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Sexualstörungen

Verfasst von: F. Pfäfflin
Was unter einer Sexualstörung zu verstehen ist, unterlag in der Geschichte vielfältigem Wandel. Wie kaum eine andere Diagnose wird das Verständnis dieser Störungen durch gesellschaftliche und politische Faktoren beeinflusst. Wie rasch sich diesbezügliche Einschätzungen ändern können, lässt sich selbst an der kurzen Geschichte der medizinischen Klassifikationssysteme ICD und DSM ablesen. Inhaltlich geht es v. a. um 3 Themenbereiche: die sexuellen Funktionsstörungen, die Störungen der Geschlechtsidentität und die Störungen der Sexualpräferenz bzw. die Paraphilien. Einige der letztgenannten Störungsbilder sind, soweit sie den Fantasiebereich überschreiten und sich im Handeln manifestieren, von strafrechtlicher Relevanz. Dabei ist der Psychiater nicht nur als Therapeut, sondern auch als Gutachter gefordert.

Begriff der Sexualstörungen im Wandel der Zeit

Sexuelles Verhalten und Erleben sind für die Gattung wie für den Einzelnen unentbehrlich und selbst dort von zentraler Bedeutung, wo diese negiert wird. Was als ungestörte Sexualität bzw. was als Sexualstörung definiert wird, kann sich rasch ändern, wie die drei folgenden Beispiele schlaglichtartig veranschaulichen: Vor 100 Jahren war bürgerlichen Frauen von renommierten Psychiatern sexuelle Erlebnisfähigkeit noch generell abgesprochen worden, trat sie dennoch auf, wurde sie pathologisiert. Masturbation galt noch als ätiopathogenetischer Generalschlüssel und sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern wurden mit Freiheitsstrafen geahndet. Heute ist eine Anorgasmie eine Behandlungsindikation; eine bezüglich Masturbation leere Anamnese fällt auf, und Männer können ihre Partnerschaft eintragen lassen und haben in einzelnen Staaten bereits deren Gleichstellung mit der Ehe durchgesetzt.

Klassifikation von Sexualstörungen

In den Klassifikationssystemen ICD und DSM wurden die hier als Sexualstörungen zusammengefassten Phänomene wiederholt neu definiert, und der Katalog der Störungen wurde sowohl erweitert als auch reduziert.
Streichungen
Die wichtigsten Streichungen aus dem Katalog der sexuellen Verhaltensabweichungen und Störungen der ICD-9 betrafen die Diagnosen Sodomie (Zoophilie) und Homosexualität. Als Ich-dyston verarbeitete sexuelle Orientierung, verbunden mit anhaltendem subjektivem Leiden, wurde Letztere zwar in der ICD-10 F66.1 sowie im DSM-III-R 302.90 noch fortgeschrieben, aber aus dem DSM-IV eliminiert (Drescher 2010). Sexuelle Handlungen mit Tieren werden seit der Revision des Tierschutzgesetzes aus dem Jahr 2012 neuerdings wieder (als Ordnungswidrigkeiten) sanktioniert (Jahn 2014). Die seltenen Fälle mit klinischer Bedeutung werden heute unter ICD-10 F65.8 (andere Störungen der Sexualpräferenz) bzw. DSM-5 302.89 (andere näher bezeichnete paraphile Störungen) kategorisiert.
Erweiterungen
Die wichtigsten Erweiterungen erfuhren die „sexuellen Funktionsstörungen“, die in der ICD-9 noch mit den pauschalen, inzwischen umgangssprachlich zu reinen Entwertungen verkommenen und sehr unpräzisen Begriffen Frigidität und Impotenz erfasst worden waren. In den diesbezüglichen Erweiterungen in der ICD-10, im DSM-IV und DSM-5 schlugen sich die inzwischen wesentlich differenzierteren Behandlungsmöglichkeiten nieder.
Änderungen
Die in der ICD-9 und im DSM-III eingeführte Diagnose „Transsexualismus“ war im DSM-IV umbenannt worden in „Geschlechtsidentitätsstörungen“. Im DSM-5 wurde diese Bezeichnung ersetzt durch „Gender Dysphoria“ (dt. „Geschlechtsdysphorie“), eine Diagnose, die bewusst auf das Wort „Störung“ verzichtet und auch bei Personen mit „Störungen der sexuellen Entwicklung“ (so genannte Interexe) gestellt werden kann. Bezüglich der sexuellen Funktionsstörungen wurden die aversiven Störungen (DSM-IV 302.79) gestrichen, weil es dazu so gut wie keine empirischen Daten gab, dafür aber die „Störung des sexuellen Interesses bzw. der Erregung bei der Frau“ (DSM-5 302.72) sowie die „genito-pelvine Schmerz-Penetrationsstörung“ (DSM-5 302.76) neu eingeführt.

Konzepte von Sexualstörungen

Jedes Konzept einer Störung orientiert sich an einer Normvorstellung. Da sich menschliches Leben insgesamt unter den Gesichtspunkten von Sexualität und sexuellem Erleben konzeptualisieren lässt, liegt auf der Hand, dass es viele Störfälle geben kann. Dabei sind 3 große Themen zu unterscheiden:
  • Die sexuellen Funktionen,
  • die Geschlechtsidentität und
  • die Sexualpräferenz bzw. die Paraphilien.
Theoretische Entwürfe über normale, ungestörte Sexualität finden sich in der psychiatrischen Literatur nicht. Definitionen dessen, was als normal gilt, können in relativ kurzer Zeit ins Gegenteil verkehrt werden.

Sexualwissenschaftliche Konzeption

Auch die Sexualwissenschaft, die sich pragmatisch entwickelte, hat, von Ausnahmen abgesehen (Schorsch 1993; Sigusch 2005, 2008) ihre eigene Arbeit nur selten im weiteren Rahmen reflektiert. Schorsch (1993) hob 3 Aspekte sexuellen Erlebens hervor, die über dessen Gelingen oder Scheitern entscheiden:
  • Den narzisstischen Aspekt,
  • den Beziehungsaspekt und
  • den reproduktiven Aspekt.
Bemerkenswert ist, dass bei den in den Diagnoseschlüsseln aufgeführten Sexualstörungen die reproduktive Funktion nicht explizit genannt wird. Sie kann zwar bei allen 3 Gruppen von Störungen beeinträchtigt sein, doch wird diese Beeinträchtigung praktisch kaum mehr primär im psychiatrischen Kontext thematisiert.

Einflüsse auf die Konzeptentwicklung

Rahmenbedingungen, wie z. B. die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern (vgl. die Literatur über Gender Studies), die Rechte von Kindern in der Gesellschaft, religiöse Bindungen, Moralvorstellungen (Schmidt 1996), öffentliche Verherrlichung von Gewalt, strafrechtliche Sanktionen, aber auch die Verteilung von Reichtum, Wohnraum und Arbeit haben Einfluss darauf, was sich überhaupt als sexuelle Störung manifestieren kann und was als solche definiert wird (Sigusch 2005, 2008).
Innerhalb des medizinischen Betriebs ist ferner die Entwicklung neuer Techniken der Diagnostik und Behandlung zu bedenken, die zu einer Verlagerung von Erklärungs- und Behandlungskonzepten und schließlich zu veränderter Selbstwahrnehmung von Patienten führen. Im speziellen Kontext gilt dies insbesondere für die Behandlung von Erektionsstörungen (Abschn. 2.3.1).
Vor diesem Hintergrund erscheint es außerordentlich schwierig, ein generelles Konzept für alle 3 Gruppen zu formulieren. Die Bedeutung der sexuellen Symptomatik ist jeweils im Einzelfall abzuklären.

Gemeinsame Charakteristika aller Sexualstörungen

Nur in gröbster Vereinfachung lassen sich Faktoren benennen, die bei allen 3 Gruppen zu Leiden führen können und bei Diagnosestellung und Behandlungsplanung Berücksichtigung finden sollten.

Dysfunktionale Aspekte

Gemessen an einem Ideal sexueller Gesundheit sind sexuelle Störungen dysfunktional. Dabei ist Übereinkunft über ein solches Ideal, soll es nicht utopisch sein, nicht leicht zu erzielen. Dies lässt sich bereits am ersten Definitionsversuch der WHO (1975) ermessen:
Sexual health is the integration of the somatic, emotional, intellectual, and social aspects of sexual being, in ways that are positively enriching and that enhance personality, communications, and love.
Sexuellem Erleben wird hier eine Weihe verliehen, die es in seinen alltäglichen Vollzügen oft gar nicht hat und auch nicht haben kann. Die Diskrepanz zwischen solchen Erwartungen und dem, was Schmidt (1993) die „reduzierte Intensität der alltäglichen Sexualität“ bzw. die „triste Alltagssexualität“ nannte, kann schon für sich genommen dazu führen, dass sich Menschen als Leidende definieren, die ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe bedürfen.

Funktionale Aspekte

Gemessen an der jeweils spezifischen Konfliktsituation von Patienten ist ein sexuelles Symptom sehr häufig funktional im Sinne einer neurotischen Kompromissbildung. Auch wenn der Patient die Beseitigung des Symptoms explizit wünscht, heißt dies noch lange nicht, dass er unmittelbar auf das Symptom verzichten könnte. Er hat es entwickelt, weil er es in einem ihm manchmal bewussten, oft aber auch in einem ihm nicht direkt zugänglichen Sinne brauchte. Die finalen Aspekte der Symptombildung herauszuarbeiten, ist eine der reizvollsten Aufgaben psychiatrischer Tätigkeit.
Bevor man seine Hoffnungen zu sehr auf therapeutische Einzeltechniken stützt, sollte hier angesetzt werden, zumal sich diese nur gemeinsam mit dem Patienten zu bewerkstelligende Arbeit meist lohnt. Gelingt sie nämlich, dann wird das Symptom in der Regel überflüssig.

Sexuelle Störung als isoliertes Phänomen

Nur selten werden Personen, bei denen die sexuelle Störung als isoliertes und passageres Symptom auftritt, den Weg zum Psychiater wählen. Wenn überhaupt, dann dürfte dies noch am ehesten bei solchen Störungen geschehen, die unter besonderen lebensgeschichtlichen Belastungen auftreten. Die Mechanismen ihrer Entstehung entsprechen jenen somatoformer und konversiver Störungen, obwohl sie definitorisch davon abgegrenzt werden. Solche isolierten Störungen stellen das Extrem am unproblematischen Ende eines Kontinuums dar, dessen anderes Extrem im folgenden Abschnitt genannt wird.

Sexuelle Störung als Spitze des Eisbergs

Weit häufiger signalisiert die sexuelle Störung eine Störung, hinter der tiefer liegende und weiterreichende psychische Belastungen stehen, die vielfältiger Natur sein können. Entwicklungsstörungen, Störungen der Geschlechtsidentität, Konfliktreaktionen, Substanzmittelabusus, reguläre Medikamenteneinnahme, somatische sowie psychische Erkrankungen usw. können sich dahinter verbergen.
Anhand von Kasuistiken aus einer sexologischen Ambulanz fächerte Gschwind (2007) anschaulich das Bedeutungsspektrum auf, das den Hintergrund sexueller Störungen, die in der sexologischen Sprechstunde vorgetragen werden, bilden kann (Levine et al. 2010). Speziell zum Bedeutungsgehalt sexueller Funktionsstörungen finden sich zahlreiche Beispiele bei Arentewicz und Schmidt (1993). Exempel für den Bedeutungsgehalt von Geschlechtsidentitätsstörungen finden sich bei Pfäfflin (2006b, 2010a), für jenen von Paraphilien bei Reiche (2007) und Sigusch (2005).
Die genannten Quellen berichten über Patienten, die von sich aus eine sexuelle Störung präsentieren. Im psychiatrischen Kontext kann aber nicht erwartet werden, dass der Patient spontan auf sexuelle Störungen zu sprechen kommt. Stattdessen werden häufig Arbeitsstörungen, Suizidalität, depressive Verstimmungen usw. präsentiert, und es ist Aufgabe des Psychiaters, auch das sexuelle Erleben zu explorieren, das den Hintergrund dieser Beschwerden darstellen kann.
Bei schwereren psychischen Erkrankungen, wie z. B. Psychosen, wird die sexuelle Sphäre in Diagnostik und Therapie oft vernachlässigt und zudem übersehen, dass die Pharmakotherapie zu zusätzlichen Störungen führen kann.

Historische Aspekte der Therapie von Sexualstörungen

Um die Behandlung sexueller Störungen konkurrieren heute viele Disziplinen mit der Psychiatrie, zumal diese lange Zeit konzeptuell und therapeutisch wenig zu bieten hatte. Das gilt sowohl für die sexuellen Funktionsstörungen als auch für die Geschlechtsidentitätsstörungen und schließlich die Paraphilien.

Sexuelle Funktionsstörungen

Die sexuellen Funktionsstörungen hatten für die Psychiatrie und im weiteren Sinne für die Medizin lange Zeit überhaupt keinen Krankheitswert, waren schicksalhafte Ereignisse, mit denen ein Mensch eben fertig werden musste.
Es war die Psychoanalyse, die sich in ihren Anfängen noch als Sexualwissenschaft begriff, die erstmals ein kohärentes Modell der psychosexuellen Entwicklung entwarf. Gegenüber den sexuellen Funktionsstörungen entfaltete sie jedoch keine therapeutische Breitenwirkung. Die Psychoanalyse und die von ihr abgeleiteten Psychotherapieverfahren widersetzten sich symptomorientiert eingeengten Arbeitsweisen und überließen das Feld damit anderen.
Paartherapie nach Masters und Johnson
Der Gynäkologe William Masters und seine Frau Virginia Johnson entwickelten ausgehend von physiologischen Untersuchungen (Masters und Johnson 1966) ein Modell der Paartherapie für Paare mit sexuellen Funktionsstörungen (Masters und Johnson 1970), das in den 1970er-Jahren zur Basis einer breiten sexualtherapeutischen Bewegung wurde, die sich weitgehend unabhängig von der Psychiatrie etablierte. In den USA waren es überwiegend Psychologen, Sozialarbeiter, Familientherapeuten und schließlich „sex therapists“ ohne spezifischen Hintergrund, die sich damit den von der Psychiatrie vernachlässigten Markt eroberten.
Somatisierung der Therapie sexueller Funktionsstörungen
Ab den 1980er-Jahren schickten sich die Urologie, die Gefäßchirurgie und die Pharmakotherapie an, diesen Markt von den psychosozialen Fächern zurückzuerobern, zumindest was die sexuellen Funktionsstörungen auf Seiten des Mannes, insbesondere die Erektionsstörungen, anlangt.
Psychiatrische Diagnostik und Therapie wurden in diesem Kontext oft übergangen und/oder für überflüssig erklärt.

Geschlechtsidentitätsstörungen

Anhand der Geschlechtsidentitätsstörungen lässt sich in gleicher Weise zeigen, dass die Psychiatrie an Terrain verlor. Zwar stammen die ersten Symptombeschreibungen von Psychiatern und viele Patienten mit transsexueller Symptomatik wurden früher sogar stationär psychiatrisch behandelt.
Weil die Psychiatrie ihren Anspruch, die Patienten von ihrer gegengeschlechtlichen Identifikation zu heilen, nicht einlösen konnte, setzten sich hormonelle und geschlechtsumwandelnde chirurgische Eingriffe durch, die immer häufiger von Ärzten ohne psychiatrischen Hintergrund indiziert wurden und werden.
Gender-Identity-Kliniken und weitere Entwicklungen
In den ab Mitte der 1960er-Jahre in den USA an vielen Universitätskliniken eingerichteten Gender-Identity-Kliniken kam den Psychiatern häufig nur die Rolle zu, in 1 oder 2 Interviews differenzialdiagnostisch Ausschlusskriterien für geschlechtsumwandelnde Eingriffe zu überprüfen. Die Behandlung wurde im Übrigen vornehmlich von Endokrinologen und Chirurgen getragen.
Selbsthilfeorganisationen veranstalten inzwischen nationale und internationale Kongresse mit Experten, bei denen die psychiatrischen Beiträge eher marginal sind und oft sogar als störend zurückgewiesen werden.
Analog zur früheren Forderung, die Diagnose Homosexualität aus den psychiatrischen Diagnoseschlüsseln zu streichen, weil sie diskriminierend sei, wird heute von vielen Selbsthilfeverbänden die Streichung der Geschlechtsidentitätsstörungen gefordert. Wenn es um Behandlung geht und um die Übernahme von Behandlungskosten durch Krankenversicherungen, sei dafür allenfalls die somatische Medizin zuständig, nicht dagegen die Psychiatrie.

Paraphilien

Der Beschäftigung mit Perversionen, wie die Paraphilien bzw. sexuellen Präferenzstörungen früher hießen, verdankt die Psychiatrie als akademisches Fach historisch betrachtet viel. Im Bündnis mit der Rechtswissenschaft stärkte sie durch ihre Begutachtungen Krimineller ihre Stellung als eigenständiges Fach im medizinischen Fächerkanon, hatte aber therapeutisch wenig zu bieten. Erst seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es im psychiatrischen Maßregelvollzug und in Gefängnissen verstärkte Anstrengungen, die Plätze zur Behandlung von Sexualstraftätern im stationären und im ambulanten (Nachsorge-)Bereich zu vermehren. Da gleichzeitig die Frequenz externer psychiatrischer Prognosebegutachtungen erhöht wurde, hat dies aber nicht zu einer Verkürzung, sondern im Gegenteil zu einer Verlängerung der Unterbringungsdauern beigetragen (Pfäfflin 2014b).

Ausblick

Obwohl die sexuellen Störungen in der ICD-10 und im DSM-5 als primär psychiatrische Störungen klassifiziert sind, stammen viele Erkenntnisse zu ihrem Verständnis und zu ihrer Behandlung aus anderen Quellen, nämlich aus der Psychoanalyse und den von ihr abgeleiteten Verfahren, den verschiedenen Formen der Verhaltenstherapie, der klinischen Psychologie, der Sexualwissenschaft und dem Sammeltopf von Sexualtherapien, die sich alle weit mehr als die Psychiatrie dem zentralen Bereich sexuellen Erlebens und Verhaltens annahmen. Will die Psychiatrie ihren diesbezüglichen Geltungsanspruch einlösen, wird sie sich theoretisch und praktisch weit stärker als bisher auf Patienten mit sexuellen Störungen einlassen und die Ergebnisse der Nachbardisziplinen zur Kenntnis nehmen müssen.

Sexuelle Funktionsstörungen

Begriffsbestimmung

Sexuelle Funktionsstörungen stehen befriedigendem sexuellen Erleben entgegen. Insofern sind sie psychische Störungen, die das sexuelle Erleben betreffen. Weil sexuelles Begehren grundsätzlich Interaktion intendiert, die selbst in der autoerotischen Praktik in den Begleitfantasien nicht fehlt, sind sie gleichzeitig Beziehungsstörungen. Die nosologischen Klassifikationssysteme der ICD und des DSM, die den einzelnen Patienten im Blick haben, greifen daher zwangsläufig zu kurz (Tab. 1). Sie sind nur aus didaktischen Gründen nützlich, vorausgesetzt, der Psychiater behält im Blick, dass sexuelles Erleben regelmäßig interaktionell angelegt ist.
Tab. 1
Sexuelle Funktionsstörungen nach ICD-10 und DSM-5
ICD-10
DSM-5
Mangel oder Verlust an sexuellem Verlangen
F52.0
302.71
Störung des sexuellen Interesses bzw. der Erregung bei der Frau
Störung mit verminderter sexueller Appetenz beim Mann
Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
F52.1
  
Versagen genitaler Reaktionen
F52.2
302.72
Erektionsstörung
Orgasmusstörung
F52.3
302.73
302.74
Weibliche Orgasmusstörung
Verzögerte Ejakulation
Ejaculatio praecox
F52.4
302.75
Vorzeitige (frühe) Ejakulation
Nichtorganischer Vaginismus
F52.5
306.76
Genito-pelvine Schmerz-Penetrationsstörung
Nichtorganische Dyspareunie
F52.6
302.76
Genito-pelvine Schmerz-Penetrationsstörung
Ohne Ziffer
Substanz-/medikamenteninduzierte sexuelle Funktionsstörung
Gesteigertes sexuelles Verlangen
F52.7
  
Andere näher bzw. nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörungen
F52.8 bzw. F52.9
302.70 bzw. 302.79
Andere näher bzw. nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörung
Auch die im Folgenden aufgeführten formalen Einteilungen stehen unter dem Vorbehalt, dass sexuelles Erleben die Beteiligten insgesamt betrifft und jede Unterteilung eine künstliche Atomisierung darstellt, da sich hinter der deskriptiven Ebene weitere, sehr unterschiedliche Störungen verbergen können.

Formale Einteilung nach zeitlichem Ablauf der sexuellen Interaktion

Die heute gängigen Einteilungen knüpfen an die genitalphysiologischen Untersuchungen von Masters und Johnsons (1966) an, die 4 Phasen differenzierten, nämlich Erregung, Plateau, Orgasmus und Erregungsrückbildung.
Neuere Einteilungen (Arentewicz und Schmidt 1993; Clement 2004; Hauch 2006; Sigusch 2007) betonen, dass in dieser Aufzählung eine wesentliche Voraussetzung fehlt, nämlich die Appetenz, die noch vor der Erregung liegt, und sie differenzieren stärker zwischen den bei Männern bzw. bei Frauen auftretenden Störungen.
Appetenzstörungen
Sie betreffen den initialen Abschnitt sexueller Annäherung. Ein heute zunehmend bei Männern wie bei Frauen beobachtetes Phänomen ist die sog. Lustlosigkeit, ein Mangel an sexuellem Verlangen, das sich bei Ungleichgewicht in Partnerschaften als sehr störend erweisen kann. Aversivreaktionen (z. B. Versagens- und Schmerzangst, Widerwillen, Ekel) führen dazu, dass die sexuelle Annäherung erst gar nicht gesucht bzw. ihr ausgewichen wird, wenn sie vom Partner initiiert wird. Da es zu letzteren kaum empirische Daten gibt, wurde die Diagnose im DSM-5 gestrichen.
Erregungsstörungen
Diese Beeinträchtigungen betreffen den zweiten Abschnitt der sexuellen Interaktion, die sexuelle Stimulation. Symptomatisch können sie sich bei Frauen in Lubrikationsstörungen manifestieren, die, wird die sexuelle Interaktion weitergeführt, schließlich zu dyspareunischen Beschwerden führen können. Bei Männern resultieren im Hinblick auf Dauer und Stärke nicht ausreichende Erektionen.
Zu den Erregungsstörungen zu rechnen sind auch die Schmerzstörungen (z. B. Brennen, Stechen, Jucken), die sich bei Männern z. B. als Glans-, Hoden- oder auch als Kopfschmerzen äußern können, bei Frauen als Algopareunie, Klitorisschmerz oder Vaginismus.
Intromissionsstörungen
Diese Beschwerden treten häufig als Folge der Erregungsstörungen auf. Es ist eine akademische Frage, ob man sie von den Erregungsstörungen abgrenzen will oder als deren zwangsläufige Folge bzw. als Schmerzstörungen interpretiert. Bei Algopareunie ist die Intromissio nicht oder nur unter Schmerzen möglich. Der Vaginismus stellt die Steigerungsform dar, sodass die Intromissio gar nicht mehr gelingt und entsprechende Versuche nur dazu führen, Aversivreaktionen zu verstärken.
Orgasmusstörungen
Sie werden häufiger von Frauen als von Männern zum Anlass genommen, ärztlichen Rat zu suchen. Anorgasmie mit bzw. ohne Ejakulation ist bei Männern eher selten. In den gängigen Einteilungen wird vielfach die Ejaculatio praecox zu den Orgasmusstörungen gerechnet, obwohl das unmittelbare Orgasmuserleben des Mannes dabei nicht beeinträchtigt zu sein braucht. Diskutabel ist diese Zuordnung jedoch insofern, als die Partnerin unter solchen Voraussetzungen gewöhnlich keinen Orgasmus erlebt. Handelt es sich um eine habituelle Erfahrung, können daraus sowohl bei Frauen als auch bei Männern Appetenz- und Erregungsstörungen resultieren.
Entsprechendes gilt für Ejaculatio retardata und deficiens. Eine seltene Störung ist die Ejaculatio retrograda, die mit oder ohne Orgasmus erlebt werden kann.
Postkoitale Verstimmungen bzw. Befriedigungsstörungen
Sie können – unabhängig vom Orgasmuserleben – als erhebliche Beeinträchtigung erlebt werden. Symptomatisch äußern sie sich z. B. in Gereiztheit, innerer Unruhe oder Weinkrämpfen.

Formale Einteilung nach Auftrittswahrscheinlichkeit

Aus klinischer Sicht ist es für die Bewertung der Schwere der Störung sowie im Hinblick auf die Entscheidung, welche weiteren diagnostischen Schritte eingeleitet werden sollen, von großer Bedeutung, sich ein Bild darüber zu verschaffen, wann die Störung erstmals, wie häufig und unter welchen Umständen sie auftrat. Man orientiert sich dabei rasch anhand der in Tab. 2 genannten Kriterien.
Tab. 2
Formale Einteilung sexueller Funktionsstörungen nach Auftrittswahrscheinlichkeit. (Mod. nach Arentewicz und Schmidt 1993 sowie Sigusch 2007)
Beginn
Initial
Bei den biografisch ersten entsprechenden Aktivitäten
Primär
Die Störung besteht von Anfang an
Sekundär
Die Störung trat erst nach einer symptomfreien Phase auf
Verlauf
Akut
Plötzliches Auftreten
Allmählich
Die Störung wurde langsam immer stärker
Chronisch
Die Störung besteht seit langem unverändert
Kontinuität
Fakulativ
Gelegentlich auftretende Störung
Regelmäßig
Die Störung tritt jedes Mal auf
Ausmaß
Partiell
Es handelt sich nur um eine Funktionseinschränkung
Total
Die Funktion ist ganz ausgefallen
Praktik
Praktikbezogen
Die Störung bezieht sich nur auf bestimmte Sexualpraktiken, z. B. nur auf den Geschlechtsverkehr, nicht dagegen auf die Masturbation
Praktikunabhängig
Die Störung tritt bei allen Praktiken auf
Partner
Partnerbezogen
Die Störung tritt nur beim Zusammensein mit bestimmten Partnern auf
Partnerunabhängig
Die Störung tritt unabhängig von bestimmten Partnerkonstellationen auf
Situation
Situationsbezogen
Die Störung tritt nur unter bestimmten konstellativen Bedingungen auf, z. B. wenn die Eltern in der Wohnung sind
Situationsunabhängig
Die Störung tritt regelmäßig auf, unabhängig von äußeren konstellativen Faktoren

Epidemiologie

Verlässliche epidemiologische Daten über die Verbreitung sexueller Funktionsstörungen in der Allgemeinbevölkerung liegen nicht vor. Erhebungen über sexuelles Verhalten generell, die eine gewisse Repräsentativität beanspruchen können, sind bezüglich der einzelnen Funktionsstörungen meist zu undifferenziert.
Klinische Stichproben sind dagegen hochselektiert. Ihre Ergebnisse sind zudem beeinflusst vom spezifischen Behandlungsangebot der jeweiligen Klinik und vermutlich auch abhängig von der Erhebungsmethode (Interview durch den Kliniker oder anonym ausgehändigter Fragebogen). Es verwundert deshalb nicht, dass sich die in der Literatur mitgeteilten Daten z. T. um Zehnerpotenzen unterscheiden.

Prävalenzraten in der Literatur

Vor mehr als 25 Jahren waren Spector und Carey (1990) in einer kritischen Übersicht über 23 Studien aus den Jahren 1948–1988 zur Inzidenz und Prävalenz sexueller Funktionsstörungen zu folgenden Ergebnissen gekommen:
  • Die Prävalenz für Orgasmusstörungen betrug bei Frauen 5–10 %, bei Männern 4–10 %.
  • Für Erektionsstörungen betrug sie 4–9 %, für Ejaculatio praecox 36–38 %.
  • Für Appetenz- und Lubrikationsstörungen sowie für Vaginismus, Dyspareunie, verzögerte und ausbleibende Ejakulation ließen sich keine sicheren Daten errechnen.
In einer repräsentativen Stichprobe aus den USA (1.410 Männer und 1.749 Frauen) erklärten 31 % der Männer und 43 % der Frauen, in den zurückliegenden 12 Monaten unter sexuellen Problemen gelitten zu haben (Laumann et al. 1999). Moreira et al. (2005) untersuchten die Hilfsangebote für Menschen mit sexuellen Problemen und werteten dazu Daten von ca. 27.500 Personen aus 29 Ländern aus. Danach hatten 19 % der Befragten wegen sexueller Probleme medizinische Hilfe in Anspruch genommen.
Erektionsstörungen
In der Fachliteratur ist eine deutliche Zunahme des Interesses an Erektionsstörungen zu verzeichnen, was fraglos mit der Zunahme somatischer Erklärungs- und Behandlungsmodelle für diese Störungen zusammenhängt. Sigusch (2007) und zahlreiche andere Autoren wiesen in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die Medikalisierungstendenzen bezüglich der männlichen Sexualität hin.
Laut Angaben des National Center for Health Statistics (1987) konsultierten im Jahr 1985 in den USA etwa 400.000 Männer wegen Erektionsstörungen einen Arzt und 30.000 wurden deswegen sogar stationär behandelt, sodass es nach Sigusch (2007, S. 115)
…ohne Weiteres möglich (ist), sexuelle ,Dysfunktionen‘ als Volkskrankheiten anzusehen, die häufiger vorkommen als Diabetes mellitus und koronare Herzkrankheit.
Nach der Massachusetts Male Aging Study (Feldman et al. 1994) wurde eine Prävalenzrate für Erektionsstörungen von 52 % errechnet, wobei die Häufigkeit dieser Störungen mit dem Lebensalter offensichtlich zunimmt.
Laut DSM-5, wonach sexuelle Funktionsstörungen erst dann zu diagnostizieren sind, wenn sie seit mindestes 6 Monaten bestehen, klagen weniger als 1 % der Männer über ausbleibende Ejakulation; ca. 2 % der Männer unter 40 Jahren, aber 60–70 % der Männer über dem Alter von 60 Jahren klagen über Erektionsstörungen. Ungefähr 10 % aller Frauen erleben nie einen Orgasmus und 10–42 % klagen über Orgasmusstörungen; bezüglich Erregungsstörungen bei Frauen gibt es keine belastbaren epidemiologischen Daten, auch nicht für Vaginismus und Schmerzen beim Verkehr, wobei im DSM-5 dennoch erklärt wird, dass ca. 15 % der Frauen in Nordamerika über Schmerzen beim Verkehr berichteten.

Daten sexologischer Spezialambulanzen

In sexologischen Spezialambulanzen finden sich wiederum ganz andere Zahlen.
Männer
An der Abteilung für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie der psychiatrischen Universitätsklinik Hamburg litten von den Männern, die zwischen 1975 und 2003 wegen einer sexuellen Funktionsstörung vorsprachen, zwischen 2 % und 9 % an einer Ejaculatio deficiens, zwischen 17 % und 23 % an einer Ejaculatio praecox, zwischen 41 % und 67 % an Erektionsstörungen und 4–20 % an Appetenzstörungen. Die Klagen wegen Erektionsstörungen waren deutlich rückläufig, dagegen nahmen diejenigen wegen Appetenzstörungen zu.
Frauen
Von den Frauen litten 10 % an Vaginismus. Hinsichtlich der Appetenz-, Erregungs- und Orgasmusstörungen fanden sich innerhalb der letzten 15 Jahre deutliche Verschiebungen zugunsten der Appetenzstörungen (Mitte der 1970er-Jahre wurde in 80 % der Fälle die Diagnose „Erregungs-/Orgasmusstörung“ gestellt, Anfang der 1990er-Jahre nur noch in 20 %; „Lustlosigkeit“ wurde Mitte der 1970er-Jahre nur in 8 % der Fälle diagnostiziert, Anfang der 1990er-Jahre dagegen in 74 %). Die Verschiebungen sprechen dafür, dass sich sowohl bei den Patientinnen als auch bei den Therapeuten und Therapeutinnen einer großstädtischen westdeutschen Beratungsstelle ein Symptom-, ein Wahrnehmungs- und/oder ein Bewertungswandel vollzogen hat (Arentewicz und Schmidt 1980, 1993). Offenbar halten diese Verschiebungen an der Abteilung für Sexualforschung in Hamburg an (Schmidt 1996): Hatten Mitte der 1970er-Jahre nur 8 % der Frauen über Appetenzstörungen geklagt, waren es im Jahr 2003 44 %. Auch Klagen über Vaginismus und Dyspareunie nahmen im genannten Zeitraum von 12 % auf 28 % zu, wohingegen Erregungs- und Orgasmusstörungen von 80 % auf 18 % fielen (Hauch et al. 2007).
In anderen Spezialambulanzen, wie z. B. der Ambulanz der Abteilung für Sexualwissenschaft in Frankfurt/Main (Sigusch 2007), der Ambulanz des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin des Universitätsklinikums Charité in Berlin (Beier et al. 2005) oder der sexualmedizinischen Sprechstunde am Universitätshospital Zürich (Gnirss-Bormet et al. 1995) finden sich dagegen andere Verteilungen. Die Unterschiede sprechen dafür, dass das jeweilige diagnostische und therapeutische Angebot den Zulauf nachhaltig beeinflusst.

Ätiopathogenese

Theorien somatischer vs. psychogener Genese

Die sexuellen Funktionsstörungen können sehr unterschiedliche Hintergründe haben. Eine einheitliche Ätiopathogenese gibt es für sie nicht, sondern verschiedene Modellvorstellungen, die sich im günstigen Fall ergänzen, praktisch jedoch häufig miteinander konkurrieren, nicht selten zum Schaden der Patienten.
Wie divergent die Auffassungen sind, lässt sich schon an folgender Feststellung ermessen: Hatte man in den 1970er-Jahren noch bis zu 95 % der sexuellen Funktionsstörungen als ausschließlich oder überwiegend psychogen eingeschätzt (z. B. Arentewicz und Schmidt 1993), fanden sich ab Anfang der 1990er-Jahre annähernd entsprechende Prozentsätze für die angeblich somatische Verursachung zumindest der Erektionsstörungen (z. B. Porst 1987). Solche Divergenzen können kaum ausschließlich auf unterschiedliche Patientenstichproben zurückgeführt werden. Wahrscheinlicher ist, dass sie diametral entgegengesetzte Konzeptualisierungen bei den Behandlern wie bei den Patienten widerspiegeln, die nur dann überwunden werden könnten, wenn die verschiedenen an Diagnostik und Behandlung beteiligten Disziplinen in regelmäßigen Fallkonferenzen miteinander ins Gespräch kämen.
Selbst für Vaginismus, bei dem es sich erwiesenermaßen um eine psychische Reaktion handelt, und für Orgasmusstörungen von Frauen wurden früher organische Ursachen postuliert, die Ärzte zu chirurgischen Scheideneingangserweiterungen und zu Klitorisverpflanzungen verleiteten.
Viele der derzeit durchgeführten diagnostischen und therapeutischen organmedizinischen Eingriffe erscheinen fehlindiziert. Weil jedoch organmedizinische Mitursachen selbstverständlich auch vorkommen, werden hier die wichtigsten genannt. Viele davon lassen sich durch eine ausführliche Sexualanamnese von vornherein ausschließen.

Organische (Mit-)Ursachen

Die häufigsten organischen Mitursachen für Appetenz-, Erregungs- und Orgasmusstörungen bei Männern und Frauen sind:
  • Schwere Allgemeinerkrankungen, wie z. B. Alkoholkrankheit, chronische Hepatopathien, Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienzen und Malignomerkrankungen;
  • Endokrinopathien, wie z. B. Hypo- und Hyperthyreose, M. Cushing, hypogonadotroper Hypergonadismus;
  • kardiovaskuläre Erkrankungen, wie z. B. arterielle und venöse Verschlusskrankheit, Myokardinfarkt, Hypertonie;
  • schwere psychische und neurologische Erkrankungen, wie z. B. ausgeprägte affektive Störungen, Polyneuropathien, M. Parkinson, Encephalomyelitis disseminata;
  • entzündliche Prozesse im Urogenitalbereich;
  • Zustände nach operativen Eingriffen im Abdominal-, Becken- und Urogenitalbereich;
  • Arzneimittel, insbesondere Antihypertonika und Psychopharmaka.
Detailliertere Kataloge finden sich bei Sigusch (2007). Klinisch liegt es auf der Hand, dass viele dieser Krankheiten sowie die dagegen begonnenen medikamentösen Kuren Patienten so sehr beeinträchtigen können, dass es darüber hinausgehender spezifischer Erklärungsmodelle, wie die pathophysiologischen Wege bis zur sexuellen Funktionsstörung verlaufen, erst gar nicht bedarf. Für einzelne der genannten Faktoren sind diese Wege aufgeklärt, für andere ist nur die Koinzidenz bekannt.
Nebenwirkungen medikamentöser Therapien
In der Psychiatrie bisher zu wenig beachtet sind insbesondere die das sexuelle Erleben hemmenden Nebenwirkungen von Medikamenten, die oft weder auf den Beipackzetteln noch in der Roten Liste verzeichnet sind. Detaillierte Zusammenstellungen finden sich bei Sigusch (2007).

Psychosoziale Ursachen

So vielfältig mögliche organische Ursachen sind, so vielfältig sind psychosoziale Einflussfaktoren. Die folgende Aufstellung orientiert sich an Arentewicz und Schmidt (1993).
Psychodynamische Ursachen
Die ältere psychoanalytische Literatur sah im ungelösten Ödipuskonflikt den Generalschlüssel zur Erklärung fast aller Neurosen einschließlich der sexuellen Funktionsstörungen. Fächert man die verschiedenen, von analytischen Autoren herausgearbeiteten Ängste auf, lassen sich folgende Unterscheidungen treffen:
Triebängste
Sie knüpfen an Versagungserlebnisse aus frühen Triebwünschen und deren Akzentuierungen in den Phasen der psychosexuellen Entwicklung an. Sie können resultieren in Gefühlen des Zukurzgekommenseins und der Angst vor Kontrollverlust. Ekelreaktionen und Schmutzängste können sich der sexuellen Lust in den Weg stellen, und schließlich werden Strafängste (Kastrationsängste) dadurch abgewehrt, dass das Erobern des Partners erst gar nicht versucht wird (werden kann).
Beziehungsängste
Sie können alte Erfahrungen von Ausgeliefertsein und Verlassenwerden wiederbeleben und zu Verunsicherungen im Zuwendungsbereich führen. Aber auch die zu enge Bindung an ein Elternteil in der Kindheit kann sich hemmend auswirken, weil damit alte inzestuöse Wünsche wiederbelebt werden.
Geschlechtsidentitätsängste
Geschlechtsidentitätsängste, in der alten psychoanalytischen Terminologie abgehandelt unter den Stichworten „Penisneid“ und „Kastrationsangst“, werden heute erlebt als Verunsicherungen bezüglich des eigenen Körperschemas sowie bezüglich männlicher und weiblicher Rollenerwartungen.
Gewissensängste
Sie resultieren aus einer Kollision des sexualfreundlichen Ich-Ideals mit dem überwiegend sexualfeindlichen Über-Ich der Kindheit.
Die Plausibilität dieser Ursachen ist im Rahmen einer katalogartigen Aufzählung nicht demonstrierbar. Dazu wird auf die Kasuistiken bei Arentewicz und Schmidt (1993) sowie Kaplan (1974, 1981) verwiesen.
Partnerdynamische Ursachen
Häufig bedeutsamer als individuelle somatische und psychodynamische Ursachen sind partnerdynamische Konstellationen, die die sexuellen Funktionsstörungen mitbedingen und unterhalten. Hierzu zählen:
Delegation der Störung an den Partner
Gemeint ist damit, dass ein Partner seine eigenen Hemmungen, Ängste und Abneigungen hinter jenen des Partners, der zum Symptomträger deklariert wird, verbirgt. So kann z. B. eine Frau, die beim Geschlechtsverkehr Schmerzen erlebt, das Zusammensein so arrangieren, dass der Verkehr möglichst selten und dann möglichst rasch erfolgt, und sich gleichzeitig darüber beklagen, dass ihr Partner eine Ejaculatio praecox hat. Erektionsstörungen bei Männern, die mit vaginistischen Frauen zusammenleben, bleiben oft unerkannt, solange sich die ganze Aufmerksamkeit auf den Vaginismus richtet und vice versa.
Arrangement zur Vermeidung sexueller Interaktion
Die Funktionsstörung eines Partners wird zwar als Störung beklagt, gleichzeitig dient sie aber dazu, der von beiden Partnern gefürchteten genitalen Sexualität aus dem Wege zu gehen und eine geschwisterliche, asexuelle Beziehung zu pflegen.
Wendung gegen den Partner
Die Funktionsstörung wird zum Kristallisationspunkt wechselseitiger Entwertungen und aggressiver Auseinandersetzungen; sie dient als jederzeit abrufbarer Vorwurf in einer durch starkes Machtgefälle und Ungleichgewicht gekennzeichneten Beziehung.
Ambivalenzmanagement
Mithilfe der Funktionsstörung werden z. B. Schwierigkeiten in der Nähe-Distanz-Regulation, in Entscheidungen über Elternschaft, berufliche Selbstständigkeit der Partner usw. reguliert.

Lerndefizite und Selbstverstärkungsmechanismen

Da es in unserer Kultur keine Möglichkeiten gibt, sexuelle Interaktionen am Modell Erwachsener zu lernen und sich Eltern ihren Kindern gegenüber meist als weitgehend asexuell darstellen, sind Jugendliche bei ihren ersten partnerschaftlichen sexuellen Erfahrungen wenig vorbereitet. Das bei Jungen und Mädchen sehr unterschiedliche Masturbationsverhalten und die daran geknüpften Fantasien nähren Erwartungen, die von den Erwartungen des Partners erheblich abweichen können. Erste Enttäuschungserlebnisse können sich traumatisierend auswirken, zu Vermeidungsverhalten führen oder Erwartungsängste potenzieren, die die eigene Unsicherheit im Sinne eines Teufelskreises verstärken und initiale Störungen chronifizieren.

Symptomatologie, Verlauf und Prognose

Die Symptomatologie ist in den Diagnoseschlüsseln hinreichend spezifiziert, sodass eine gesonderte Beschreibung hier entbehrlich erscheint.
Spontaner Verlauf und Prognose hängen von den ätiopathogenetischen Faktoren ab. Initial und passager auftretende Störungen mit psychosozialem Hintergrund können sich auch ohne therapeutische Interventionen und fremde Hilfe verlieren. In gleicher Weise können sie aber auch chronifizieren und dadurch zu wesentlichen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens beitragen. Zu den wesentlichen Faktoren, die zur Chronifizierung beitragen, zählen Selbstverstärkungsmechanismen sowie falsche ärztliche Interventionen. Unter letzteren überwiegen fehlinduzierte somatische Interventionen.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Das wichtigste diagnostische Instrument ist das Ohr. Diese Selbstverständlichkeit zu erwähnen, würde man sich scheuen, berichteten nicht viele Patienten mit sexuellen Funktionsstörungen von psychiatrischen und anderen Vorbehandlungen, aus denen sie nach 3 min entlassen wurden mit einem Rezept in der Hand, mit dem Ratschlag, sich einen neuen Partner zu suchen, mit der Einbestellung ins Schlaflabor oder sogar schon mit der Überweisung zum Urologen, um bestimmte somatische Eingriffe vornehmen zu lassen.
Ein umfassendes Repertoire, mit dem nach Einschätzung des Autors die meisten nichtorganischen sexuellen Funktionsstörungen ausreichend und treffsicher diagnostiziert und die wesentlichen differenzialdiagnostischen Abgrenzungen getroffen werden können, stützt sich auf 3 Säulen:
  • Anamneseerhebung,
  • das psychodynamische Interview und
  • die gezielte Exploration der Sexualanamnese.
Jede der 3 Methoden bietet besondere Vorteile. Die detaillierte Verhaltensanalyse zum sexuellen Erleben differenziert die in Tab. 2 genannten Kriterien und erlaubt eine Einschätzung des Schweregrades der sexuellen Funktionsstörung. Mithilfe des psychodynamischen Interviews wird deren individual- und partnergeschichtlicher Bedeutungsgehalt erschlossen. Die allgemeine Anamneseerhebung berücksichtigt die sonstige Gesundheits- und Krankheitsvorgeschichte einschließlich Medikamenten- und Suchtmittelgebrauch.
Selbstverständlich müssen die 3 Verfahren nicht in getrennten, womöglich jeweils 1-stündigen Sitzungen durchgeführt, sondern können in einer Untersuchung kombiniert werden.
Immer ist zu berücksichtigen, dass der Patient Zeit braucht und Gelegenheit haben muss, sich im Gespräch zu entfalten, weil die Thematik in der Regel schamhaft besetzt ist.

Differenzialdiagnostik zu somatischen (Mit-)Ursachen

Lokale Inspektion, allgemeine körperliche Untersuchung und Labordiagnostik einschließlich Hormonstatus sind nur selten bzw. nur bei anamnestisch spezifischen Hinweisen erforderlich. Bei Ejaculatio praecox und Vaginismus sind sie immer entbehrlich, weil es sich bei ihnen immer um nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen handelt.
Bei der seltenen Ejaculatio deficiens ist zu differenzieren zwischen der organisch bedingten Ejaculatio deficiens bzw. retrograda mit Orgasmus einerseits und der psychisch bedingten Ejaculatio deficiens ohne Orgasmus andererseits.
Zur Abklärung der differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehenden somatischen (Mit-)Ursachen der anderen sexuellen Funktionsstörungen eignen sich weiter als nichtinvasive Methoden die Messung der nächtlichen Penistumeszenz (NPT) im Schlaflabor sowie die Penis-Dopplersonografie, die jedoch schon nicht mehr primär in die Hand des Psychiaters gehören. Dies gilt selbstverständlich auch für die Abklärung entzündlicher lokaler Prozesse sowie somatischer Systemerkrankungen, für die der jeweils zuständige Spezialist zugezogen werden sollte.
Somatische Untersuchungsverfahren aus Sicht unterschiedlicher Disziplinen
Das Arsenal weitergehender invasiver somatischer Untersuchungen, insbesondere zur Abklärung von Erektionsstörungen, wurde in den vergangenen 25 Jahren erheblich erweitert. Dazu wird auf die kritische Würdigung der verschiedenen Methoden bei Sigusch (2007) verwiesen. Zu erwähnen ist hier insbesondere der SKIT (Schwellkörperinjektionstest), der zur Differenzierung somatisch bzw. psychisch bedingter Erektionsstörungen in der Praxis weite Verbreitung gefunden hatte, selbst dort, wo eine ausreichende verbale Intervention eine sichere Differenzierung erlaubt hätte. In einer Diskussionsrunde zwischen Urologen und Psychiatern sowie Psychologen einer sexualmedizinischen Ambulanz war es bemerkenswert, dass die Psychowissenschaftler den SKIT bzw. die an ihn anknüpfende Therapie (SKAT/Schwellkörperautoinjektionstherapie) insbesondere dann für indiziert hielten, wenn sie eine Erektionsstörung für somatisch bedingt hielten, die Urologen dagegen im umgekehrten Fall.
Tatsächlich belegt eine positive Tumeszenzreaktion auf den SKIT normale somatische Verhältnisse. Bei Männern mit praxisunabhängiger und durchgängiger Erektionsstörung kann die Anwendung des Tests daher differenzialdiagnostisch sinnvoll sein.
Auch bei der Überweisung zu weiteren somatischen diagnostischen und differenzialdiagnostischen Untersuchungen sollte der psychiatrische und psychotherapeutische Kontakt nicht unterbrochen werden. Fortlaufend sollten mit dem Patienten die Grenzen des jeweils Notwendigen und Zumutbaren abgeklärt werden und ihm ggf. Rückendeckung gegeben werden, damit er sich nicht einschneidenden diagnostischen und angeblich therapeutischen Eingriffen unterzieht, die häufig mehr Schaden anrichten als nützen.

Therapie

Paartherapie

Für die Behandlung sexueller Funktionsstörungen waren die Arbeiten von Masters und Johnson (1966, 1970) bahnbrechend. Zwischen 1959 und 1970 behandelten diese Autoren und ihr Team mehr als 500 Paare und publizierten 1970 ihre im Vergleich zu allen früheren Behandlungen beeindruckend günstigen Ergebnisse. Basierend auf eigenen physiologischen Studien (Masters und Johnson 1966), lernttheoretischen und „Common-sense-Vorstellungen“, entwickelten sie ein pragmatisches Vorgehen, dessen Setting sich durch 3 Merkmale auszeichnet:
Paartherapie
Sie betonten zurecht, dass es bei sexuellen Funktionsstörungen einen unbeteiligten Partner nicht gibt, und erklärten daher das Paar zum Patienten. Das auf welchem Niveau auch immer eingespielte Gleichgewicht in der Paarbeziehung wird durch jede Verhaltensänderung eines der Partner labilisiert, sodass der scheinbar ungestörte Partner selbst auf bewusst gewünschte Veränderungen beim Partner irritiert reagiert. Behandelt man von vornherein das Paar, sind diese Irritationen ebenso wie Symptomdelegationen und -verschiebungen unmittelbar bearbeitbar.
Teamtherapie
Jedes Paar wurde von einem Therapeutenteam – einem männlichen und einem weiblichen Therapeuten – unter der Prämisse behandelt, dass jeder dann einen gleichgeschlechtlichen Interpreten bzw. Anwalt hätte und störende Übertragungsprozesse minimiert würden.
Intensivtherapie
Bei täglichen Sitzungen wurden die Behandlungen fernab der häuslichen Umgebung und deren Störeinflüssen innerhalb von 2–3 Wochen durchgeführt.
Am Beginn der Therapie stehen ausführliche Anamnesen. Die dabei gewonnenen Daten werden dem Paar in einer Weise interpretiert, dass es die sexuelle Funktionsstörung als die angesichts der jeweiligen Vorgeschichten der Partner optimale Lösung begreift.
Unterstrichen wird, wie sehr beide Partner unter der Störung leiden, und wie die Störung gleichzeitig beide auch entlastet bzw. eine Kompromissbildung darstellt, die bisher unlösbar erscheinende Konflikte abpuffert.
Mittels hierarchisch geordneter anschließender Verhaltensanweisungen geht es dann um eine Neustrukturierung eingefahrener und unbefriedigender sexueller Interaktionen mit dem Ziel, diese angstfreier und befriedigender zu gestalten. Die Grundübungen sind bei allen Störungen die gleichen und fokussieren auf die Erfahrung körperlicher Intimität unter Ausklammerung der Genitalbereiche und spezifischer sexueller Stimulierung, um dadurch Leistungs- und Erwartungsdruck bei den Patienten wegzunehmen. Darauf aufbauend gibt es für die einzelnen Funktionsstörungen spezifische zusätzliche Verhaltensanleitungen (s. Manual in Hauch 2006).
Modifikationen des therapeutischen Modells nach Masters und Johnson
Das Modell wurde inzwischen vielfach modifiziert.
Setting
Ökonomische Gründe legten therapieorganisatorische Modifikationen nahe: Arbeit mit nur einem Therapeuten, Paargruppen, dilatierte Anwendung der Therapie mit 1–2 Sitzungen pro Woche über durchschnittlich 30 Wochen.
Therapieinhalte
Inhaltliche Modifikationen betrafen einerseits übungstechnische Aspekte, die unter dem Stichwort „arousal reconditioning“ zusammengefasst werden (kritisch dazu Pfäfflin und Clement 1981), andererseits Versuche, psychodynamische (Kaplan 1974) und partnerdynamische Aspekte (Willi 1981) stärker zu integrieren.
In diesen erweiterten Ansätzen (Arentewicz und Schmidt 1993; Hauch et al. 2007) stehen 4 Fragen bei der Therapieindikation, -planung und -durchführung im Zentrum:
1.
Welche Ängste und Konflikte kommen im Symptom zum Ausdruck und welche Funktion hat die Störung für das psychische Gleichgewicht des einzelnen Patienten?
 
2.
Welche Funktion hat die Störung für die Partnerschaft?
 
3.
Welche Erfahrungs- und Fertigkeitsdefizite liegen vor?
 
4.
Welche Erwartungsängste erhalten die psychodynamisch womöglich längst überflüssig gewordene Störung aufrecht?
 
Einen inhaltlich neuen Aspekt zeigt die systemische Sexualtherapie (Clement 2004), indem sie anstatt der Defizite das sexuelle Begehren zum Dreh- und Angelpunkt der therapeutischen Interventionen macht.
So unkompliziert das ursprünglich von Masters und Johnson beschriebene therapeutische Vorgehen auch scheinen mag, so verlangt seine wirksame Anwendung doch ein hohes Maß an klinischer Erfahrung. Jeder der bei bloßer Lektüre des Therapiemanuals (Hauch 2006) banal und vielleicht sogar mechanisch wirkende Übungsschritt hat psychodynamische Bedeutung. Aspekte der Nähe-Distanz-Regulation, der Autonomie, des (mangelnden) Durchsetzungsverhaltens können daran, zugeschnitten auf den einzelnen Patienten und das einzelne Paar, gut exemplifiziert werden.
EBM-Info
Die Wirksamkeit von verschiedenen Modifikationen von Paartherapie ist in zahlreichen Studien belegt (Evidenzgrad IIa, IIb).
Bedenklich ist die isolierte Herausnahme einzelner Verhaltensanleitungen (wie z. B. das am Anfang der Therapie regelmäßig erteilte Koitusverbot), wie dies oft in der ärztlichen Praxis geschieht, ohne dass die konstruktiven Elemente des therapeutischen Konzepts eingeübt werden. Die dilettantische Anwendung des Programms trägt in der Regel eher zur Chronifizierung der Symptomatik als zu deren Linderung bei.
Aus diesem Grunde werden hier Einzelheiten des Vorgehens nicht dargestellt. Die Integration lerntheoretischer, psycho- und partnerdynamischer Überlegungen und daraus abzuleitender angemessener therapeutischer Interventionen bedarf eingehenderen Studiums sowie Einübung unter Anleitung.

Einzeltherapie

Für alleinstehende Patienten und für solche, deren Partner nicht zur Mitarbeit an der Therapie bereit sind, eignet sich das beschriebene Therapiemodell natürlich nicht unmittelbar. Geeignete Elemente daraus können jedoch – insofern sie eingebettet sind in ausführliche Beratungsgespräche oder in die kontinuierliche Arbeit in Männer- bzw. Frauengruppen – hilfreich sein.
Bei alleinstehenden Patienten dient die sexuelle Funktionsstörung außerdem häufig als handgreifliche Begründung für das Alleinsein, und sie ist nicht selten insofern funktional, als sie den Patienten die Auseinandersetzung mit tiefer liegenden Kontaktängsten erspart.
Unter solchen Bedingungen erscheint die isolierte Arbeit an der sexuellen Funktionsstörung wenig aussichtsreich.

Versorgungsangebot

Paar- und Einzeltherapien nach dem beschriebenen Modell haben sich auch bei (nicht akut) psychotischen, bei neurotischen und bei Patienten mit Paraphilien bzw. Perversionen als günstig erwiesen, sofern sie von in der Behandlung mit diesen Patientengruppen Erfahrenen durchgeführt werden.
Obwohl viele dieser Patienten davon profitieren und sich mithilfe dieser Therapie auch in anderen Störungsbereichen stabilisieren könnten, gibt es kaum psychiatrische Kliniken oder Praxen, die ein entsprechendes Angebot bereithalten. Die Chancen der Therapie werden viel zu wenig genutzt. Überwiegend sind es Psychologen in freier Praxis oder an Beratungsstellen, nur selten Ärzte, noch seltener Psychiater, die diese zeitaufwändige, im Hinblick auf ihre Ergebnisse aber sehr lohnende Therapie anwenden.

Andere Therapien

Trizyklische Antidepressiva
Eine Autorin, die sich zunächst sehr dadurch verdient gemacht hatte, dass sie das Modell von Masters und Johnson psychodynamisch erweitert hatte (Kaplan 1974), ging später dazu über, den größten Teil sexueller Funktionsstörungen zu Panikstörungen umzudefinieren und damit deren Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva zu propagieren (Kaplan 1987). Die Beliebigkeit der von ihr verwendeten Einschlusskriterien für Paniksyndrome und der Umstand, dass trizyklische Antidepressiva selbst sexuelle Funktionsstörungen verursachen können, lassen nur eine sehr skeptische Bewertung dieser Vorschläge zu (Pfäfflin 1989).
Aphrodisiaka und andere prosexuelle Substanzen
Auch von Aphrodisiaka und anderen sog. prosexuellen Substanzen ist abzuraten. Abgesehen davon, dass eine positive, nicht gleichzeitig mit erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen gekoppelte Wirkung nur für Yohimbin belegt ist (Sigusch 2007), fördert die Verschreibung solcher Drogen eine vergegenständlichte Sicht sexuellen Erlebens, die dauerhafte Therapieerfolge in Frage stellt.
Vasoaktive Substanzen
Im Zuge der Medikalisierung männlicher Sexualität (Sigusch 2007) werden seit Beginn der 1980er-Jahre in Allgemein- und Fachpraxen vasoaktive Substanzen (z. B. Papaverin, Prostaglandin E1) in die Schwellkörper gespritzt oder dem Patienten zur Selbstanwendung verschrieben, sodass sich der Patient eine je nach Dosierung unterschiedlich lang anhaltende Erektion verschaffen kann, allerdings mit dem Risiko des Priapismus und der dauerhaften Einbuße der Erektionsfähigkeit.
Die Behandlung firmiert unter dem Karten spielenden Männern leicht eingängigen Kürzel SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie). Über diese Behandlungsmethode berichteten zuerst begeistert Wagner und Kaplan (1993) sowie Langer und Hartmann (1992). Erfahrungen, die aus einer Untersuchung von Männern mit Erektionsstörungen im Konsiliardienst an einer urologischen Universitätsklinik, in der mit SKAT gearbeitet wurde, gewonnen wurden, führen dagegen zu eher skeptischen Schlussfolgerungen (Sigusch 2007).

Gefäßchirurgische Eingriffe am Penis und Penisimplantate

Dies gilt auch für gefäßchirurgische Eingriffe am Penis und für Penisimplantate, deren Resultate nicht selten eine vorübergehende und prinzipiell heilbare Störung durch Setzen neuer Läsionen zur Dauerstörung machen.

Sildenafil und andere Phosphodiesterasehemmer

Der im September 1998 in Deutschland zugelassene Wirkstoff (Viagra) wurde euphorisch aufgenommen. Zur kritischen Beurteilung dieser Euphorie wird nachdrücklich die Lektüre des Kap. 16 in Sigusch (2007) empfohlen. Die Wirksamkeit von Paartherapie sexueller Funktionsstörungen ist in vielen Studien mit Kontrollgruppendesign erwiesen. Doppelblindstudien lassen sich in der Psychotherapie nicht realisieren.

Störungen der Geschlechtsidentität

Begriffsbestimmung

In der ICD-10 ist die diesbezüglich zentrale Diagnose der Transsexualismus, der, abweichend von allen anderen ICD-10 Diagnosen, durch 3 Wünsche definiert ist: (1.) dem Wunsch, als Angehöriger des anderen anatomischen Geschlechts zu leben und anerkannt zu werden; (2.) dem Wunsch nach hormoneller Behandlung und (3.) dem Wunsch nach chirurgischer Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.
Differentialdiagnostisch soll die Diagnose laut ICD-10 nicht gestellt werden, wenn sie Symptom einer anderen psychischen Störung wie z. B. einer Schizophrenie ist, und ein Zusammenhang mit intersexuellen, genetischen oder geschlechtschromosomalen Anomalien muss ausgeschlossen sein. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass es angesichts des Komorbiditätskonzeptes der ICD-10 trotz dieser Ausschlusskriterien möglich ist, Doppeldiagnosen zu vergeben.
Nachdem sich die Transgenderphänomene in den zurückliegenden mehr als 20 Jahren seit Verabschiedung der ICD-10 erheblich verändert und vor allem wesentlich über die enge Definition des Transsexualismus verbreitert haben (Pfäfflin 2014a), ist damit zu rechnen. dass die Diagnose Transsexualismus in der ICD-11 nicht mehr enthalten sein wird. Wahrscheinlich werden mit den Transgenderphänomenen zusammenhängende Diagnosen, die erforderlich sind, damit Patienten notwendige Behandlungen in Anspruch nehmen können, in andere Kapitel als das psychiatrische Kapitel V(F) der ICD-11 aufgenommen werden. Das DSM-5 hat für Transsexuelle, die jetzt nicht mehr an einer Geschlechtsdysphorie leiden, sich insofern nicht mehr als krank fühlen und daher keine psychiatrische Diagnose mehr wollen, aber lebenslang weiterer hormoneller Substitution bedürfen, die zusätzlich zu beachtende Kategorie „Posttransition“ bzw. „Nach der Geschlechtsangleichung“ eingeführt.

Vom Transsexualismus zur Geschlechtsdyphorie

Die enge Koppelung diagnostischer Kriterien an bestimmte Behandlungsmaßnahmen, wie sie in der Diagnose Transsexualismus (ICD-10 F64.0) enthalten ist, war schon früh als Einladung zu therapeutischem Automatismus kritisiert worden (Bradley et al. 1991). Deshalb war bereits im DSM-IV der Begriff des Transsexualismus zugunsten der breiteren diagnostischen Kategorie Geschlechtsidentitätsstörungen aufgegeben worden, die therapeutisch auch an andere Resultate als an sog. Geschlechtsumwandlungen denken lässt.
Noch weiter geht das DSM-5, das auch den Begriff der Störung fallen ließ und nur noch von Gender Dysphoria bzw. Geschlechtsdysphorie spricht, also den Aspekt des subjektiven Leidens in den Vordergrund rückt. Die Diagnose ist dort jetzt ausdrücklich auch auf Patienten mit einer Variation bzw. Störung der Geschlechtsentwicklung, d. h. auf solche Patienten, die früher den Intersexen zugerechnet wurden, anwendbar (z. B. adrenogenitales Syndrom, angeborene Nierenrindendysplasie und Androgenresistenz-Syndrom). Zu weiteren Änderungen gegenüber dem DSM-IV vgl. Zucker et al. (2013). Anders als in der ICD-10, bei der die Symptomatik mindestens 2 Jahre bestanden haben soll, begnügt sich das DSM-5 mit 6 Monaten (vgl. Zucker et al. 2013).
Inzwischen hat sich die Transgender-Bewegung weltweit politisiert, ähnlich der früheren Emanzipationsbewegung Homosexueller. Propagiert werden Lebensentwürfe mit Geschlechtsidentitäten, die sich nicht mehr auf die beiden Kategorien männlich und weiblich beschränken – sogar das DSM-5 berücksichtigt in seiner Definition der Geschlechtsdysphorie weitere, nicht näher definierte Alternativen, und bei weitem nicht alle Personen mit Geschlechtsdysphorie streben eine hormonelle und chirurgische Geschlechtsangleichung an (Pfäfflin 2014a, 2015).

Epidemiologie

Mildere Formen labilisierter Geschlechtsidentität gehören zu den regelhaft auftretenden Erscheinungen im Zusammenhang psychosexueller Schwellensituationen. Klinisch bleiben sie gewöhnlich unterhalb der Schwelle der Behandlungsbedürftigkeit, weshalb es dazu auch keine epidemiologischen Daten gibt.
Über die Häufigkeit bzw. besser die Seltenheit der Extremform von Geschlechtsidentitätsstörungen, den Transsexualismus, gibt es vergleichsweise verlässliche Angaben aus verschiedenen Ländern.

Bundesrepublik Deutschland

In den ersten 10 Jahren des am 01.01.1981 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretenen Transsexuellengesetzes (TSG) hatten in den alten Bundesländern und in West-Berlin weniger als 1200 Personen Anträge auf Vornamens- und/oder Personenstandsänderung gestellt (Weitze und Osburg 1998). Daraus ergaben sich eine 10-Jahres-Prävalenz von 2,1 Transsexuellen pro 100.000 volljährigen Einwohnern und eine Geschlechterrelation von 2,3 Mann-zu-Frau-Transsexuellen zu 1 Frau-zu-Mann-Transsexuellen. In der zweiten Dekade der Anwendung des Gesetzes (1991–2000) erhöhte sich die Zahl entsprechender Anträge um 118 %, wobei dieser Anstieg hauptsächlich durch vermehrte Anträge aus den alten Bundesländern und außerdem durch mehr Anträge von Frau-zu-Mann-Transsexuellen bedingt war (Geschlechterverhältnis jetzt 1,5:1; Meyer zu Hoberge 2010). Inzwischen dürfte die Zahl weiter gestiegen sein, zumal seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (BvR 3295/07) eine Personenstandsänderung gleichzeitig mit der Vornamensänderung und auch ohne vorherige hormonelle oder chirurgische Geschlechtsangleichung möglich ist.

Internationale Vergleichsdaten

Höhere Zahlen wurden aus Spanien, Belgien, Neuseeland und Australien und deutlich höhere aus Singapur berichtet, wobei zu bedenken ist, dass in die Zahlen aus Singapur Behandlungsmigranten einfließen und es sich außerdem um einen Stadtstaat handelt (auch in Deutschland findet sich in den Stadtstaaten eine höhere Prävalenz als in den Flächenstaaten). Laut DSM-5 variieren die in der Fachliteratur berichteten Prävalenzraten für Erwachsene mit männlichem Zuweisungsgeschlecht zwischen 0,005 % und 0,014 %, für Erwachsene mit weiblichem Zuweisungsgeschlecht zwischen 0,002 % und 0,003 %.

Ätiopathogenese

Geschlechtsidentitätsstörungen und Geschlechtsdysphorie werden als eigenständige psychiatrische Diagnosen mit letztlich ungeklärter Ätiologie geführt. Ein morphologisches Korrelat oder gar ein gemeinsamer ätiopathomorphogenetischer Faktor konnte dafür bisher nicht nachgewiesen werden.
Die Geschichte der Erforschung von Geschlechtsidentitätsstörungen belegt, wie kurzlebig die meisten Forschungshypothesen waren und wie rasch angeblich identifizierte somatische Kausalitätsfaktoren, an die weitreichende therapiepraktische Konsequenzen geknüpft wurden, wieder aufgegeben werden mussten, weil sie näherer Prüfung nicht standhielten (Pfäfflin 1993). Weder konnten morphologische oder endokrine Abweichungen gesichert werden, noch gibt es familiäre Häufungen. Patienten mit Geschlechtsidentitätsstörungen sind normalerweise körperlich gesund und zeigen einen ihrem anatomischen Geschlecht entsprechenden Status.
Von vielen Patienten und ihren Selbsthilfeorganisationen sowie von Vertretern anderer medizinischer Spezialitäten wird jedes somatische Erklärungsmodell begierig aufgegriffen und oft auch instrumentalisiert, um Geschlechtsumwandlungen unter Ausschluss von Psychiatern durchführen zu können (Gender Identity Research and Education Society 2006; vgl. die Kritik daran von Green 2006; Pfäfflin 2006a; Zucker 2006). Unabhängig davon, ob es somatische Mitursachen geben mag, sind es v. a. psychosoziale Krisen und Komorbiditäten, die Patienten im Zuge ihres Geschlechtsrollenwechsels zu bewältigen haben, wofür sie von psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung oft sehr nachhaltig profitieren können.

Erklärungsmodelle

In grober Vereinfachung lassen sich 2 psychosoziale Erklärungsansätze unterscheiden, die tatsächlich jedoch ineinandergreifen:
1.
Der psychogenetische Ansatz,
 
2.
Der ethnosoziologische und soziohistorische Ansatz.
 
Psychogenetischer Ansatz
Dieser Ansatz orientiert sich an psychoanalytischen und lerntheoretischen Modellen der Entwicklung der Geschlechtsidentität und lokalisiert wesentliche Weichenstellungen für eine spätere transsexuelle Entwicklung in der frühen Eltern-Kind-Interaktion und weiteren psychosexuellen Schwellensituationen (z. B. Stoller 1968, 1969, 1975; Erikson 1991).
Eine spezifische Störung, die für alle Patienten mit Geschlechtsidentitätsstörungen gelten würde, konnte bisher allerdings auch hier nicht namhaft gemacht werden. Dies ist auch nicht zu erwarten. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass unterschiedliche Störungseinflüsse, die in verschiedenen Entwicklungsphasen wirksam werden, gleichermaßen dazu beitragen können, dass es schließlich zu einer nachhaltigen Geschlechtsidentitätsstörung bzw. Geschlechtsdysphorie kommt.
In diesem Sinne kann Transsexualität noch immer als gemeinsame Endstrecke unterschiedlicher psychopathologischer Verläufe bezeichnet werden (Person und Ovesey 1974; Limentani 1979; Langer 1985). Anknüpfend an Hartmanns (1939) Konzept der Anpassung, Eriksons (1991) Beschreibung des Identitätswiderstands sowie objektbeziehungstheoretische Überlegungen lässt sich das transsexuelle Begehren als allo-autoplastische Verschränkung (Pfäfflin 2010a) dahingehend interpretieren, dass der Patient wünscht, vom Arzt zu der Person gemacht zu werden, die bereits zu sein, er behauptet.
Als heuristischer Ansatz eignet sich dieses Konzept gut für individuelle Behandlungen, führt aber nur in Ausnahmefällen zu dem Ergebnis, dass sich die gegengeschlechtliche Identifikation ganz verliert. Meist muss man sich in Therapien damit begnügen, zusätzlich zur transsexuellen Symptomatik bestehende psychopathologische Aspekte bzw. psychiatrische Komorbidität zu bearbeiten, ohne den Ausprägungsgrad der Geschlechtsidentitätsstörung wesentlich beeinflussen zu können (Pfäfflin 2010a, 2006b; Rauchfleisch 2014).
Ethnosoziologischer und soziohistorischer Ansatz
Dieser Ansatz hat wenig mit klassischen medizinischen Ätiologiemodellen gemein, sondern fokussiert auf die Untersuchung des Diskurses über Geschlechtsidentitätsstörungen (z. B. Hirschauer 1993; Lindemann 1993; Ekins und King 2006). Eine der grundlegenden Hypothesen dabei ist, dass Medizin und Recht mit ihrer Definitionsmacht und Technik Geschlechtsidentitätsstörungen und Transsexualität erst hervorgebracht haben sollen (Pfäfflin 1997). Dieser Forschungsansatz kann den Blick dafür schärfen, genuines Leiden zu unterscheiden von passageren Irritationen der Geschlechtsidentität, für die der allgemeine Diskurs über Geschlechtswechsel ein verführerisches, jedoch nicht einlösbares Versprechen ist. Zur weiteren Entwicklung dieses Diskurses vgl. auch Pfäfflin (2010c, 2014a, 2015).

Symptomatologie und Verlauf

Die wesentliche Symptomatologie ist in den Definitionen von ICD-10 und DSM-5 hinreichend beschrieben.
Je nach Bezugsstichprobe entwarfen unterschiedliche Autoren Bilder von strukturell schwerstgestörten psychotischen Patienten bzw. Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstruktur, die mit dem Leitsymptom der Geschlechtsidentitätsstörung in die Klinik kamen, oder von hochstrukturierten Personen, die neben dieser Symptomatik keine Komorbidität aufwiesen. Tatsächlich können sich Geschlechtsidentitätsstörungen auf allen Strukturniveaus finden und entweder keine oder eine breite Palette von Komorbidität aufweisen.
Regelhaft wird der Beginn der Symptomatik von den Patienten biografisch bis in die Pubertät oder sogar in die frühe Kindheit („schon immer“ oder „seit ich denken kann“) zurückprojiziert. Gelegentlich lässt sich eine solche Entwicklung fremdanamnestisch bestätigen. Erstmanifestationen in der Kindheit, die einen klinischen Schwellenwert überschreiten, kommen vor, sind aber vergleichsweise selten. Nach früheren Erkenntnissen sprachen sie eher für eine homosexuelle als für eine transsexuelle Entwicklung (Green 1987), wobei nicht auszuschließen ist, dass die damalige langfristige Begleitforschung bei der von Green beschriebenen Stichprobe Einfluss auf dieses Resultat hatte (DiCeglie und Freedman 1998; Cohen-Kettenis und Pfäfflin 2003). Allerdings finden sich in den großen Behandlungszentren für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsidentitätsstörungen in Toronto und Amsterdam bemerkenswert große Stichproben (De Vries et al. 2014; Cohen-Kettenis und Klink 2015). Der jüngste Patient, der in Deutschland eine Vornamensänderung nach Transsexuellengesetz bekam, war damals 9 Jahre alt.
Meist wird die Symptomatik erst in der Pubertät und Adoleszenz klinisch manifest und es ist denkbar, dass die in westlichen Ländern inzwischen größere Offenheit gegenüber dem Thema langfristig transsexuelle Entwicklungen fördert. Die bei klinischen Erstkontakten vorgetragenen Biografien wirken häufig so, als seien sie von den in Filmen, Autobiografien und im Internet verbreiteten Darstellungen stark beeinflusst (Pfäfflin 2012). Nach international übereinstimmenden Beobachtungen suchen junge Frauen dabei den Arzt durchschnittlich 5–7 Jahre früher auf als junge Männer, die häufiger über passagere und meist verheimlichte transvestitische Verhaltensweisen berichten. Die Identitätszweifel verstärken sich mit der Aufnahme von Partnerschaften bzw. mit deren Scheitern, weil die naheliegenden Geschlechtsrollenerwartungen nicht ausgefüllt werden können. Versuche, sich gleichgeschlechtlich zu orientieren, sind nicht selten, scheitern aber langfristig. Häufig kommt es zu Suizidgedanken und -versuchen.
Lebensgeschichtlich späte Manifestation (>50 Jahre) kommt vor, stellt aber eher die Ausnahme dar. Somatische Behandlungen zur Geschlechtsangleichung können dennoch indiziert und aussichtsreich sein.
Die subjektive Verarbeitungsweise ist häufiger Ich-synton als Ich-dyston. Bei Ich-dystoner Verarbeitung kann es vorkommen, dass der Patient die Geschlechtsidentitätsstörung sogar verschweigt. Deshalb ist bei suizidalen Patienten immer auch an diesen Motivhintergrund zu denken.

Prognose

Die weitere Prognose scheint wesentlich durch Reaktionen des Umfeldes und deren subjektive Verarbeitung beeinflusst zu werden.
Wird ein Jugendlicher beim Cross-Dressing erwischt, verspottet oder für verrückt erklärt und bestraft, resultiert dies meist in Rückzug. Die gegengeschlechtliche Identifikation wird dann zur geheim gepflegten überwertigen Rettungsfantasie, die sich verfestigt und späterer psychotherapeutischer Beeinflussung immer weniger zugänglich wird.
Wird dagegen der Signalcharakter des symptomatischen Verhaltens rechtzeitig verstanden und die dahinter liegende Problematik bearbeitet, bestehen bessere Chancen, dass der Patient eine seiner anatomischen Ausstattung entsprechende Geschlechtsidentität entwickeln kann (Cohen-Kettenis und Pfäfflin 2003).

Transsexualismus und irreversibler Transsexualismus

Noch immer weit verbreitet ist der synonyme Gebrauch von „Transsexualismus“ und „irreversiblem Transsexualismus“. Unterstellt wird dabei, eine einmal entfaltete transsexuelle Symptomatik sei nicht mehr aufzuhalten und könne deshalb nur durch Verabreichung gegengeschlechtlicher Hormone und durch genitalverändernde Eingriffe stabilisiert werden.
Diese Auffassung ist als Artefakt der Behandlungspraxis spezialisierter Zentren zu sehen, die im Vorfeld der Behandlung eine Auswahl geeigneter Kandidaten vornehmen und den weiteren Verlauf bei abgelehnten Kandidaten und Therapieabbrechern nicht systematisch untersucht haben.
Eine eigene, langfristig betreute Stichprobe von 616 Patienten mit voll ausgeprägter transsexueller Symptomatik an der Abteilung für Sexualforschung der Universität Hamburg legte dagegen den Schluss nahe, dass etwa 1/3 dieser Patienten mit oder ohne intensivere psychotherapeutische Behandlung den zu Behandlungsbeginn manifesten Operationswunsch aufgab (Pfäfflin 1993). Die Nachuntersuchungsliteratur hat den langfristigen weiteren Verlauf bei dieser Gruppe, die im Englischen, im Gegensatz zu jenen die weitermachen („persisters“), als „desisters“ bezeichnet werden, bisher nicht erforscht. Der Anteil der „desisters“ dürfte inzwischen in klinischen Stichproben wesentlich kleiner sein, als er früher war.

Ergebnisse in der internationalen Literatur

Die Evaluation der internationalen Nachuntersuchungsliteratur aus 30 Jahren über jene Teilstichproben geschlechtsidentitätsgestörter Patienten, die zusätzlich zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung und genitalkorrigierende Eingriffe erfahren haben, widerlegt die frühere Skepsis gegenüber diesen Behandlungsformen (Pfäfflin und Junge 1992, 1998). Bei angemessener Indikationsstellung und lege artis durchgeführter Behandlung sind sie wirksam und führen zur langfristigen Rehabilitation der Patienten und zur Leidensminderung. Nicht wenige Patienten erleben sich danach als geheilt.
Wirkfaktoren der Therapie
Als Wirkfaktoren der Behandlung konnten im Einzelnen isoliert werden:
  • Kontinuierlicher Kontakt mit einem Forschungsprogramm/einer Behandlungseinrichtung,
  • Leben in der anderen Geschlechtsrolle (sog. Alltagstest),
  • gegengeschlechtliche hormonelle Behandlung,
  • Beratung, psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlung,
  • chirurgische Eingriffe sowie deren Qualität,
  • die juristische Anerkennung des Geschlechtswechsels durch Namens- und Personenstandsänderung.
Die Reduktion des subjektiven Leidens an der Diskrepanz zwischen körperlicher Anlage und Geschlechtsidentität aufgrund der genannten Wirkfaktoren wurde in vielen weiteren Nachuntersuchungen belegt, von denen hier nur zwei beispielhaft genannt werden (Pimenoff und Pfäfflin 2011; Ruppin und Pfäfflin 2015). Kontrollgruppenvergleiche und Doppelblindstudiendesigns sind bei dem multimodalen Vorgehen nicht praktikabel.
Die meisten Patienten, die von der Behandlung profitieren – nach fast allen Einzelstudien, mögen sie methodisch noch so begrenzt sein, ist es jeweils die weit überwiegende Mehrheit – wandern ab und wollen, wenn sie ihr Ziel der Integration in die gewünschte Geschlechtsrolle erreicht haben, nicht mehr mit ihrer Vergangenheit, zu der auch ihre Behandlung gehört, konfrontiert werden.

Rückumwandlung

Schon früher waren Rückumwandlungsbegehren bei weniger als 1 % der Mann-zu-Frau-Transsexuellen und 1–1,5 % der Frau-zu-Mann-Transsexuellen vorgekommen. Retrospektiv hatten sich in diesen Fällen meist mangelhafte Indikationsstellungen oder unzureichende Behandlung gefunden (Pfäfflin 1992). In den Untersuchungen aus Deutschland von Weitze und Osburg (1998); Meyer zu Hoberge (2010) sowie Meyenburg et al. (2015) fanden sich in unter 1 % Rückumwandlungsbegehren bzw. das Anliegen, eine früher erfolgte Vornamens- und/oder Personenstandsänderung wieder rückgängig zu machen. Extrem selten sind doppelte Rückumwandlungsbegehren. Ein autobiografisches Beispiel findet sich bei Lessenich (2012).

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Diagnostik

Richtlinien für Diagnostik und Behandlung wurden ab 1977 von der Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association Inc. (HBIGDA), einer internationalen und interdisziplinären Fachgesellschaft, die sich später in World Professional Association for Transgender Health (WPATH) umbenannt hat, erarbeitet. Die derzeit gültige 7. Fassung von 2011 findet sich bei Coleman et al. (2011) leicht zugänglich im Internet (www.wpath.org/uploaded_files/140/files/IJT%20SOC,%20V7.pdf. Zugegriffen am 11.01.2016). Eine kommentierte deutschsprachige Übersetzung findet sich bei Richer-Appelt und Nieder (2014).
Neben der Erhebung der biografischen Anamnese mit den Schwerpunkten der psychosexuellen Entwicklung, der Geschlechtsidentitätsentwicklung und der gegenwärtigen Lebenssituation ist vor Indikationsstellung einer hormonellen Behandlung auch eine gynäkologische bzw. urologisch/andrologische Untersuchung zu empfehlen.
Aspekte der klinisch-psychiatrischen/psychologischen Diagnostik
Da Geschlechtsidentitätsstörungen eine erhebliche psychopathologische Komorbidität aufweisen können, sollte die klinisch-psychiatrische/psychologische Diagnostik breit angelegt sein und folgende Aspekte berücksichtigen und insbesondere der Behandlung von Suizidalität und akuter psychotischer Störungen Vorrang einräumen (Mayer und Kapfhammer 1995):
  • Strukturniveau der Persönlichkeit,
  • psychosoziales Funktionsniveau,
  • neurotische Dispositionen bzw. Konflikte,
  • Abhängigkeiten und Süchte,
  • suizidale Tendenzen und selbstschädigendes Verhalten,
  • Paraphilien/Perversionen,
  • psychotische Erkrankung,
  • hirnorganische Erkrankungen,
  • Minderbegabungen.

Differenzialdiagnostik

Differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen sind:
  • partielle oder passagere Störungen der Geschlechtsidentität, etwa bei Adoleszenzkrisen;
  • Transvestitismus und fetischistischer Transvestitismus, bei denen es in krisenhaften Verfassungen zu einem Geschlechtsumwandlungswunsch kommen kann, wozu allerdings anzumerken ist, dass sich bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen in der Pubertät und Adoleszenz nicht selten transvestitische Phasen finden, die sich im weiteren Verlauf verlieren;
  • Schwierigkeiten mit der geschlechtlichen Identität, die aus der Ablehnung einer gleichgeschlechtlichen Orientierung resultieren;
  • psychotische Verkennung der geschlechtlichen Identität;
  • schwere Persönlichkeitsstörungen mit Auswirkungen auf die Geschlechtsidentität.
Auch wenn ICD und DSM solche Störungen differenzialdiagnostisch als Ausschlusskriterien definieren, sollte man nicht übersehen, dass es auch Komorbidität gibt.
Seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes hat es sich zunehmend eingebürgert, dass der Kontakt zum Psychiater oder Psychotherapeuten oft erst dann zustande kommt, wenn das Gericht im Rahmen eines Verfahrens zur Vornamensänderung ein Gutachten in Auftrag gibt. Manche Psychiater erleben dies als Instrumentalisierung und reagieren verärgert, wollen mit diesen Patienten, die sie scheinbar vor vollendete Tatsachen stellen, nichts zu tun haben.
Umgekehrt gibt es Ärzte, die Wünsche der Patienten nach Hormonverschreibung und Überweisung zu chirurgischen Eingriffen unhinterfragt erfüllen und damit tatsächlich vollendete Tatsachen schaffen.

Grundlagen des Arbeitsbündnisses

Um ein tragfähiges Arbeitsbündnis herzustellen, ist es wichtig, die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
  • Reflexion der Gegenübertragung und
  • Empathie.
Reflexion der Gegenübertragung
Als Erstes sollten die Gegenübertragungsreaktionen des Behandlers reflektiert werden. Mag es auch noch so schwierig sein, sich in das Anliegen des Patienten einzufühlen, so nützt es doch wenig, dieses von vornherein in Frage zu stellen, etwa nach dem Motto „Sie werden doch niemals eine richtige Frau werden“.
Je mehr Zweifel der Arzt äußert, desto weniger Raum hat der Patient, eigene Zweifel zu erleben. Sind ihm solche überhaupt zugänglich, wird er sie aufgrund seines Identitätswiderstandes im Erstgespräch sicher überspielen. Ebensowenig nützt es dem Patienten, wenn der Psychiater seine eigene Irritation über das ungewöhnliche Anliegen des Patienten dadurch überspielt, dass er sich mit dessen Wünschen identifiziert und sie einfach erfüllt.
Nützlich ist auch, sich die Resolution 2048 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Transgender People durchzulesen (Pfäfflin 2015).
Empathie
Der Patient muss sich in seinem Anliegen entfalten können. Macht er die Erfahrung, dass man ihn ernst nimmt und sich für ihn interessiert, dann fühlt er sich auch durch die Erklärung nicht hingehalten, der Arzt brauche Zeit, das, was den Patienten seit vielen Jahren bewegt, nachzuvollziehen und ihm bei seinem Vorhaben beizustehen. Da die Diagnose ausdrücklich einen Verlaufsaspekt impliziert, sollte die Indikation für hormonelle oder chirurgische Eingriffe nicht im ersten Untersuchungstermin gestellt werden, selbst wenn der spontane Eindruck keinerlei Zweifel an einer transsexuellen Entwicklung aufkommen lassen mag.
Der Psychiater kann zu Beginn der Behandlung nicht wissen, ob der Patient langfristig in seiner ursprünglichen oder in der neuen Geschlechtsrolle besser zurechtkommen wird. Er sollte sich deshalb dieses Wissen auch nicht anmaßen. Vielmehr sollte er sich ausgiebig über die Standards of Care der World Association for Transgender Health (Coleman et al. 2011; Richter-Appelt und Nieder 2014) informieren sowie über Wirkungen und Nebenwirkungen hormoneller Therapien und nicht zuletzt über die chirurgischen Möglichkeiten einer sog. Geschlechtsumwandlung (Schwerpunktheft 10[1] des International Journal of Transgenderism 2007). Erweist er sich zu den diesbezüglichen Fragen des Patienten als kompetenter Gesprächspartner, wird ihm der Patient leichter Einblicke geben können in die Hintergründe der Geschlechtsidentitätsstörung, sodass eine ergebnisoffene Behandlung in Gang kommen kann.
Frequenz und Dauer der Behandlung sind dem Einzelfall anzupassen, und jeder Schematismus sollte vermieden werden. Die Forderung der internen Begutachtungsanleitung für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 29.04.2009, nämlich dass Patienten zuvor mindestens 1,5 Jahre in Psychotherapie gewesen sein müssen, sind zu schematisch und werden vielen Patienten nicht gerecht (Pfäfflin 2008). Ab welchem Alter bei Jugendlichen mit einer pubertätsaufschiebenden oder gar mit einer gegengeschlechtlichen hormonellen Behandlung begonnen werden soll, wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert (Vrouenraets et al. 2015).
Manche Patienten begeben sich nur widerstrebend zum Psychiater und Psychotherapeuten, weil sie glauben, Psychotherapie habe zum Ziel, ihnen die transsexuellen Wünsche auszureden. Deshalb empfiehlt es sich, entweder dieses Missverständnis direkt aufzuklären oder aber eine Begleitung bzw. Beratung zu vereinbaren, die die transsexuellen Wünsche gelten lässt und die sich darauf konzentriert, zusätzliche Symptome, wie affektive Verstimmungen, familiäre Konflikte, Auseinandersetzungen über das Geschlechtsrollenverhalten am Arbeitsplatz. anzugehen und dadurch dem Patienten Entlastung zu verschaffen.

Störungen der Sexualpräferenz, paraphile Störungen

Begriffsbestimmung

Bis zur ICD-8 (1965) und dem DSM-II (1968) wurden diese Störungen als sexuelle Deviationen bezeichnet. Ab der ICD-9 (1978) hießen sie dort sexuelle Verhaltensabweichungen und -störungen, während das DSM-III die aus der deutschsprachigen Sexualforschung vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammende Bezeichnung Paraphilien einführte. In der ICD-10 (1992) wurde erstmals die Bezeichnung Störungen der Sexualpräferenz verwendet, die ansatzweise auch positive Assoziationen zu wecken vermag (Präferenz, Vorliebe). Im DSM-5 (2014) wurde zwischen Paraphilien, die keine Diagnose implizieren, sofern sie einvernehmlich zwischen Erwachsenen praktiziert werden und niemandem Leiden oder Schaden zufügen, und paraphilen Störungen, für die dies nicht zutrifft, unterschieden (Tab. 3).
Tab. 3
Störungen der Sexualpräferenz/Paraphile Störungen
Störungen der Sexualpräferenz
Paraphile Störungen
ICD-10
DSM-5
F65.2
Exhibitionismus
302.4
Exhibitionistische Störung
F65.0
Fetischismus
302.81
302.89
Fetischistische Störung
Frotteuristische Störung
F65.4
Pädophilie
302.2
Pädophile Störung
F65.5
Sadomasochismus
302.83
302.84
Sexuell masochistische Störung
Sexuell sadistische Störung
F65.3
Voyeurismus
302.82
Voyeuristische Störung
F65.1
Fetischistischer Transvestitismus
302.3
Transvestitische Störung
F65.6
Multiple Störungen der Sexualpräferenz
  
F65.8
Sonstige Störungen der Sexualpräferenz
302.9
Andere näher bezeichnete paraphile Störung
F65.9
Nicht näher bezeichnete Störungen der Sexualpräferenz
 
Nicht näher bezeichnete paraphile Störung
Der Wechsel der Begriffe soll signalisieren, dass die Grenzen dessen, was als normal, was als krank und schließlich, was als kriminell einzustufen ist, in diesem Sektor historisch und kulturell offenbar immer wieder revidiert wurden. Die Psychiatrie scheint sich ihres Beitrags zur Pathologisierung und Kriminalisierung von Erlebens- und Verhaltensweisen bewusst geworden zu sein und mahnt sich selbst zur Vorsicht, obgleich sie ihren normativen Anspruch (Störung, Paraphilie) damit nicht aufgegeben hat. Immerhin wird bei der Beschreibung der Einzelstörungen in der ICD-10 wiederholt darauf hingewiesen, dass nur bestimmte Symptomausprägungen in den Bereich der Krankheitsklassifikation gehören, während die meisten Kategorien prinzipiell auch Bestandteile normalen sexuellen Erlebens sind.
Perversion und Deviation
Der Begriff der Perversion war zunächst eng mit der Degenerationslehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts verknüpft. Eine einheitliche Theorie der Perversionen entwarf Freud (1905), der gleichzeitig nicht so sehr die Distanz als vielmehr die Nähe zum normalen sexuellen Erleben betonte.
Der Begriff der sexuellen Deviation kommt aus dem von der Kriminologie aus der Soziologie übernommenen Labeling-Ansatz.
Perversion und Deviation sind keine Synonyme. Der Begriff Perversion ist angemessen, wenn es aus der psychodynamischen Perspektive um eine intrapsychische Symptombildung geht. In der Psychoanalyse wird der Begriff noch als Terminus technicus verwendet. Mit dem Begriff Deviation ist die äußere Beschreibung eines Verhaltens gemeint (Pfäfflin 2009b).
Dissexualität
Analog zum Begriff der Dissozialität empfehlen Beier et al. (2005) den Begriff Dissexualität, um rechtliche und medizinische Bewertungen sexueller Störungen besser auseinanderhalten zu können.

Epidemiologie

Verlässliche epidemiologische Daten über diese Störungen liegen nicht vor. Psychiatrische Kliniken werden ihretwegen nur selten spontan aufgesucht, häufiger allenfalls manche sexualmedizinischen Spezialambulanzen.
Deviante Fantasien sind ubiquitär. Sie kommen bei Männern wie bei Frauen vor.
Strafrechtliche Aspekte
Einige Paraphilien werden, soweit sie den Fantasiebereich überschreiten und sich im Handeln manifestieren, strafrechtlich sanktioniert und betreffen fast ausschließlich Männer (z. B. Exhibitionismus, Pädophilie, manche Formen des Sadomasochismus, multiple Störungen der Sexualpräferenz). Darüber gibt die Kriminalstatistik Auskunft. Mit dieser und anderen Formen der strafrechtlich sanktionierten Sexualstörungen wird der Psychiater als Gutachter und als Therapeut im Maßregelvollzug oder in der ambulanten forensischen Psychotherapie konfrontiert (Kap. Forensische Psychiatrie).

Ätiopathogenese

Psychoanalytische Triebtheorie
Die wesentlichen Theoriebildungen und klinischen Beiträge zur Ätiopathogenese stammen aus der psychoanalytischen Triebtheorie, wonach Perversionen als persistierende Abkömmlinge des Es, als Überbleibsel der polymorph-perversen Anlage eingeschätzt wurden, die nicht in die erwachsene genitale Sexualität integriert, aber auch nicht verdrängt werden konnten.
Weiterentwicklung der Theoriebildung
In der weiteren Theoriebildung standen Fragen nach dem Prozess der Perversionsbildung im Vordergrund. Sucht man nach einem gemeinsamen Nenner der verzweigten Weiterentwicklung der Theoriebildung, dann lässt sich dieser nur formal bestimmen: Dem perversen Erleben kommt eine Funktion zu (Morgenthaler 1974). Worin diese Funktion für das psychische Gleichgewicht, wie die Beziehung perversen Erlebens zur Aggressivität gesehen wird, und wie die individuelle Psychodynamik zu verstehen ist, die zur Symptombildung geführt hat, wird von den einzelnen Schulen (Ich-Psychologen, Narzissmustheoretiker, Objektbeziehungstheoretiker, Selbstpsychologen) jeweils unterschiedlich beantwortet (Übersichten bei Becker 2007; Pfäfflin 2010b; zu Paraphilien bzw. Perversionen bei Frauen s. Becker 2005; Motz 2008).
Kognitiv-behaviorale Theorien
Berührungspunkte mit der kognitiv-behavioralen Theoriebildung finden sich in der Vorstellung, dass in der Perversion früher erlittene Traumata unterschiedlichster Art in heimliche Triumphe umgemünzt werden, die jedoch die alten Traumata nicht wirklich zur Abheilung bringen, sodass immer neue Reinszenierungen erforderlich sind (Stoller 1998; Money 1986; Kernberg 1997).
Lerntheoretische Modelle
Lerntheoretische Ansätze haben darüber hinaus viel zum Verständnis der Mechanismen beigetragen, auf welche Art und Weise die repetitiven Verhaltensmuster aufrechterhalten werden.

Symptomatologie

Zumindest in den klinisch relevanten Störungen der Sexualpräferenz finden sich wiederkehrend bestimmte Charakteristika, gleichgültig, ob es sich nur um Fantasiegestalten oder um in Aktionen umgesetzte Bilder handelt.
Sexualisierung
Gemeint ist damit die regelmäßig anzutreffende thematische Bindung eines Konflikts an sexuelles Erleben. Im Prinzip handelt es sich bei diesem Charakteristikum um eine Tautologie, wenn man von Störungen der Sexualpräferenz spricht. Spricht man dagegen von Perversion, dann ist es sinnvoll, diesen Aspekt zu betonen, um der beliebigen Anwendung dieses Begriffs auf alle möglichen Lebensumstände entgegenzutreten (Goldberg 1995, 1998).
Ritualisierung
Es werden sexuell aufgeladene Szenen in immer wiederkehrenden Formen inszeniert. In den Szenen werden die inneren Objektbeziehungen externalisiert (Reiche 2007), was insbesondere bei den klinisch sowie den strafrechtlich relevanten Störungen von Bedeutung ist.
Prädominanz des narzisstischen Aspekts des Sexuellen
Demgegenüber treten der Beziehungs- sowie der Reproduktionsaspekt des Sexuellen ganz in den Hintergrund.
Aggressivität
Bei allen Störungen der Sexualpräferenz spielt dynamisch die Aggressivität eine große Rolle, wobei sie auch im Sinne einer Reaktionsbildung abgewehrt sein kann, sodass der Patient davon nichts weiß.

Verlauf und Prognose

Mangels epidemiologischer Daten ist es schwierig, sichere Angaben über Spontanverläufe zu machen. Vermutlich bekommen Psychiater und Psychotherapeuten die Mehrzahl der Personen, bei denen Störungen der Sexualpräferenz diagnostiziert werden könnten, nie zu Gesicht, weil sich jene, die ihre Störung Ich-synton erleben, nicht veranlasst sehen, Behandlung zu suchen, und sich die anderen, die sie Ich-dyston erleben, oft schämen, deswegen einen Arzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen.
In analytischen Behandlungen werden solche Störungen oft erst spät zur Sprache gebracht, wenn das Arbeitsbündnis über lange Zeit stabil war und der Patient sich sicher genug fühlt, solche meist sehr schambesetzten Themen zu artikulieren. Dann bestehen aber auch günstige Voraussetzungen für die Bearbeitung der Störung.
Handelt es sich um gleichzeitig strafrechtlich sanktioniertes Verhalten, und wird der Patient dabei ertappt, dann hat er in der Regel keine freie Wahl mehr, sich in Behandlung zu begeben. Strafmaß und Ort der Unterbringung haben dann meist einen größeren Einfluss auf den weiteren Verlauf und die Prognose als noch so gut gemeinte therapeutische Anstrengungen.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Diagnostik und Differenzialdiagnostik bereiten keine Schwierigkeiten, wenn man sich an die in der ICD-10 und im DSM-5 beschriebenen Kriterien hält. Zu erwarten ist allerdings, dass entgegen den Darstellungen in der älteren forensisch-psychiatrischen Literatur die monosymptomatischen Formen im Vergleich zu den multiplen Störungen der Sexualpräferenz eher selten sind. Unter Anspielung auf russische Puppen spricht Reiche (2007) in diesem Zusammenhang von der „Perversion-in-der-Perversion“.

Therapie

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, Patienten mit Störungen der Sexualpräferenz seien schlecht therapierbar, weil der Lustgewinn, den sie aus ihrer Störung beziehen, als gewichtiger Vektor allen therapeutischen Bemühungen entgegenwirke. Übersehen wird dabei, dass auch Patienten mit anderen Störungen aus ihrem Leiden Krankheitsgewinn beziehen, der sich der Behandlung als hartnäckiger Widerstand entgegenstellen kann. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Abwehrstrukturen von Patienten mit sexuellen Präferenzstörungen bzw. Perversionen v. a. geprägt sind von Sexualisierung und Spaltung, was unerfahrene Therapeuten leicht zum Mitagieren verleiten kann und letztlich zum Scheitern der Behandlung führt. Wie existenziell das perverse Erleben für den Patienten und wie herausfordernd die Behandlung für den Therapeuten sein können, beschreibt Reiche (2007) anhand mehrerer Kasuistiken aus psychoanalytischen Langzeitbehandlungen, während Goldberg (1995) am Beispiel vieler Fallbeschreibungen aus seiner Arbeitsgruppe am Psychoanalytischen Institut in Chicago den technisch angemessenen Umgang mit Sexualisierung und Spaltung anschaulich exemplifiziert. Nach seiner Auffassung wird die der Störung zugrunde liegende Psychodynamik, die individuell extrem unterschiedlich sein kann, erst dann der Bearbeitung zugänglich, wenn Sexualisierung und Spaltung im Zuge der Etablierung eines tragfähigen Arbeitsbündnisses und durch entsprechende Deutungen mehr und mehr in den Hintergrund getreten sind.
An größeren Stichproben gewonnene, evidenzbasierte Daten über die Effektivität ambulanter Psychotherapien von nicht straffällig gewordenen Patienten mit sexuellen Präferenzstörungen liegen nicht vor.
Handeln die Patienten dagegen entsprechend ihren Fantasien und schädigen sie damit andere, finden sie nur schwer einen Therapieplatz. Noch schwieriger ist dies für bereits straffällig gewordene Patienten. Für sie wurden inzwischen wirksame Behandlungsmethoden entwickelt (Berner et al. 2007; Marshall et al. 2006; Kröber et al. 2006; Lackinger et al. 2008; Boer et al. 2011; Nedopil und Müller 2012; Ross et al. 2016; Marshall und Marshall [in Druck]; Schwerpunktheft der Zeitschrift Recht & Psychiatrie 22[2] 2004 sowie die seit 2006 gebührenfrei online erscheinende Zeitschrift Sexual Offender Treatment, http://www.sexual-offender-treatment.org; Kap. Forensische Psychiatrie).

Therapie straffälliger Patienten

Von wenigen Ausnahmen sowie den sozialtherapeutischen Justizvollzugsanstalten abgesehen, bot der Strafvollzug lange Zeit keine Therapiemöglichkeiten (Leygraf 1988). Das hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren zum Positiven verändert. In den sozialtherapeutischen Justizvollzugsanstalten und in den psychiatrischen Maßregelvollzugskrankenhäusern werden kognitiv-behaviorale, tiefenpsychologisch fundierte sowie sozialtherapeutische Einzel- und/oder Gruppenbehandlungen durchgeführt. Zu dieser Thematik wird auf die im vorigen Abschnitt genannte Literatur verwiesen. Ist ein Patient so gefährlich, dass er eigentlich geschlossener Unterbringung bedürfte, aber noch nicht straffällig wurde, ist es fast aussichtslos, ihn in der allgemeinen Psychiatrie zur stationären Behandlung unterzubringen. Auf eine Akutstation mit hohem Durchlauf passt er so wenig wie auf eine übliche Psychotherapiestation. Hier sollte sich die Psychiatrie für Patienten öffnen, von denen viel zu lernen ist und die zu kurieren, einen wichtigen präventiven Beitrag darstellt.
EbM-Info
Psychotherapeutische Behandlung von Straftätern und insbesondere von Sexualstraftätern reduziert das Rückfallrisiko im Vergleich zu reiner Verwahrung im Straf- und/oder Maßregelvollzug statistisch signifikant (Evidenzgrad IIa, IIb). Doppelblindstudiendesigns sind hier allerdings nicht praktikabel. In der Metaanalyse von Hanson et al. (2002), die 43 Studien mit insgesamt 9454 Patienten einbezog (mittlere Nachuntersuchungszeit 4–5 Jahre), fanden sich deutliche positive Effekte. Die jüngste größere Metaanalyse zur Behandlung von Sexualstraftätern berücksichtigte 69 Studien mit insgesamt 22.181 Probanden und fand im Vergleich zu unbehandelten Probanden eine Senkung der einschlägigen Rückfälligkeit um fast 40 % (Schmucker 2004; Lösel und Schmucker 2005; zur Kritik einzelner Aspekte dieser Studie, die sich auf die Behauptung der Evidenzbasierung beziehen, vgl. Eher et al. 2007).
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