT1A-Agonisten zwar durch Aktivierung der 5-HT1A-Autorezeptoren die Aktivität der serotonergen Neurone senken, dafür aber postsynaptische 5-HT1A-Rezeptoren direkt aktivieren, und als Antidepressiva geprüft wurden.
Hemmung des Abbaus
Der intra- und extraneuronale Abbau von Serotonin erfolgt auch über die MAO-A, deren Hemmung durch selektive (Moclobemid) und nichtselektive (Tranylcypromin) MAO-Inhibitoren zu einer Konzentrationserhöhung von Serotonin in der Synapse führt.
Zentraler α2-Antagonismus
Diese Antagonisten, z. B. das Mirtazapin, blockieren die noradrenerge Hemmung von serotonergen Neuronen und führen so zu einer erhöhten synaptischen Aktivität des serotonergen Systems.
5-HT2-Antagonismus
Dieser Antagonismus, z. B. auch bei Mirtazapin, kann über noch nicht abschließend geklärte Verschaltungsmechanismen zu einer Zunahme der neuronalen Serotoninfreisetzung und damit zu einer verstärkten 5-HT1A-Aktivierung führen. Dieser Mechanismus gilt auch für einige atypische Antipsychotika (Abschn. 6.2).
Wirkung auf das dopaminerge System
Das dopaminerge System (Abb. 15) ist dem noradrenergen System sehr ähnlich (Dopamin ist die Vorstufe von Noradrenalin, der Syntheseweg der beiden Neurotransmitter ist bis zu dieser Stufe gleich!). Die Wirkungen der Antidepressiva auf dieses System und ihre Bedeutung für die Beeinflussung der Depression sind weniger gut untersucht. Die meisten Antidepressiva haben keine relevante Wirkung auf die neuronale DA-Wiederaufnahme. Eine Ausnahme bilden neben dem wegen gravierender Nebenwirkungen aus dem Handel genommenen Nomifensin 2 neuere Substanzen, die ebenfalls als Antidepressiva eingesetzt werden: Amineptin und Bupropion. Auch Johanniskrautextrakt hemmt die neuronale DA-Aufnahme etwa gleichstark wie die NA-Aufnahme (Müller 2003). Für eine antidepressive Wirkung sind folgende dopaminerge Mechanismen relevant: Hemmung des Dopaminabbaus und der präsynaptischen Rezeptoren.
Hemmung des Abbaus
Beim Menschen wird Dopamin intra- und extraneuronal durch MAO-A, hauptsächlich aber durch MAO-B abgebaut. Daher führen v. a. die älteren nichtselektiven MAO-Inhibitoren (Tranylcypromin) auch zu einer vermehrten synaptischen Verfügbarkeit von Dopamin.
Hemmung präsynaptischer Rezeptoren
Antipsychotika blockieren in Dosierungen deutlich unterhalb der antipsychotischen Dosen präferenziell präsynaptische DA-D2-Autorezeptoren (Abb. 15), die analog wie in den anderen Systemen die Transmitterfreisetzung regulieren. Die damit verbundene vermehrte synaptische Verfügbarkeit von Dopamin ist die Basis des Einsatzes niedrig dosierter Neuroleptika als Anxiolytika bzw. Antidepressiva (z. B. Fluspirilen, Sulpirid, Thioridazin; Müller 1991). Der gleiche Mechanismus ist wahrscheinlich auch für das atypische Trizyklikum Trimipramin relevant, das ein relativ starker D2-Antagonist ist.
Wirkung auf das glutamaterge System
Die Entdeckung von Ketamin hat deutlich gemacht, wie wichtig der NMDA-Rezeptor, an den Ketamin bindet, und der Botenstoff Glutamat bei der Behandlung von Depressionen sind. Damit steht bei der Entwicklung von Medikamenten nun vermehrt auch dieses Botenstoffsystem im Zentrum. Man nimmt an, dass die rasche Wirkung von Ketamin dadurch entsteht, dass Wachstumsfaktoren im präfrontalen Kortex ausgeschüttet werden, die die Bildung von Synapsen fördern. Dadurch werden Verbindungen wiederhergestellt, die krankheitsbedingt durch Stressmechanismen abgebaut worden sind. Doch wie diese Wirkung genau erzielt wird, ist noch unklar. Möglicherweise spielt hier eine Enthemmung der bei der Depression gestörten glutamatergen Transmission eine wichtige Rolle, die zu einem schnellen, aber nur transienten Anstieg an Glutamat führt, gefolgt von einer erhöhten BDNF-Freisetzung und Aktivierung von Downstream-Signalen, die Synapsenbildung und -neuformation fördern (Duman 2014). Es fehlen jedoch noch große plazebokontrollierte Studien, um die Wirkung von Ketamin abschließend beurteilen zu können. Interessanterweise scheint auch Scopolamin, ein Muskarinrezeptorantagonist, seine rasch wirksamen antidepressiven Effekte über eine erhöhte glutamaterge Transmission zu vermitteln (Duman 2014).

Adaptive Veränderungen bei längerer Anwendung von Antidepressiva

Antidepressiva kommen über eine ganze Reihe unterschiedlicher Primäreffekte im ZNS zur Wirkung. Gemeinsam ist all diesen akuten Wirkungsmechanismen, dass sie direkt nach Applikation auftreten und damit nicht mit der verzögerten Ausbildung der antidepressiven Wirkung am Patienten übereinstimmen. Man geht daher heute davon aus, dass sekundär zu diesen akuten Beeinflussungen der zentralen Neurotransmission es v. a. auf der Ebene von Rezeptoren und rezeptorgekoppelten Transduktionsmechanismen zu adaptiven Veränderungen als Antwort auf den akuten Eingriff in die zentrale Neurotransmission kommt, von denen eine Down-Regulation von Dichte und Empfindlichkeit zentraler β-Rezeptoren am besten untersucht ist (β-Down-Regulation), aber auch nicht für alle Substanzen gefunden wurde.
Von solchen adaptiven Veränderungen sind möglicherweise auch GABAerge Mechanismen, glutamaterge Mechanismen, die Empfindlichkeit von Glukokortikoidrezeptoren und die Regulation von Transkriptionsfaktoren betroffen. Wir sind heute nicht in der Lage, eine dieser adaptiven Veränderungen ausschließlich mit der antidepressiven Wirksamkeit in Verbindung zu bringen, sondern sehen diese im Tierexperiment bestimmbaren adaptiven Veränderungen eher als Ausdruck einer Anpassung oder funktionellen Plastizität, die möglicherweise ein direktes Korrelat der antidepressiven Wirkung darstellt (Müller 1997a).
Neuroplastizität
Die Ebene der Transkriptionsfaktoren, insbesondere CREB
Während sich die bisherigen Untersuchungen zu adaptiven Veränderungen von Mechanismen der Neurotransmission nach chronischer Behandlung mit Antidepressiva im Wesentlichen auf Veränderungen von Dichte und Empfindlichkeit der neuronalen Rezeptoren bzw. der direkt nachgeschalteten sekundären Transmitter (z. B. cAMP) konzentriert hatten, gehen neuere Untersuchungen noch eine oder zwei Stufen weiter auf der Kaskade von Mechanismen, die letztlich zelluläre Funktionen unter dem Einfluss von Signaltransduktionsmechanismen kontrollieren (Kap. Störungen der Neurobiochemie und Signaltransduktion als Grundlage psychischer Erkrankungen). Verschiedene Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass als mögliche Folge der Beeinflussung von sekundären Transmittern verschiedene intrazelluläre Transkriptionsfaktoren unter der chronischen Behandlung mit Antidepressiva beeinflusst werden (Torres et al. 1998; Malberg und Blendy 2005; Abb. 16).
In der aktuellen Diskussion ist v. a. der Transkriptionsfaktor CREB („cAMP response element binding protein“), dessen zentrale Rolle bei Lernprozessen und synaptischer Plastizität sehr gut belegt ist, von besonderer Bedeutung, da hier wieder einmal die Hoffnung auf eine gemeinsame intrazelluläre Endstrecke verschiedener Antidepressivaklassen besteht (Abb. 17). Obwohl wir heute davon ausgehen, dass CREB als Folge der intrazellulären Bildung von cAMP aktiviert wird (Kap. Störungen der Neurobiochemie und Signaltransduktion als Grundlage psychischer Erkrankungen), weisen die aktuellen Befunde auf eine Zunahme von CREB unter Antidepressiva hin, obwohl die Konzentration von cAMP eher herunterreguliert wird.
Trotz dieser noch offenen Fragen ist die Aktivierung bestimmter Transkriptionsfaktoren, die dann gezielt die Ablesung bestimmter Zielgene und bestimmter Zielproteine aktivieren, heute von großer Aktualität. So haben verschiedene Autoren nachweisen können, dass es nach chronischer Antidepressivabehandlung z. B. zur Hochregulation des Transkriptionsfaktors CREB und anderer Transkriptionsfaktoren kommt (Duncan et al. 1993; Hope et al. 1994; Morinobu et al. 1995). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Überexpression von CREB in bestimmten Arealen des Rattenhirns mit einer antidepressiven Wirkung in 2 wichtigen tierexperimentellen Modellen der Depression (Porsolt-Test und erlernte Hilflosigkeit) führte (Chen et al. 2001).
Damit ist in einer Zunahme der Aktivität des Transkriptionsfaktors CREB ein möglicher gemeinsamer Nenner vieler Antidepressiva zu sehen. Man sollte aber hier aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt haben und auch diese Befunde mit einer gewissen kritischen Distanz interpretieren, bis diese mögliche gemeinsame Endstrecke und ihre kausale Einbindung in den antidepressiven Wirkungsmechanismus tatsächlich zweifelsfrei belegt ist.
Die Ebene der strukturellen Veränderungen
Von struktureller Plastizität spricht man, wenn die synaptische Kontaktfläche vergrößert oder verkleinert wird bzw. ganze Synapsen auf-, ab- oder umgebaut werden. Strukturelle Plastizität kann über die Synapse hinausgehen und umfasst Veränderungen der Spines (in Menge und/oder Struktur) oder der Neurite (Dendrite, Axone), indem ganze Axone oder Dendritenbäume zurückgezogen und/oder in andere Richtungen ausgestreckt werden. Schließlich gehört auch die Bildung neuer Nervenzellen, die Neurogenese, die beim erwachsenen Menschen nur noch im Bulbus olfactorius, dem Gyrus dentatus des Hippokampus und der subventrikulären Zone zu finden ist, zur strukturellen Plastizität. CREB und andere induzierbare Transkriptionsfaktoren induzieren Effektorgene, welche zur Stabilisierung der synaptischen Plastizität beitragen. Zu den Zielgenen bzw. Zielproteinen von CREB gehört auch der Wachstumsfaktor BDNF („brain derived neurotrophic factor“); somit kann BDNF nicht nur CREB induzieren – Abb. 17 – sondern ist selbst auch Target der Induzierung. BDNF stellt im ZNS einen wichtigen Wachstumsfaktor für die neuronale Funktion dar. Unter dem Einfluss von BDNF kommt es zu Dendriten- und Synapsenwachstum neuronaler Zellen, ohne den stimulierenden Effekt von BDNF zur Atrophie bis zum Risiko des Zelltodes. Die Tatsache, dass das BDNF auch ein Zielgen des Transkriptionsfaktors CREB ist, hat nun zu der Spekulation geführt, dass unter der chronischen Behandlung mit Antidepressiva die Konzentration von BDNF verändert sein könnte. Interessanterweise konnte dies bestätigt werden; verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass die BDNF-m-RNA in verschiedenen Hirnarealen, hauptsächlich aber im Hippokampus unter subchronischer Behandlung mit verschiedenen Antidepressiva hochreguliert ist (Duman et al. 1997, 1999; Duman 2014).
Zusammen mit aktuellen Befunden aus der modernen bildgebenden klinischen Forschung, in der gewisse Hinweise auf neurodegenerative Veränderungen im Hippokampus depressiver Patienten beschrieben werden, hat dieser Befund zu der sog. neurodegenerativen Hypothese der Depression und der neuroprotektiven Wirkung von Antidepressiva geführt (Abb. 18). Die Perspektive aber auch die Grenzen der aktuellen Datenlage zu dieser Hypothese sind im Folgenden am Beispiel von typischen Effekten im Hippokampus dargestellt, wobei besonders auf die CA3-Region eingegangen wird.
Neurotrophe Hypothese der Antidepressivawirkung
Unter Normalbedingungen sieht man hier im erwachsenen Gehirn ein normales Wachstum von Dendriten und Synapsen. Es gibt nun schon seit vielen Jahren Hinweise darauf, dass chronischer Stress, verbunden mit einer Hochregulation der Glukokortikoide, neben anderen biochemischen Veränderungen (Duman et al. 1999) auch zu atrophischen Veränderungen bzw. zu degenerativen Veränderungen besonders der CA3-Regionen führen kann (Sapolsky et al. 1985). Interessanterweise – und das bringt uns wieder auf den Wachstumsfaktor BDNF – ist unter chronischem Stress die hippokampale Konzentration von BDNF eher reduziert. Auch andere, besonders auch genetische Faktoren, die ja auch für die Depression relevant sein können, scheinen ebenfalls einen negativen Einfluss auf das Wachstum von CA3-Neuronen zeigen zu können. Welche Faktoren hier bei depressiven Patienten zusammenspielen, ist noch weitgehend Spekulation; tatsächlich weisen die modernen bildgebenden Verfahren zunehmend darauf hin, dass es im Rahmen depressiver Erkrankungen in verschiedenen Hirnregionen, u. a. auch dem Hippokampus, zu einer Volumenabnahme kommen kann (Rajkowska et al. 1999; Soares und Mann 1997; Ebmeier et al. 2006). Antidepressiva können nun über einen Eingriff in die serotonerge und noradrenerge Neurotransmission die Konzentrationen von BDNF hochregulieren und die von Glukokortikoiden eher senken (Malberg et al. 2000). In Übereinstimmung mit dem Schema in Abb. 18 hat man hier unter gewissen Bedingungen tatsächlich auch unter biologischen antidepressiven Therapien eine verbesserte Überlebensrate von hippokampalen Neuronen mit verbessertem Dendritenwachstum und Synapsenbildung gesehen (s. oben) und darüber hinaus eine Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese), zu der allerdings hauptsächlich nur ein relativ kleines Areal im Hippokampus (subgranuläre Zone des Gyrus dentatus) und andere Strukturen befähigt sind (Malberg et al. 2000).
Inkonsistente Befunde
Trotz dieses zunächst sehr gut zusammenpassenden Schemas sind wir noch weit davon entfernt, diese sog. neurotrophe Hypothese der Antidepressivawirkung global akzeptieren zu können. Zu viele inkonsistente Befunde stehen dem noch entgegen. Einige Beispiele dazu wären die Tatsache, dass unter Elektrokonvulsionstherapie im Tiermodell zwar eine Zunahme des Synapsenwachstums von Körnerzellen gezeigt werden konnte, Antidepressiva hier aber keinen Effekt hatten (Vaidya et al. 1999). Darüber hinaus sind die degenerativen Veränderungen im Hippokampus eher auf der Ebene der CA3-Zellen (Abb. 18) zu sehen. In Übereinstimmung mit dem Schema in Abb. 18 hat man zeigen können, dass das eher atypische Antidepressivum Tianeptin die stressinduzierte Atrophie von CA3-Neuronen hemmen konnte, der Standard-SSRI Fluoxetin war allerdings hier ohne Wirkung (Watanabe et al. 1992). Auch die Frage, ob Antidepressiva tatsächlich über eine vermehrte Neurogenese antidepressiv wirken, wird unterschiedlich diskutiert (Sapolsky 2004). Während Santarelli et al. (2003) nach Ausschalten der Neurogenese durch Bestrahlung keine Effekte mehr von Antidepressiva in einem Verhaltensmodell sahen, gehen Henn und Vollmayr (2004) aufgrund anderer tierexperimenteller Daten u. a. auch aufgrund der nicht übereinstimmenden Zeitverläufe eher nicht von einer direkt kausalen Beziehung aus. Auf der anderen Seite ist eine Aktivierung der Neurogenese für viele Antidepressiva nach chronischer Behandlung (14–21 Tage) im Tierexperiment belegtsowie vermehrt adaptive Veränderungen auf der Ebene der Synapsendichte und Neuritenlänge (Pittenger und Duman 2008; Marchetti et al. 2010; Ampuero et al. 2010). Diese Stufe der strukturellen Neuroplastizität wäre ein plausiblerer Angriffspunkt für Antidepressiva als die Neurogenese, da Neurogenese v. a. bei jungen Tieren durch Antidepressiva aktivierbar ist, nicht aber bei alten Tieren, während die antidepressive Wirkung eher vom Alter abhängig ist (Couilland-Despres et al. 2009).
Zweifel von klinischer Seite
Damit ist auch auf experimenteller Ebene dieser neuartige Mechanismus noch lange nicht zweifelsfrei belegt. Außerdem gibt es natürlich auch von klinischer Seite Zweifel, die stark fluktuierende und phasenförmig verlaufende Erkrankung Depression mit der häufig absolut symptomfreien Remission zwischen den Phasen mit einer eher globalen degenerativen Veränderung im ZNS in Verbindung zu bringen, sodass man schon geneigt ist, zu zweifeln, ob wirklich jede depressive Episode gleich mit degenerativen Veränderungen verbunden ist. Darüber hinaus ist die antidepressivainduzierte Neuroplastizität auf eine kleine Struktur des Hippokampus beschränkt, die die antidepressive Wirkung nicht alleine erklären kann.
Chronifizierte Patienten
Attraktiv wird die neurotrophe Hypothese der Antidepressivawirkung bzw. die neurodegenerative Hypothese der Depression schon eher dann, wenn man chronifizierte Patienten betrachtet. Hier ist eher vorstellbar, dass es unter den langen Phasen der depressiven Erkrankung verbunden mit der hohen Kortisolbelastung, ggf. zu neurodegenerativen Veränderungen in bestimmten Hirnstrukturen kommt; sie beeinflussen vielleicht weniger direkt kausal die depressive Symptomatik, können aber möglicherweise kognitive Beeinträchtigungen bzw. im Sinne einer Vulnerabilitätsnarbe das rezidivierende Krankheitsbild der Depression im Zusammenhang mit anderen Faktoren erklären. Dass hier eine chronische Therapie mit einer Aktivierung von Wachstumsfaktoren ggf. sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Spannend wird diese Anschauung auch dadurch, dass das bewährteste Phasenprophylaktikum Lithium, aber auch andere Phasenprophylaktika wie z. B. Valproinsäure nicht nur auf der Ebene der intrazellulären Signalmoleküle wirken, sondern auch eine sehr deutliche und schon in therapeutischen Konzentrationen nachweisbare neuroprotektive Wirkung aufweisen (Manji et al. 2000). Damit kann man spekulativ die neurodegenerative Hypothese der Depression und die neuroprotektive Wirkung von Antidepressiva bevorzugt mit chronischen Krankheitsverläufen und eher mit der rezidivprophylaktischen Wirkung als mit der akut antidepressiven Wirkung in Verbindung bringen. Wie weit sich dies allerdings in den nächsten Jahren bestätigen lässt, bleibt abzuwarten.

Verhaltenspharmakologische Wirkungen der Antidepressiva

Ebenso wie die chemische Struktur sind auch die pharmakologischen Eigenschaften der als Antidepressiva eingesetzten Präparate recht unterschiedlich. Das Grundproblem der Forschung in diesem Bereich ist das Fehlen eines adäquaten Tiermodells der Depression. Nach rund 30 Jahren Forschungsarbeit werden zur Beurteilung der Antidepressivaeigenschaften hauptsächlich die folgenden Tiermodelle herangezogen (Willner 1984). Diese sind allerdings nur z. T. eigentliche „Tiermodelle der Depression“, während andere an den pharmakologischen Eigenschaften der Trizyklika orientiert sind und primär deren NA- bzw. serotoninverstärkenden Effekte erfassen.
Spontanverhalten
Antidepressiva, insbesondere Trizyklika, hemmen das Spontanverhalten bei Tieren, und sie zeigen in mittleren und höheren Dosen zentral dämpfende Effekte. Damit prüft dieses Modell die sedierenden, nicht aber die antidepressiven Eigenschaften. Im Gegensatz zu den Neuroleptika, die ähnliche Wirkungen hervorrufen, bewirken Antidepressiva aber nach zunehmenden Dosen eine geringe bis starke Steigerung der Erregbarkeit.
Reserpinantagonismus
Antidepressiva, insbesondere Trizyklika, heben die durch Reserpin ausgelösten Wirkungen (psychomotorische Hemmung, verminderte autonome Reaktionen) auf.
Potenzierung verschiedener Katecholaminwirkungen
Trizyklische Antidepressiva verstärken (wahrscheinlich durch die Hemmung der Rückresorption von Noradrenalin und die dadurch bedingte Konzentrationssteigerung von Noradrenalin am Rezeptor) die durch diesen Transmitter bedingten Blutdrucksteigerungen.
Separationsmodell
Werden Jungtiere sozial isoliert (Trennung von Elterntieren), so kommt es nach einiger Zeit zu erheblichen Aktivitätsverlusten und deutlichen Veränderungen der Körperhaltung. Diese Verhaltensweisen werden durch Antidepressiva aufgehoben. Allerdings ist dieses Modell nicht spezifisch, da ähnliche Wirkungen auch durch Alkohol, Benzodiazepine und Opiate erzielt werden können.
Behavioral Despair Test
In diesem „Schwimmtest“ wird ermittelt, wie lange die Tiere nach Eintauchen in einen kleinen wassergefüllten Behälter schwimmen, bevor sie eine immobile Haltung einnehmen. Antidepressiva verlängern die Schwimmphase, allerdings wird dies auch durch Antihistaminika und Anticholinergika erreicht.
Chronischer Stresstest
In diesem Versuch werden Ratten längere Zeit chronischem Stress (Nahrungskarenz, elektrische Schläge, Isolation, Eintauchen in kaltes Wasser) ausgesetzt. Das dadurch verminderte Explorationsverhalten wird durch Antidepressiva, insbesondere Trizyklika, wieder gesteigert.
Learned Helplessness Test
In diesem Test erlernen die Tiere durch für sie unvermeidbare Stimuli eine „Hilflosigkeit“, die sie auch nach Wegfall der Versuchssituation nicht mehr befähigt, Aufgaben durch eigene Verhaltensreaktionen zu beeinflussen. Diese Hilflosigkeit wird durch Antidepressiva, nicht aber durch Neuroleptika und Tranquilizer aufgehoben.
Bulbektomierte Ratten
Ratten zeigen nach operativer Entfernung des Bulbus olfactorius verschiedene Verhaltensänderungen, die depressionsähnlich sind und durch Antidepressiva korrigiert werden können.
Fazit
Keines dieser Modelle ist für sich alleine ausreichend, eine antidepressive Wirkung am Menschen sicher vorauszusagen. Die Trefferquote lässt sich aber durch eine Kombination mit verschiedenen der erwähnten Tests erheblich steigern, die alle eine gewisse „Depressionsanalogie“ zeigen. Allerdings ist es bis heute mit all diesen Modellen noch nicht gelungen, Substanzen zu entwickeln, die über die übliche ca. 70 %ige Responderquote bei initialer Anwendung hinauskommen.

Psychopharmakologische Grundlagen von Lithium und anderen Phasenprophylaktika bzw. Mood Stabilizer

Biochemische Wirkungsmechanismen

Lithiumionen sind natürlicherweise im Organismus vorhanden, jedoch in wesentlich niedrigeren Konzentrationen als die ähnlichen Alkalimetallionen Natrium und Kalium. Die Lithiumkonzentrationen im Serum liegen unter Behandlung etwa 250-mal so hoch wie im unbehandelten Zustand.
Es wird angenommen, dass die Lithiumionen in Konkurrenz zu den anderen Alkalimetallionen treten und dann sekundär die intrazelluläre Kalziumhomöostase modulieren. Darüber hinaus beeinflusst Lithium verschiedene Mechanismen der Signaltransduktion (Tab. 10). Von diesen wird die Hemmung der Inositolphosphathydrolyse als sekundärer Transmitter der Phospholipase-C-Stimulation und die danach auftretende relative zentrale Inositolverarmung als besonders wichtig angesehen. Als alternativer Mechanismus, besonders auch im Hinblick auf relativ gut belegte neuroprotektive Effekte von Lithium, gilt die Hemmung der Glykogen-Synthase-Kinase-3β (Gsk3β), die neben anderen Kinasen von Lithium im oberen therapeutischen Bereich gehemmt wird (Manji et al. 2000; Lenox und Manji 2005; Chuang und Priller 2006). Eine Vielzahl von experimentellen Befunden gibt weiterhin Anlass zu der Annahme, dass Lithium Einfluss auf die Empfindlichkeit verschiedener Rezeptoren hat und beispielsweise die Entwicklung von Supersensitivität bei den DA- und Muskarinrezeptoren verhindern kann (Jope und Williams 1994).
Tab. 10
Biochemische Effekte von Lithium und Carbamazepin, die als potenzielle Wirkungsmechanismen diskutiert werden. (Nach Keck und McElroy 2005)
Wirkstoff
Effekte
Konzentration
Lithium
Plasmakonzentrationsbereich: 0,5–1,5 mmol/l
Hemmung der Inositolmonophosphathydrolyse
EC50: 0,5 mmol/l
Hemmung der Adenylatzyklase
EC: 1 mmol/l
Hemmung der Guanylatzyklase
Biphasischer Konzentrationsbereich: 0,2–10 mmol/l
Hemmung der GTP-Bindung an G-Proteinen
Konzentrationsbereich: 0,6–1,0 mmol/l
Carbamazepin
Plasmakonzentrationsbereich: 10–30 μmol/l
Hemmung der Adenylatzyklase
Signifikanter Effekt ab Konzentrationen > 100 μmol/l
Antagonismus am Adenosin-A1-Rezeptor
Ki = 20 μmol/l
Hemmung der GTP-Bindung an G-Proteinen
Konzentration: 1 mmol/l
Hemmung der Membranpermeabilität für Natrium-, Kalium- und Kalziumionen
Konzentrationsbereich: 30–500 μmol/l
Hemmung der Guanylatzyklase
EC50: 13 μmol/l
EC 50 halbmaximale Wirkkonzentration; K i Dissoziationskonstante des Inhibitors
Trotz oder vielleicht auch wegen der Vielzahl biochemischer Effekte des Lithiums lässt sich keine endgültige Aussage über den Wirkungsmechanismus in der Rezidivprophylaxe affektiver Psychosen formulieren.
Carbamazepin
Auch Carbamazepin bewirkt eine Vielzahl biochemischer Veränderungen im Organismus (Abb. 16; Tab. 10), ohne dass sich aus diesen Effekten eine allgemein akzeptierte Theorie für die antimanische oder prophylaktische Wirksamkeit bilden lässt (Keck und McElroy 2005). Während man der Hemmung von Natriumkanälen die größte Bedeutung für die antiepileptischen Eigenschaften zuspricht, kommen den zusätzlich Effekten (z. B. Tab. 10) möglicherweise eine größere Rolle bei der phasenstabilisierenden Wirkung zu. Oxcarbazepin wirkt ähnlich.
Valproinsäure
Der Wirkungsmechanismus von Valproinsäure ist auch nicht sicher bekannt. Die Substanz verstärkt über mehrere Effekte die Funktion des inhibitorischen Neurotransmitters GABA (verstärkte Synthese, verlangsamter Abbau; Abb. 16). Darüber hinaus wirkt Valproinsäure aktivierend auf Kaliumkanäle und wahrscheinlich hemmend auf Natriumkanäle (Keck und McElroy 2005). Neuroprotektive Eigenschaften der Valproinsäure hat man in den letzten Jahren auch mit einer Hemmung der Histondeazetylase in Verbindung gebracht (Berton und Nestler 2006).
Lamotrigin, Gabapentin, Pregabalin
Die pharmakologischen Angriffspunkte der auch in der psychiatrischen Pharmakotherapie verwendeten Antiepileptika Lamotrigin, Gabapentin und Pregabalin sind in Abb. 16 schematisch dargestellt. Lamotrigin scheint besonders über eine Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle die neuronale Erregbarkeit zu senken, wobei möglicherweise ein Angriff an präsynaptischen glutamatergen Nervenendigungen eine besondere Rolle spielt, sodass die erregende glutamaterge Neurotransmission reduziert wird. Während Gabapentin noch ein breiteres Wirkungsspektrum zu haben scheint, scheint die neuere Substanz Pregabalin spezifisch über eine Bindung an die α2δ-Untereinheit verschiedener spannungsabhängiger Kalziumkanäle zu wirken (Sills 2006; Wedekind et al. 2005). Dieser auch bei Gabapentin weniger ausgeprägte Effekt könnte auch erklären, dass Pregabalin offensichtlich eine spezifische anxiolytische Wirkung, v. a. bei generalisierten Angsterkrankungen zeigt.

Wirkung im Tiermodell

Gemäß einer schon etwas älteren Übersicht von Smith (1986) bleibt die Spontanaktivität von Versuchstieren durch Lithium unbeeinflusst, hingegen wird die explorative Aktivität der Tiere in neuem Milieu vermindert. Auch zeigen sich Lithiumeffekte auf pharmakologisch bedingte Hyperaktivitäten und Stereotypien. Die Effekte sind jedoch nicht einheitlich, sondern variieren in Abhängigkeit von der Wahl des experimentellen Vorgehens.
Pharmakologisch induzierte Hypoaktivitäten können ebenfalls und zumindest partiell durch geringe Lithiumgaben aufgehoben, jedoch durch hohe Dosen auch verstärkt werden. Einflüsse sowohl auf Hypo- als auch auf Hyperaktivität können es verständlich machen, dass der Stoff antidepressive und antimanische Wirkungen besitzt.
Trotz der großen Anzahl der durch Lithium beeinflussten Mechanismen der Signaltransduktion scheint Lithium besonders in das serotonerge System einzugreifen. Dieser Effekt ist mit dem Effekt von Lithium auf selbst- und fremdaggressives Verhalten in Verbindung gebracht worden. Diese äußert sich auch in der Rezidivprophylaxe affektiver Psychosen, wo Lithium zu einer Reduktion von Suiziden führt.
Carbamazepin und Valproinsäure
Durch eine Vielzahl von Befunden aus Modellen zur antikonvulsiven Wirkung (u. a. „kindling“-Experimente) sind Carbamazepin und Valproinsäure als Antiepileptika pharmakologisch profiliert. Gerade die Wirksamkeit in den Kindling-Experimenten wird auch im Zusammenhang mit den rezidivprophylaktischen Wirkungen der Substanz gesehen.
Lamotrigin, Gabapentin, Pregabalin
Gemeinsame Eigenschaft dieser Substanzen ist die Senkung der Erregbarkeit zentraler Neurone als Ausdruck ihrer antiepileptischen Wirksamkeit. Wie auch schon bei Valproinsäure und Carbamazepin sind die Grundlagen ihrer Wirksamkeit als Phasenprophylaktika nicht erklärt.

Psychopharmakologische Grundlagen der Antipsychotika

Biochemische Wirkungsmechanismen

Wirkung auf das dopaminerge System

Die Wirkmechanismen der Antipsychotika sind dank intensiver Forschungsarbeiten in den letzten 30 Jahren, insbesondere wegen der Fortschritte in der Rezeptorenforschung, relativ gut aufgeklärt. Alle heute in der Therapie der Schizophrenie eingesetzten Antipsychotika greifen in das dopaminerge System ein. Der eigentliche Interventionspunkt ist dabei der prä- und postsynaptisch lokalisierte D2-Rezeptor (Abb. 15). Alle antipsychotisch wirksamen Präparate sind D2-Rezeptorantagonisten. Nur die Bindungsstärke zu diesem Rezeptor korreliert mit der klinischen Wirksamkeit (Seeman 1987; Müller 1998b; Wadenbert et al. 2001). Der gemeinsame hemmende Effekt auf die dopaminerge Neurotransmission erklärt auch, trotz aller Fortschritte bei der Therapie, gemeinsame Probleme bei den Nebenwirkungen (Stroup et al. 2006). Wieweit der Erkrankung ein dopaminerges Übergewicht zugrunde liegt, ist immer noch nicht absolut belegt (Miyamoto et al. 2003).
Diese spezifische Wirkung an D2-Rezeptoren erklärt, warum zumindest bei den klassischen Antipsychotika erwünschte (antipsychotische) und einige der unerwünschten Wirkungen – z. B. extrapyramidal-motorische Störungen (EPMS) oder Prolaktinanstieg – so eng miteinander verbunden sind. In den 3 relevanten dopaminergen Kernsystemen des menschlichen Gehirns spielen D2-Rezeptoren eine wichtige Rolle bei der postsynaptischen Signaltransduktion (Tab. 11).
Tab. 11
Die wesentlichen dopaminergen Projektionsbahnen im ZNS von Mensch und Tier
Name
Kerngebiet
Projektionsareale
Physiologische Bedeutung
Tuberoinfundibuläres System
Nucleus arcuatus des Hypothalamus
Eminentia medialis
Regulation der Prolaktinfreisetzung
Nigrostriatales System
Zona compacta der Substantia nigra (A9-Region)
Striatum (Nucleus caudatus, Putamen), Globus pallidus
Regulation der unwillkürlichen und der willkürlichen Motorik
Mesolimbisches (mesokortikales) System
Area ventrialis tegmentalis (A10-Region)
Nucleus accumbens, Mandelkern,Hippokampus, Septum, kortikale Areale (frontalis, cingularis, entorhinalis)
Regulation von Affekt und Emotion
Wirkmechanismus und Wirklatenz
Die Rezeptorblockade durch die Antipsychotika erfolgt praktisch unmittelbar nach Verabreichung. Durch die Blockade präsynaptischer Autorezeptoren und die damit verbundene deutliche Zunahme der DA-Freisetzung ist aber initial die dopaminerge Transmission eher erhöht (Tab. 12). Dies hat z. B. in den Frühdyskinesien ein klinisches Korrelat. Der Eintritt der vollen antipsychotischen Wirkung ist jedoch erst nach Tagen bis Wochen beobachtbar.
Tab. 12
Schematische Darstellungen der Antipsychotikawirkungen im Zeitverlauf der Behandlung. Effekte auf verschiedenen Ebenen (präsynaptisch, rezeptorbezogen, metabolisch, topisch und klinisch)
Zeitraum
Präsynaptische Prozesse
Postsynaptische Prozesse
Klinische Wirkungen
Erwünschte Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen
Unmittelbare Effekte
Besetzung der D2-Rezeptoren (Autorezeptoren)
Blockade der D2-Rezeptoren, jedoch unvollständig wegen erhöhten Dopaminangebots
Prolaktin im Serum vermehrt durch D2-Blockade in Hypophyse
 
Psychomotorische Dämpfung, ggf. extrapyramidale Störungen und andere Symptome (Dyskinesien)
Erhöhte Impulsfrequenz
Erhöhte DA-Synthese und Freisetzung (gesteigerter Dopamin-Turnover)
Nach Tagen bis 2 Wochen
Vermehrt DA-Metaboliten (HVA und DOPAC) im Liquor
Impulsfrequenz sinkt (Depolarisationsblock)
Dopamin-Turnover verlangsamt sich
HVA- und DOPAC-Konzentrationen im Liquor sinken ab
Wirksame D2-Blockade
  
a) Hippokampus
Antipsychotische Wirkung
 
b) Striatum
 
Frühdyskinesien, Parkinsonoid (bei vielen Patienten) und andere Symptomea
Nach längerer Zeit (frühestens 6 Monaten) bei einigen, bevorzugt älteren Patienten, auch bei Dosisreduktionen oder Absetzen
 
Im Striatum Supersensitivität der D2-Rezeptoren
Neurotoxische Effekte?
 
Spätdyskinesien (irreversibel)
aVegetative, kardiovaskuläre und sedative Symptome durch Interaktionen des Präparats mit Rezeptoren in anderen als dem dopaminergen System (Tab. 13)
Tab. 12 erläutert schematisch die Gründe für die Wirklatenz: Nach Besetzung der präsynaptischen Autorezeptoren (D2-Typ) durch Antipsychotika wird die Syntheserate des Dopamins gesteigert. Somit kann die Blockade der DA-Rezeptoren vorübergehend durch ein vermehrtes DA-Angebot an die postsynaptischen Rezeptoren kompensiert werden.
Dosierung und Wirkung
Bei unter der antipsychotischen (neuroleptischen Schwelle) liegenden Antipsychotikadosierungen bleibt die vermehrte DA-Freisetzung auch langfristig erhalten (wichtig für die Anwendung niedrigdosierter Antipsychotika als Antidepressiva). Im weiteren Verlauf bei ausreichender (neuroleptischer) Dosierungnimmt aber die Impulsfrequenz der dopaminergen Neurone ab (Depolarisationsblock), der dann zusammen mit der postsynaptischen Rezeptorblockade zur Reduktion der dopaminergen Übertragung im nigrostriatalen und im mesolimbischen dopaminergen System führt. Der verzögerte Wirkungseintritt gilt weniger für die Hypophyse, wo man schon sofort den D2-Antagonismus funktionell über den Prolaktinanstieg nachweisen kann.
Nach Langzeittherapie mit Antipsychotika kann es weiterhin zu Spätdyskinesien kommen, deren Mechanismus auch heute noch nicht sicher geklärt ist.
Die bisherigen Betrachtungen zeigen, warum es bei den klassischen Antipsychotika nicht gelungen ist, die erwünschten von den mit dem gleichen Wirkungsmechanismus (D2-Blockade) assoziierten unerwünschten Wirkungen (EPMS, Spätdyskinesien, Prolaktinanstieg) zu differenzieren. Dies gelang erst mit den sog. „atypischen“ Substanzen (Abschn. 6.2).

Wirkung auf andere Transmittersysteme

Auch die klassischen Antipsychotika unterscheiden sich erheblich in ihren zusätzlichen antagonistischen Eigenschaften an einer Reihe verschiedener Rezeptorsysteme. Diese zusätzlichen Eigenschaften sind wahrscheinlich für die eigentlichen antipsychotischen Eigenschaften nicht relevant, erklären aber ähnlich wie bei den Antidepressiva sehr stark die Profile der unerwünschten Wirkungen der einzelnen Substanzen, die auch innerhalb der klassischen Antipsychotika erheblich schwanken.

Wirkungsmechanismus der atypischen Antipsychotika

Da die Blockade zentraler D2-Rezeptoren zur antipsychotischen Wirkung und zu extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen führt, wurde über Jahre das Dogma vertreten, dass therapeutische und unerwünschte Nebenwirkungen von Neuroleptika unabdingbar miteinander verknüpft seien. Das einzige Neuroleptikum, dessen Wirkprofil sich nicht mit dieser Annahme vereinbaren ließ, war Clozapin, das kaum extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen induziert und keinen oder nur einen geringen Anstieg des Prolaktinspiegels. Dennoch verfügt Clozapin über eine gute antipsychotische Wirksamkeit, die pharmakologisch vermutlich ebenfalls im Wesentlichen in einer Blockade von D2-Rezeptoren begründet ist (Seeman 1987).

Begriffsbestimmung

Clozapin wurde durch die genannten, nicht hypothesenkonformen (atypischen) Eigenschaften zum Prototyp der „atypischen Antipsychotika“. Dieser Begriff wurde unkritisch auf andere Substanzen übertragen. Im Gegensatz zum Begriff „klassische Neuroleptika“ ist er nicht klar definiert und beinhaltet heute Substanzen, die sich pharmakologisch und klinisch nicht nur von den klassischen Antipsychotika (Tab. 12), sondern auch untereinander unterscheiden (Müller 1998a).

Klinische Eigenschaften

Das einzige Kriterium, das sicher auf alle sog. atypischen Substanzen zutrifft, ist die Eigenschaft, keine oder weniger extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen hervorzurufen als klassische Neuroleptika. Ein wichtiges Korrelat dieser klinischen Eigenschaft im Tierexperiment ist der Befund, dass man mit atypischen Substanzen praktisch keine Katalepsie auslösen kann (Clozapin) oder dass zur Auslösung einer Katalepsie wesentlich höhere Dosen (im Vergleich zu anderen antidopaminergen Effekten) benötigt werden (Abb. 19).

Diskutierte Wirkmechanismen

Grundlegend kann also die antipsychotische Wirkung sowohl der klassischen als auch der atypischen Substanzen über die Blockade von DA-D2-Rezeptoren erklärt werden. Die heute diskutierten Hypothesen zur Erklärung atypischer Eigenschaften beruhen daher meist auf der Annahme von „D2-Blockade plus zusätzliche Eigenschaft“. Eine gewisse Ausnahme ist die präferenzielle mesolimbische D2-Bindung einiger Substanzen.
Gemeinsame Blockade von D2- und Muskarinrezeptoren
Die älteste Hypothese, wie atypische neuroleptische Eigenschaften erklärt werden könnten, geht von der Tatsache aus, dass Clozapin selbst sehr stark anticholinerge Eigenschaften hat und praktisch die Anticholinergikazugabe mit dem Clozapinmolekül verbunden ist. Gegen diese Hypothese spricht, dass Spätdyskinesien unter Clozapin kaum vorkommen, dieses schwerwiegende Risiko dagegen unter einer Therapie mit klassischen Neuroleptika nicht durch die Zugabe von Anticholinergika vermindert werden kann.
Gemeinsame Blockade von DA-D1- und DA-D2-Rezeptoren
Ausgehend von dem Befund, dass Clozapin in etwa gleich stark an den D1-Rezeptor wie an den D2-Rezeptor bindet, hat man vermutet, dass aufgrund der parallelen Blockade der beiden dopaminergen Rezeptoren durch Clozapin, weniger D2-Rezeptoren für eine ausreichende antipsychotische Wirksamkeit besetzt werden müssen. Diese Hypothese ist allerdings nicht unumstritten, da das eher klassische Neuroleptikum Flupenthixol auch etwa gleich stark an den D1- wie an den D2-Rezeptor bindet.
Gemeinsame Blockade von Serotonin-5-HT2-Rezeptoren und DA-D2-Rezeptoren
Schon lange vermutet man, dass die beim Clozapin eine sehr starke Blockade von Serotonin-5-HT2-Rezeptoren bei gleichzeitiger DA-D2-Rezeptorblockade eine wichtige Rolle spielt für die relativ geringe Inzidenz von extrapyramidal-motorischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen und für die bessere Wirksamkeit bei Minussymptomatik. Ein dem Clozapin ähnliches Bindungsverhalten zeigen verschiedene andere atypische Substanzen. Gemeinsame Blockade von D2- und 5-HT2-Rezeptoren gilt heute als primärer Wirkungsmechanismus vieler atypischer Substanzen.
Präferenzielle mesolimbische Bindung
Die letzte wichtige Hypothese, atypische neuroleptische Eigenschaften zu erklären, fußt auf Beobachtungen von Clozapin und Sulpirid. Danach blockieren beide Substanzen D2-Rezeptoren in mesolimbischen Arealen schon in einem Dosisbereich, der nur zu einer geringen Blockade von D2-Rezeptoren in nigrostriatalen Arealen führt. Diese präferenzielle Bindung an mesolimbische D2-Rezeptoren (nicht nur deren präferenzielle funktionelle Blockade) geht allerdings nicht auf Besonderheiten der D2-Rezeptoren zurück, sondern ist über die relativ geringe Dopaminkonzentration erklärbar (s. unten).
Bedeutung von D3- und D4-Rezeptoren
Die erst vor einigen Jahren mit Hilfe molekularbiologischer Methoden identifizierten zur D2-Familie gehörenden D3- und D4-Rezeptoren (Sokoloff et al. 1990; van Tol et al. 1991) sind mit der Pharmakologie besonders atypischer Neuroleptika in Verbindung gebracht worden. Grund dafür war die relativ hohe Affinität von Benzamiden wie dem Sulpirid und dem Amisulprid zum D3-Rezeptor und die sehr hohe Affinität von Clozapin zum D4-Rezeptor. Da beide Rezeptoren auch besonders stark in limbischen bzw. kortikalen Arealen lokalisiert sind, hat man ihnen sehr schnell eine wichtige Rolle für die atypischen Eigenschaften zugesprochen. Weiterführende Bindungsstudien sprechen aber gegen eine besonders spezifische Bindung von Sulpirid an den D3-Rezeptor im Vergleich zu dem typischen Neuroleptikum Haloperidol. Auch die dominierende Bedeutung des D4-Rezeptors für die atypischen Eigenschaften des Clozapins muss heute in Frage gestellt werden. Am wahrscheinlichsten hat der D4-Rezeptor eine Bedeutung für die überlegene antipsychotische Wirkung von Clozapin, da diese atypische Eigenschaft bisher nur für diese Substanz gilt (Reynolds 1996; Müller 1998a, b).
Loose-Binding-Concept
Schon vor über 10 Jahren wurde aus der Arbeitsgruppe von Seeman spekuliert, dass die meisten atypischen Neuroleptika eine schwache Bindungsaffinität zum Dopamin-D2-Rezeptor aufweisen und daher leichter durch endogenes Dopamin vom Rezeptor verdrängt werden. Dies sollte besonders für das Striatum gelten, wo physiologisch sehr hohe Dopaminkonzentrationen vorliegen. Dieses Konzept wurde in den letzten Jahren wieder von der gleichen Gruppe aufgegriffen und verfeinert (Kapur und Seeman 2000, 2001). Es besagt, dass sich typische und atypische Neuroleptika im Bereich der Assoziationskonstanten, die die schnelle Bindung der Substanzen an den Dopaminrezeptor bedingen, nicht unterscheiden, dass aber die meisten atypischen Neuroleptika wieder besonders schnell vom Rezeptor dissoziieren, sich also von typischen Neuroleptika im Hinblick auf die Dissoziationskonstante unterscheiden (Abb. 20). Es ist allerdings noch nicht sicher, ob sich diese neuartige und im Prinzip sehr einfache Klassifikation durchgehend aufrechterhalten lässt, da bei weitem noch nicht alle Substanzen durchgetestet sind und es eine ganze Reihe eher niederaffiner klassischer Neuroleptika gibt, die eigentlich keine atypischen Eigenschaften haben. Andererseits könnte aber eine schnelle Dissoziation vom Dopamin-D2-Rezeptor tatsächlich bei den atypischen Eigenschaften einiger Substanzen eine Rolle spielen (z. B. Quetiapin, Clozapin) und möglicherweise auch erklären, dass diese Substanzen nur zu einer geringen Prolaktinfreisetzung aus der Hypophyse führen.
Gemeinsame Endstrecke
Allen Atypika gemein ist eine geringere Wirkung auf striatale D2-Rezeptoren im Vergleich zu D2-Rezeptoren in limbischen oder kortikalen Bereichen, die mit Ausnahme des Partialagonisten Aripiprazol auch mit einer geringeren striatalen Bindung parallel geht (Stone et al. 2009), welche sich zum Teil durch die hohe Dopaminkonzentration im Striatum erklären lässt, die um die D2-Bindung konkurriert. Dies trifft besonders bei „loose-bindern“ zu oder wenn durch 5-HT2A-Antagonismus die striatalen dopaminergen Neurone ungebremst Dopamin freisetzen (Abb. 21a, b).
Partieller D2-Agonismus
Einen anderen Weg geht die neuere Substanz Aripiprazol, die als partieller Agonist an D2-Rezeptoren wirkt (Müller 2002). Durch die immer noch vorhandene leichte Aktivierung im nigrostriatalen System bleiben EPMS als Nebenwirkung weitgehend aus, während die D2-antagonistische Komponente wahrscheinlich im mesolimbischen System für eine gute antipsychotische Wirkung ausreicht.

Wirkung im Tiermodell

Auch bei den Antipsychotika besteht das Grundproblem, dass ein adäquates Tiermodell der Schizophrenie nicht existiert. Die meisten der folgenden (klassischen) Tiermodelle werden in der experimentellen Forschung zur Beurteilung von antidopaminergen (nichtantipsychotischen) Eigenschaften herangezogen. Sie werden komplementiert durch eine Vielzahl von biochemischen In-vitro- und In-vivo-Methoden zur Erfassung antidopaminerger Eigenschaften.
Spontanverhalten
Antipsychotika bringen bei Versuchstieren das Spontanverhalten völlig zum Erliegen (Akinese), steigern den Muskeltonus (Rigor) und lassen die Tiere in meist unnatürlicher Haltung (gekrümmter Rumpf, weit abgestreckte Extremitäten) verharren (Katalepsie). Die benötigte Dosis zur Erzielung dieser Effekte gilt als Maß für die extrapyramidalen Nebeneffekte eines Neuroleptikums (Abb. 19).
Fluchtverhalten
Das konditionierte Fluchtverhalten von Tieren, z. B. das trainierte Ausweichen in die andere Käfighälfte nach Ertönen eines akustischen oder optischen Signals zur Vermeidung eines elektrischen Schlages, wird durch Antipsychotika aufgehoben und zwar in Dosen, die die Motorik noch nicht beeinflussen.
Wechselwirkungen mit DA-Agonisten
Hier werden Apomorphin, ein DA-Agonist mit gleicher Wirkung am Rezeptor wie Dopamin, und Amphetamin (setzt Dopamin frei und erhöht somit die Konzentration am DA-Rezeptor) eingesetzt. Sie erzeugen bei Nagern in niedriger Dosis zunächst eine Hypomotilität (als Ausdruck der Aktivierung von D2-Rezeptoren im mesolimbischen System) und in höheren Dosen stereotyp sich wiederholende Bewegungsabläufe („Stereotypien“ als Ausdruck der Aktivierung von D2-Rezeptoren im nigrostriatalen System). Bei anderen Tierarten kann durch Apomorphin eine Emesis, bei Mäusen eine gesteigerte Lauf- und Kletteraktivität erreicht werden. Alle diese beispielhaft genannten Wirkungen der DA-Agonisten werden durch Antipsychotika aufgehoben.

Tierexperimentelle Modelle für Atypika

Die bisherigen pharmakologischen Modelle sind im Wesentlichen auf der Basis der Eigenschaften von Chlorpromazin entwickelt worden, bilden daher primär typische Antipsychotika ab. Einige tierexperimentellen Modelle, die eine Differenzierung der Eigenschaften typischer Antipsychotika von denen atypischer Substanzen erlaubt, sind in Tab. 13 zusammengefasst.
Tab. 13
Typische tierexperimentelle Modelle zur Verhaltenstestung typischer, besonders aber atypischer Antipsychotika. (Nach Nemeroff et al. 2002)
Konditioniertes Vermeidungsverhalten: Tiere werden trainiert, eine aktive Verhaltensänderung vorzunehmen, um einen Fußschock zu vermeiden
– Antipsychotika reduzieren spezifisch das konditionierte Verhalten
Indikator für antipsychotische Wirkung
Pfotenwegziehtest
– Typische Antipsychotika beeinflussen den Wegzieh-Reflex von Vorder- und Hinterpfoten nach einem Schmerzreiz
– Atypische Substanzen beeinflussen die Stärke des Hinterpfotenreflex
Indikativ für geringe EPS
Katalepsie
– Typische Antipsychotika induzieren Katalepsie bei Dosen, die dopaminerge Verhaltensmuster antagonisieren
– Atypika benötigen sehr viel höhere Dosen
Indikativ für geringe EPS
Haloperidol-sensitivierte Affen: Tiere erhalten Haloperidol bis zum Auftreten von Dyskinesien
– Typische Antipsychotika wirken ähnlich
– Atypika bewirken weniger Dyskinesien
Indikativ für geringe EPS
Durch Apomorphin und Ketamin gehemmte Reduktion des „Startle-Reflexes“ durch ein vorgeschaltetes Signal („prepulse inhibition“)
– Atypika aber nicht Typika stellen die Reduktion des Reflexes durch ein vorgeschaltetes Signal wieder her
Modell für eingeschränkte sensomotorische Kontrolle bei Schizophrenen
Soziale Isolation bei Affen
– Besonders Atypika reduzieren die soziale Isolation von Affen nach chronischer Amphetamingabe
Modell für schizophrene Negativsymptomatik
EPS Extrapyramidal-motorische Störungen

Psychopharmakologische Grundlagen der Tranquilizer und Hypnotika

Biochemische Wirkungsmechanismen

Benzodiazepine greifen über spezifische Bindungsstellen am GABAA-Rezeptorkomplex (rezeptorgesteuerter Chloridkanal bestehend aus 5 Untereinheiten der Klassen α, β, γ) an und verstärken damit das wichtigste inhibitorische Transmittersystem GABA (γ-Aminobuttersäure) in unserem zentralen Nervensystem. Die Affinität zu den Rezeptoren ist unterschiedlich und korreliert hoch mit der pharmakologischen Potenz und den für die klinische Wirkung notwendigen Tagesdosen (Müller 1995). Die Benzodiazepinbindungsstellen bilden zusammen mit den GABA-Bindungsstellen und verschiedenen anderen regulatorischen Bindungsstellen eine komplexe strukturelle und funktionale Einheit (Abb. 22a, b). Die Benzodiazepine verstärken die postsynaptischen GABA-Effekte mit der Folge, dass die Durchlässigkeit für Chloridionen durch die Chloridionenkanäle erhöht und damit die GABAerge Hyperpolarisation des Zellinnern verstärkt wird. Damit wird die Zelle weniger empfindlich für erregende Impulse.
Auch die beiden sog. Nonbenzodiazepine Zolpidem and Zopiclon wirken über einen Angriff an der gleichen Bindungsstelle des GABA-A-Rezeptors. Aufgrund ihrer abweichenden Struktur gibt es gewisse qualitative Unterschiede. Während Zolpidem eine gewisse Selektivität für eine Unterklasse der α-Untereinheit zeigt, scheint Zopiclon partiell agonistische Eigenschaften zu haben.
Wirkung der Benzodiazepine
Praktisch alle pharmakologischen und klinischen Effekte der Benzodiazepine (Tab. 14) werden über ihren agonistischen Angriff an den „Benzodiazepinrezeptoren“ vermittelt, wobei viele Hirnareale eine Rolle spielen. Erwünschte wie unerwünschte Wirkungen können daher durch Benzodiazepinrezeptorantagonisten (Flumazenil, Anexate) sehr schnell im Sinne eines kompetitiven Antagonismus aufgehoben werden, z. B. zur schnellen Terminierung therapeutischer Effekte oder bei Überdosierungen bzw. Intoxikationen. Bei den beiden Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon steht bei niedriger Dosierung die schlafanstoßende Wirkung etwas im Vordergrund. Diese gewisse Selektivität geht aber bei höheren Dosierungen verloren, sodass auch hier UAW-Probleme wie Muskelrelaxation und ataktische Störungen auftreten (Erman 2005).
Tab. 14
Benzodiazepine: Wichtigste pharmakologische Wirkungen und therapeutische Anwendung. (Nach Haefely et al. 1983)
Pharmakologische Wirkungen
Klinische Indikationen
Anxiolyse, Antikonflikt- und Antifrustrationswirkung; Enthemmung gewisser Verhaltensformen
Angst, Phobien, Ängstliche Depression, Neurotische Hemmungen
Antikonvulsive Wirkungen
Verschiedenste Formen epileptischer Aktivität (Epilepsien, Konvulsivavergiftungen)
Dämpfung der psychischen Reaktionsbereitschaft auf Reize („Sedation“)
Hyperemotionelle Zustände Schizophrenie (?)
Schlaffördernde Wirkung
Dämpfung zentral vermittelter vegetativ nervöser und hormonaler Antworten auf emotionelle und psychische Reize
Psychosomatische Störungen (kardiovaskuläre, gastrointestinale, urogenitale, hormonelle)
Zentrale Verminderung des Skelettmuskeltonus
Somatisch bedingte und psychogene Muskelspasmen, Tetanus
Verstärkung der Wirkung von zentral dämpfenden Pharmaka; anterograde Amnesie
Anästhesiologie für chirurgische und diagnostische Eingriffe
Fehlen direkter Wirkungen außerhalb des Zentralnervensystems; ungewöhnlich geringe Toxizität
Breites Indikationsfeld wegen guter allgemeiner Verträglichkeit in therapeutischen Dosen
Antidepressiva
Antidepressiva werden als Tranquilizer häufig in sehr viel niedrigeren als den antidepressiven Dosen eingesetzt, während bei der Behandlung von spezifischen Angsterkrankungen (Panik, Zwang) eher gleiche z. T. auch über die antidepressive Dosis hinausgehende Dosierungen eingesetzt werden (besonders auch bei den SSRI). Wie weit hier andere Wirkungsmechanismen als bei der Depressionsbehandlung eine Rolle spielen, ist nicht bekannt. Im Gegensatz zur Depression, wo noradrenalinbetonte und serotoninbetonte Antidepressiva eher gleichwertig sind, scheinen bei spezifischen Angsterkrankungen (z. B. Zwang) nur serotoninbetonte Antidepressiva klinisch wirksam zu sein.
Antipsychotika
Zum Wirkungsmechanismus der als Tranquilizer eingesetzten niedrig dosierten Neuroleptika Abschn. 5.

Wirkungen der Tranquilizer im Tiermodell

Ähnlich wie bei den Antidepressiva und Neuroleptika werden auch bei den Tranquilizern bestimmte Tiermodelle eingesetzt, um das Vorhandensein bzw. die Stärke der anxiolytischen und sedierenden Wirkung zu ermitteln. Im Wesentlichen sind es folgende Modelle, die zum Screening herangezogen werden:
Konflikttest
Mit den Tieren wird trainiert, dass nach Betätigung eines Schalters eine Futterration freigesetzt wird. Ist dieses positiv verstärkte Verhalten konditioniert, werden in unregelmäßigen Intervallen nach optischer und/oder akustischer Anzeige bei Betätigung des Schalters zusätzlich zur Futterabgabe Elektroschocks verabreicht. Die Tiere geraten in eine Konfliktsituation und lernen sehr schnell, bei Wahrnehmung der Anzeige auf das Drücken des Schalters zu verzichten. Benzodiazepine erhöhen die Anzahl dieser bestraften Antworten; sie vermindern also den hemmenden Einfluss der Bestrafung auf positiv verstärktes Verhalten.
Exploratives Verhalten im Hell-Dunkel-Käfig
Setzt man Mäuse in einen Käfig mit 2 Kammern, von denen eine beleuchtet, die andere aber dunkel ist, so erreicht man durch Benzodiazepine, dass die Tiere häufiger in den hellen Bereich wechseln.
Frustrationssituationen
Reduziert man bei konditionierten Tieren die Belohnungen für ein bestimmtes Verhalten, so verlieren die Tiere zunehmend das Interesse an diesen Handlungen. In diesem Modell wird durch Benzodiazepine erreicht, dass die Tiere eine erheblich höhere Frustrationsschwelle zeigen, sie lassen sich also nicht so schnell durch das Ausbleiben einer Belohnung entmutigen.
Angst- und aggressivitäterzeugende Situationen
Hier werden die psychomotorischen und emotionalen Reaktionen auf Schrecksituationen bzw. angst- und aggressivitäterzeugende Reize gemessen. Benzodiazepine dämpfen diese Reaktionen, was als sedierende Wirkung interpretiert werden kann.
Weitere Modelle
Daneben werden noch zahlreiche andere Modelle angewendet, die entweder auch Hinweise auf anxiolytische Effekte oder auf Schlafinduktion, Muskelrelaxation und Erhöhung der Krampfschwelle geben.
Pregabalin als Anxiolytikum
Pregabalin wird in jüngerer Zeit auch zur Behandlung von Angsterkrankungen, besonders generalisierter Angst eingesetzt. Als spezifischer Wirkungsmechanismus gilt eine Hemmung verschiedener spannungsabhängiger Kalziumkanäle über eine ihnen gemeinsame Untereinheit vom α2δ-Typ.

Psychopharmakologische Grundlagen der Antidementiva

Zur Behandlung neurodegenerativer (Alzheimer) und vaskulärer Demenzen stehen verschiedene neuere und ältere Antidementiva zur Verfügung (Tab. 15). Ihnen gemeinsam ist das therapeutische Ziel, bei Patienten mit neurodegenerativer bzw. vaskulärer Demenz eine Verbesserung – besonders im Bereich von Kognition (Gedächtnis, Lernfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit) – zu erreichen, wenn möglich in einem Maß, dass die Alltagskompetenz verbessert wird. Zur Belegung dieses therapeutischen Anspruches werden heute aufwendige klinische Studien gefordert, die mindestens in 2 von 3 Bereichen eine der Plazebotherapie überlegene Effektivität aufweisen müssen (kognitive Leistungsfähigkeit, globales ärztliches Urteil, Alltagskompetenz). Diese, durch die Zulassungsbehörden definierten Kriterien werden von den einzelnen Antidementiva etwas unterschiedlich erfüllt, allerdings haben alle in Tab. 15 gelisteten Substanzen eine Zulassung bzw. eine Nachzulassung für neurodegenerative und/oder vaskuläre Demenzen bzw. Hirnleistungsstörungen im Alter (was die frühere Indikation dieser Substanzen war). Damit ist den aktuellen Anforderungen nach zwangsläufig die Datenlage für die Azetylcholinesterasehemmstoffe und Memantin besser als für die älteren Substanzen wie Nimodipin und Piracetam. Ginkgo-biloba-Extrakt ist die einzige der älteren Substanzen für die mehrere positive Studien entsprechend den modernen Prüfungskriterien vorliegen. Im Zeitalter der evidenzbasierten Bewertungen schneiden daher bei vielen Einschätzungen die älteren Substanzen schlechter ab. Kritisch anmerken sollte man allerdings hier, dass schlechtere wissenschaftliche Datenlagen entsprechend modernerer Prüfungskriterien nicht zwangsläufig schlechtere Wirksamkeit bedeuten muss. Daher gibt es auch viele Stimmen, die die älteren Substanzen auch weiterhin für eine Bereicherung des therapeutischen Repertoires bei Demenzen halten.
Tab. 15
Die wichtigsten derzeit in Deutschland eingesetzten Antidementiva
Wirkstoff
Handelsname
Wirkungsmechanismus
Donepezil
Aricept
Azetylcholinesteraseinhibitor
Galanthamin
Reminyl
Azetylcholinesteraseinhibitor
Rivastigmin
Exelon
Azetylcholinesteraseinhibitor
Memantin
Ebixa, Axura
NMDA-Antagonist
Nimodipin
Nimotop
Ca2+-Antagonist
Piracetam
Nootrop
Mitochondrialer Schutz
Ginkgo-biloba-Extrakt, EGb761
Tebonin
Mitochondrialer Schutz, Radikalfänger
Azetylcholinesterasehemmer
Die heute wichtigsten Substanzen zur Behandlung der Alzheimer-Demenz (Donepezil, Rivastigmin, Galanthamin) sind Hemmer des Enzyms Azetylcholinesterase, das den Abbau des Neurotransmitters Azetylcholin im Gehirn aber auch an peripheren Synapsen vermittelt (Abb. 23). Sie sollen damit einen spezifischen Verlust bestimmter cholinerger Nervenzellen im Nucleus basalis im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung ausgleichen, die spezifisch in die Steuerung kognitiver Funktionen involviert sind. Die therapeutischen Möglichkeiten bleiben trotzdem hinter den Erwartungen zurück, weil im Rahmen einer neurodegenerativen Demenz zwar diese cholinergen Neurone überproportional stark zugrunde gehen, aber auch viele andere Neurone und Neurotransmittersysteme vom neurodegenerativen Prozess betroffen sind. Azetylcholinesterasehemmer sind darüber hinaus nicht spezifisch für die Alzheimer-Demenz, da sie auch kognitive Leistungsverbesserungen bei Patienten mit vaskulärer Demenz und altersassoziierter Gedächtnisstörung (MCI) zeigen.
Die Substanzklasse der Azetylcholinesterasehemmstoffe zeigt spezifische UAW-Probleme (besondere Vorsicht ist geboten bei der Anwendung an Patienten mit Magen-Darm-Ulzera, asthmatischen Erkrankungen und Herzrhythmusstörungen) mit besonders häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen, die bei einem deutlichen Teil der Patienten die notwendige Langzeitbehandlung erschweren.
Ginkgo-biloba-Extrakt und Piracetam
Standardisierter Ginkgo-Extrakt ist durch die darin enthaltenen Flavonoide ein recht guter Radikalfänger, während das klassische Nootropikum Piracetam die Fließeigenschaften des Blutes durch Formveränderungen der Blutzellen positiv beeinflusst. Beiden Substanzen gemeinsam ist eine Verbesserung der mitochondrialen Funktion und damit der Bereitstellung von ATP nach Schädigungen, wie sie im Rahmen des Alterungsprozesses und auch bei Demenzen auftreten (Eckert et al. 2005; Keil et al. 2006a). Damit verbunden ist eine verbesserte zerebrale Leistungsfähigkeit, besonders im Bereich kognitiver Funktionen. Darüber hinaus können beide Substanzen, besonders aber EGb761, wahrscheinlich auch über eine Verbesserung der mitochondrialen Funktion neurodegenerative Veränderungen über eine antiapoptotische Wirkung verbessern. Außerdemzeigt EGb761 sehr deutliche Effekte auf die im Alter bzw. bei Demenz gestörte synaptische Plastizität.
Memantine
Memantin ist ein Antagonist an zentralen Glutamatrezeptoren vom N-Methyl-D-Aspartat-Typ (NMDA; Müller et al. 1995). Nach aktuellen Vorstellungen soll Memantin als mittelstarker Antagonist eine durch eine leicht erhöhte synaptische Glutamatkonzentration bedingte Grundstimulation hemmen, nicht aber die massive Stimulation nach synaptischer Aktivierung, die z. B. für kognitive Funktionen wichtig ist. Über diesen Mechanismus könnten die akuten leistungsverbessernden und möglicherweise auch längerfristig protektiven Wirkungen dieser Substanz erklärt werden, die sich nach neueren Daten besonders auch in einer Verbesserung der mitochondrialen Funktionen niederschlagen.
Nimodipin
Nimodipin ist ein Antagonist von spannungsabhängigen Kalziumkanälen (L-Typ) ähnlich den peripher angreifenden Substanzen Verapamil und besonders Nifedipin. Die ursprüngliche These, dass Nimodipin das ZNS vor einer Überladung mit freiem intrazellulärem Kalzium [Ca2+]i schützt, ist wahrscheinlich eine Vereinfachung (Müller et al. 1996). Möglicherweise schützt Nimodipin das alternde ZNS weniger vor einer Überladung mit [Ca2+]i als vor einer erhöhten Empfindlichkeit gegen [Ca2+]i. Darüber hinaus scheint Nimodipin eher bei vaskulären als bei neurodegenerativen Demenzen wirksam zu sein.

Entwicklung neuer Therapiekonzepte

Bei der Alzheimer-Demenz ist eine Beseitigung der Ursachen oder eine Prophylaxe derzeit nicht möglich. Oberstes Ziel der Grundlagenforschung ist es demnach, nach Mechanismen zu suchen, die am neurodegenerativen Prozess beteiligt sind und somit „Targets“ für neue Interventionsstrategien darstellen. Hier hat man endlich die an β-Amyloid-haltigen Plaques orientierte ältere β-Amyloid-Kaskaden-Hypothese dahingehend modifiziert, dass für den degenerativen Prozess eher kleine und lösliche oligomere β-Amyloid-Aggregate verantwortlich sind und initial zu einer Störung der Synapsen- und Mitochondrienfunktion führen (Haass und Selkoe 2007; Hauptmann et al. 2006; Keil et al. 2006b). Die zentrale Rolle der Schädigung der Mitochondrien in der Pathogenese der Alzheimer-Demenz mündete in die „mitochondriale Alzheimer-Kaskadenhypothese“ (Swerdlow et al. 2010).
Basierend auf der β-Amyloid-(Aβ-)Hypothese der Alzheimer-Krankheit bestehen viele Forschungsansätze darin, eine Aβ-bezogene Therapie zu entwickeln. So könnte die Entstehung des Aβ-Proteins einerseits durch eine Reduktion der Syntheserate des Vorläuferproteins APP (Amyloid-Precursor-Protein) und andererseits durch eine Reduktion der Umwandlungsrate des APP in das Aβ-Protein verlangsamt werden. Letzteres kann über die Beeinflussung der an der APP-Prozessierung beteiligten Sekretasen, die zur Bildung von Aβ führen (β- und γ-Sekretase), umgesetzt werden. Neben der Produktion des Aβ-Proteins erscheint es auch sinnvoll, den Degradations- und Abbauweg von Aβ zu beeinflussen, der den Lebenszyklus des Aβ vervollständigt. Deshalb wird auch die Entwicklung von Substanzen, die die Aggregation von Aβ zu dessen Plaques verhindern, als vielversprechend angesehen. Klinische Wertungen dieser Ansätze zeigen allerdings, dass bis heute sich noch keine Substanzklasse abzeichnet als nächste Generation therapeutisch einsetzbarer Antidementiva (Schüssel und Müller 2007; Mattson 2004). Im Gegenteil, alle bisherigen Hoffnungen haben einen herben Rückschlag erhalten, da für verschiedene Aβ-gerichtete Entwicklungssubstanzen (Aggregationshemmung, γ-Sekretase-Hemmung, aktive und passive Immunisierung) die ersten klinischen Daten negativ waren (Gura 2008). In 2015 hatten zuletzt die gegen Aβ-gerichteten Antikörper Solanezumab und Bapineuzumab enttäuscht. Beide konnten in Phase-3-Studien an jeweils mehr als 1.000 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung das Fortschreiten der Demenz (in den kognitiven Skalen ADAS-cog und ADCS-ADL beziehungsweise DAD) nicht verlangsamen. Aufgrund des Scheiterns aller bisherigen pharmakologischen Ansätze, die Produktion/Ablagerung von Aβ zu verhindern, scheint die Suche nach neuen und alternativen Strategien besonders wichtig zu sein. Bislang weniger beachtete Aspekte sind z. B. die Stabilisierung von Mitochondrien zur Aufrechterhaltung des Energiehaushaltes der Neurone, Anti-Tau-Protein gerichtete Ansätze und neuroprotektiv wirkende Neurosteroidanaloga.
Es ist zu hoffen, dass es mit der Entwicklung neuartiger Substanzen in den nächsten Jahren gelingen wird, den neuronalen Zelltod bei Demenzpatienten wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest verlangsamen zu können.

Psychopharmakologische Grundlagen der Psychostimulanzien

Zur Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommen hauptsächlich die beiden Stimulanzien Methylphenidat und Amphetamin und der neuere Noradrenalinwiederaufnahmehemmer Atomoxetin zum Einsatz (Rappley 2005). Während das am meiste eingesetzte Methylphenidat die neuronale Aufnahme von Dopamin stärker als von Noradrenalin hemmt, ist Atomoxetin ein selektiver Noradrenalinwiederaufnahmehemmstoff (Tab. 16). Dass unter Atomoxetin trotzdem das für die Aufmerksamkeit wichtige präfrontale dopaminerge System beeinflusst wird, liegt an der physiologischen Besonderheit, dass im präfrontalen Kortex praktisch keine Dopamintransporter vorhanden sind, sodass die Inaktivierung freigesetzten Dopamins vom Noradrenalintransporter vermittelt wird. Daher wird dieses System auch unter Atomoxetin ähnlich wie durch Metylphenidat beeinflusst. Während Amphetamin selbst in der Behandlung von ADHS bei uns nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, führt die Gleichstellung beider Substanzen im Hinblick auf das mögliche Abhängigkeitsrisiko immer wieder zu einer Verunsicherung von Arzt und Patient. Hier lassen sich allerdings beide Substanzen sowohl von der klinischen Erfahrung (unter der Therapie mit Methylphenidat kommen Abhängigkeitsentwicklungen so gut wie gar nicht vor) als auch von der Pharmakologie im Hinblick auf Abhängigkeitsentwicklungen klar abgrenzen. Während Methylphenidat nur den Dopamin- und Noradrenalintransporter hemmt und damit eine Verstärkung der jeweiligen Neurotransmission abhängig von der neuronalen Entladungsfrequenz bewirkt, hemmt Amphetamin zum einen den Noradrenalintransporter stärker als den Dopamintransporter, führt aber auch zu einer Blockade der vesikulären Aufnahme beider Neurotransmitter verbunden mit einer vermehrten Freisetzung und damit einer auch dopaminergen Stimulation unabhängig von der neuronalen Entladungsfrequenz (Abb. 15). Dies bedeutet, dass im direkten Vergleich das Abhängigkeitspotenzial von Methylphenidat auch im Experiment deutlich geringer ist als bei Amphetamin (Fone und Nutt 2005).
Tab. 16
Angriffspunkte der aktuellen ADHS-Therapeutika an zentralen monoaminergen Synapsen. (Nach Fone und Nutt 2005)
Wirkstoff
Halbmaximale Hemmkonstantenkonzentration in vitro in nmol/l
DAT
NET
SERT
VMAT
d-Amphetamin
400
59
>1000
2100
Methylphenidat
34
339
>10000
Atomoxetin
1450
5
77
Dargestellt sind halbmaximale Hemmkonstanten (in vitro; nmol/l) für den neuronalen Dopamintransporter (DAT), den neuronalen Noradrenalintransporter (NET), den neuronalen Serotonintransporter (SERT) und den zentralen vesikulären Transporter VMAT

Psychopharmakologische Grundlagen von Entzugs- und Entwöhnungsmitteln (Anti-Craving-Substanzen)

Neben der medikamentösen Therapie des Alkohol- bzw. Nikotinentzugs (Kap. Störungen durch Alkohol, Kap. Tabakabhängigkeit und Kap. Notfallpsychiatrie) stehen auch einige medikamentöse Therapien zur Verfügung, um das Verlangen nach Alkohol bzw. Nikotin zu senken (sog. Anti-Craving-Substanzen; Garbutt et al. 1999; O’Brain 2005; Müller 2013).
Disulfiram
Zur Unterdrückung des Verlangens nach Alkohol steht schon seit Jahrzehnten die Substanz Disulfiram zur Verfügung. Disulfiram ist ein irreversibler Inhibitor der Aldehyddehydrogenase, sodass bei Behandlung mit Disulfiram und gleichzeitiger Alkoholeinnahme Azetaldehyd im Organismus kumuliert und zu sehr unangenehmen, primär vegetativen Effekten führt, die den Patienten von einer weiteren Einnahme von Alkohol abhalten sollen. Leider wird häufig das Disulfiram nicht weiter eingenommen, sodass die Wirksamkeit begrenzt ist, wenn die Substanz in den letzten Jahren auch bei hoch motivierten Patienten eine gewisse Renaissance gefunden hat (Mutschler et al. 2008).
Acamprosat
Acamprosat gilt als klassische Anti-Craving-Substanz, die über einen Eingriff in das Belohnungssystem, den Wunsch zu Alkoholeinnahme unterdrückt und in klinischen Untersuchungen einen gewissen Rückfallschutz und eine Senkung der Trinkrate gezeigt hat. Acamprosat wirkt als Antagonist an verschiedenen Glutamatrezeptoren besonders vom NMDA- und an Kainat-Typ. Über diese Mechanismen wird letztlich auch unter Einschaltung GABA-erger Interneurone das Belohnungssystem im Sinne einer Anti-Craving-Wirkung beeinflusst.
Naltrexon
Die 2. zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit eingesetzte Anti-Craving-Substanz ist Naltrexon, das wahrscheinlich als spezifischer Antagonist an Opiatrezeptoren vom μ-Typ wirkt und dabei auch bei Alkoholabhängigen die über endogene Opioide vermittelte Aktivierung von μ-Rezeptoren im Rahmen des normalen Belohnungssystems reduziert. Auch für Naltrexon sind eine Reduktion der Trinkmenge und eine Erhöhung der Abstinenzrate berichtet. Eine Kombination von Acamprosat und Naltrexon scheint den therapeutischen Effekt zu verstärken (Kap. Störungen durch Alkohol).
Nalmefen
Mit Nalmefen steht ein weiterer Optiatantagonist zur Verfügung, zugelassen als einzige Substanz für die Reduktion der Trinkmenge. Der Hauptunterschied zu Naltrexon sind partial agonistische Effekte am k-Opioidrezeptor (Müller 2013).
Weitere Substanzen
Neben direkter Nikotinsubstitution (z. B. in Form von Nikotin-Kaugummi) werden zur unterstützenden Behandlung im Sinne einer Reduktion des Rauchverlangens das bei uns inzwischen auch als Antidepressivum zugelassene Buproprion eingesetzt, ein Noradrenalin- und Dopaminwiederaufnahmehemmer. Daneben steht seit einigen Jahren mit der Substanz Vareniclin ein partieller Nikotinrezeptoragonist zur Verfügung (Rollema et al. 2007). Beide Substanzen scheinen eine gesicherte, wenn auch bescheidene Wirkung in der Reduktion des Rauchverlangens zu zeigen (Kap. Tabakabhängigkeit).

Weiterführende Lehrbücher und Nachschlagewerke

Der interessierte Leser, der sich auf dem Gebiet der pharmakologischen Grundlagen der Anwendung von Psychopharmaka weiterbilden möchte, sei auf die Lehrbücher von Benkert und Hippius (2015), Laux und Dietmaier (2012) und Holsboer et al. (2008) hingewiesen, sowie auf das 6-bändige Standardwerk über Neuropsychopharmaka (Riederer et al. 2002–2010). Eine sehr gute Zusammenfassung bieten auch die beiden Handbücher der American Psychiatric Association (Perry et al. 1997; Schatzberg et al. 2010) und das große LehrbuchTextbook of Psychopharmacology(Schatzberg und Nemeroff 2005). Gute Einführungen in die Neurochemie bieten das Handbuch von Cooper et al. (1996) und das Buch Klinische Neurobiologie (Herdegen et al. 1997).
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