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Psychotherapie – eine Übersicht

Verfasst von: Sabine C. Herpertz und Burkhard Matzke
Dank intensiver Psychotherapieevaluationsforschung in den letzten zwei Dekaden ist heute eindeutig belegt, dass Psychotherapie in der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen wirksam ist und auch bei der Behandlung von chronischen somatischen Erkrankungen eine bedeutende Rolle spielt, u. a. bei Diabetes mellitus oder Asthma bronchiale. In randomisierten Studien wird − in Effektstärken ausgedrückt − eine durchschnittliche Wirkung von rund 0,80 belegt, d. h. dass rund 65% der Patienten mit deutlichem Erfolg behandelt werden und 50% nach der Therapie in einem psychopathologisch unauffälligen Bereich liegen (Smith et al. 1980; Caspar et al. 2008). Die Bedeutung von Psychotherapie in der Patientenversorgung kann daher als unbestreitbar gelten. Doch was meint „Psychotherapie“ eigentlich? Die Geschichte der Psychotherapie lässt sich als eine Ideengeschichte von Segregations- und Integrationsprozessen darstellen. Die psychodynamischen, verhaltenstherapeutischen, systemischen und humanistischen Psychotherapien beeinflussten sich in ihrer Entstehung und Fortentwicklung maßgeblich. Ein grundlegender Motor für die vielfältigen Entwicklungen, mehr als theoriegeleitete Fortentwicklungen, stellen die Fragen und Anforderungen aus der klinischen Praxis dar, die in den letzten Dekaden einen immer intensiveren Entwicklungs- und Integrationsprozess vorangetrieben haben. Ein genaueres metatheoretisches Verständnis von Integrationsprozessen erscheint notwendig, um die vordergründige Vielfalt der sich entwickelnden Psychotherapiemethoden in eine Ordnung setzen zu können. Diese Ordnung stellt für die Gestaltung der psychotherapeutischen Praxis, der Psychotherapieforschung als auch der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung eine zentrale Voraussetzung dar. Mit dem Ansatz der modularen Psychotherapie findet sich ein neuer metatheoretischer Ansatz, auch die rasant wachsenden neuropsychologischen und neurobiologischen Erkenntnisse unmittelbar in die Weiterentwicklung der Psychotherapie einfließen zu lassen, ohne dabei bestehende Verfahren und Methoden zu präferieren. Damit besteht Anlass für die Hoffnung, den gegenwärtig noch andauernden Konflikt der Psychotherapieverfahren untereinander sowie mit der Neurobiologie zukünftig zugunsten einer integrativen Entwicklung der Psychotherapie zu überwinden.
Dank intensiver Psychotherapieevaluationsforschung in den letzten ein bis zwei Dekaden ist heute eindeutig belegt, dass Psychotherapie gut wirkt. In randomisierten Studien wird – in Effektstärken ausgedrückt – eine durchschnittliche Wirkung von rund 0,80 belegt, d. h. dass rund 65 % der Patienten mit deutlichem Erfolg behandelt werden und 50 % nach der Therapie in einem psychopathologisch unauffälligen Bereich liegen (Smith et al. 1980; Caspar et al. 2008). Psychotherapie zeigt 4-mal bessere Remissionsraten als entsprechend Spontanremission zu erwarten wäre und 2-mal bessere als Placebo. Bei stärker gestörten Patienten zeigen sich eher höhere Effekte, aber eine kleinere Chance auf Vollremission (Lambert und Ogles 2003).
In diesem Einführungskapitel sollen die Leser mit den wesentlichen ideengeschichtlichen Ursprüngen bzw. Quellen der Psychotherapie und den gegenwärtigen Entwicklungen vertraut gemacht werden. Die in Deutschland herausgehobene Bedeutung der exklusiven Verfahrensperspektive wird anhand der methodischen Entwicklungen der letzten Dekaden wie auch der gegenwärtigen Diskussion in der Psychotherapieforschung kritisch diskutiert sowie Konsequenzen für die Psychotherapieweiterbildung skizziert.

Definition Psychotherapie – Begriffsannäherung

Psychotherapie zeigt sich im umgangssprachlichen Gebrauch als ein sehr weitgefasster Begriff, der in verschiedenen beruflichen Kontexten auftritt. Neben Ärzten und Psychologen sind u. a. Sozialarbeiter, Theologen, Lehrer und Musiktherapeuten zu nennen, die in ihrer beruflichen Praxis auch psychotherapeutische Techniken einsetzen und diesbezüglich auch entsprechende verfahrensnahe Qualifizierungen erwerben (Bsp. systemische Familientherapie). Tätigkeitsbereiche wie Beratung, Seelsorge, Coaching, Supervision oder Selbsterfahrung stehen methodisch in der Nähe zur Psychotherapie. Psychotherapie steht damit zunächst außerhalb einer eindeutigen beruflichen Zuordnung.
Dem heutigen Verständnis von dem, was Psychotherapie ist, entspricht am ehesten die Definition von Hans Strotzka (1998):
Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.
Aus der Perspektive der Psychologie lässt sich Psychotherapie als ein Teil der psychologischen Interventionsbereiche von Beratung und Prävention abgrenzen (Margraf und Schneider 2009).
In Deutschland ist durch die sog. Psychotherapierichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gesetzlich geregelt, was unter Psychotherapie zu verstehen ist und welche Voraussetzungen für die Erbringung von Psychotherapie i. S. der Krankenversorgung gelten. Der vom G-BA beauftragte Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie definiert Psychotherapie als Heilbehandlung, die als eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherungen dazu dienen soll, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankenbeschwerden zu lindern (Gemeinsamer Bundesausschuss 2015). Es zählen hiernach nicht solche Maßnahmen dazu, „die ausschließlich zur beruflichen Anpassung oder zur Berufsförderung bestimmt sind, Erziehungsberatung, Sexualberatung, körperbezogene Therapieverfahren, darstellende Gestaltungstherapie sowie heilpädagogische oder ähnliche Maßnahmen“ (Gemeinsamer Bundesausschuss 2015, § 1 Abs. 2). Nach § 8 Abs. 3 des Psychotherapeutengesetzes können Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten nur dann Psychotherapie als Krankenkassenleistung erbringen, wenn sich ihre „Ausbildung auf die Vermittlung eingehender Grundkenntnisse in einem wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren sowie auf eine vertiefte Ausbildung in einem dieser Verfahren“ erstreckt hat. Dabei kommt dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie die Aufgabe zu, die wissenschaftliche Anerkennung von Verfahren zu prüfen und zu attestieren.
Psychotherapeutische Richtlinienverfahren bzw. Grundorientierungen zeichnen sich durch ein eigenständiges und differenziertes Theoriesystem mit einem eigenen spezifischen Nosologie- und Ätiologiemodell sowie einer Behandlung auf der Basis gemeinsamer theoretischer Grundannahmen aus (Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie 2008; G-BA 2015). Beispiele für solche psychotherapeutischen Grundorientierungen sind das kognitiv-behaviorale, das psychoanalytische, das tiefenpsychologische, das humanistische und das systemische Modell. Psychotherapeutische Verfahren sind weiterhin durch ein darauf aufbauendes Behandlungsrational für ein breites Spektrum von Anwendungsbereichen mit Konzepten zur Indikationsstellung, individuellen Behandlungsplanung und therapeutischen Beziehungsgestaltung gekennzeichnet. Von Beginn an wurden vom Wissenschaftlichen Beirat die analytische Psychotherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die kognitive Verhaltenstherapie als wissenschaftlich anerkannte Richtlinienverfahren nach dem Psychotherapeutengesetz angesehen. Nach umfangreicher Prüfung sind heute auch die Gesprächspsychotherapie sowie die systemische Therapie bei einer Anzahl von definierten Krankheitsbildern als wissenschaftliche Verfahren anerkannt, weitere Therapieverfahren befinden sich im Prüfungsprozess. Derzeit kommt zunehmend die Frage auf, inwieweit die verfahrensspezifische Betrachtungsweise der psychotherapeutischen Landschaft in Deutschland vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den letzten 20–30 Jahren noch haltbar ist oder aber einen Anachronismus darstellt (Caspar 2011).
Psychotherapeutische Methoden unterscheiden sich von den psychotherapeutischen Grundorientierungen bzw. Verfahren insoweit, als sie sich mit ihrer sie näher kennzeichnenden Theorie über die Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung einer psychischen Störung nicht einer Grundorientierung bzw. einem Verfahren zuordnen lassen müssen, sondern Elemente aus verschiedenen Grundorientierungen und Verfahren in ihrem Modell zur Behandlung einer psychischen Störung integrieren können. Die Konzeptualisierung der Behandlung muss dabei durch Indikationskriterien, Beschreibung der Behandlungsschritte und der angestrebten Behandlungseffekte näher gekennzeichnet sein. Die Entwicklung psychotherapeutischer Methoden steht in der Nähe des Konzeptes der störungsspezifischen Psychotherapie. Beispielhaft zu nennen sind etwa die vom Wissenschaftlichen Beirat anerkannten Methoden, im Einzelnen die interpersonelle Psychotherapie der Depression und die „Eye-Movement-Desensitization and Reprocessing“ (EMDR) als störungsspezifische Methode bei posttraumatischen Belastungsstörungen. Weitere, vom Wissenschaftlichen Beirat noch nicht evaluierte Methoden sind z. B. die dialektisch behaviorale Therapie, die Schematherapie und die mentalisierungsbasierte Therapie als Behandlungsmethoden der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy zur Behandlung der chronischen Depression.
Solche störungsspezifischen Psychotherapieprogramme wurden gewöhnlich vor dem Hintergrund der Ergebnisse systematischer Erforschung der psychopathologischen Phänomene und Genese der Erkrankung entwickelt und waren Ausgangspunkt der großen Mehrzahl von Wirksamkeitsstudien. Therapeuten, die sich störungsspezifischer Methoden bedienen, fokussieren weniger auf die Problembereiche, denen in der Theorie einer Schule zentrale Bedeutung zukommt, als auf solche, die empirisch begründete Krankheitsmodelle nahe legen. Auch versteht sich die störungsspezifische Sichtweise sehr viel mehr als ein Baustein in einem mehrdimensionalen Gesamtbehandlungsplan und ist damit unkompliziert mit pharmakologischen und soziotherapeutischen Interventionen zu verbinden. Schließlich impliziert eine störungsspezifische Methode, dass grundsätzlich Techniken aus verschiedenen Psychotherapieschulen unter einer zusammenführenden Heuristik in die Behandlung eines Patienten eingebracht werden können.
Aktuell allerdings wird eine rege Diskussion darüber geführt, wie störungsspezifisch psychotherapeutisches Handeln sein sollte und wo es den Erfordernissen einer erfolgreichen Behandlung nicht gerecht wird, bzw. an seine Grenzen stößt. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion wurde von Herpertz, Mundt und Caspar bereits 2007 der Begriff der störungsorientierten Psychotherapie für das gleichnamige Lehrbuch gewählt (Herpertz und Caspar 2007). „Orientiert“ soll ausdrücken, dass das nötige auf Störungen bezogene Wissen genutzt wird, ohne aber an den Grenzen des „Spezifischen“ Halt zu machen: In dem Maß, in dem störungsspezifische Ansätze berechtigterweise weiterentwickelt werden, werden auch ihre Grenzen klarer. Als Basis für angemessene Behandlungen ist es zweifelsfrei essenziell, das jeweils Spezielle an einzelnen Störungen herauszuarbeiten und diesem sowohl in ätiologischen Erklärungen wie auch in störungsspezifischen Behandlungstechniken Rechnung zu tragen. Gleichzeitig aber sind Störungen nicht immer einfach voneinander abzugrenzen, Patienten passen nicht immer leicht zu Diagnosen, Komorbidität ist nicht die Ausnahme sondern die Regel und schließlich gibt es behandlungsrelevante Probleme, die zu keiner der gängigen Diagnosen passen. Vor allem die Behandlung schwerkranker Patienten mit psychiatrischer und somatischer Komorbidität in psychiatrischen Kliniken oder auch ambulant beim psychiatrischen Facharzt erfordert nicht selten die Abwandlung störungsspezifischer Methoden und die stärkere Berücksichtigung der individuellen Ausformung eines Krankheitsbildes sowie individuumsspezifischer Merkmale wie Motivation, Bewältigungsstil und Lebenssituation. Die störungsspezifischen bzw. störungsorientierten Methoden haben in den letzten zwei Dekaden eine enorme Entwicklung genommen, die sich in der für den Therapeuten kaum mehr zu erfassenden Fülle an empirischen Wirksamkeitsuntersuchungen abbildet. Allein für die Angststörungen lagen 2001 32 störungsspezifische und empirisch belegte Behandlungsmethoden vor (Chambless und Ollendick 2001). Schmahl und Bohus postulieren, ein „verantwortungsvoller Praktiker, der sich an evidenzbasierter Methodik orientiert und seine Patienten leitliniengerecht behandeln möchte, müsste etwa 100 störungsspezifische Behandlungskonzepte erlernen“ (Schmahl und Bohus 2013). Es bleibt derzeit noch unbeantwortet, inwieweit sich die störungsorientierten Methoden grundsätzlich unterscheiden oder aber inwieweit sich hinter der verschiedenen Semantik Ähnliches befindet (Kongerslev et al. 2015).
Psychotherapeutische Techniken sind konkrete therapeutische Vorgehensweisen, durch die die Behandlungsziele im Rahmen der Anwendung von psychotherapeutischen Methoden und Verfahren realisiert werden sollen. Somit stellen psychotherapeutische Methoden und Verfahren den Bezugsrahmen von psychotherapeutischen Techniken dar. Psychotherapeutische Techniken kommen dabei in verschiedenen psychotherapeutischen Methoden zum Einsatz, etwa die Technik der Stühlearbeit in der Gestalttherapie, in der klärungsorientierten Psychotherapie (Sachse et al. 2009) sowie in der Schematherapie (Jacob und Arntz 2014; Roediger 2010). Von wachsender Bedeutung ist der Begriff der modularen Psychotherapie als einer Sammlung von Techniken, aus denen solche ausgesucht werden, die auf Symptome der vorliegenden Erkrankung als auch beeinträchtigte Funktionsdomänen (z. B. Affektregulation, Selbstwertregulation, Interozeption) unter Berücksichtigung individueller Faktoren (Geschlecht, Intelligenz, soziale Gruppe, situative Kontextfaktoren etc.) positiven Einfluss nehmen. Die Entwicklung der modularen Psychotherapie entstand nicht zuletzt aus den Begrenzungen störungsspezifischer Methoden sowie der Tatsache, dass letztere meist eine, wenn auch einzigartige Komposition von psychotherapeutischen Techniken darstellen, die den Nachteil haben, den individuellen Unterschieden und häufig komorbiden Krankheitszuständen von Patienten nicht gerecht werden zu können.
Durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie wird zudem der Begriff Perspektive abgegrenzt. Perspektiven stellen dabei ein von einer speziellen Grundorientierung unabhängiges Referenzsystem der Psychotherapie dar. Psychotherapeutische Prozesse lassen sich unabhängig von ihrem verfahrensspezifischen oder methodischen Hintergrund bezüglich verschiedener Perspektiven untersuchen: motivationale Perspektive, interpersonale Perspektive, Ressourcenperspektive, Störungsperspektive etc.

Der Garten der Psychotherapie

Die Geschichte der Psychotherapie ist gekennzeichnet durch ihre enorme Vielfalt und den in der jeweiligen Zeit stehenden innovativen Entwicklungen. Dies gilt gleichermaßen für die psychodynamische, kognitiv-verhaltenstherapeutische, humanistische und systemische Psychotherapie. Dabei zeigt sich in den Entwicklungen der einzelnen Psychotherapierichtungen, dass diese sich in Auseinandersetzung mit den sie umgebenden Psychotherapien bildeten und sie bis in die Gegenwart formen und bereichern. Keines der gegenwärtigen Verfahren bleibt unbeeinflusst von den anderen Verfahren (Castonguay et al. 2015).
Im Folgenden werden die 4 großen Psychotherapierichtungen in ihren Grundzügen dargestellt und in einem weiteren Schritt unter dem Gesichtspunkt von Integrationsprozessen betrachtet.

Psychodynamische Psychotherapien

Den theoretischen Ausgangspunkt der tiefenpsychologischen Psychotherapie stellt nach wie vor die Strukturtheorie Sigmund Freuds dar und damit die pathogenetische Bedeutung von Konflikten zwischen den Instanzen Es/Ich/Über-Ich. Konflikte werden mit Abwehr im Zaum gehalten; versagt die Abwehr, entstehen psychopathologische Symptome. Die Ich-Psychologie ergänzte dieses klassische Modell um Aspekte der Ich-Entwicklung, v. a. unterschiedliche Reifegrade von Abwehrmechanismen. Moderne tiefenpsychologische Behandlungsansätze der Objektbeziehungstheorie fokussieren auf die Entwicklung des Selbst aus verinnerlichten Objektbeziehungen; psychische Erkrankungen werden nach dieser Theorie v. a. als Folge gestörter oder traumatischer internalisierter Beziehungserfahrungen aufgefasst. Die gegenwärtige Beziehungsrealität wird im Licht der Kindheitserfahrungen oder genauer der inneren Welt von Beziehungserfahrungen verzerrt wahrgenommen und in der gefühlshaft bestimmten Übertragungsbeziehung reflektiert und bearbeitet (nach Gill 1996). Damit ist in psychodynamischen Therapien die therapeutische Beziehung, insbesondere in ihrer Übertragungsdimension, der eigentliche Wirkfaktor. Handelt es sich um Patienten mit neurotischen Störungen werden konflikthafte Übertragungsmuster, bei solchen mit ich-strukturellen Störungen (insbesondere Persönlichkeitsstörungen) Selbstobjektübertragungen wirksam (zur Übersicht: Mertens 1992; Rudolf 1996).
Die entscheidenden Techniken sind das Klären, das Konfrontieren und das Deuten. Das Klären meint die kognitive Reflexion von eigenem und anderem mittels verbalem Diskurs, nonverbaler Kommunikation und Nutzung von Gegenübertragungsreaktionen mit dem Ziel eines kohärenten Narrativs. In der Konfrontation wird der Patient angehalten, identifizierte Widersprüche zu reflektieren. Die Deutung schließlich zielt auf die Entwicklung eines Verständnisses für den augenblicklichen Affekt und stellt den Bezug zum anderen her; dies kann durch Bezug auf Ereignisse der Vergangenheit erfolgen, aber auch durch Bezugnahme auf Objektrepräsentanzen als intrapsychische Strukturen.
Moderne psychodynamische Behandlungsansätze, die sich v. a. an Patienten mit frühen traumatischen Beziehungserfahrungen wenden, arbeiten vorzugsweise an strukturellen Funktionen, wie z. B. die strukturbezogene Psychotherapie des Heidelberger Psychoanalytikers Rudolf (Rudolf et al. 2013) oder die mentalisierungsbezogene Psychotherapie von Fonagy und Bateman (2005, auch Allen et al. 2008, 2011). Erstere zielt darauf, an den identifizierten führenden strukturellen Defiziten zu arbeiten, regressive Handlungsroutinen durch reife, erwachsene Lösungsmuster zu ersetzen sowie Verantwortung für eigenes Verhalten und das eigene Leben zu übernehmen (Rudolf et al. 2013; Rudolf 2012). Sowohl bei Rudolf als auch bei Fonagy und Bateman ist die Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit ein entscheidendes Ziel, da basale Erfahrungen des Selbsterlebens und der Selbstreflexion an eine bewusste Versprachlichung innerseelischer Prozesse gebunden sind. Die therapeutische Haltung ist bestimmt von der Nutzung des Gegenübertragungsgefühls elterlicher Sorge und schließt eine Nachbeelterung im Falle frühe traumatischer Beziehungserfahrungen, aber auch klare Grenzziehungen wenn notwendig ein (Fiedler und Herpertz 2016). Beide Methoden arbeiten vorrangig im „Hier und Jetzt“, bei der mentalisierungsbasierten Psychotherapie steht das Sich-Vergegenwärtigen aktueller psychischer und interozeptiver Vorgänge ganz im Fokus der Psychotherapie. Neben der Achtsamkeit für eigene psychische Zustände zielt die Therapie auch auf das verbesserte Verständnis psychischer Zustände bei Anderen, auf die Verminderung des häufig exzessiven äußerlichen Mentalisierens und deren Ersatz durch Stärkung des innerlichen Mentalisierens.
Ausführliche Darstellung Kap. Psychodynamische Psychotherapie.

Humanistische Psychotherapien

Unter der Bezeichnung humanistische Psychotherapie wird eine heterogene Gruppe von Psychotherapiemethoden zusammengefasst, die sich in ihren Grundlagen auf den Existenzialismus, die Phänomenologie und philosophische Anthropologie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sowie der humanistischen Psychologie und Gestaltpsychologie beziehen. Die Anfänge einzelner Richtungen der humanistischen Psychotherapie lassen sich bereits in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts verorten.
Zu den prominentesten Vertretern der humanistischen Psychotherapie im deutschsprachigen Raum zählen die personenzentrierte Psychotherapie und Gesprächspsychotherapie (Carl Rogers), die Gestalttherapie (Fritz Perls und Paul Goodmann), das Psychodrama (Jakob L. Moreno) und die Logotherapie (Viktor E. Frankl). Einige Autoren wie auch die Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie zählen zudem die Transaktionsanalyse (Eric Berne) und die in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewinnende Körperpsychotherapie (Wilhelm Reich) zu der humanistischen Psychotherapie (Eberwein 2009; Eberwein et al. 2014). Im internationalen Raum werden der humanistischen Psychotherapie die emotionsfokussierte Therapie (Leslie Greenberg) und die existenzielle Psychotherapie (Irvin D. Yalom) zugeordnet (Elliott et al. 2013).
So unterschiedlich die einzelnen Methoden der humanistischen Psychotherapie anmuten, so lassen sich doch grundlegende Gemeinsamkeiten beschreiben. Diese beziehen sich auf die Stellung des Menschen als mündiges und freies Subjekt in der Therapie mit der Perspektive auf die dem Menschen innewohnenden selbstregulativen Potenziale. Kurt Goldsteins Theorie der „organismischen Regulation des Selbst“ hebt das Streben des Organismus, seine Potenziale einzusetzen und zu verwirklichen als Hauptmotiv der menschlichen Existenz heraus. Die zentrale Stellung des Subjekts in der humanistischen Psychologie folgt dem phänomenologischen Erkenntnisparadigma: die sinnliche Erfahrung des Subjekts als Quelle des Erkenntnisgewinns. Die humanistische Psychotherapie sucht in der Behandlung des Patienten die Annäherung an das Wesen dieses Menschen in seinem In-der-Welt-Sein und Mit-Sein bzw. in seinem Krank-Sein. Sie fragt nicht so sehr nach dem Was sondern dem Wie, der Art und Weise des existenziellen Vollzugs. Der Mensch wird u. a. als in seiner Geschichte stehend und nach Sinnerfahrung sowie Selbstverwirklichung strebend aufgefasst. In dem kontinuierlichen Selbstaktualisierungsprozess integriert der Mensch aktuelle Lebensereignisse und Erfahrungen in das bestehende biografische Narrativ seines Selbst. Dabei bilden sich auf verschiedenen Ebenen interne Repräsentationen des Narrativs (i. S. kognitiv, emotional, leiblich/körperlich), die nach Kongruenz streben. Psychische Erkrankungen entstehen demnach, wenn dieser Selbstaktualisierungsprozess Inkongruenzerfahrungen erzeugt, etwa durch verinnerlichte pathogene Beziehungsmuster (i. S. Invalidierung und Traumatisierung bzw. Deprivation, Repression und Konfusion in den Beziehungserfahrungen). Eine weitere Gemeinsamkeit der verschiedenen Methoden stellt das dialogische Grundprinzip dar, sowohl in dem zugrunde liegendem Menschenbild i. S. Bubers (Buber 1997) als auch in dem therapeutischen Vorgehen selbst.
Die Methoden der humanistischen Psychotherapie haben nun gemeinsam, dass sie auf körperlicher, kognitiver, emotionaler und/oder interaktioneller Ebene selbstexplorative Prozesse und Erfahrungen im Hier und Jetzt stimulieren (Hartmann-Kottek und Kriz 2005; Eberwein et al. 2014). Den Methoden der humanistischen Psychotherapie gemeinsam ist weiterhin, dass sie in dem therapeutischen Prozess experientell (Orientierung an dem unmittelbar Erfahrbaren), experimentell (Psychotherapieprozess als kooperativer kreativer Prozess) und existenziell (zentraler Stellenwert der Fragen nach dem Sinn, Werten und Zielen des Lebens) vorgehen (Eberwein 2009, 2012). Das dialogische Prinzip wird dabei nicht allein auf interpersoneller Ebene (Patient-Therapeut-Beziehung) sondern auch durch den Patienten in einem selbstreferenziellen Bezug angewendet. Prototypisch für ein solches Vorgehen ist etwa die Arbeit mit inneren Anteilen, Aufstellungen und Symbolisierungen, wie sie u. a. in der Transaktionsanalyse, der Gestalttherapie und dem Psychodrama zur Anwendung kommen.
Die herauszuhebende Leistung der humanistischen Psychotherapie liegt in der Bedeutung der therapeutischen Beziehung und der Entwicklung erfahrungsbasierter Interventionen (Hartmann-Kottek und Kriz 2005).
Ausführliche Darstellung Kap. Humanistische Psychotherapieverfahren.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie erhielt in ihren Anfängen wesentliche Impulse aus der sich entwickelnden physiologischen Psychologie. P. Pawlow leitete aus seinen physiologischen Untersuchungen des Verdauungsapparates Ende der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts das Reiz-Reaktion-Schema mit dem Konditionierungsparadigma ab. W. Bechterew griff Pawlos Untersuchungen auf und führte sie in die klinische Praxis unter der Bezeichnung Motilitätsmethode ein. Bechterew verfolgte ebenfalls eine objektive Psychologie, die Ausdrucksformen des Psychischen rein biologisch zu erklären suchte und mittels aversiver Reize die Konditionierung neuer Reiz-Reaktion-Schemas bei Patienten anzuwenden versuchte. Dabei nutzte er auch mit dem sog. „ablenkenden Verfahren“ Imaginationstechniken, bei denen der Patient in einem entspannten und angstfreien Zustand die aversiven Reize imaginierte, was zum Abbau der Angstsymptomatik führte und somit als eine frühe Desensibilisierungstechnik verstanden werden kann. J. B. Watson, einer der Begründer des sog. Behaviorismus entwickelte die Arbeiten von Pawlow und Bechterew weiter und verstand sich in deren Sinne den naturwissenschaftlichen Prinzipien verpflichtet. Die Frage, was das subjektive Erleben oder aber das Bewusstsein ausmacht, hielt er für unnötig. Ein weiterer wichtiger Impuls für die Verhaltenstherapie geht auf E. L. Thorndike und sein Gesetz des Effektes zurück, wonach der Erfolg einer Handlung dazu führt, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit der Handlung bei dem Individuum steigt. Mit seiner Verstärkungstheorie führte C. L. Hull ein umfassendes lerntheoretisches Konzept in die Psychologie ein. Ein Reiz (Stimulus) gilt hier als Hinweis für den Organismus und sorgt gemeinsam mit dem Trieb für eine Reaktion i. S. eines Verhaltens. Führt das Verhalten dazu, dass der Trieb befriedigt werden kann, so wird der Reiz mit dem Verhalten i. S. eines Verstärkers gekoppelt. B. F. Skinner sah dagegen mit seinem Modell der instrumentellen Konditionierung nicht den Reiz als ausschlaggebend an, sondern die Kontingenz i. S. der Regelhaftigkeit des Auftretens zwischen dem Verhalten und den Nachfolgebedingungen. Das Verhalten dient in diesem Sinne dem Handelnden als Instrument, um einen bestimmten Zustand (Nachfolgebedingung) zu erreichen. Das verhaltenstherapeutische Prinzip der Verstärkerpläne wie auch die nähere Bestimmung von Verhalten im Sinne eines Annäherungsverhaltens (Belohnung bei Erreichen des Zieles als positiver Verstärker) bzw. Vermeidungsverhaltens (eine Zielannäherung wird vermieden um damit einhergehenden unangenehmen Reizen nicht ausgesetzt zu sein, dies wird als negative Verstärkung bezeichnet) spielen in der Verhaltenstherapie, z. B. im Zusammenhang mit der Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen eine bedeutende Rolle. Das aus dem Behaviorismus bis hierher hervorgehende Modell der Verhaltenstherapie kann in dem Schema Stimulus-Reaktion-Kontingenz-Konsequenz zusammengefasst werden. Die darauf basierenden lerntheoretischen Techniken, wie sie etwa durch J. Wolpe und H. J. Eysenck für die Behandlung von Angststörungen und Neurosen weiterentwickelt wurden, umfassen u. a. die Gegenkonditionierung, die systematische Desensibilisierung, die Anwendung von Entspannungstechniken oder das assertive Training. Basierten die lerntheoretischen Modelle anfangs zumeist auf tierexperimentellen Untersuchungen – J. Wolpe etwa entwickelte sein Modell der systematischen Desensibilisierung und dem zugrunde gelegten Prinzip der reziproken Hemmung von Reaktionen auf aversive und appetitive Reize an Katzen – wurden im Weiteren zunehmend klinisch-experimentelle Untersuchungen durchgeführt, die zu kontroversen und fruchtbaren Auseinandersetzungen und Erweiterungen der zugrunde gelegten Mechanismen führte. Desensibilisierung ist danach als ein komplexer Lernvorgang zu verstehen, der sich über Prozesse der Gegenkonditionierung, der Habituation und der kognitiven Umbewertung vollzieht, was mit einer Erweiterung der therapeutischen Methoden bei der Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen einherging. Beispielhaft hierfür ist das Selbstbehauptungstraining: Ausgehend von der Annahme, dass selbstunsichere Menschen wissen, wie sie sich in sozialen Situationen verhalten könnten, jedoch durch die Angst vor Ablehnung daran gehindert werden, wird in dem Training der Ausdruck von Ärger trainiert und damit die Angstreaktion gehemmt. Das Selbstbehauptungstraining lässt sich dabei auf Prozesse der Habituation, der Gegenkonditionierung und der kognitiven Umstrukturierung zurückführen.
Die dem Menschen durch den Behaviorismus mit seinem Reiz-Reaktion-Schema übertragene, eher passive und reizbestimmte Rolle, wurde in der Entwicklung durch die zunehmende Einführung selbstreflexiver und kognitiver Modelle verändert, die dem Menschen eine aktive Rolle in der Verhaltenssteuerung zuwiesen. Verzichtete der Behaviorismus auf den Begriff des Bewusstseins, so trat mit der sog. kognitiven Wende das reflexive Bewusstsein des Menschen in die Verhaltenstherapie ein. Verhalten steht danach in einer Verbindung mit Wahrnehmung, Selbstkontrolle, Bewertungsprozessen, Zielen, Erwartungen und Lernerfahrungen. Teil des reflexiven Bewusstseins ist auch die Fähigkeit zur Mentalisierung, womit der soziale Kontext etwa in Form antizipierter Erwartungen eingeführt wird. Im Kontrast zum Behaviorismus ausgedrückt: Nicht die Reize selbst bestimmen unser Verhalten, sondern unsere Wahrnehmung, unsere Interpretationsprozesse und unsere Lernerfahrungen (kognitive Schemata). A. Beck (Beck 1991) entwickelte ein kognitives Verstehensmodell der Depression bestehend aus der sog. kognitiven Trias: negatives Selbstbild, negative Interpretation der Lebensereignisse und nihilistische Zukunftssicht. Die kognitiven Fehler (Personalisieren, Polarisieren, selektive Abstraktion, Übergeneralisierung, Übertreibung) laufen nach Beck dabei automatisiert i. S. automatischer Gedanken vor dem Hintergrund individueller depressiogener Grundannahmen ab. Der kognitive Therapieansatz konzentriert sich daher auf die Identifizierung, Überprüfung und Modifikation dieser automatischen Gedanken und depressiogenen Grundannahmen. Hierzu finden sich in der kognitiven Therapie Techniken wie u. a. Selbstinstruktion (Meichenbaum und Schattenburg 2003), kognitive Umstrukturierung mit sokratischem Dialog und Realitätsprüfung (Beck 1991; Margraf und Schneider 2009) oder aber das ABC-Schema (Ellis 1991). Neben den im engeren Sinne kognitiven Techniken bereicherte das Konzept „Lernen am Modell“ von A. Bandura (Bandura 2003) die Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie. In seiner empirischen Arbeit konnte Bandura u. a. zeigen, dass eine in vivo Beobachtung der Beobachtung in einem Film überlegen ist, dass der Beobachtungskontext relevant und anleitende Teilnahme am effektivsten ist oder aber, dass das präsentierte Modell nicht zu kompetent, sondern sich an das Zielverhalten annähernd zeigen sollte. Diese Erkenntnisse bestimmten im Weiteren die Gestaltung etwa des sozialen Kompetenztrainings oder aber die Bedeutung etwa von Rollenspielen in der kognitiven Verhaltenstherapie.
Mit der kognitiven Wende ergänzt sich das Reiz-Reaktion-Schema des Behaviorismus um die Organismusvariable i. S. der individuellen biologischen und lerngeschichtlichen Veranlagungen und Prägungen. Das in der kognitiven Verhaltenstherapie fest etablierte SORKC-Schema (Stimulus, Organismus, Reaktion, Konsequenz und Kontigenz) wurde von F. Kanfer in diesem Zuge entwickelt (Kanfer et al. 2006).
Gleichwohl Beck mit seinen Grundprinzipien des kognitiven Modells lernbiografische, emotionale und interpersonelle Aspekte aufführt und einen Zusammenhang zwischen „Disstress“ (seelischem Schmerz) und der Veränderung von Wahrnehmung und kognitiven Prozessen herstellt, verfügte die kognitive Verhaltenstherapie auf der Interventionsebene nur über wenige Techniken und Methoden zur Beeinflussung dieser Aspekte. In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts kam es, wieder aus der klinischen Praxis vorangetrieben, zur stärkeren Berücksichtigung u. a. der therapeutischen Beziehung, der individuellen Entwicklungsgeschichte, der Wahrnehmungsfertigkeiten sowie emotionaler Aspekte. Dabei wurden und werden Techniken und Modelle aus anderen Methoden und Theorien als operationalisierte Interventionen im Rahmen von manualisierten Therapieprogrammen reformuliert. Die dialektisch behaviorale Therapie (Heards und Linehan 2005) und die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (Eifert 2011) beispielsweise ergänzen ihr jeweiliges kognitiv-verhaltenstherapeutisches Modell u. a. mit einer buddhistischen Meditationspraxis i. S. des Einübens einer annehmenden, nichtwertenden Haltung, was vor dem Hintergrund des kognitiven Modells der automatischen Gedanken und der kognitiven Schemata plausibel ist. Dabei erweitern sie primär ihr Methoden- bzw. Technikrepertoire und bleiben in der theoretischen Konzeptualisierung klar kognitiv-behavioral verankert. Die Schematherapie (Young et al. 2005), das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (McCullough und Schramm 2006) sowie die interpersonelle Psychotherapie (Schramm und Berger 2010) zeigen dagegen auch in ihrer theoretischen Konzeptualisierung Erweiterungen über das kognitiv-behaviorale Modell hinaus. So basiert das Konzept der interpersonellen Psychotherapie u. a. auf Elementen der Bindungstheorie von J. Bowlby und der interpersonalen Theorie von H. S. Sullivan, die große Ähnlichkeiten mit der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie und Selbstpsychologie aufweisen.
Zurückblickend auf den Anfang der Geschichte der kognitiven Verhaltenstherapie – mit ihrem Verzicht auf den Begriff des Bewusstseins und des subjektiven Erlebens zu Beginn – erscheint sie sich in ihrer Entwicklung den psychisch erkrankten Menschen immer umfassender zuzuwenden. Dabei folgten die Entwicklungen zumeist den Fragen und Problemen aus der klinischen Praxis heraus und weniger aus einem theoriegeleiteten Diskurs.
Ausführliche Darstellung Kap. Verhaltenstherapie.

Systemische Psychotherapie

Ein gänzlich anderer, als die bisher skizzierten psychotherapeutischen Ansätze, findet sich bei der sog. systemischen Therapie. Nicht mehr ein irgendwie näher beschriebenes psychisches Geschehen für sich genommen, z. B. näher definierte Es/Ich/Über-Ich Struktur oder existenzielle Seinsweise oder Verhaltenssteuerung i. S. eines Reiz-Reaktion-Mechanismus, ist von Interesse sondern das Interaktionsgefüge selbst, wie es in den Kommunikationsprozessen zugänglich wird.
Die systemische Therapie fußt in ihrem Theoriegebäude wesentlich auf dem radikalen Konstruktivismus (Ernst von Glaserfeld), der Kybernetik (Foerster et al. 2006), der Theorie sozialer Systeme (Luhmann 1987) sowie dem Konzept der Autopoiese (Maturana und Varela 1987). Konstruktivismus meint dabei, dass das Verhältnis von Wissen und Realität immer unauflösbar verbunden ist mit der Position des Beobachters und dessen eingeführter System-Umwelt-Unterscheidung, die in der Beobachtung vollzogen wird (Luhmann 1987). Ein System ist keine ontologische sondern eine epistemiologische Kategorie. Systeme sind in diesem Sinne zunächst nichts anderes als Beschreibungen eines Beobachters, der seine Beobachtung anhand einer Unterscheidung vollzieht. Ein weiterer wichtiger Begriff ist der der Autopoiese. Ein autopoietisches System ermöglicht und erzeugt sich selbst (auto = selbst, poiein = machen), es ist in seinen Operationen auf seine Fortsetzung hin ausgerichtet. Autopoiesis ist das allgemeine Organisationsprinzip des Lebendigen. Ein System, das in einem fortlaufenden Produktionsprozess aus seinen Elementen weitere Elemente herstellt und sich damit als Einheit selbst erhält, ist ein lebendes System. Mit N. Luhmann wird das Prinzip der Autopoiese von biologischen Systemen auf soziale Systeme als Kommunikationssystem übertragen (Luhmann 1987). Soziale Systeme prozessieren durch Kommunikation in selbstreferenzieller Weise, d. h. dass in den einzelnen kommunikativen Akten mitgeprüft wird, wie der vorausgegangene Kommunikationsakt verstanden worden ist. Kommunikation ist demnach ein rekursiv absichernder Prozess von Verstehensmöglichkeiten und Verstehenskontrollen (Luhmann 1987).
Im Verständnis der systemischen Therapie erschließt sich das Verhalten nicht aus den einem Individuum innewohnenden Eigenschaften, sondern aus dem Wechselspiel mit den ihn umgebenden sozialen kontextuellen Bedingungen. Die therapeutische Leitfrage richtet sich dann darauf, welche Rahmenbedingungen im sozialen Kontextgefüge verändert werden müssten, um die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung funktionaler Kommunikations- und Verhaltensmuster zu erhöhen (Schweitzer und Schlippe 2013).
Die Identifikation von Kommunikations- und Interaktionsmustern sowie deren Hinterfragung und Modifizierung stellt den zentralen Ansatzpunkt der systemischen Therapie dar. Wie nun bilden sich solche Interaktions- bzw. Kommunikationsmuster etwa im Familiensystem? Im Laufe der Kommunikationsakte kommt es zu einer Verdichtung von Kommunikation zu Erwartungen. Nicht mehr das, was gesagt wird erlangt Geltung, sondern das, was in der Bedeutungszuschreibung des Erwartungshorizontes steht. Und dies muss nichts mit dem Gesagten mehr zu tun haben. Mitglieder eines Systems antizipieren dabei an sie gerichtete Erwartungen, wobei sie grundsätzlich zur Reflexivität und Korrektur der Erwartungen fähig sind.
Beispiel
Max verhält sich, wie er denkt, dass Moritz es von ihm erwartet. Moritz wiederum nimmt das Verhalten von Max zum Anlass, seinerseits über die im Verhalten von Max implizierten Erwartungen an ihn nachzudenken und sich entsprechend zu verhalten Auf diese Weise sorgen Max und Moritz für eine kontinuierliche Anschlussfähigkeit von Kommunikation (Erwartungs-Erwartungen). Die Mitglieder dieses Systems wirken also wechselseitig aufeinander ein (rekursiver Prozess). Dabei schreiben sie ihr Narrativ kontinuierlich fort. Solange dieses Narrativ im dialogischen Rückkopplungsprozess der Reflektion zugänglich ist, bleibt es flexibel. Kommt es aber zu einer Unterbrechung der Reflektion bzw. Überprüfung, dann erstarren die Kommunikationsmuster zu Gewissheiten und Max geht allein von den Annahmen über Moritz aus und nicht davon, was Moritz tatsächlich in der konkreten Situation gesagt oder getan hat.
Mit ihren Interventionen zielt die systemische Therapie darauf, die erstarrten Kommunikations- und Interaktionsmuster aufzuweichen. Hierzu zählen etwa das Spiel mit dem Möglichkeitssinn (Bsp. „Was würden Sie tun wenn …? Woran würden Sie merken, dass das Problem weg ist?“), die Lösungsorientierung i. S. der Suche nach den Situationen, in denen das Problem nicht auftritt, zirkuläres Fragen (Bsp. „Was denken Sie geht in Ihrer Frau vor, wenn sie sieht, dass ihr Sohn sie bestiehlt?“), der Skulpturarbeit oder dem therapeutischen Splitting. Das Ziel der Interventionen besteht immer darin, den Möglichkeitssinn des Patienten und mithin seine Denk- und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Hierzu zeigt sich das systemische Fragen gegenüber verhärteten Ideen und Vorstellungen auch provokant (Schweitzer und Schlippe 2013).
Der Ursprung und ein bis heute wichtiger Bereich der systemischen Therapie stellt die Familientherapie dar, die sich in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts z. T. in Nähe und in Verbindung zur Psychoanalyse in verschiedenen Ausformungen, u. a. psychoanalytisch orientierte Familientherapie, erfahrungsorientierte Familientherapie, strukturelle Familientherapie, entwickelte (Kriz 1999). Als im engeren Sinne „systemisch“ gilt unter den Konzepten der Familientherapien die strategische Familientherapie, die in ihrer Entwicklung durch amerikanische und europäische Gruppen, zu deren Vertretern D. Jackson, V. Satir, P. Watzlawick, M. Selvini-Palazzoli, G. Cecchin, H. Stierlin, F. B. Simon und J. Schweitzer zählen, geprägt wurde (Kriz 2014).
Ausführliche Darstellung Kap. Systemische Psychotherapie und ihre klinische Anwendung.

Psychotherapieentwicklung aus der Perspektive der Integration

Lange orientierte sich die Therapieauswahl an der schulenspezifischen Expertise des aufgesuchten Therapeuten, dann v. a. an der Art der Erkrankung. Parallel zur Entwicklung störungsspezifischer und störungsorientierter Ansätze sind ein großer Teil v. a. der erfahreneren Therapeuten inzwischen bemüht, die Grenzen der angestammten, schulenspezifischen Ansätze durch Hinzunehmen weiterer Elemente zu überwinden. Entsprechend sehen sich rund 3/4 aller in Untersuchungen befragten Psychotherapeuten als integrativ (Norcross und Goldfried 2005; Rønnestad und Orlinsky 2006). Sie wünschen sich integrative psychotherapeutische Methoden, die ihnen bei der Vielfalt an Störungen in der Konfrontation mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern und Lebensgeschichten Orientierung bieten. Auch Patienten streben nicht nach einer schulenspezifischen Therapie sondern nach einer Behandlung, die auf ihre individuellen Bedürfnisse und ihr individuelles Leiden abgestimmt ist. Jeder Patient ist einzigartig in der Art und Schwere seiner Probleme, in seiner biographischen Entwicklung, in seinen zwischenmenschlichen Fähigkeiten, in seinem psychosozialen Hintergrund und schließlich auch in seiner Motivation, Veränderung anzustreben. Patienten mit einer bestimmten Diagnose können in der akutesten Phase ihrer Störung vergleichsweise ähnlich sein – Panikpatienten z. B. sind untereinander, wenn sie in Panik sind, recht ähnlich, sie haben sich aber aus unterschiedlichen Zuständen und von unterschiedlichen Voraussetzungen aus dorthin entwickelt, und die Ähnlichkeit nimmt im Therapieverlauf auch schnell wieder ab, wenn sie sich von der akuten Störung entfernen. Deshalb ist die sorgfältige Analyse von individuellen Patientenmerkmalen, die Einfluss auf die Behandlungsprognose nehmen können, geeignet, bei der selektiven und adaptiven Indikation und der Gestaltung der therapeutischen Beziehung in hohem Maße berücksichtigt zu werden. Gleichzeitig ist jeder therapeutische Prozess ein Beziehungsgeschehen, weshalb Patientenvariablen nicht für sich allein, sondern immer in der Interaktion mit den individuellen Merkmalen des Therapeuten gesehen werden müssen. Sobald die Therapie nämlich beginnt, bewegen sich zuvor festgestellte Patientenvariablen in einem dynamischen Kontext mit Therapeutenvariablen (vgl. auch Herpertz und Caspar 2007).
Neben der Entwicklung der sog. psychotherapeutischen Verfahren selbst zeigt auch die klinische psychotherapeutische Praxis auf, dass einer orthodoxen Haltung in der Psychotherapie Grenzen gesetzt sind (Lazarus 1991; Wampold 2015; Owen und Hilsenroth 2014; Tschuschke et al. 2015). Die Frage, was die Wirksamkeit einzelner Psychotherapiemethoden ausmacht und warum, und inwieweit sog. allgemeine bzw. gemeinsame bzw. unspezifische Wirkfaktoren und -prinzipien für die Erhellung der Frage bedeutsam sind, begleitet die Psychotherapie durch ihre gesamte Geschichte (Pfammatter et al. 2012; Goldfried et al. 2005). Eine integrative Vorgehensweise muss sich dabei neben den bereichernden Möglichkeiten auch der Gefahren bewusst sein und darf nicht Ausdrucksform einer willkürlichen und allein den persönlichen Vorlieben folgenden Praxis entsprechen (Lazarus 1991). Es ist daher zuallererst notwendig, sich darüber zu verständigen und Klarheit zu gewinnen, was unter „Integration“ verstanden wird und was integriert werden soll.
Küchenhoff (2009) schlägt für das Verständnis der Integrationsprozesse in der Psychotherapie eine Ergänzungsreihe auf der Begriffsebene vor, die sich aus den Elementen Methodenvielfalt, Eklektizismus, modulare Techniken, Methodensynergie und Methodenintegration zusammensetzt und das Niveau des Integrationsprozesses näher beschreibt (Abb. 1).
Methodenvielfalt bezeichnet die beliebige Zusammenstellung von Interventionen in einer Behandlung, ohne dass es ein verbindendes Rational für die Auswahl gibt. Küchenhoff nennt Methodenvielfalt eine „notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Behandlungskonzeption“(Küchenhoff 2009, S. 13). Eklektizistisch Methoden sind dadurch geprägt, dass sie sich „verschiedener entwickelter Systeme bedienen durch die die Elemente der Systeme neu zusammengesetzt und zusammengestellt werden“. Elemente aus verschiedenen Verfahren werden zu einer neuen Behandlungsmethode rekombiniert. Entscheidend ist dabei, dass die Rekombination expliziten Regeln folgt und diese auch benannt werden. Unter modularen Techniken versteht Küchenhoff Untereinheiten eines Gesamtkonzeptes. Bei der Methodensynergie werden Techniken und Methoden aus verschiedenen Verfahren so „zusammengespannt“, dass sie zum Ziel hin zusammenwirken können. Küchenhoff verwendet für Methodensynergie das Bild eines „vielspännigen Fuhrwerks“ (Küchenhoff 2009, S. 13); die einzelnen Elemente bleiben dabei eigenständig und als solche erkennbar. Bei der Methodenintegration dagegen sind die einzelnen zusammengefügten Behandlungselemente nicht mehr für sich stehend, sondern gehen in einem neuen Modell auf. Dieses neue Modell bedarf eines metatheoretischen Rahmens, der die spezifischen Elemente in einen neuen theoretischen Kontext zu setzen vermag, der die Therapieelemente aufeinander bezieht und in einem strukturalen Zusammenhang erkennen lässt, welche Therapieelemente welche Wirkungen auf die Struktur ausüben.
Damit Integrationsprozesse gelingen können bedarf es auf Seiten der Therapeuten bestimmter Voraussetzungen: u. a. Bereitschaft zur Kooperation, Neugier, Kenntnis des anderen und Achtung vor dem anderen, Kompetenz und Verzicht auf Omnipotenz (Küchenhoff 2009).
Norcross (2005) unterscheidet für die nähere Betrachtung von Integrationsprozessen in der Psychotherapie 4 Integrationsebenen: Integration auf der Ebene der Theorien, Integration auf der Ebene allgemeiner bzw. gemeinsamer Wirkfaktoren, Integration auf der Ebene der methodischen Integration (Assimilation) und Integration auf der Ebene der Techniken (Eklektizismus). Anhand dieser Unterscheidung soll im Folgenden die Entwicklungsgeschichte der Psychotherapie kursorisch betrachtet werden.

Integration auf der Ebene der Techniken

Die Integration auf der Ebene der Techniken, der sog. technische Eklektizismus, dürfte in der klinischen Praxis die häufigste Integrationsform darstellen und aus der unmittelbaren Praxis heraus motiviert sein. Technischer Eklektizismus besagt, dass in der Therapie Interventionstechniken aus verschiedenen Verfahren und Methoden angewendet werden, ohne die dahinterliegenden Theorien miteinander verknüpfen zu wollen bzw. deren z. T. konträre Axiome und Theoreme zu markieren (Norcross 2005). Ein solcher Eklektizismus allerdings sieht sich dem Einwand ausgesetzt, es gäbe keine kontextfreien Techniken. Von den Befürwortern eines technischen Eklektizismus wird dem entgegengehalten, dass es sich keinesfalls um einen kontextfreien Raum handle, in dem die verschiedenen Techniken zusammengeführt werden. Vielmehr wird hervorgehoben, dass neben dem Therapeuten insbesondere der Patient mit seinen individuellen Merkmalen und Problemen maßgeblich für die Entscheidung ist, welche Techniken Anwendung finden. Ein technischer Eklektizismus, der sich allein an den Vorlieben und Neigungen des Therapeuten orientiert und unsystematisch in der Behandlung vorgeht – sog. „Mischmasch-Eklektiker“ (Lazarus 1991, S. 283) – stelle gleichermaßen eine Gefahr für die erfolgreiche Gestaltung des Behandlungsprozesses dar wie eine orthodoxe Grundhaltung (Lazarus 1991). Die eklektische Anwendung von Techniken aus verschiedenen Verfahren und Methoden setzt also voraus, dass der Therapeut den Patienten in seinen wesentlichen Erlebens- und Verhaltensmerkmalen systematisch erfasst hat und hieraus ein Veränderungs- und Behandlungsrational ableiten kann. Ein Therapeut, der dieses Vorgehen für sich beansprucht muss sich dem Vorwurf der Beliebigkeit und Unsystematik dann eben nicht aussetzen. Lazarus formuliert in der „multimodalen Therapie“ verschiedene Perspektiven, aus denen die individuellen Patientenmerkmale erfasst werden sollten und versieht diese mit dem Akronym „BASIC-ID“: Verhalten (Behavior), Gefühl (Affect), Empfindung (Sensation), Vorstellung (Imagery), Denken (Cognition), Beziehungen (Interpersonal Relations) und Probleme im Zusammenhang mit Drogen (Drugs) (Lazarus 1991). Aus diesen Informationen erstellt der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten ein Verstehensmodell der aktuellen Probleme des Patienten und konzeptualisiert die individuelle Behandlung des Patienten mittels der Zusammenstellung verschiedener Techniken. Diese können aus den unterschiedlichsten Methoden stammen: sei es die kognitive Umstrukturierung, Imaginationstechniken, Expositionsübungen, Rollenspiele, Aufstellungen, Stühletechnik etc.. Entscheidend ist, dass die Auswahl der Techniken einer Kombinationsregel folgt (Küchenhoff 2009), die nach Lazarus Ansicht den individuellen Merkmalen des Patienten und seiner Probleme folgen muss. Solche Kombinationsregeln i. S. einer Behandlungsheuristik können sich auch in dem Ansatz der modularen Psychotherapie entwickeln.
Gerade im Setting der stationären Psychotherapie findet sich in der Behandlungskonzeptualisierung zumeist eine eklektizistische Vorgehensweise, seien es psychoedukative Gruppenangebote oder Gruppen zum Erwerb von Fertigkeiten (i. S. etwa des sozialen Kompetenztrainings oder Skillstrainings) im Rahmen tiefenpsychologisch ausgerichteter Behandlungsangebote oder aber eine interaktionelle Gruppentherapie im Rahmen einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung.
Die Kritik an einem eklektizistischen Vorgehen, dass dieses empirisch nur schwer kontrollierbar ist und von Seiten des Therapeuten eine hohe Kompetenz in der Entwicklung eines Problemverständnisses, angemessener Hierarchisierung der Themen und Behandlungskonzeptualisierung erfordert, weist auf relevante Fragen sowohl der Psychotherapieforschung als auch der Psychotherapieausbildung hin. Ein möglicher Ansatz zur Bearbeitung und Lösung dieser Fragen stellen die sog. allgemeinen oder gemeinsamen Wirkfaktoren in der Psychotherapie dar.

Integration auf der Ebene gemeinsamer bzw. allgemeiner Wirkfaktoren

Das sog. „Äquivalenzparadoxon“ beschreibt die Beobachtung, dass unterschiedliche Therapieverfahren und -methoden in Wirksamkeitsstudien ähnlich gut abschneiden und eher selten signifikante Wirksamkeitsunterschiede zu finden sind. Aus dieser Beobachtung entstand die Frage, ob das Gemeinsame zwischen Therapieschulen und Therapiemethoden nicht größer sei als allgemein angenommen, d. h. Therapeuten sich zwar auf unterschiedliche theoretische Grundlagen beziehen, verwandte Techniken aber ähnlicher seien als die unterschiedlichen Begrifflichkeiten nahelägen (Kongerslev et al. 2015; Webb et al. 2010). Zudem entwickelte sich eine rege Forschung zur Bedeutung sog. allgemeiner Wirkfaktoren, v. a. der therapeutischen Beziehung, die einen konsistenten Zusammenhang zum Therapieergebnis zeigt und der schließlich eine größere Bedeutung für den Veränderungsprozess als den sog. spezifischen Wirkfaktoren zugeschrieben wird (Webb et al. 2010; Cuijpers et al. 2012). Die Bedeutung der allgemeinen Wirkfaktoren für den therapeutischen Veränderungsprozess und das Therapieergebnis ist inzwischen durch zahlreiche Studien empirisch gesichert (Wampold 2015).
Die Idee allgemeiner Wirkfaktoren hat ihre Ursprünge in dem frühen 20. Jahrhundert. Bereits 1936 veröffentlichte Saul Rosenzweig einen Artikel, in dem er die Vermutung äußerte, dass die verschiedenen therapeutischen Ansätze bezüglich ihrer Wirksamkeit mehr auf allgemeinen bzw. gemeinsamen Faktoren beruhen, denn auf spezifischen Faktoren der jeweiligen Methode. Jerome D. Frank differenzierte bereits 1961 4 Faktoren des psychotherapeutischen Geschehens, die seiner Meinung nach übergreifend wirksam sind:
1.
Eine Beziehung zwischen Therapeut und Patient, in welcher der Patient den Therapeuten als kompetent und bereit zur Hilfe erlebt.
 
2.
Die Besonderheit der therapeutischen Situation als Ort der Heilung (mit Insignien wie der professionellen Akkreditierung des Therapeuten, Couch etc.) und die damit zusammenhängenden Heilungserwartungen.
 
3.
Die Vermittlung einer Erklärung (Attribution) für die Probleme des Patienten und wie man diesen abhelfen kann.
 
4.
Die Durchführung eines therapeutischen Rituals (Aktivität, bei der davon ausgegangen wird, dass sie die Heilung bewirkt).
 
In ihrem erstmals 1986 veröffentlichten und seitdem mehrfach überarbeiteten Lehrbuch Generic Model of Psychotherapy beschrieben auch David Orlinsky und Kenneth I. Howard allgemeine Prozessvariablen, die sich auf das Therapieergebnis auswirken:
  • die formale Beziehung („therapeutic contract“, organisatorischer Aspekt),
  • therapeutische Aktivitäten („therapeutic operations“, technischer Aspekt),
  • therapeutische Beziehung („therapeutic bond“, interpersoneller Aspekt),
  • Selbstbezogenheit („self-relatedness“, intrapersoneller Aspekt),
  • unmittelbare Einflüsse der Sitzung („in-session impacts“, klinischer Aspekt),
  • zeitliche Muster („temporal patterns“, sequenzieller Aspekt, zeitliche Abfolge).
Nach Grawe (Grawe 1995, 2004) lassen sich – über die Therapieschulen hinweg – folgende grundlegende Wirkfaktoren der Psychotherapie nachweisen (Abb. 2):
  • Therapeutische Beziehung: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten und dem Patienten zeigt einen Zusammenhang mit dem Therapieergebnis (Cuijpers et al. 2012; Dragioti et al. 2015).
  • Motivationale Klärung: Die Therapie fördert mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient ein klareres Bewusstsein der Determinanten (Ursprünge, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren) seines problematischen Erlebens und Verhaltens gewinnt.
  • Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die der Patient in die Therapie mitbringt, werden als positive Ressource für das therapeutische Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationale Bereitschaften, Fähigkeiten und Interessen des Patienten. Dabei wird die Ressourcenaktivierung als positiver Rückkopplungsprozess zwischen therapeutischer Intervention und Therapiebeziehung konzeptualisiert (Grawe und Grawe-Gerber 1999).
  • Problemaktualisierung: Die Probleme, die in der Therapie verändert werden sollen, müssen durch unterschiedlichste Interventionen unmittelbar in der Therapie erfahrbar werden (Grawe 1999). Dabei können Methoden und Techniken verschiedener Psychotherapieschulen gleichermaßen wirksam eingesetzt werden. Durch verschiedene konkrete Techniken wie Aufsuchen der realen Situationen (z. B. Exposition in der Verhaltenstherapie), Imagination oder Stühlearbeit (Gestalttherapie), Familienaufstellung (systemische Therapie), Konfrontation (Psychodynamik) werden die Probleme des Patienten erfahrungsnah aktualisiert.
  • Problembewältigung: Die Behandlung unterstützt den Patienten bei der Entwicklung neuer Bewältigungsstrategien auf einer erfahrungsnahen Ebene. Hier sind ebenfalls Methoden aus verschiedenen Psychotherapieverfahren und -methoden einsetzbar (soziales Kompetenztraining, Skillstraining, Entspannungsverfahren etc.).
Es spielt also zunächst keine Rolle, aus welchem verfahrenstheoretischen Hintergrund der Therapeut stammt und welche Interventionen er einsetzt, um den Veränderungsprozess zu gestalten, solange die o. g. Wirkfaktoren ermöglicht werden (Caspar 2010; Grawe 2004).
Von anderen Psychotherapieforschern wurden u. a. affektives Erleben, kognitive Bewältigung und Verhaltensregulation (Pfammatter et al. 2012) als in allen Psychotherapieansätzen enthaltene Komponenten des Änderungsprozesses beschrieben. Jørgensen (2004) nennt 6 allgemeine Wirkfaktoren die im Einzelnen den Änderungsprozess unabhängig der therapeutischen Schule beschreiben: emotionales Abreagieren, Exposition und Desensibilisierung, korrektive emotionale Erfahrung und Internalisierung, Emotionsregulation, Mentalisierung und Entwicklung einer neuen Selbstnarration.
Die allgemeinen Wirkfaktoren erfassen auf einer metatheoretischen Ebene den Veränderungsprozess und lassen sich empirisch stützen. Sie bieten Anschlussmöglichkeiten etwa für die Entwicklung von Behandlungsheuristiken im Rahmen einer modularen Psychotherapie.

Integration auf der Ebene der Theorien

Die höchste Ebene der Integration ist die Ebene der Theorien. Dabei lassen sich grundsätzlich 2 verschiedene Herangehensweisen bei den Ansätzen unterscheiden: die Zusammenführung verschiedener bestehender psychologischer Theorien bzw. psychotherapeutischer Ansätze und die Formulierung metatheoretischer Modelle, die etwa den Veränderungsprozess und seine ihn beeinflussenden Faktoren abzubilden versuchen. Solche metatheoretischen Modelle können zudem ermöglichen, dass sich Therapeuten unabhängig von ihrer eigenen theoretischen Orientierung in einer gemeinsamen Sprache über den Veränderungsprozess austauschen und in die Lage versetzt werden, Differenzen und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Verfahren, Methoden und Techniken neu zu bestimmen, mithin feststellend, das manche Unterschiede der Verfahrensperspektive aus der Perspektive des Veränderungsprozesses keinen Unterschied machen. Die insbesondere im angloamerikanischen Raum wachsende und in den europäischen Raum diffundierende Fülle neu firmierender psychotherapeutischer Methoden, die kein Therapeut mehr in der Lage ist, sich formal praktisch, i. S. einer zertifizierten Ausbildung, zu erschließen, kann nur auf Ebene eines metatheoretischen Modells hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht werden (Knobloch-Fedders et al. 2014). So stellt sich etwa die Frage, inwieweit sich die verschiedenen mentalisierungsbasierten und metakognitiven Konzepte, in dem was sie zu befördern versuchen, wirklich unterscheiden (Kongerslev et al. 2015). Geht man noch einen Schritt weiter, so lässt sich die Frage stellen, inwieweit Psychotherapie, wenn sie erfolgreich ist, nicht immer auch eine Veränderung der Sicht des Menschen auf sich selbst, seine Beziehungen und die Welt bewirkt, mithin also eine Veränderung des Mentalisierungsprozesses bzw. metakognitiver Prozesse. Dann wäre Mentalisierung bzw. Metakognition i. S. eines gemeinsamen Wirkprinzips zu verstehen (Fonagy und Allison 2014).
Ein metatheoretischer Ansatz für die Integration auf der Theorieebene ist die Konzeptualisierung des therapeutischen Veränderungsprozesses. Hier finden sich mittlerweile zahlreiche Versuche (Castonguay et al. 2015). Im Weiteren sollen beispielhaft 2 solche Modelle kurz vorgestellt werden, das transtheoretische Modell von Prochaska und diClemente und das Assimilationsmodell von Stiles.
Das transtheoretische Modell von Prochaska und diClemente geht davon aus, dass im Rahmen der Therapie 5 Stufen der Verhaltensänderung durchlaufen werden und diese mit bestimmten notwendigen Veränderungsstrategien einhergehen, die für die Beziehungsgestaltung und Auswahl der Interventionen jeweils relevante Implikationen mit sich bringen (Prochaska und Velicer 1997, Tab. 1).
Tab. 1
Stadien des transtheoretischen Modells
Absichtslosigkeitsstadium (Precontemplation)
Keine Absicht, problematisches Verhalten bzw. Überzeugungen in der absehbaren Zukunft zu ändern
Absichtsbildungsstadium (Contemplation)
Absicht, problematisches Verhalten bzw. Überzeugungen irgendwann (längerfristig) zu verändern
Vorbereitungsstadium (Preparation)
Menschen planen konkrete Schritte, um ihr Verhalten kurzfristig zu verändern und setzen erste Schritte der Verhaltensänderung um
Handlungsstadium (Action)
Menschen ändern aktiv ihr Verhalten
Aufrechterhaltungsstadium (Maintenance)
Neues Verhalten wird aufrechterhalten
Abschlussstadium (Termination)
Problematisches Verhalten und Überzeugungen existieren nicht mehr, kein Craving zur Wiederaufnahme problematischen Verhaltens
Die in der Tabelle dargestellten Stadien bauen aufeinander auf, sind aber nicht als linearer Fortschritt gekennzeichnet, sondern durch auftretende Regressionen i. S. von Rückschritten bzw. Rückfällen als ein mehrmaliges Durchlaufen der verschiedenen Stadien im Veränderungsprozess.
Neben den Stufen der Verhaltensänderung und den Veränderungsstrategien beschreibt die Entscheidungsbalance (Vor- und Nachteile der Verhaltensänderung) und die Selbstwirksamkeitserwartung (Zuversicht, erwünschtes Verhalten ausüben zu können, vs. Versuchung, das unerwünschte Verhalten auszuüben) den Veränderungsprozess näher.
Die Fortentwicklung in den verschiedenen Stadien wird durch einzelne Veränderungsprozesse befördert, die sich in kognitiv-affektive und verhaltensorientierte Prozesse unterteilen lassen (Tab. 2).
Tab. 2
Veränderungsprozesse des transtheoretischen Modells
 
Prozesse
Erfahrungsbezogene Prozesse
Steigern des Problembewusstseins
Emotionales Erleben
Neubewertung der persönlichen Umwelt
Selbstneubewertung
Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen
Verhaltensbezogene Prozesse
Gegenkonditionierung
Kontrolle der Umwelt
Nutzen hilfreicher Beziehungen
Selbstverstärkung
Selbstverpflichtung
Die Stadien des transtheoretischen Modells wurden in einer Vielzahl von Untersuchungen an verschiedenen Patientengruppen wie etwa chronischen Schmerzpatienten (Kerns et al. 1997), Personen mit aggressivem Verhalten (Levesque et al. 2000) oder aber Alkoholabhängigkeit kritisch empirisch überprüft (Norcross et al. 2011). Auch wenn es u. a. hinsichtlich der Operationalisierbarkeit des Modells offene methodische Fragen gibt, so besticht das Modell doch in der klinischen Praxis als einfache Heuristik, um motivationale Prozesse in der Therapie zu erfassen.
Einen weiteren Ansatz stellt das Assimilationsmodell von Stiles (2011) dar. Dieses versucht ebenfalls ein Modell zur Verfügung zu stellen, welches den Veränderungsprozess im Rahmen der Psychotherapie transtheoretisch näher zu beschreiben und zu bestimmen erlaubt. Psychotherapie bedeutet dabei, dass problematische Erfahrungen neu verstanden, interpretiert und integriert werden, so dass sie wieder in vorhandene Schemata passen. Stiles beschreibt 8 verschiedene Stufen der Assimilation, in der sich der Patient im Therapieprozess befinden kann: Abwehr, unerwünschte Gedanken, vages Bewusstsein, Problemklärung, Verstehensprozess, Anwendung, Problemlösung und Bewältigung. Je nach dem, auf welcher Stufe sich der Patient befindet, sind die eingesetzten Interventionen durch den Therapeuten anzupassen.
Die beiden genannten Modelle beziehen ihre Bedeutung auch aus der jüngeren Prozessforschung die empirisch belegen konnte, dass es nicht die spezifischen Techniken und ihre adhärente und kompetente Anwendung allein sind, die den Therapieerfolg beeinflussen, sondern die flexible, auf den aktuellen Status des Patienten abgestimmte Gestaltung des Therapieprozesses (Owen und Hilsenroth 2014; Webb et al. 2010; Wampold 2015).
Einen umfassenderen Versuch eines metatheoretischen Ansatzes stellt die Konsistenztheorie von Grawe (Grawe 1995, 2004) dar, die mit Erstarken der neurobiologischen Erforschung der neuronalen Effekte von Psychotherapie derzeit großen Aufwind erlebt (Walter et al. 2009). So ein theoriegeleitetes Vorgehen aber ist unter Psychotherapeuten wenig verbreitet und letztlich ist auch noch nicht abzusehen, ob eine befriedigende theoretische Integration überhaupt gelingen kann. Ausgangspunkt ist die erfahrungsbegründete Annahme, dass psychische Gesundheit Ausdruck einer funktionalen bzw. gelungenen Befriedigung der Grundbedürfnisse im Rahmen der Selbstregulation ist. Die ablaufenden neuronalen und psychischen Prozesse stimmen in diesem Sinne miteinander überein, was als Konsistenz bezeichnet wird. Als Grundbedürfnisse werden Orientierung/Kontrolle, Lustgewinn/Unlustvermeidung, Bindung und Selbstwerterhöhung/-schutz in Nähe zu Ebstein formuliert. Aus dem Bestreben der Befriedung dieser Grundbedürfnisse in Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickelt der Mensch lernbiographisch geprägte motivationale Schemata. Dabei unterliegen diese motivationalen Schemata dem übergeordneten Konsistenzstreben und lassen sich in sog. Annäherungs- und Vermeidungsschemata unterscheiden. Annäherungsschemata sind auf die befriedigende Erfahrung von Bedürfnissen, Vermeidungsschemata dagegen auf den Schutz vor bedürfnisverletzenden Erfahrungen ausgerichtet. In dem Selbstregulationsprozess sind dabei sowohl Annäherungs- als auch Vermeidungsschemata aktiv, um eine optimale Bilanz in der Befriedung der Grundbedürfnisse zu erzielen. Welche konkreten Verhaltensstrategien eingesetzt werden, unterliegt dabei in hohem Maße der individuellen lernbiografischen Prägung. Führt das Verhalten und Erleben zum Erreichen der aktivierten motivationalen Ziele, so geht dies mit einer Kongruenzerfahrung und damit mit positiven Emotionen einher. Kommt es dagegen nicht zum Erreichen der aktivierten motivationalen Ziele, geht dies mit einer Inkongruenzerfahrung und negativen Emotionen einher.
Die Inkongruenzerfahrung als Ausdruck der Nichtübereinstimmung zwischen der aktuellen realen Erfahrung bzw. dem aktuellem Erleben und den aktivierten motivationalen Zielen stellt eine Form der Inkonsistenz dar. Inkonsistenz bezeichnet die Unvereinbarkeit gleichzeitig ablaufender psychischer Prozesse und kann sich auf der Erlebens- und Verhaltensebene in verschiedenen Formen ausdrücken: Inkongruenz, Diskordanz, Interferenz, kognitive Dissonanz und Dissoziation (Tab. 3).
Tab. 3
Formen der Inkonsistenz. (Nach Grawe 2004)
Inkongruenz
Nichtübereinstimmung des real erlebten mit den aktivierten motivationalen Zielen
Diskordanz
Nichtvereinbarkeit zweier oder mehrerer gleichzeitig aktivierter motivationaler Schemata
Interferenz
Gleichzeitiges Auftreten sich widersprechender Reaktionstendenzen, die eine eindeutige Interpretation erschweren bzw. verhindern
Kognitive Dissonanz
Zwei Kognitionen sind füreinander relevant aber unvereinbar
Dissoziation
Form der Verdrängung liegt vor, wenn implizite und explizite Annahmen im Widerspruch zueinander stehen
Jede Inkonsistenzerfahrung stellt für das psychische System zunächst Stress dar, den es schnellstmöglich abzubauen versucht. Lernprozesse werden wesentlich durch Inkonsistenzerfahrungen befördert.
Für psychische Störungen und ihre psychopathologische Merkmalsausprägung kann angenommen werden, dass sie einerseits selbst Ursprung der Inkonsistenz sein können, andererseits, dass sie den Versuch darstellen, im Rahmen der Selbstregulationsversuche des psychischen Systems dem Konsistenzprinzip zu entsprechen und Kongruenzerfahrungen zu sichern (beispielsweise kann der Wahn auch als Versuch des psychischen Systems verstanden werden, ein kohärentes Narrativ aufrechtzuerhalten und damit Inkonsistenz zu verhindern). Das psychische System erwirbt im Laufe seiner Entwicklung Strategien, mit denen es im Rahmen der Selbstregulation die Konsistenz aufrechtzuerhalten und die Inkonsistenz zu verhindern bzw. abzubauen versucht, wobei diese Prozesse zumeist unbewusst ablaufen. In der Psychologie finden sich verschiedene Konzeptualisierungen hierzu wie etwa Abwehrmechanismen oder Copingstrategien. Auch normalpsychologische Entwicklungsprozesse selbst dienen der Konsistenzsicherung.
Grawe et al. haben das konsistenztheoretische Modell in einem weiteren Schritt zu einem Modell der allgemeinen Psychotherapie bzw. der Neuropsychotherapie ausgearbeitet. Psychotherapie verfolgt demnach das Ziel, bestehende Inkonsistenzen, die zur Genese der psychischen Störung beitragen abzubauen und Konsistenz im psychischen System zu ermöglichen. Dieser Veränderungsprozess wird durch die oben näher beschriebenen 5 allgemeinen bzw. unspezifischen Wirkfaktoren bestimmt: therapeutische Beziehung, motivationale Klärung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung und Problembewältigung.
Infolge des enormen Wissenszuwachses im Bereich der neuropsychologischen und neurobiologischen Forschung in den letzten Jahren entwickelt sich derzeit möglicherweise ein weiterer metatheoretischer Ansatz für die Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Praxis. Ausgehend von der Identifikation funktioneller Domänen wie soziale Kognition, Affektregulation, Hedonismus, exekutive Funktionen und Selbst/Andere-Differenzierung sowie den mit ihnen in Zusammenhang gebrachten neurobiologischen Strukturen und Netzwerken lassen sich psychische Störungen durch Störungen auf der Ebene der funktionellen Domänen näher beschreiben. Psychotherapeutische Methoden und Techniken wiederum können dahingehend überprüft werden, inwieweit sie in der Lage sind, diese Störungen auf Ebene der funktionellen Domänen zu beheben (Herpertz 2013). Der darauf basierende Ansatz einer modularen Psychotherapie, stellt ein neues Ordnungsprinzip der psychotherapeutischen Methoden und Techniken dar, das sowohl für die empirische Validierung einzelner Techniken und Methoden als auch für die Ausbildung eine große didaktische Plausibilität aufweist (Bohus 2013). Sowohl für die metatheoretischen Konzepte des Veränderungsprozesses in der Psychotherapie als auch für das konsistenztheoretische Modell einer allgemeinen Psychotherapie nach Grawe scheint dabei eine Anschlussfähigkeit zu bestehen.

Integration auf der Ebene der methodischen Integration (Assimilation)

Auf der Ebene der methodischen Integration bzw. assimilativen Integration erweitert ein Psychotherapiekonzept bzw. -verfahren sein Repertoire an Techniken, Modellen und Methoden ohne jedoch seine konzeptionelle bzw. theoretische Fundierung zu verlassen. Damit verbindet diese Form der Integration die Vorteile eines beständigen und kohärenten Systems einerseits und die Flexibilität i. S. einer Erweiterungsfähigkeit andererseits (Norcross 2005). Psychotherapieverfahren bzw. -methoden, die in balancierter Weise eine partielle Geschlossenheit einerseits und partielle Offenheit andererseits aufweisen, können auf Entwicklungen schneller adaptiv reagieren.
Ausgehend von den oben dargestellten 4 Psychotherapieverfahren lässt sich für jedes einzelne aufzeigen, dass es in deren Entwicklung zu Assimilation von zunächst verfahrensfremden Haltungen, Modellen, Methoden und Techniken gekommen ist. Die humanistischen Psychotherapien scheinen dabei in einem besonderen Maße die kognitive Verhaltenstherapie und die psychodynamische Psychotherapie zu Weiterentwicklungen inspiriert zu haben. Dies umfasst z. B. den Bereich der therapeutischen Beziehungsgestaltung, die maßgeblich auf Kernelemente Carl Rogers Gesprächspsychotherapie fußt (Wärme, Akzeptanz, Wertschätzung, Empathie, Vorsorge und Toleranz in der Begegnung mit dem Patienten). Andererseits entlieh sich die systemische Therapie Methoden aus der Gestalttherapie und dem Psychodrama i. S. der Skulpturaufstellung. Die kognitive Verhaltenstherapie wurde durch die Technik der „inneren Anteile“ sowie durch emotionsfokussierende und emotionsdistanzierende Techniken bereichert. Auch die Thematisierung von existenziellen Grundthemen wie Sinnhaftigkeit, Spiritualität, Werte und Selbstmitgefühl, wie sie gerade in der kognitiven Verhaltenstherapie zu beobachten sind, können als Exportleistungen der humanistischen Psychotherapien aufgefasst werden. Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie hielten auch Einzug in die psychodynamische Psychotherapie. So stellen Übungs- und Hausaufgaben zwischen den Sitzungen wie auch psychoedukative Gruppen und stärker strukturierte interaktionelle Gruppen keinen Widerspruch mehr zu den Grundannahmen dar.
Für die nachfolgend genannten Psychotherapiemethoden lässt sich kritisch diskutieren, inwieweit diese sich noch als assimilative Integration, die ja immer noch eine Zuordnung zu der ausgehenden Methode aufweist, oder aber als Integration auf der Theorieebene i. S. einer neuen theoretischen Grundlegung zuordnen lassen (Castonguay et al. 2015; Stricker und Gold 2005).
Ein Ansatz zur Integration bestehender Ansätze ist der von Wachtel (1977) für Verhaltenstherapie und Psychoanalyse oder auch der von Anthony Ryle (Ryle und Kerr 2002). Ryle verbindet in seiner Cognitive Analytic Therapy (CAT) die Personal Construct Theory von Kelly und die Objektbeziehungstheorie und erklärt mit diesen, dass die Vorstellungen, die wir uns von uns selbst, von anderen und der Welt machen, durch frühe Erfahrungen mit relevanten Bezugspersonen geprägt sind. Bei Erfahrungen schweren Missbrauchs oder Vernachlässigung, können diese internalisierten Rollenmodelle in verschiedene Anteile fragmentieren („multiple self-states model“). Die therapeutischen Interventionen der CAT sind darauf ausgerichtet, einen Änderungsprozess durch ein neues Narrativ zu bewirken i. S. einer Integration (Calvert und Kellett 2014; Ryle und Kerr 2002).
Ein weiterer integrativer Ansatz stellt das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) dar (McCullough und Schramm 2006), welches verhaltenstherapeutische, psychodynamische und interpersonelle Ansätze miteinander zu einem neuen Rational der chronischen Depression und ihrer Behandlung verbindet. Auch die Schematherapie nach J. Young lässt sich als ein integrativer Ansatz auf der theoretischen Ebene auffassen. So finden sich in dem Theorierational und den zum Einsatz kommenden Techniken der Schematherapie u. a. Theorieelemente der Individualpsychologie, der Gestalttherapie, der Bindungstheorie, der Transaktionsanalyse, der Hypnotherapie und der kognitiven Verhaltenstherapie (Young et al. 2005). Dabei stellt die Befriedung von Grundbedürfnissen das zentrale Motiv für die Ausbildung der individuellen Erlebens- und Verhaltensweisen dar. Hier steht das Modell der Schematheorie in der Nähe zum konsistenztheoretischen Modell der Neuropsychotherapie von Grawe (Roediger 2010).

Psychotherapie aus der Beziehungsperspektive

Interessanterweise zeichnet sich die sog. integrative Welle in der Psychotherapieentwicklung durch eine über alle Therapieschulen hinweg stärkere Reflexion der Therapeut-Patient-Beziehung aus, gilt sie doch als eine der robustesten Prädiktoren für den Therapieerfolg (Horvath und Bedi 2002; Orlinsky und Rønnestad 2005). Neben den von der Gesprächstherapie herausgearbeiteten Haltungen auf therapeutischer Seite von Wärme, Akzeptanz, Wertschätzung, Empathie, Vorsorge und Toleranz wurden von Rudolf (2000, S. 397) „die Fähigkeit zur anteilnehmenden Beobachtung“, die „Fähigkeit, die eigene Kompetenz und Person einem anderen zur Verfügung zu stellen“ sowie die „Fähigkeit, grundsätzlich positive Aspekte in der mitunter schwierigen Patientenpersönlichkeit zu entdecken“ als wichtige Kompetenzen eines erfolgreichen Therapeuten herausgearbeitet. Die Qualität der therapeutischen Beziehung allerdings hängt nicht nur von Therapeutenvariablen, sondern auch von relevanten Patientenmerkmalen ab, da letztendlich beide die Passung bestimmen. Von Grawe (1992) und Caspar (2007) wurde im Konzept einer motivorientierten, komplementären Beziehungsgestaltung herausgearbeitet, dass es der therapeutischen Beziehung gelingen muss, bedürfnisbefriedigende Erfahrungen bereitzustellen. Dabei orientieren sich die motivorientierte Psychotherapie an dem motivationalen Modell menschlichen Verhaltens von Gray (1981), der eine Verhaltensaktivierung mit der Aussicht auf Belohnung und Bedürfnisbefriedigung beschreibt und die Verhaltensvermeidung bei drohender Bestrafung oder Entsagung von Belohnung. Für die Gestaltung der therapeutischen Beziehung hieß dies, dass diese so zu gestalten ist, dass sie Erfahrungen von Orientierung und Kontrolle, von Freude und Wohlbefinden, sowie von gelungener interpersoneller Bindung und schließlich auch Selbstwerterhöhung gestattet (Caspar et al. 2008). Entsprechend sind spontane Beziehungsreaktionen des Psychotherapeuten zu korrigieren, wenn es zu einer Inkongruenz mit solchen Grundbedürfnissen beziehungsweise Grundantrieben des Patienten kommt. Eine komplementäre, bedürfnisbefriedigende Erfahrungen bereitstellende Beziehungsgestaltung ist v. a. in frühen Therapiephasen entscheidend, während in fortgeschrittenen Therapiephasen in Form einer Metakommunikation dann die handlungsbestimmenden übergeordneten Motive des Patienten herausgearbeitet, validiert, aber auch im Hinblick auf negative interpersonelle Konsequenzen kritisch reflektiert werden können. In fortgeschrittenen Therapiephasen kommen dann auch solche Techniken zur Anwendung, die den Patienten selbst in die Lage versetzen sollen, Inkongruenzen aufzulösen, das heißt durch Verhaltensveränderungen Differenzen zwischen einem eigenen motivationalen Ziel und der Rückmeldung durch die Umwelt abzubauen.
Im psychiatrischen Alltag hilfreich ist die Anwendung der Prinzipien der motivierenden Gesprächsführung („motivational interviewing“, Miller und Rollnick 1999). Diese Form der Gesprächsführung wurde ursprünglich als Methode zur Steigerung der Veränderungsbereitschaft für Patienten mit Substanzabhängigkeiten entwickelt, später aber auf verschiedene psychiatrische Krankheitsbilder, v. a. solche, die mit Motivationsproblemen einhergehen, ausgeweitet (Arkowitz et al. 2008; Westra und Dozois 2006). Die motivierende Gesprächsführung ist darauf ausgelegt, beim Patienten vorhandene, wenn auch zunächst nicht hinreichend erscheinende Bereitschaften zur Veränderung zu erkennen, zu nutzen und zu verstärken (Hettema et al. 2005). Eine Steigerung der Veränderungsmotivation erfolgt durch die Herbeiführung und Unterstützung des „change talk“ als einer expliziten Thematisierung von Wünschen, Fähigkeiten sowie Notwendigkeiten für Veränderungen. Die Verbalisierung veränderungsbezogener Gedanken soll im ersten Schritt die Bereitschaft zur Veränderung fördern und im zweiten Schritt die Selbstverpflichtung („commitment“) für die Veränderung festigen. Mittels der Zwei-Stuhl-Technik können die Ambivalenzen zwischen der Motivation zur Veränderung und dem Festhalten an gewohnten Verhaltensstilen erlebbar und einer Klärung zugeführt werden.

Psychotherapieforschung und gegenwärtige Entwicklungen in der Psychotherapie

Klaus Grawe formulierte folgende 4 Phasen der Psychotherapieforschung (Grawe 1997):
1.
Legitimationsphase (engl. „legitimation phase“): Frage nach der Wirksamkeit (Ist Psychotherapie effektiv?).
 
2.
Wettbewerbsphase (engl. „competition phase“): Frage nach der vergleichenden Wirkung (Welche Form der Psychotherapie ist besser oder am besten?).
 
3.
Verschreibungsphase (engl. „prescriptive phase“): Frage nach der differentiellen Indikation (Welche Form der Psychotherapie ist bei wem indiziert?).
 
4.
Prozessforschungsphase (engl. „process-research phase“): Frage nach der Wirkungsweise (Auf welche Weise wirkt Psychotherapie?).
 
Die Entwicklung und Effizienzbewertung störungsspezifischer Methoden hat zweifelsfrei in der sog. Legitimationsphase den Einsatz von Psychotherapie in klinischen Settings beflügelt und auch die Effekte von Psychotherapie verbessert. Auch wurden wirksame Behandlungsmethoden für Patientengruppen entwickelt, die lange Zeit für nicht oder nur begrenzt behandelbar galten. So wurden beispielsweise für die Borderline-Persönlichkeitsstörung mehrere psychotherapeutische Behandlungsmethoden entwickelt, die eindeutig wirksam sind oder sogar Psychotherapie als Mittel der ersten Wahl empfehlen lassen. Aufgrund der aber insgesamt enttäuschenden Ergebnisse der folgenden Wettbewerbsphase beschäftigt sich die aktuelle Psychotherapieforschung nun mit der Frage der differenziellen Indikation, z. B. was sind Patientenvariablen, die über das Ansprechen auf spezifische Methoden entscheiden. Hier sind über die Diagnose hinaus v. a. Umfang und Schwere der Probleme, Leidensdruck und Veränderungsmotivation, interpersonelle Fertigkeiten und intellektuelle Fähigkeiten zu nennen (Clarkin und Levy 2004). Für die Zukunft gilt weiterhin, mittels Prozessforschung genauer herauszufinden, wie Psychotherapie wirkt. Was sind relevante psychologische und neurobiologische Veränderungsmechanismen, an die psychotherapeutische Techniken passgenau anknüpfen können? Hier können Ergebnisse der neurobiologischen Forschung, v. a. auch der funktionellen Bildgebung genutzt werden (Walter et al. 2009), die den Abstand zwischen subjektiver und objektiver Forschungsperspektive verringern helfen. So können neuronale Korrelate subjektiven Erlebens – auch wenn derzeit nur auf der Ebene von Gruppeneffekten – dazu beitragen, den Symptomen zugrunde liegende beeinträchtigte Funktionsdomänen zu erkennen und durch den Einsatz gezielter Interventionen zu verbessern. Auf dem Wege der Assimilation empirisch begründeter Prinzipien von Veränderung sowie der Aufdeckung und Spezifizierung gemeinsamer, schulenübergreifender Wirkfaktoren und Wirkmechanismen und einer stärkeren Kooperation zwischen Forschern und praktisch tätigen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten könnten Konvergenzen und Komplementaritäten über verschiedene theoretische Grundorientierungen herausgearbeitet werden (Castonguay 2013). Dies könnte sowohl den praktisch tätigen Therapeuten und ihren Patienten zu Gute kommen, als auch in die Weiterbildung einfließen.

Psychotherapeutische Weiterbildung

Derzeit zielt die Weiterbildungsordnung für den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf die Ausbildung in einem Verfahren, sprich der kognitiven Verhaltenstherapie, der tiefenpsychologischen Psychotherapie oder einem anderen wissenschaftlich anerkannten Verfahren ab. Dieser Verfahrensbezug muss sowohl in der Selbsterfahrung als auch in den 240 Therapiestunden unter regelmäßiger Supervision nachgewiesen werden. Der Vorteil einer solchen Weiterbildung liegt in der systematischen Vermittlung einer Theorie der Krankheitsentstehung und -behandlung und schafft beim werdenden Facharzt eine klare Identität mit einer Grundausrichtung. Die Grenzen eines solchen Verfahrensbezuges bzw. der Richtlinienpsychotherapie v. a. im psychiatrischen Kontext wurden dargestellt.
Soll deshalb ein höherer Freiheitsgrad in der Auswahl der Interventionen beim anbietenden Arzt geschaffen werden, so setzt dies nicht unerhebliche Veränderungen in der Weiterbildung in theoretischer und praktischer Hinsicht voraus. Über die Grundausbildung in einem Verfahren hinaus muss Kompetenzerwerb stärker auf die Fähigkeit zur Erarbeitung einer individuellen Fallkonzeption ausgerichtet sein und damit v. a. psychologisches und psychopathologisches Basiswissen vermitteln, das für die Modellbildung zum Wesen der psychischen Störung, ihrer Entstehung und Funktion, aber auch zur Formulierung realistischer Ziele und Wege ihrer Umsetzung verhilft. Eine solche Weiterbildung würde ermöglichen, in flexibler Weise Modellannahmen zur Erklärung und Behandlung in stetigem Abgleich mit der Sichtweise des Patienten, aber auch seinen Möglichkeiten und Ressourcen zu variieren. Diese Kompetenz zusammen mit der Verfügbarkeit eines möglichst breiten Spektrums von Interventionsstrategien ließe auf eine gute und zukünftig flexiblere und stärker mit Patientenbedürfnissen im Einklang stehenden Passung von Psychotherapeut und Patient hoffen.
Eine Schwerpunktsetzung auf die Weiterbildung in Psychotherapietechniken würde ermöglichen, dass zukünftige Fachärzte besser für das spezifisch psychiatrische Setting ausgebildet sind. Frühzeitig könnten Basiskompetenzen wie personale Kompetenz, therapeutische Beziehungsgestaltung, Problemanalyse und Erarbeitung einer Fallkonzeption einschließlich der Mitteilung einer mehrdimensionalen Diagnose und schließlich Techniken der Gestaltung eines motivierenden und ermutigenden therapeutischen Settings gelehrt werden. Es könnte die Vermittlung der Kerntechniken der wichtigsten Verfahren folgen, wie akzeptanzbasierte, motivationsfördernde und veränderungsorientierte Techniken, die die Fähigkeit zum routinemäßigen Einsatz zum Ziel hätten, und schließlich eine Systematik aller evidenzbasierten Interventionen angeboten werden, die in einzelnen Aspekten vertieft werden könnte. Letzteres könnte unter Einsatz von Lehrvideos, Mastermodellen, Schauspielpatienten und Webinaren erfolgen. Zukünftige Supervisionsmethoden könnten neben videogestützten retrospektiven Supervisionen auch Live-Supervisionen einschließen.
Ein solcher psychotherapeutisch breitflächig ausgebildeter Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie hätte ausreichende Expertise für die Behandlung des Gesamtkanons der psychischen Erkrankungen. Dies gilt für die Akutphase, in welcher primär psychoedukative und stützende Elemente überwiegen, gefolgt von der Postakutphase, wo störungs- und individuumsbezogene Techniken i. S. einer modularen Psychotherapie zu einem Behandlungsplan zusammengeführt werden, bis hin zu einer psychotherapeutischen Unterstützung in der Erhaltungsphase, welche tertiärpräventive Ziele verfolgt und sich damit auf die Verhinderung eines Rezidivs ausrichtet. Somit könnten Menschen mit mehr oder weniger komplexen psychischen Erkrankungen eine evidenzbasierte Therapie erhalten.
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