FÄ-KJPP, KJP und PP üben ihren Beruf als Angehörige eines freien Berufs aus – egal, ob sie in eigener Praxis oder in einer Institution im Angestellten- oder Beamtenverhältnis tätig sind. In § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften (PartGG) werden Merkmale der freien Berufe beschrieben und definiert. Seit Juli 1998 enthält er die folgende Formulierung:
Der Bekenntnisakt des Berufs ist ein „Versprechen“ der Kompetenz und des freiwilligen Eintretens in ein Vertrauensverhältnis mit seinem Gegenüber – im Fall der psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung mit der/dem Patient*in und bei Kindern und Jugendlichen dessen Bezugspersonen im Interesse dieses Gegenübers. Berufsethisch korrektes Verhalten ist also mehr als nur die Erfüllung der gesetzlich und untergesetzlich normierten Berufspflichten. Die Berufsordnungen der Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern und auch der Berufs- und Fachverbände sollen die ethischen Regeln in Worte fassen und die Berufsangehörigen dabei unterstützen, sich ethisch „korrekt“ zu verhalten. Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sind gehalten, ihr berufliches Handeln und Nichthandeln immer wieder auf dem Hintergrund ihrer Berufsethik zu reflektieren und sich über die Hilfestellungen, wie sie in den jeweiligen Berufsordnungen definiert sind, informiert zu halten. Häufig finden sie keine eindeutigen Antworten und haben im jeweiligen Einzelfall Güterabwägungen vorzunehmen und zu entscheiden, wodurch das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen am besten gefördert oder geschützt werden kann.
In Zeiten, in denen das Gesundheitswesen immer mehr von wirtschaftlich geprägten Interessen dominiert und abhängig gemacht wird, besteht die Gefahr, dass die ethischen Prinzipien von Heilberufen den ökonomischen Interessen untergeordnet werden. Umso wichtiger ist es, sich auf die berufsethischen Wurzeln und Prinzipien zu besinnen bzw. sie sich immer wieder bewusst zu machen. Dies gilt für alle Bereiche, in denen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in ihrem Beruf tätig sind – für die klinische Anwendung, für Forschung und Lehre, aber auch für die standespolitische Vertretung der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft.
Ein Berufsbild beschreibt die möglichen Tätigkeitsfelder von FÄ-KJPP, KJP und PP. Ein solches Berufsbild ist bei der Diskussion um ethische und rechtliche Aspekte der Berufsausübung zu berücksichtigen, da es Auskunft über die Breite des Berufs in seiner Ausübung gibt.
Ethische Grundprinzipien im psychotherapeutischen und ärztlichen Handeln
In psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen werden berufsspezifische/s Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten mit dem Ziel der Linderung, Heilung oder Begleitung kranker Personen und deren sozialen Umfeld im persönlichen Arzt/Psychotherapeuten-Patient-Verhältnis angewandt. Die klinische Anwendung von Psychiatrie und
Psychotherapie ist bestimmt durch die berufliche Tätigkeit, die Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen als solche verrichten. Sie ist zentriert auf die Begegnung des Arztes, der Ärztin bzw. Psychotherapeuten, Psychotherapeutin mit seinem Patienten, eines Menschen mit während der Aus- und Weiterbildung erworbenen psychiatrischen und/oder psychotherapeutischem Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten und eines Menschen und seines Umfelds, die dieser Kompetenzen bedarf, um die durch Krankheit gestörten Funktionen wiederherzustellen bzw. deren Auswirkungen zu mildern.
International anerkannt und beachtet sind vier ethische Grundprinzipien, die von Tom Lamar Beauchamp und James F. Childress 1977 in ihrem Buch „Principals of biomedicine ethics“ erstmals beschrieben wurden (vgl. hierzu auch Koelch et al.
2015). Diese vier Grundprinzipien sind:
-
Respekt vor der Autonomie des Patienten („respect for autonomy“),
-
Nicht-Schaden („nonmaleficence“),
-
Fürsorge, Hilfeleistung („beneficence“),
-
Gleichheit und Gerechtigkeit („justice“).
Der Respekt vor der Autonomie des Patienten bedeutet, diesem Entscheidungsfreiheit und das Recht auf Förderung der Entscheidungsfähigkeit zuzugestehen. Es beinhaltet die Förderung des informierten Einverständnisses zu jeder diagnostischen und therapeutischen Maßnahme sowie die Berücksichtigung der Wünsche, Ziele und Wertvorstellungen des Patienten, der Patientin bzw. des gesetzlichen Vertreters, der Vertreterin des Patienten, der Patientin, wenn diese/r nicht über eine behandlungsbezogene natürliche Einsichtsfähigkeit verfügt.
Um
Schaden zu vermeiden, sind schädliche Eingriffe und Interventionen zu unterlassen. Gerade in der alltäglichen kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung erlangt das „primum non nocere
“ auch praktische Relevanz in der psychopharmakologischen Behandlung. Viele der eingesetzten Substanzen sind, wie auch im Bereich der Pädiatrie, zwar im Erwachsenenbereich erforscht und etabliert, die Forschungslage im Bereich von minderjährigen Patient*innen ist häufig jedoch dürftig. Selbst in den Bereichen, in denen zugelassene Präparate vorhanden sind, fehlen oft Daten über mögliche unerwünschte Langzeitwirkungen. Die gängige Praxis des Off-Label-Use
findet vor dem ethischen Dilemma statt, dass man einerseits minderjährigen Patient*innen, die möglicherweise von einer bestimmten Substanz profitieren könnten, die bereits im Erwachsenenbereich etabliert ist, eine Therapieoption bieten möchte, andererseits jedoch aufgrund der fehlenden Datenlage keine suffiziente Aussage zu einer notwendigen Nutzen-Risiko-Bewertung treffen kann. Dementsprechend wird der Ruf nach besseren Arzneimittelstudien bei Kindern und Jugendlichen laut, um Wissenslücken zu schließen und Minderjährige nicht zu „therapeutic orphans
“ zu machen. Demgegenüber stehen jedoch auch ethische Bedenken hinsichtlich der Etablierung entsprechender Arzneimittelstudien bei Minderjährigen. Die Notwendigkeit der Durchführung eines doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Studiendesigns und die Frage der
Einwilligungsfähigkeit bezüglich der Teilnahme an solchen Studien sind in diesem Zusammenhang Herausforderungen, die variabel von Studie zu Studie abgewogen werden müssen.
Mit dem Prinzip der Fürsorge bzw. der Hilfeleistung wird der Behandler, die Behandlerin zu aktivem Handeln verpflichtet, um das Wohl des Patienten zu fördern. Konflikte vor allem mit dem Autonomieprinzip und/oder dem Prinzip der Schadensvermeidung können entstehen. Eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Schaden einer Maßnahme unter Einbeziehung der Wünsche, Ziele und Wertvorstellungen des Patienten, der Patientin muss in diesen Fällen stets vorgenommen werden.
Das Prinzip der Gerechtigkeit soll eine faire Verteilung von Gesundheitsleistungen garantieren – unabhängig vom Kostenträger oder anderen Kriterien, wie beispielsweise Hautfarbe oder sexuelle Orientierung. Bei möglichen Ungleichbehandlungen sind moralisch relevante Kriterien zu konkretisieren und zu berücksichtigen.
Diese vier Prinzipien bieten im Bereich des heilberuflichen Handelns einen ethischen Orientierungsrahmen. Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander. In jedem Einzelfall sind sie gegeneinander abzuwägen und zu konkretisieren.
In der Deklaration von Genf (Ärztliches Gelöbnis) und in der Musterberufsordnung der BPtK werden diese vier beschriebenen ethischen Prinzipien aufgeführt. Stellpflug und Berns setzen sich mit der Bedeutung dieser Prinzipien für die Psychotherapeut*innen auseinander und führen Folgendes aus: „Nach diesem Ansatz sollen die vier Prinzipien in Situationen von ethischer Relevanz überlegungsgleichgewichtig beachtet werden. Im Falle eines Konflikts zwischen den Prinzipien ist eine Abwägung der Wertigkeit vorzunehmen, deren Begründung ggf. darzulegen ist, etwa in einem berufsrechtlichen Verfahren.“ (Stellpflug und Berns
2015, S. 51) Vor allem zwischen der Achtung der Autonomie des Patienten und den anderen Prinzipien können sich Konfliktfelder auftun. „Insbesondere wenn die Entscheidung eines Patienten ihm aus Sicht des Therapeuten nicht zum Wohle gereicht oder ihm gar schadet, ist die gleichwertige Einbeziehung des Prinzips der Achtung der Autonomie des Patienten in die Überlegungen des Therapeuten nunmehr gefordert und berührt zwangsläufig das Gerechtigkeitsprinzip in dem Sinne, dass eine Nichtachtung der Autonomie des Patienten eine Grundrechtsverletzung darstellt.“ (Stellpflug und Berns
2015, S. 53)
Augenscheinlich wird ein solcher Konflikt beispielsweise bei freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rahmen einer stationären psychiatrischen Behandlung. Die Autonomie des Patienten, der Patientin und sein/ihr Streben danach geraten möglicherweise in Konflikt mit dem Prinzip der Fürsorge. In einer Güterabwägung ist letztlich zu entscheiden, welchem Prinzip zu folgen ist. Allerdings sind bei freiheitsentziehenden Maßnahmen richterliche Entscheidungen nötig. Ein anderes Beispiel: Ein minderjähriger Patient, der über eine behandlungsbezogene Einsichtsfähigkeit verfügt, berichtet unter dem Siegel der Verschwiegenheit von Vorkommnissen, die seine psychische und/oder physische Entwicklung und Gesundheit beeinträchtigen können. Er möchte die damit verbundenen Gegebenheiten und Konflikte selbst durchstehen und bewältigen und Lösungsversuche selbst gestalten. Durch eine Mitteilung an die Personensorgeberechtigten könnte der Psychotherapeut dazu beitragen, dass diese Vorkommnisse schnell unterbunden werden können. Andererseits würde ein Bruch der Verschwiegenheit die psychiatrisch/psychotherapeutische Beziehung erheblich belasten oder beschädigen. Hier sind unter Umständen schwierige Güterabwägungen zu treffen, die immer das Wohl des Patienten, der Patientin in den Mittelpunkt zu stellen haben.
FÄ-KJPP, KJP und PP dürfen bei allen ihren Bemühungen und vor allem bei vorzunehmenden Güterabwägungen das Ziel ihrer Tätigkeit nicht aus den Augen verlieren: das für den individuellen Patienten, die individuelle Patientin Hilfreiche und seine persönliche Entwicklung Fördernde. Die klinische Anwendung von Psychiatrie bzw.
Psychotherapie ist mehr als eine technische Umsetzung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie muss vielmehr im Dienste eines übergeordneten moralisch-ethischen Ziels erbracht werden.
Aber: Was ist das für den Patienten Hilfreiche und seine persönliche Entwicklung Fördernde? Pellegrino und Thomasma reflektieren diese Frage auf vier verschiedenen Ebenen (Pellegrino und Thomasma
1987):
Auf der ersten Ebene geht es um das
objektive psychische Wohl des einzelnen Patienten. Es geht um die Anwendung psychiatrischen und psychotherapeutischen Wissens und Technik. Zweck ist die Verbesserung von beeinträchtigten psychischen Funktionen und die Linderung psychischer Beschwerden, Störungen oder Erkrankungen. Auf dieser Ebene hängt das für den Patienten, die Patientin Hilfreiche am Wissen und Können des Psychiaters, der Psychiaterin bzw. Psychotherapeuten, Psychotherapeutin. Ziel ist dabei auch eine (messbare) Reduktion von Symptomen und Beschwerden, die den Patienten in die psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung geführt haben. In diesem Zusammenhang wird häufig auf den Begriff der
evidenzbasierten Medizin bzw. auch
Psychotherapie verwiesen. Darunter wird die Anwendung des aktuellen Wissensstandes auf die individuelle Patientin/den individuellen Patenten verstanden. Nach Sackett et al. (
1996) ist evidenzbasierte Medizin „der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung.“ Es handelt sich also mitnichten um eine Form der „Behandlung nach Kochbuch“, sondern stellt Behandelnde immer wieder vor die Frage wie man den aktuellen Stand des Wissens unter Berücksichtigung der klinischen Expertise des Behandelnden auf den Einzelfall anwenden kann.
Die zweite Ebene erfasst die subjektive Wahrnehmung des Patienten, der Patientin, seine/ihre Erwartung und seine persönliche Einschätzung im Hinblick auf sich selbst, aber auch im Hinblick auf die psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung. Was denkt er/sie über geeignete psychiatrische bzw. psychotherapeutische Hilfsangebote? Welche Erwartungen bringt der Patient, die Patientin mit? Der FÄ-KJPP, KJP und PP soll sich mit den persönlichen Präferenzen des Patienten, der Patientin, der Art und Weise, wie diese/r sein/ihr Leben gestalten möchte, auseinandersetzen und diese kennenlernen. Diese können in Abhängigkeit vom Alter, Geschlecht, der Lebenssituation und anderer Faktoren, die das Leben beeinflussen, sehr unterschiedlich sein. Diese Auseinandersetzung ist auch schon bei kleinen Kindern möglich. Das psychiatrisch bzw. psychotherapeutisch Hilfreiche muss sich einordnen in den Lebensentwurf des Patienten, der Patientin und letztlich auch seiner/ihrer Personensorgeberechtigten, falls der Patient, die Patientin noch nicht über eine natürliche krankheitsbezogene Einsichtsfähigkeit verfügt. In der Behandlung von Kindern und Jugendlichen muss immer das Wohl des Kindes bzw. des Jugendlichen handlungsleitend sein.
In der dritten Ebene geht es um das Hilfreiche für den Patienten, die Patientin als Mensch aufgrund seines Menschseins, also um die Wahrung der Würde und der Begabungen des Patienten, der Patientin, unabhängig von materiellem Besitz, Bildung, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder Zugehörigkeit zu sozialer Schicht, aber auch um Ziele wie Autonomie, Gerechtigkeit und Schadensvermeidung.
Die vierte Ebene setzt sich mit dem spirituell Hilfreichen und Guten auseinander. Hier geht es um einen das jeweilige Individuum überschreitenden Urgrund des „Hilfreichen und Guten“. Verbunden ist dies mit Respekt vor der Weltanschauung und den Überzeugungen des Patienten, der Patientin. Für einige Menschen stellt die oberste Stufe des Guten ihr spirituelles Wohl dar. Dieser Bereich prägt für manche Patient*innen den Sinn ihres Lebens und ist möglicherweise auch religiös besetzt. Besonders bei der psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Begleitung am Ende eines Lebens kann dieser Aspekt eine besondere Bedeutung erlangen.
Die Entscheidung, ob professionelles psychiatrisches bzw. psychotherapeutisches Verhalten im Einklang mit den berufsethischen Vorstellungen bzw. deren Regelungen in Gesetzen und Verordnungen steht, ist stets im Einzelfall zu treffen und häufig nicht eindeutig. Vielmehr bedarf es meist einer gründlichen Güterabwägung, in der die zahlreichen und zum Teil divergierenden Aspekte zu bewerten und zu berücksichtigen sind. Oft stellen sich komplexe Lagen dar. Die Beurteilung und Entscheidungsfindung von berufsethischen Überzeugungen und Prinzipien stellt die Psychiater und Psychotherapeuten gerade in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (oder anderen nicht selbst einwilligungsfähigen Personen) vor große Herausforderungen, weil Kinder und Jugendliche immer in einem zu berücksichtigenden sozialen Umfeld aufwachsen, sie sich in einem ständigen Prozess der physischen und psychischen Entwicklung befinden, den die nahen Beziehungspersonen – das sind in der Regel die Eltern – direkt beeinflussen können. Im Bereich der therapeutischen Arbeit mit Heranwachsenden ist auch der Entwicklungsaspekt in diesem Prozess der Interaktion zwischen minderjährigen Patientinnen und Patienten und deren Familien zu berücksichtigen. So können keine starren Normen angelegt werden, denn ein normativ verlaufender Entwicklungsprozess setzt eine Ablösung von den Eltern und eine stärker werdende Autonomie voraus. Für diese Prozesse existieren keine festgelegten Altersbereiche (und diese können neben einer ohnehin hohen interindividuellen Variabilität auch durch das Vorhandensein psychischer Erkrankungen stark beeinflusst werden), vielmehr muss durch den Behandler individuell die Entscheidung darüber getroffen werden, wie stark der Einbezug des familiären Umfeldes erfolgen soll, ohne die Bedürfnisse nach Autonomie zu beschränken.
Gesetzliche Bestimmungen und Ordnungen der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern als Hilfestellung in berufsethischen Fragen
In Deutschland gibt es Landesärzte- und -psychotherapeutenkammern auf der Grundlage der Heilberufe(kammer)gesetze der Bundesländer als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Der Staat hat ihnen unter anderem die Aufgabe der Überwachung der Berufspflichten der Berufsangehörigen übertragen.
Hieraus erwächst eine Verpflichtung der Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern, eine Berufsordnung zu beschließen, die dann bindend für ihre Mitglieder ist, und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen mögliche Verstöße gegen die Berufsordnung aufzuklären und diese gegebenenfalls zu sanktionieren. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts übernehmen die Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern hierbei hoheitliche Aufgaben im Auftrag des Staates. Über die Art der Sanktion gibt es in von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche gesetzliche Regelungen in den jeweiligen Heilberufe(kammer)gesetzen.
Die Musterberufsordnungen der Bundesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammer entfaltet für das einzelne Mitglied der Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern keine bindende Wirkung, sondern dient einerseits dazu, den Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern zu ermöglichen, zu weitgehend identischen Berufsordnungen zu kommen. Andererseits wird die Musterberufsordnung in übergeordneten und überregionalen politischen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen als Referenzgröße herangezogen. Bindende Wirkung für den Arzt und Psychotherapeuten entfaltet die Berufsordnung der Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammer, deren Mitglied er ist.
Auch viele Berufs- und Fachverbände der Ärzte und Psychotherapeuten verfügen über eine Berufsordnung oder Ethikrichtlinien. Diese entfalten keine öffentlich-rechtliche Wirkung, sondern dienen dazu, Verstöße gegen ethische Prinzipien innerhalb des Verbandes zu ahnden und zu sanktionieren. Außerhalb des Verbands entfalten diese Ordnungen keine unmittelbare Rechtswirkung.
Gesetzliche Bestimmungen und (Berufs-)Ordnungen bieten den Ärzten und Psychotherapeuten Hilfestellungen in der Auseinandersetzung mit berufsethischen Themen und Fragestellungen. Die Berufsordnungen der Landesärzte- bzw. -psychotherapeutenkammern stellen in Worte gefasste berufsethische Vorstellungen einer Profession dar. Sie sind in der Auseinandersetzung der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft im Konsens entstanden und stellen die Kodizes der jeweiligen Berufsgruppen dar.
Im Folgenden wird versucht, zu einigen häufig vorkommenden berufsethischen und berufsrechtlichen Fragestellungen Aussagen zu treffen. Dies kann nur in allgemeiner Form geschehen und entbindet den Arzt bzw. Psychotherapeuten nicht von der Verpflichtung, genaue Abwägungen und Entscheidungen auf dem Hintergrund des jeweiligen Fallgeschehens zu treffen und sich gegebenenfalls rechtlich beraten zu lassen.