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Begutachtung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Verfasst von: Marc Allroggen
Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeuten können mit sehr unterschiedlichen gutachterlichen Fragestellungen ihres Fachgebietes konfrontiert werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei familienrechtliche Gutachten zum Sorge- und Umgangsrecht und zur zivilrechtlichen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, Gutachten zur Strafreife und Schuldfähigkeit sowie sozialrechtliche Gutachten. Dargestellt wird in diesem Kapitel das prinzipielle und praktische Vorgehen bei der Erstellung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens, wobei spezifische Aspekte einiger Rechtsgebiete gesondert erläutert werden.

Einleitung

Begutachtungen im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie können sehr unterschiedliche Bereiche und Fragestellungen umfassen (Übersicht „Bereiche und Fragestellungen von Begutachtungen“).
Bereiche und Fragestellungen von Bengutachtungen
  • Familienrecht
    • Gutachten zum Umgangsrecht (z. B. ob bei getrennt lebenden Eltern der Umgang mit dem leiblichen Vater/der leiblichen Mutter dem Kindeswohl abträglich ist?)
    • Gutachten zum Sorgerecht (z. B. bei Konflikten im Rahmen von Trennungen der Eltern, wer besser geeignet ist zur Erziehung des Kindes?)
    • Gutachten zum Aufenthaltsbestimmungsrecht (z. B. bei Uneinigkeit der getrennt lebenden Eltern, welcher Lebensmittelpunkt dem Wohle des Kindes am ehesten dient?)
    • Gutachten zur Erziehungsfähigkeit (z. B. ob bei einem Verbleib des Kindes bei den Eltern eine Kindeswohlgefährdung besteht?)
    • Gutachten nach § 1631b BGB zur Genehmigung an die Sorgeberechtigten in Bezug auf eine geschlossene Unterbringung in einer Klinik/Jugendhilfeeinrichtung (z. B. ob eine geschlossene Unterbringung zur Abwendung einer Gefährdung des Kindes notwendig ist?)
  • Zivilrecht
    • Zum Beispiel bei Schadensersatzfragen und Versicherungsfragestellungen in Bezug auf Haftpflicht und Haftung bei impulskontrollgestörten Kindern und Jugendlichen
  • Strafrecht
    • Gutachten zur Strafreife nach dem Jugendgerichtsgesetz (z. B. ob der Jugendliche zum Zeitpunkt der Tat die sittliche und geistige Reife besaß, das Unrecht der Tat einzusehen und gemäß dieser Einsicht zu handeln?)
    • Gutachten zur Schuldfähigkeit (z. B. zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB)
    • Gutachten zur Anwendung des Jugendstrafrechts auf Erwachsene (z. B. steht der Angeklagte in seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich?)
    • Glaubhaftigkeitsbegutachtung von Opferzeuginnen und Opferzeugen
  • Sozialrecht
    • Gutachten zur Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII (z. B. ob bei dem Jugendlichen eine seelische Behinderung vorliegt oder droht?)
    • Gutachten zum Schwerbehindertenrecht SGB IX (z. B. welche gesicherten Gesundheitsstörungen liegen vor? Welcher Schweregrad wird der Störung zugeordnet?)
    • Gutachten nach dem Opferentschädigungsgesetz (z. B. welche Gesundheitsstörungen liegen vor? Welche dieser Gesundheitsstörungen sind mit Wahrscheinlichkeit wesentlich (mit)ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführen und als Schädigungsfolge anzuerkennen?)
  • Polizei-/Ordnungsrecht und Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder
    • Gutachten zur geschlossenen Unterbringung nach Psychisch-Kranken-Gesetz
    • Standesrecht
    • Arzthaftungsfragen
    • Gutachten im Kontext Approbationsentzug bzw. andere Teilbereiche der ärztlichen Berufsausübung
Auftraggeber sind dabei in der Regel Gerichte, Behörden oder Versicherungen, aber auch Privatleute bzw. deren Anwälte können Begutachtungen in Auftrag geben (sog. Parteiengutachter). Das Vorgehen bei der Begutachtung richtet sich selbstverständlich nach der vorliegenden Fragestellung und dem Rechtsgebiet, aus dem der Auftrag stammt. Die grundlegenden und gemeinsamen Prinzipien der Begutachtungspraxis sind jedoch stets ähnlich und sollen in den folgenden Abschnitten dargestellt werden.

Rolle des Sachverständigen

Auch wenn formal ein Sachverständiger im Verfahren ein Beweismittel darstellt, also nicht die Aufgabe hat, eine Entscheidung zu treffen, sondern dem Gericht bzw. der beauftragenden Stelle lediglich Sachkenntnis vermitteln soll, damit diese eine fundierte Entscheidung treffen können, kommt der gutachterlichen Äußerung eine zentrale Bedeutung zu. So hat zwar der Auftraggeber das Gutachten zu bewerten und kann dies v. a. anhand von formalen Kriterien tun, inhaltlich ist er aber doch erheblich von der Beurteilung, den Ausführungen und der Sachkenntnis des Sachverständigen abhängig. Aus diesem Grunde hat die Erstattung eines Sachverständigengutachtens unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erfolgen. Unparteilichkeit meint, dass eine Unabhängigkeit des Sachverständigen gegenüber den Erwartungshaltungen aller Beteiligten besteht, also die Schlussfolgerungen objektiv gemäß der Fragestellung und den tatsächlichen Befunden erfolgt und sich nicht an impliziten Erwartungen des Auftraggebers oder dem Nutzen des Begutachteten orientieren. Dazu gehört auch, dass eventuelle Erkenntnislücken oder offene Fragen dargestellt werden und nicht durch Spekulationen scheinbar geschlossen werden. Notwendig dazu sind aber auch herausragende Kompetenzen im eigenen Fachgebiet sowie im angrenzenden juristischen Fachgebiet sowie das Einhalten wissenschaftlich begründeter methodischer Standards, was mit dem Begriff des besten Wissens gemeint ist. Die Tendenz, insbesondere in Strafverfahren, Jugendliche durch Erwachsenenpsychiater begutachten zu lassen, ist daher durchaus kritisch zu bewerten, da häufig basale Kenntnisse zur Entwicklungspsychopathologie fehlen. Schlussendlich beschreibt der Begriff des besten Gewissens, dass eine persönliche Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen besteht.
Zu den Aufgaben des Sachverständigen gehört es auch, dass der Begutachtete und seine gesetzlichen Vertreter über die Rolle des Sachverständigen aufgeklärt werden, insbesondere dass es sich nicht um ein reguläres Arzt-Patienten-Verhältnis handelt, bei dem die Gesprächsinhalte vertraulich sind. Vielmehr muss zu Beginn der Begutachtung darüber aufgeklärt werden, dass alle relevanten Gesprächsinhalte in das Gutachten mit einfließen und gegenüber dem Auftraggeber keine Schweigepflicht besteht. Zugleich sollte noch einmal dargestellt werden, dass die Mitwirkung an der Begutachtung freiwillig erfolgt. Mögliche Konsequenzen, die aus einer fehlenden Mitwirkung resultieren, sind letztlich durch den Auftraggeber zu klären, nicht durch den Sachverständigen. Der Auftraggeber ist jedoch durch den Sachverständigen darüber zu informieren, wenn vereinbarte Termine nicht wahrgenommen werden oder der Begutachtete keine Angaben machen möchte. In Abhängigkeit von der Fragestellung ist dann zu klären, ob auch eine Beurteilung aufgrund der Aktenlage erfolgen kann. In Zusammenhang mit strafrechtlichen Begutachtungen sind die Begutachteten sowie Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben (z. B. Eltern des Beschuldigten), auch darüber zu informieren, dass sie keine Angaben machen müssen und sich oder Angehörige nicht belasten müssen (Kap. „Strafrecht und Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“). Zudem sind alle Beteiligten über den Gutachtenauftrag zu informieren und über den Ablauf der Begutachtung (Transparenz).
Vor der Begutachtung sind die Klienten und ggf. weitere Beteiligte über die fehlende Schweigepflicht gegenüber dem Auftraggeber, die Freiwilligkeit der Mitwirkung und über die Fragestellung und den Ablauf der Begutachtung zu informieren.
Vor Annahme des Gutachtenauftrages sind neben der eigenen fachlichen Kompetenz aber auch mögliche Rollenkonflikte durch den Sachverständigen zu reflektieren, insbesondere wenn auch ein Arzt-Patienten-Verhältnis besteht oder bestand. Die Beauftragung eines Kinder- und Jugendpsychiaters und -psychotherapeuten, über seinen Patienten ein Sachverständigengutachten zu erstellen, sollte vermieden werden, da es zu möglichen Konflikten kommen kann zwischen dem Anspruch der Objektivität und Wünschen des Patienten bzw. Wunsch des Arztes, seinen Patienten zu unterstützen (z. B. bei Schadensersatzklagen; Fragen der Schuldfähigkeit), aber auch eine externe Überprüfung der Verhältnismäßigkeit oder Notwendigkeit wegfällt, wenn beispielsweise eine Jugendhilfemaßnahme oder eine geschlossene Unterbringung empfohlen wurden.
Zudem muss vom Sachverständigen bedacht werden, dass in der Regel kein Behandlungsauftrag mit dem Gutachtenauftrag verbunden ist, auch wenn u. U. die Frage nach notwendigen oder möglichen Behandlungen gestellt wird. Selbstverständlich sind jedoch die Klienten bei auffälligen Befunden über diese und ggf. notwendige weitere diagnostische Schritte zu informieren, auch wenn diese dann nicht mehr Teil der Begutachtung sein müssen. Auch Aspekte wie Suizidalität oder selbstschädigende Verhaltensweisen müssen ggf. berücksichtigt und weiter abgeklärt werden.
Im Rahmen von Familiensachen kann allerdings der Sachverständigenauftrag auch einen „Mediationsauftrag“ beinhalten, in dem der Sachverständige auch auf die Herstellung des Einvernehmens der Beteiligten hinwirkt (§ 163 FamFG). Hierbei besteht die Herausforderung, den möglichen Prozess der Beteiligten gut zu reflektieren, um nicht bei geringer Aussicht auf einen Erfolg eine Entscheidung zu verschleppen und damit mögliche negative Auswirkungen auf das Kind auszulösen.
Letztlich muss auch von Sachverständigen, auch wenn sie primär an die Fragestellung des Auftraggebers gebunden sind, stets bedacht werden, dass das Kindeswohl von herausragender Bedeutung ist. Das Europaratsübereinkommen, welches von Deutschland ratifiziert wurde, sieht im Kontext „kindgerechte Justiz“ die Berücksichtigung des Kindeswohls („best interest of the child“) als eine generelle Anforderung an justizielle Verfahren und an die Fachkräfte, die sich in diesem Kontext betätigen. Generell sind nach UN-Kinderrechtskonvention die Informations- und Partizipationsrechte von Kindern und Jugendlichen gerade bei den sie betreffenden Verfahren zu berücksichtigen (Art. 20, 21 KRK).

Beauftragung und Fragestellung

Prinzipiell ist ein Arzt verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zu erstatten, sofern er seinen Beruf öffentlich ausübt (§ 407 ZPO, § 75 StPO). Ablehnen kann er den Auftrag aber, wenn dieser nicht in sein Fachgebiet fällt, keine hinreichende Qualifikation für die Fragestellung besteht, mögliche Befangenheitsgründe vorliegen, aber auch aufgrund fehlender zeitlicher Kapazitäten. Das Ablehnen eines Auftrages ist dem Gericht unmittelbar mitzuteilen. Aber auch Prozessbeteiligte können einen Sachverständigen ablehnen, wenn Zweifel an der Fachlichkeit oder Unparteilichkeit oder Bedenken bezüglich einer Voreingenommenheit bestehen.
Wird der Auftrag angenommen, ist er innerhalb der vom Gericht bzw. Auftraggeber festgesetzten Frist zu erledigen. Sollten Schwierigkeiten oder Verzögerungen während der Begutachtung auftreten (z. B. Erkrankung des Sachverständigen, Nichtwahrnehmen von Terminen durch den Begutachteten), so ist das Gericht bzw. der Auftraggeber zu informieren. Prinzipiell sollten alle auftretenden Schwierigkeiten mit dem Auftraggeber geklärt werden, das Gericht hat den Sachverständigen in diesem Falle zu unterstützen und anzuleiten. Das Gericht entscheidet auch, welche Tatsachen zugrunde gelegt werden, wenn es beispielsweise divergierende Angaben zu einem Sachverhalt gibt. In der Wahl seiner Methoden ist der Sachverständige jedoch frei, solange diese nachvollziehbar und wissenschaftlich begründet bzw. allgemein anerkannt sind.
Bei Nichteinhalten der gesetzten Frist kann u. U. durch das Gericht auch ein Ordnungsgeld gegen den Sachverständigen verhängt werden, oder er wird von dem Auftrag entbunden.
Der Sachverständige muss sich bei der Erstattung des Gutachtens auf die Beantwortung der Fragestellung beschränken. Je präziser und eindeutiger diese ist, desto einfacher ist letztlich auch deren Beantwortung. Unklare oder unpräzise Fragestellungen (z. B. „Es ist ein kinder- und jugendpsychiatrisches Sachverständigengutachten über den Angeklagten zu erstellen.“) sollten, sofern keine Präzisierung durch den Auftraggeber erfolgt, abgelehnt werden.

Untersuchungsgang

Allgemeine Grundlagen

Das konkrete Vorgehen im Rahmen der Begutachtung hängt natürlich von der Fragestellung und der Art des Gutachtens ab. Dennoch sind für alle Gutachten einige Mindeststandards und Prinzipien zu beachten.
Vor der Exploration des Klienten ist ein Aktenstudium durchzuführen. Der Auftraggeber stellt dazu dem Sachverständigen bisher festgestellte Sachverhalte zu Verfügung (Akte mit Vorbefunden, Zeugenaussagen, Stellungnahmen der Prozessbeteiligten etc.), die diesem als Anknüpfungstatsachen für die Untersuchung dienen.
Die Terminvereinbarung mit dem Klienten sollte schriftlich und ggf. auch über deren Prozessbevollmächtigte erfolgen. Es empfiehlt sich, auch das Gericht über geplante Termine zu informieren. Auch eventuell notwendige Hausbesuche sind anzukündigen.
Auf angemessene Untersuchungsbedingungen und einen angemessenen Zeitrahmen für die Untersuchung ist zu achten. Dies bedeutet nicht nur, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, insbesondere bei der Untersuchung von Kindern und Jugendlichen ist auch darauf zu achten, dass diese durch zu lange Termine nicht zu stark belastet werden. Unter Umständen ist ein weiterer Termin vorteilhafter.
Vor Beginn der Untersuchung ist der Klient über die Rolle des Sachverständigen und den Auftrag aufzuklären (fehlende Schweigepflicht gegenüber dem Auftraggeber, Freiwilligkeit der Begutachtung, ggf. Zeugnisverweigerungsrecht, Erläuterung des Gutachtenauftrages und des Procederes).
Die eigentliche Untersuchung orientiert sich an den Prinzipien einer klinischen kinder- und jugendpsychiatrischen Untersuchung. Der Klient ist kinder- und jugendpsychiatrisch zu untersuchen, und eine vollständige Anamnese ist zu erheben, soweit dies für die Fragestellung erforderlich ist. Auch eine Befragung der Eltern zur Entwicklung, Anamnese und zu möglichen psychischen Auffälligkeiten wird in der Regel erforderlich sein. Darüber hinaus sind auch zusätzliche Informationen wie Vorbefunde, Zeugnisse oder Fremdanamnesen ggf. einzuholen. Wichtig ist hierbei, dass ein Einverständnis der Betroffenen vorliegt, wenn ärztliche oder therapeutische Befundberichte oder Schuleinschätzungen eingeholt werden.
Testpsychologische Untersuchungen können und sollen, sofern sie der Beantwortung der Fragestellung dienen, eingesetzt werden.
Eine körperliche Untersuchung sollte durchgeführt werden, wenn sie der Beantwortung der Fragestellung dient. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass der Auftrag zur kinder- und jugendpsychiatrischen Begutachtung nicht automatisch eine körperliche Untersuchung mit einschließt, dies sollte ggf. mit dem Gericht geklärt werden. Zudem muss der Betroffene auch dieser zustimmen, sofern nicht eine richterliche Anordnung vorliegt. Aufwändige apparative Untersuchungen müssen immer mit dem Gericht abgesprochen werden.
Unter Umständen kann zum Abschluss der Begutachtung ein Rückmeldegespräch sinnvoll sein, in dem die Befunde und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen erläutert werden. Dabei sollte jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass die Entscheidung des Gerichtes vorweggenommen wird, d. h., es sollte keine juristische Wertung erfolgen.

Spezifische Aspekte im Strafrecht

Bei Begutachtungen im Strafrecht ist neben der Erfassung des Reifestandes bei Fragen zur Strafreife gemäß § 3 JGG und der Beurteilung des Vorliegens von Defiziten der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in der Folge einer psychischen Störung gemäß §§ 20, 21 StGB v. a. eine Auseinandersetzung mit dem Tatvorwurf zentral, da die Beurteilung der Strafreife oder der Schuldfähigkeit nur tatbezogen erfolgen kann (Kap. „Strafrecht und Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“). Zudem sind die besonderen Bedingungen der Strafprozessordnung zu beachten wie Zeugnisverweigerungsrechte. Während die Befragung von Eltern ebenso wie das Anfordern von Befundberichten, sofern der Jugendliche damit einverstanden ist, im Rahmen der Befunderhebung durchgeführt werden kann, stellt das Einholen weiterer Fremdanamnesen (z. B. Befragung von Lehrern) eine Beweiserhebung dar, die durch das Gericht zu veranlassen ist (Wolf 2012). Der Sachverständige kann dabei der Vernehmung von Zeugen beiwohnen und Fragen stellen, soweit das Gericht dies gestattet (§ 80 StPO).

Spezifische Aspekte bei Gutachten zu Fragen des Sorge- und Umgangsrechts

Das Vorgehen bei Gutachten zur Erziehungsfähigkeit ist in der Praxis insgesamt sehr heterogen (Pawils et al. 2014). Notwendig ist jedoch immer ein Gespräch nicht nur mit dem Kind, sondern mit allen Prozessbeteiligten, u. U. auch ein gemeinsames Gespräch mit strittigen Parteien. Im Mittelpunkt der Beurteilung steht dabei die Beurteilung der familiären Beziehungen, der elterlichen Fähigkeiten und Persönlichkeiten aus kinder- und jugendpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Sicht sowie die Erfassung des Entwicklungsstands des Kindes zur Ableitung von Aussagen über Bedürfnisse, Fähigkeiten und Resilienzen des Kindes hinsichtlich Kontakt und Umgang zu den Eltern.
Im Umgangsrecht steht dabei die Frage im Mittelpunkt, ob Kontakte zu einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson förderlich für das Kindeswohl sind. Dazu muss abgeklärt werden, ob die Kontakte dem Kind schaden, z. B. aufgrund eines misshandelnden Verhaltens eines Elternteils, aber auch der Kindeswille, der v. a. bei älteren Kindern zunehmend an Bedeutung gewinnt, sowie die Bindung und Beziehung des Kindes zu dem Elternteil müssen erfasst werden. Problematisch sind v. a. Konstellationen, in denen zwar keine Schädigung des Kindes bei Kontakt zu einem Elternteil besteht, dieser Kontakt aber von dem Kind abgelehnt wird, weil es sich z. B. bei konflikthaften Trennungen von Eltern in einem Loyalitätskonflikt befindet und diesen löst, indem es die ablehnende Haltung eines Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil einnimmt. Dazu muss auch keine aktive Beeinflussung durch ein Elternteil vorliegen.
Bei Gutachten zum Sorgerecht und zur Erziehungsfähigkeit sind einerseits die Fähigkeiten der Eltern, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, zu erfassen, aber auch Persönlichkeitsstruktur und Erkrankungen der Eltern. Eine Interaktionsbeobachtung kann hilfreich sein, um die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu erleben, eine Bewertung kann jedoch nicht alleine auf der Beurteilung dieser speziellen Situation erfolgen. Zudem ist die Fähigkeit der Eltern zu beschreiben, das Kind angemessen zu fördern (Förderkompetenz). Auf Ebene des Kindes ist der Förderbedarf zu beschreiben, der auch von dem eventuellen Vorliegen von psychischen oder körperlichen Erkrankungen abhängt. Auch Aspekte der Beziehung und Bindung sowie der Bindungstoleranz müssen erfasst werden. Insbesondere bei Auseinandersetzungen bezüglich des Sorgerechts spielt auch der Aspekt der Kontinuität eine entscheidende Rolle und der sozialen Integration am Lebensmittelpunkt.
Bei Fragen der Erziehungsfähigkeit in Zusammenhang mit einer Kindeswohlgefährdung ist auch das Alter des Kindes ein entscheidender Faktor. Je jünger das Kind ist, desto stärker ist es auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen und desto schneller kann es zu einer akuten Gefährdung der Gesundheit kommen. Hier ist v. a. auf reale Umstände der Versorgung zu achten. Zwingend notwendig ist hierbei auch das Hinzuziehen von Fremdanamnesen und Vorbefunden, z. B. durch den Kinderarzt (Vorsorgeuntersuchungen) oder den Kindergarten (regelmäßiger Besuch, angemessene Kleidung, Pflegezustand), sowie die Durchführung einer körperlichen Untersuchung zur Beurteilung des Pflegezustandes, des Entwicklungsstandes und zur Erfassung von möglichen Misshandlungs- und Vernachlässigungszeichen. Standardisierte testpsychologische Untersuchungen zur Erfassung des Entwicklungsstandes sind dabei sinnvoll.

Spezifische Aspekte bei Gutachten zur zivilrechtlichen Unterbringung

Bei der Frage, inwieweit die Unterbringung gegen den Willen eines Kindes oder Jugendlichen in einer Klinik oder in einer Jugendhilfeeinrichtung zu dessen Wohle notwendig ist, müssen v. a. Fragen der Verhältnismäßigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme beantwortet werden. Dabei geht es einerseits darum, inwieweit eine Maßnahme geeignet ist, eine drohende Gefahr abzuwenden. Für die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik wäre demnach das Vorliegen einer psychischen Störung Voraussetzung, zudem muss die Möglichkeit bestehen, diese Störung durch eine Behandlung gegen den Willen des Betroffenen zu bessern. Zudem muss geprüft werden, ob eine geschlossene Unterbringung erforderlich ist, also ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen ebenfalls geeignet sind, eine Gefährdung abzuwenden. Abschließend muss geklärt werden, ob eine entsprechende Unterbringung angemessen ist, d. h., die mit einer freiheitsentziehenden Maßnahme verbundenen Einschränkungen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg bzw. der Abwendung der Gefahr stehen.
Dies erfordert eine psychiatrische Untersuchung des Klienten und seiner Bezugspersonen, eine genaue Beschreibung der Gefährdung sowie auch eine Darstellung der Behandlungs- bzw. Beeinflussungsmöglichkeiten der Gefährdungssituation. Dabei muss es sich nicht immer um eine akute Gefährdung handeln, auch chronische Entwicklungsgefährdungen wie Schulabsentismus oder delinquentes Verhalten können eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung begründen. Entscheidend ist aber die Beurteilung, ob durch die geschlossene Unterbringung eine Abwehr der Gefährdung erreicht werden kann.

Spezifische Aspekte bei Gutachten im Sozialrecht

Bei Gutachten im Sozialrecht geht es im Wesentlichen um die Erfassung einer Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit sowie der Beschreibung der daraus resultierenden Funktionseinschränkung (Teilhabebeeinträchtigung) (Allroggen et al. 2015). Dies setzt zunächst das Stellen einer Diagnose voraus, die für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie auf den diagnostischen Kriterien der internationalen Klassifikationssysteme (ICD, DSM) beruht. Die Beurteilung der Teilhabebeeinträchtigung sollte sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO (ICF) orientieren. Dazu ist neben einer Untersuchung des Kindes oder Jugendlichen auch eine Exploration der Bezugspersonen notwendig. Dabei ist neben einer möglichen Tendenz zur Aggravation von Einschränkungen, um beispielsweise Sozialleistungen zu erhalten, auch zu bedenken, dass gerade bei Kindern mit psychischen Störungen oder Intelligenzminderung die Symptomatik und die damit verbundene psychosoziale Einschränkung stark schwanken kann, sodass stets eine längsschnittliche Betrachtung notwendig ist.

Spezifische Aspekte bei Personen mit Migrationshintergrund

Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien mit Migrationshintergrund stellen eine besondere Herausforderung für Gutachter dar. Dabei sind verschiedene Aspekte von besonderer Relevanz, die beachtet werden müssen und die es erforderlich machen, dass der Sachverständige sich auch mit den kulturellen Hintergründen der Begutachteten auseinandersetzt.
Prinzipiell ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die Sozialisations- und Erziehungsbedingungen unabhängig davon, ob die Kinder und Jugendlichen in Deutschland aufgewachsen sind oder nicht, erheblich von Kindern und Jugendlichen deutscher Herkunft unterscheiden können (Schepker und Frank 2015). Dies betrifft einerseits Aspekte wie Förderung der Autonomie, die familiäre Kohäsion, aber auch z. T. die notwendige frühe wirtschaftliche Verantwortungsübernahme von Kindern und Jugendlichen für ihre Familien. Auch Erfahrungen mit Gewalt sowie der Umgang mit Straftaten, insbesondere auch die Erfahrungen, wie die eigene Gesellschaft strafbare Handlungen bewertet und sanktioniert, können die Entwicklung der geistigen und sittlichen Reife erheblich beeinflussen. Hinzu kommt, dass auch Fluchterfahrungen sowie traumatische Erfahrungen im Heimatland bei Geflüchteten zu der Entwicklung von strafrechtlich relevanten Reifeverzögerungen beitragen können.
Auch im Familienrecht ist zu beachten, dass Erziehungsstile, aber auch Erziehungsziele erheblich von mitteleuropäischen Erwartungen abweichen können. Eine einfache Übertragung der eigenen Vorstellungen kann dann fälschlich dazu führen, dass Eltern mit Migrationshintergrund als erziehungsunfähig angesehen werden. Andererseits muss aber auch davor gewarnt werden, eindeutige Kindesmisshandlung mit kulturellen Besonderheiten zu entschuldigen.
Im Rahmen der diagnostischen Abklärung und zur Beantwortung der Fragestellung ist der Einsatz eines Dolmetschers, sofern nicht gute deutsche Sprachkenntnisse vorliegen oder der Gutachter dieselbe Sprache wie der Begutachtete spricht, unerlässlich. Es sollte dabei stets ein gerichtlich vereidigter Dolmetscher angefordert werden. Dieser kann auch direkt über das Gericht angefordert werden und mit diesem abrechnen. Aber auch bei dem Einsatz eines Dolmetschers ist zu beachten, dass u. U. abweichende Konzepte und Begriffe für psychische Erkrankungen bestehen, bestimmte Themen besonders schambesetzt sind oder abweichend bewertet werden.
Der Einsatz von standardisierten testpsychologischen Verfahren ist dadurch limitiert, dass selbst bei Vorliegen von Übersetzungen in der Muttersprache des Begutachteten in der Regel validierte Normen für das Herkunftsland fehlen. Bei der Durchführung von Intelligenztests zeigt sich in der Praxis regelmäßig, dass die tatsächliche Intelligenz durch diese unterschätzt wird, weil auch die sog. sprachfreien und Culture-Fair-Tests mitnichten kulturell unabhängig sind, sondern auf einer westlichen Sozialisation aufbauen.

Abfassung des Gutachtens

Sowohl im Bereich des Strafrechts (Boetticher et al. 2007a, b) als auch im Familienrecht (Kannegießer und Rotax 2016) liegen mittlerweile Mindeststandards für die Erstellung und das Abfassen des Gutachtens vor.
Während im Familien- und Sozialrecht in der Regel lediglich ein schriftliches Gutachten angefordert wird, sofern es sich nicht um besonders strittige Fälle handelt, in denen ein Erscheinen des Sachverständigen vor Gericht gewünscht ist, um sein Gutachten zu erläutern oder Fragen dazu zu beantworten, dient im Strafverfahren das schriftliche Gutachten lediglich der Vorbereitung. Das eigentliche Gutachten ist mündlich und frei im Rahmen der Hauptverhandlung zu erstatten. Dazu hat der Sachverständige auch neue Erkenntnisse, die im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnen wurden, in seine Beurteilung einfließen zu lassen. Dabei ist er nicht an sein schriftliches Gutachten gebunden, sondern kann bei neuen Erkenntnissen auch zu einer abweichenden Beurteilung kommen.
Ein entscheidender Aspekt bei der Erstattung des Sachverständigengutachtens ist dabei stets, dass deutlich wird, was erhobene Befunde sind und was Interpretationen und Schlussfolgerungen aufgrund der Befunde sind. Eine Zusammenfassung der formalen und inhaltlichen Anforderungen an das Sachverständigengutachten findet sich in der folgenden Übersicht (nach Boetticher et al. 2007a, b; Kannegießer und Rotax 2016):
a.
Darstellung des formalen Rahmens (Nennung Auftraggeber, Fragestellung, Ort, Zeit, Datum der Untersuchungen, beteiligte Personen, Hilfskräfte)
 
b.
Dokumentation der Aufklärung
 
c.
Angabe von Untersuchungs- und Dokumentationsmethoden
 
d.
Darstellung der Anknüpfungstatsachen auf Basis der Aktenanalyse und ggf. Ableitung einer spezifischen kinder- und jugendpsychiatrischen Fragestellung
 
e.
Darstellung der erhobenen Befunde ohne Wertung und Interpretation (Explorationen, testpsychologische Untersuchungen, körperliche Untersuchungen, Vorbefunde)
 
f.
Ableitung einer kinder- und jugendpsychiatrischen Diagnose gemäß ICD oder DSM mit Beurteilung des Schweregrades und der daraus resultierenden Funktionseinschränkung für den relevanten Beurteilungszeitraum (wenn für die Beantwortung der Fragestellung relevant)
 
g.
Fachliche Einordnung und Würdigung der Befunde mit Trennung von gesichertem Wissen und subjektiver Meinung
 
h.
Beantwortung der Fragestellung mit klarer Darstellung von Unsicherheiten oder Uneindeutigkeit von Befunden und alternativen Bewertungs- oder Handlungsmöglichkeiten
 

Typische Fehler in der Begutachtung

Das Erstatten eines Sachverständigengutachtens bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für formale und inhaltliche Fehler, die weitreichende Konsequenzen für alle Prozessbeteiligte haben können, sich aber durch ein reflektiertes und handwerklich gründliches Vorgehen vermeiden lassen. Wichtigste Voraussetzung ist die Überprüfung des Vorliegens der eigenen Kompetenz für die spezifische Fragestellung. Weitere mögliche Fehlerquellen sind eine unzureichende Zeit für die Begutachtung, das Akzeptieren einer unpräzisen Fragestellung, ein fehlendes oder unvollständiges Aktenstudium, eine fehlende Objektivität des Gutachters oder Stereotypisierung des Begutachteten, eine unzureichende Exploration, die fehlende Transparenz bei der Beantwortung der Fragestellung sowie eine Identifizierung des Sachverständigen mit der Rolle des Gerichts nach Stil und Inhalt. Zudem muss der Sachverständige stets seine Rolle reflektieren, die weder eine juristische Beurteilung noch kriminalistische Ermittlungstätigkeit umfasst.
In Strafrechtsgutachten besteht die Gefahr, dass bei schweren oder bizarren Taten häufig auf das Vorliegen einer psychischen Störung zurückgeschlossen wird bzw. ein unmittelbarer Rückschluss von der Diagnose auf die forensisch-psychiatrische Fragestellung erfolgt, ohne dass die konkrete Einsichts- und Steuerungsfähigkeit geprüft wird.
Es sollte zudem darauf geachtet werden, dass bei der Darstellung von Aktenauszügen diese nicht ungenau oder einseitig erfolgt, Vorbefunde oder frühere Gutachten müssen zudem ebenfalls vollständig berücksichtigt werden, soweit dies möglich ist.
Bei der Diagnosestellung ist auf eine hinreichende Berücksichtigung von möglichen Differenzialdiagnosen zu achten. Auch sollte auf mögliche Hinweise auf Simulationen und Dissimulationen geachtet werden.

Abrechnung

Die Abrechnung des Sachverständigengutachtens erfolgt nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG). Abrechenbar sind dabei der Zeitaufwand für das Aktenstudium, für die durchgeführten Untersuchungen, die Abfassung und Beurteilung sowie der für Diktat und Durchsicht des Gutachtens, aber auch Reise- und Wartezeiten. Auslagen wie Fahrkosten oder Kopier- und Portokosten werden ebenfalls erstattet, ebenso Schreibgebühren.
Zugrunde gelegt wird dabei nicht die tatsächlich aufgewendete Zeit, sondern die erforderliche Zeit. Für das Aktenstudium kann in der Regel 1 Stunde für 60 Seiten berechnet werden, wobei insbesondere im Sozialrecht häufig nur 1 Stunde für 150 Seiten anerkannt werden. Für Diktat und Korrektur des schriftlichen Gutachtens wird 1 Stunde für 6 Seiten angerechnet, für die eigentliche Beurteilung und Beantwortung der Fragestellung 1 Stunde pro 1 Seite.
Die Honorargruppe richtet sich nach der Art des Gutachtens. In die Honorargruppe M1 (Stundensatz 65 €) fallen einfache gutachtliche Beurteilungen z. B. in Gebührenrechtsfragen, zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung, zur Haft-, Verhandlungs- oder Vernehmungsfähigkeit, oder zur Verlängerung einer Betreuung. In die Honorargruppe M2 (Stundensatz 75 €) gehört die beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, z. B. in Verfahren nach dem SGB IX, zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, zu einfachen Fragestellungen zur Schuldfähigkeit ohne besondere Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, zur Einrichtung oder Aufhebung einer Betreuung und der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gemäß § 1903 BGB. In die Honorargruppe M3 (Stundensatz 100 €) werden einbezogen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, also Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge, differenzialdiagnostischer Probleme, zur Beurteilung der Prognose oder zur Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen wie z. B. Gutachten zu ärztlichen Behandlungsfehlern, in Verfahren nach dem OEG, zur Schuldfähigkeit bei Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, in Verfahren zur Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, zur Kriminalprognose, zur Aussagetüchtigkeit, in Verfahren nach den §§ 3, 10, 17 und 105 JGG, in Unterbringungsverfahren, in Verfahren nach § 1905 BGB und in Verfahren zur Regelung von Sorge- oder Umgangsrechten.

Fazit

Das Vorgehen bei dem Erstellen eines Sachverständigengutachtens richtet sich primär nach der Fragestellung des Auftraggebers, wobei die besonderen Rahmenbedingungen des jeweiligen Rechtsgebietes (Strafrecht, Familienrecht, Sozialrecht) zu beachten sind. Wichtig sind jedoch stets die Grundsätze der Transparenz über das Vorgehen, Rechte und Pflichten aller Beteiligten sowie insbesondere die Rolle des Sachverständigen. Für die Beantwortung der Fragestellung ist dabei prinzipiell in der Regel eine fundierte, wissenschaftlich begründete kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik unter Berücksichtigung der Bezugspersonen notwendig. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in dem Gutachten so darzustellen, dass Befunde und Beurteilung sauber getrennt werden und für den Auftraggeber nachvollziehbar wird, auf welchen Ergebnissen die letztliche Einschätzung und damit Beantwortung der Fragestellung beruht, damit der Auftraggeber hinreichend Sachkenntnis erhält, um zu einer eigenständigen Entscheidung zu kommen.
Literatur
Allroggen M, Kölch M, Fegert JM (2015) Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung bei Behinderung. In: Häßler F, Kinze W, Nedopil N (Hrsg) Praxishandbuch Forensische Psychiatrie. MWV, Berlin, S 589–592
Boetticher A, Kröber H-L, Müller-Isberner R, Böhm KM, Müller-Metz R, Wolf T (2007a) Mindestanforderungen für Prognosegutachten. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 1:90–100. https://​doi.​org/​10.​1007/​s11757-007-0017-9CrossRef
Boetticher A, Nedopil N, Bosinski HAG, Saß H (2007b) Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 1:3–9. https://​doi.​org/​10.​1007/​s11757-006-0002-8CrossRef
Kannegießer A, Rotax H-R (2016) Qualitätssicherung von Gerichtsgutachten im Familienrecht. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 10:116–121CrossRef
Pawils S, Metzner F, Bech B, Standke-Erdmann B, Lorenz E, Ballin A (2014) Erziehungsfähigkeit in familienrechtlichen Begutachtungen. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 8:288–294CrossRef
Schepker R, Frank U (2015) Besonderheiten bei Angeklagten mit Migrationshintergrund. In: Häßler F, Kinze W, Nedopil N (Hrsg) Praxishandbuch Forensische Psychiatrie. MWV, Berlin, S 101–102
Wolf T (2012) Zur Qualität forensischer Gutachten aus strafrechtlicher Sicht. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 6:235–242. https://​doi.​org/​10.​1007/​s11757-012-0177-0CrossRef