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Entwicklungspsychopathologie im Kindes- und Jugendalter

Verfasst von: Franz Resch
Die Entwicklungspsychopathologie beschäftigt sich mit der Entstehung, Entwicklung und Ausgestaltung psychischer Störungen im Sinne einer multikausalen Ätiopathogenese, wobei die klinische Symptomatik als Endstrecke eines komplex verursachten Entwicklungsweges aufzufassen ist. Darüber hinaus beschäftigt sich die Entwicklungspsychopathologie mit den klinischen Verläufen und untersucht die Einflüsse von Symptomen auf die normale Entwicklung des Kindes und Jugendlichen. Dazu werden klinisches Erfahrungswissen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse, sozialwissenschaftliche Befunde und entwicklungspsychologische Basisdaten in einem biopsychosozialen Modell integriert. Risiken und Ressourcen werden den Vulnerabilitäten und Resilienzfaktoren gegenübergestellt. Mechanismen der Affektregulation und traumabezogene Alarmreaktionen werden beschrieben. Die funktionelle Symptomanalyse erlaubt die Erarbeitung eines klinischen Verständnisses auf der Basis kontextueller Variablen, wobei die praxisbezogenen Erfahrungen mit einzelnen Patienten und die evidenzbasierten überindividuellen Fakten miteinander in Einklang gebracht werden.

Einleitung und Definition

Die Entwicklungspsychopathologie unternimmt den ambitionierten Versuch, die Entwicklungsbedingungen psychischer Störungen und daraus folgende Therapieansätze in einer neuen Gesamtsicht zu formulieren, indem sie klinisch-entwicklungspsychologisches Wissen und medizinisch-psychiatrische Erfahrungen in einem biopsychosozialen Modell integriert (Petermann und Resch 2013; Resch 1999a). Die Entwicklungspsychopathologie beschäftigt sich daher nicht nur mit der Ätiopathogenese psychischer Störungen, sondern insbesondere auch mit dem klinischen Verlauf über die weitere Lebensspanne. Durch die Anwendung entwicklungspsychologischen Wissens auf die Entstehung und Behandlung psychiatrischer Störungsbilder soll der klinische Alltag therapeutisch bereichert werden. Dem Entwicklungsgedanken wird dabei auf mehrfache Weise Rechnung getragen: Einerseits werden die Einflüsse der normalen Entwicklung auf die Genese und Ausprägung psychopathologischer Symptome in unterschiedlichen Lebensaltern betrachtet, andererseits wird der Einfluss psychopathologischer Symptome auf den normalen Entwicklungsverlauf zum Gegenstand der Untersuchung (Resch und Fegert 2012). Denn Kinder besitzen typischerweise in unterschiedlichen Lebensphasen ganz unterschiedliche Möglichkeiten, auf seelische Irritationen zu reagieren. Die Äußerungsformen des Kleinkindes konzentrieren sich unter anderem auf Veränderungen des Ess-, Schlaf- und Ausscheidungsverhaltens und die interaktionelle Alarmsituation, in der das Kind durch Schreien die Bezugsperson auf seinen Leidenszustand aufmerksam macht. Die unterschiedlichen Ausformungen von Ängsten beispielsweise als Trennungsängste, Dunkelängste, Sozialängste oder Existenzängste sind ebenfalls an wichtige kognitive Entwicklungsschritte des Kindes und Jugendlichen gebunden. Auch wissen wir, dass Kleinkinder noch keinen Wahn entwickeln können, solange sie nicht zur sozialen Perspektivenübernahme in der Lage sind.
Die klassischen psychischen Störungen des Erwachsenenalters weisen im Kindes- und Jugendalter nicht selten unspezifische Vorstufen oder Prodromalstadien auf, die unter den Gesichtspunkten der Früherkennung und Prophylaxe für den Kinderpsychiater zunehmend zum Gegenstand der Diagnostik werden. Aber auch bei typischen Störungen des Kindesalters, wie beispielsweise dem hyperkinetischen Syndrom, können familiäre Umgebung, schulische Umfeldbedingungen oder traumatische Situationen einen ungünstigen Entwicklungseinfluss ausüben, sodass sekundäre Anpassungsstörungen zur weiteren psychischen Beeinträchtigung führen. Insbesondere muss bei der Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen des Erwachsenenalters auf die vielgestaltigen Vorphasen psychischer Beeinträchtigung und traumatischer Beeinflussung hingewiesen werden. Den Ausgangspunkt bilden Entwicklungstheorien, die wir als „interaktionistisch“ bezeichnen, wobei wir davon ausgehen, dass ein aktives, selbstmotiviertes und die eigene Entwicklung intentional vorantreibendes Individuum mit einer ebenso aktiven, fordernden und einwirkenden Umwelt in Wechselwirkung steht (Resch und Fegert 2012).
Der emotionale Dialog mit wichtigen Bezugspersonen und die soziokulturellen Einflüsse des – über die Familie hinausgehenden – Umfeldes haben entwicklungsbestimmenden Charakter. Diesen Einflüssen sind die Kinder jedoch nicht einfach ausgeliefert, sie nehmen vielmehr eine aktive Rolle bei der Gestaltung dieser Umwelt ein: Wir können davon ausgehen, dass das Kind seine Umweltbedingungen ebenso aktiv beeinflusst und nach eigenem Gutdünken formt, wie es von diesen äußeren Bedingungen auch selbst in der Entwicklung beeinflusst und geformt wird. Wenn Entwicklungspsychopathologie die Entstehungsbedingungen ursächlicher Rahmenbedingungen und den Verlauf individueller Muster von Fehlanpassungen im Lauf der Entwicklung untersuchen möchte, muss sie dabei den Fokus immer auf die spezifischen Problemstellungen einer Bewältigung entwicklungsbedingter Anpassungsnotwendigkeiten richten (Cicchetti und Cohen 1995; Petermann und Resch 2013; Pollak 2015; Resch 1999b; Rutter und Sroufe 2000).

Modellannahmen der Entwicklungspsychopathologie

Neben der bereits genannten interaktionistischen Entwicklungstheorie spielen die Fragen von Risiken und Ressourcen, Vulnerabilitäten und Resilienz eine fundamentale Rolle. Psychopathologische Phänomene werden in ihrem Anpassungswert näher betrachtet und zu altersentsprechenden Entwicklungsaufgaben in Beziehung gesetzt. Auf die Funktionalität psychopathologischer Symptome und die einzelnen Entwicklungseinflüsse soll im Folgenden detailliert eingegangen werden.

Anpassungs- und Entwicklungsaufgaben

Es gibt bestimmte Merkmale der Entwicklungspsychopathologie, die diese von der klassischen Psychopathologie (Jaspers 1973) abheben lassen (Petermann und Resch 2013). Diese Merkmale sind einerseits durch Interdisziplinarität gekennzeichnet. Im Rahmen der Entwicklungspsychopathologie werden biologische, psychische und soziale Merkmale von Entstehung und Verlauf der psychischen Störungen in einem interdisziplinären Gesamtmodell integriert. Darüber hinaus werden die pathologischen Entwicklungsverläufe mit den unauffälligen Entwicklungsverläufen verglichen. Kontinuität und Diskontinuität in Bezug auf Symptome und normale Verhaltensweisen sind auch Gegenstand der Untersuchung; das pathologische Geschehen wird also unter dem Aspekt eines Prozesses betrachtet. Aus bestimmten Vorboten einer zukünftigen Entwicklung (Prädiktoren) werden erste Übergänge ins Pathologische (Prodrom) abgeleitet und der Exazerbation des Vollbildes gegenübergestellt. Schließlich werden das Abklingen von Symptomen und der Übergang in die nächste Entwicklungsphase betrachtet.
Wichtig dabei ist, dass den Symptomen nicht nur der Aspekt der Dysfunktion und Pathologie, sondern auch ein Anpassungswert zukommt. Auf diese Funktionalität der Symptomatik im Rahmen der Anpassung soll in Abschn. 8 und 9 näher eingegangen werden.
Hervorzuheben ist, dass im Blickwinkel der Entwicklungspsychopathologie eine therapeutische Beeinflussung von Dysfunktionalität und Leidenszuständen niemals wieder zu einem virtuellen Ausgangspunkt, im Sinne einer Heilung, zurückführen kann, sondern dass günstige therapeutische Prozesse Symptome zum Abklingen bringen und nach einer Störung der Anpassung die Entwicklungsrichtung wieder so verändern, dass normale Entwicklungsprozesse die Oberhand bekommen. Normalität ist daher kein statischer Begriff, kein Zustand einer Homöostase, sondern ein Referenzbereich eines günstigen zukunftsorientierten Entwicklungsprozesses.
Anpassung zeigt sich nicht nur als eine Auseinandersetzung mit widrigen Umwelteinflüssen, sondern auch als eine funktionale Bewältigung von Entwicklungsaufgaben (Havighurst 1972). Solche Entwicklungsaufgaben sind lebensaltertypische Herausforderungen, die sich jedem menschlichen Individuum stellen, so ist z. B. der Aufbau von Bindungsbeziehungen mit wichtigen Bezugspersonen im frühen Kindesalter nicht nur eine kulturelle Herausforderung, sondern auch eine biologisch notwendige und sozial erwünschte Entwicklungsaufgabe. Havighurst hat 1972 eine Reihe von biopsychosozialen Entwicklungsschritten beschrieben, die als Entwicklungsaufgaben erfolgreich bewältigt werden müssen, diese Bewältigung führt schließlich zu Fertigkeiten und Kompetenzen, die wiederum das Meistern künftiger Entwicklungsaufgaben erleichtert. Dabei sind Anpassungsleistungen gefragt, die sich in jeder Lebensperiode dem Kind stellen. Neben stärker biologisch determinierten Entwicklungsaufgaben wie Laufenlernen gibt es auch Aufgaben, die primär sozikulturell bedingt sind, wie z. B. die schulischen Herausforderungen des Lesen- und Schreibenlernens. Wir gehen davon aus, dass die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben die Grundlage für einen glatten Entwicklungsverlauf und für das psychische Wohlbefinden darstellt (Petermann und Resch 2013). Werden Entwicklungsaufgaben nicht gemeistert, kann dies zu Komplikationen für die weiteren Entwicklungsschritte und zu einer Fehlanpassung in der Entwicklung Anlass geben. Die Symptome einer Störung wiederum können, in Bezug auf die Entwicklungsaufgaben selbst, eine Anpassungsfunktion besitzen (Resch 1999a; Tab. 1).
Tab. 1
Entwicklungsaufgaben und Entwicklungsthemen. (Modifiziert nach Resch 1999a)
Alter
Fertigkeiten und Verhaltensweisen (nach Havighurst 1972)
Psychodynamik (nach Rudolf 1993; Spiel und Spiel 1987)
0–1
Essen, Schlafen, Verdauung, Bewegung, sensomotorische Organisation, soziale Responsivität, Bindung
Intentionalität, Differenzierung von Ich und Nicht-Ich, positive und negative Affekte, Objektpermanenz und Konstanz
1–2
Sprache, sprachliche Kommunikation
Selbst-Konstituierung, Selbstachtung, Selbstwert
2–3
Sauberkeit, Selbstversorgung im Alltag, Sicherheitsregeln
Identifikation mit Eltern und sozialen Rollen, sprachlich-logische Ordnung der Welt, Konfrontation mit Normen und Regeln
3–4
Selbstkontrolle, Selbststeuerung
Selbstbewusstheit
4–5
Beziehungen zu Gleichaltrigen
Beginnende Realitätsprüfung
5–6
Soziale Kooperation
Ödipale Triangulierung, soziale Rücksichten, Loyalitäten, Standpunktwechsel
6–11
Schulfertigkeiten, Schulregeln, Regelspiele, Hobbies, Geldgebrauch, einfache Verpflichtungen
Selbstwertstabilisierung, Selbstaktualisierung, Entwicklung eines Wertesystems und der Moral
12–20
Beziehung zum anderen Geschlecht, Übernahme von Verantwortlichkeit, Ablösung von der Familie
Auseinandersetzung mit der körperlichen Reifung, psychosoziale und psychosexuelle Identität, Identifikation, Intimität, existenzielle Autonomie, Entwicklung einer Ideologie

Risiken und Ressourcen

Während Risiken Belastungen für die Entwicklung eines Kindes darstellen, sind Ressourcen durch Schutzfaktoren gekennzeichnet. Von Risikofaktoren wird gesprochen, wenn durch Lebensereignisse und äußere Einflüsse beim Kind die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklungsabweichung erhöht wird (Petermann und Resch 2013). Solche Risiken können primär biologisch wirksam werden – z. B. durch Frühgeburt oder zerebrale Entzündungsprozesse – oder durch besondere psychologische Erfahrungen der sozialen Deprivation oder einschneidende Ereignisse, wie dem Tod einer Bezugsperson, zustande kommen. Manche Risikofaktoren wie z. B. Drogen wirken sich sowohl im biologischen als auch im psychosozialen Bereich aus. Durch Risikofaktoren wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Leid, Symptomentwicklung und letztlich Krankheit erhöht, sondern auch die Anpassung erschwert. Risikofaktoren können auch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben verhindern. Risikofaktoren selbst stellen keine statische Größe dar, sondern machen einen prozesshaften Einfluss auf die Entwicklung geltend. Demgegenüber sind Schutzfaktoren als Teil der Ressourcen aufzufassen, sie werden oft komplementär zu den Risikofaktoren gedacht: Während negative Kommunikation in der Familie einen Risikofaktor darstellt, kann ein positives Familienklima als Schutzfaktor angesehen werden. Schutzfaktoren reduzieren die Auswirkungen von Risiken, sie fördern die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und helfen, ungünstige Einflüsse zu kompensieren. Durch Schutzfaktoren werden neue Gelegenheiten und Chancen eröffnet. Ein Wechselspiel zwischen Entwicklungsrisiken und Schutzfaktoren ist dahingehend zu bemerken, dass bei einer Überzahl an riskanten Einflüssen eine positive Einflussnahme durch Schutzfaktoren nicht mehr beobachtet werden kann. Es scheint also, dass Schutzfaktoren zwar einzelne Risiken mildern können, dass aber ihr Einfluss bei massiven Risikobedingungen erlahmt (Wille et al. 2008). Wir gehen heute davon aus, dass für die Entstehung einer psychischen Störung nicht die Art, sondern die Anzahl der Risikofaktoren entscheidend ist, denen ein Kind ausgesetzt ist (zit. nach Petermann und Resch 2013).

Vulnerabilität und Resilienz

Die grundsätzliche Vorstellung für die Entstehung psychischen Störung ist das Vulnerabilitätsmodell. Es ist als dynamische Konzeption von einem genetischen Determinationsmodell deutlich zu unterscheiden. Vulnerabilität kann zwar durch angeborene Faktoren akzentuiert sein, sie selbst muss jedoch prozessual verstanden werden, während der reine Anlagefaktor statisch unveränderlich ist. Vulnerabilität erweist sich damit als entwicklungsfähig und nur potenziell störungsrelevant, während der Anlagefaktor als unwandelbarer Effekt die Weiterentwicklung jedenfalls beeinträchtigt. Besondere Verwundbarkeit kann eigentlich durch kompensatorische Prozesse zu Höher- und Weiterentwicklungen Anlass geben (Resch und Fegert 2012). Demgegenüber muss der Defekt durch alle Entwicklungsphasen hindurch negative Auswirkungen zeigen und das Risiko zur psychischen Dekompensation erhöhen. Wir definieren Vulnerabilität also als eine besondere Empfindlichkeit gegenüber negativen Umweltbedingungen, sodass Vulnerabilität nur unter Risikobedingungen tatsächlich zur Auswirkung kommt.
Demgegenüber beschreiben wir als Resilienz eine besondere Widerstandfähigkeit der Person gegenüber belastenden Umständen (Petermann und Resch 2013). Gemeint sind dabei jene Kinder, die trotz extremer Risikobedingungen eine günstige Entwicklung nehmen. Der Resilienz ist ein eigenes Kapitel in diesem Lehrbuch gewidmet (Kap. „Resilienz bei Kindern und Jugendlichen“). Resilienz kann man nicht nur an der Leistungsfähigkeit ermessen, die trotz widriger Umstände erhalten bleibt, sie muss in komplexer Form auch Aspekte der Lebenszufriedenheit und Befindlichkeit mit einschließen. Resilienz selbst ist wiederum das Ergebnis eines komplexen Anpassungs- und Entwicklungsprozesses und nicht ein rein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal. Resilienz wird vom Kind in der Interaktion mit seiner Umwelt während des Entwicklungsverlaufes erworben (Petermann und Resch 2013). Kein Mensch kann in allen Lebensdomänen Resilienz entwickeln, da Resilienz keine überdauernde, stabile und allumfassende Fähigkeit darstellt. Es gibt viel mehr situationsspezifische und kontextabhängige Resilienzprozesse, die als variable Größe betrachtet werden müssen (Petermann und Resch 2013). Abb. 1 soll Ihnen die Zusammenhänge und Begriffsdefinitionen noch einmal verdeutlichen. Während auf der Abszisse Risikofaktoren und protektive Faktoren miteinander in Wechselwirkung stehen, sind auf der Ordinate Vulnerabilität und Resilienz als Antipoden aufgetragen. Zu den Gefährdungen der Entwicklung gehören also externe und interne Risikofaktoren sowie über den Entwicklungsverlauf herausgebildete Vulnerabilitäten. Demgegenüber werden protektive Faktoren und Resilienz unter dem Begriff der Ressourcen einer Person zusammengefasst. Alle Merkmale von Entwicklungsrisiken oder Ressourcen stellen keine stabil überdauernden Merkmale dar, sondern sind das Ergebnis einer Entwicklung, die in den aktuellen Anforderungssituationen sich neu behaupten müssen.

Emotionale Prozesse

Eine der Schlüsselannahmen der Entwicklungspsychopathologie ist, dass für ein Verständnis psychopathologischer Phänomene ein Verständnis emotionaler Prozesse als grundlegend anzusehen ist. Im Sinne einer „affektiven Wende“, die die Verhaltenswissenschaften seit den späten neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts erfasst hat, werden neben den kognitiven Anteilen der Informationsverarbeitung auch affektive Entscheidungs- und Bewertungsprozesse zur Erklärung psychischer Problemstellungen herangezogen. Affekte sind angeborene, psychologische Reaktionsmuster, die sich im Laufe der phylogenetischen Gehirnentwicklung aus Reflex- und Instinktprogrammen herausgebildet haben (Damasio 2013; Resch 1999a). Unter dem Begriff der Emotion werden sowohl die Ausdruckskomponenten wie auch die Erlebniskomponenten von affektiven Zuständen subsumiert. Emotionen stellen also eine Erweiterung des Affektbegriffs ins Gebiet der kognitiven Informationsverarbeitung dar; während affektive Grundtönungen über die Lebensspanne hinweg relativ konstant bleiben, unterliegen Emotionen durch die zunehmende Differenzierung z. B. expressiver (mimischer) Komponenten und kognitiver Bewertungs- und Entscheidungsstrukturen den altersbezogenen Entwicklungsprozessen.
Durch Affekte entsteht im psychischen Binnenraum ein akuter Behandlungsbedarf, es wird Dringlichkeit erzeugt. Die Gesamtheit des Verhaltensrepertoires steht für die Handlungsantwort zur Verfügung. Damit stellen Affekte gegenüber den Reflexen eine phylogenetische Weiterentwicklung dar, da zwischen Auslösereiz und der Handlungsantwort keine fixe Koppelung mehr besteht, sondern zusätzliche Freiheitsgrade des Handelns bereitgestellt werden, wenn das Individuum unter Affektdruck seine situativen Auslöser mit unterschiedlichen planvollen Handlungen beantworten kann. Emotionen stellen als affektiv-kognitive Prozesse ein übergeordnetes, körpernahes Entscheidungssystem dar, das nicht nur nach innen Dringlichkeit signalisiert und angemessene Handlungsmuster in Gang setzt, sondern auch nach außen die innere Befindlichkeit durch die Interaktion mit anderen Menschen zum Ausdruck bringt. Emotionale Äußerungen in Mimik, Gestik und Worten sind lesbar und verstehbar und bilden damit die Grundlage des emotionalen Dialoges, der zwischen Mutter und Kind, schon lange bevor das Kind zu sprechen lernt, die Zwischenmenschlichkeit ausgestaltet. Die mimische Kommunikation besitzt eine Signalwirkung, die auch in der Beziehungsregulation eingesetzt wird (Resch und Freyberger 2009).
Schon von Geburt an haben Kinder unterschiedliche Fähigkeiten, mit intensiven Gefühlen umzugehen. Die Grundlage der emotionalen Regulation ist also eine konstitutionelle Disposition, die auch in unterschiedlichen Temperamentsmerkmalen zum Ausdruck kommt. Kinder haben von Geburt an unterschiedliche Fähigkeiten, ihre Gefühlszustände zu regulieren. Diese Zustandsregulation des Säuglings kann jedoch nicht rein unter somatischen Gesichtspunkten verstanden werden. Denn bereits von Beginn an wird die biologische Regulierung durch eine interaktionelle Beziehungskomponente mit wichtigen Bezugspersonen beeinflusst (Resch und Koch 2012). So können Säuglinge schon allein durch die Wahrnehmung elterlicher Affekte in den Gefühlszustand versetzt werden, in dem die Eltern sind (siehe Übersicht bei Dornes 2006). Schon Neugeborene reagieren auf das Geschrei anderer Neugeborener mit Schreien, wir bezeichnen solche Phänomene als Affektansteckung. Ob in dem Prozess der Affektansteckung die Mimik eine besondere Rolle spielt – sodass im Kind durch Imitation eine ähnliche Emotion wie bei der Bezugsperson entsteht –, muss dahingestellt bleiben. Der innere Zustand scheint nicht nur im Gesichtsausdruck wiedergegeben zu werden, er kann auch durch andere physiologische Parameter nachgewiesen werden (Dornes 2006). Affektansteckungen können sowohl beruhigende als auch beunruhigende Wirkungen beim Kind entfalten. So können bei den Eltern mimische Zeichen nicht nur in direkter Weise den eigenen Gefühlszustand widerspiegeln, sondern vielmehr sind die Eltern in der Lage, im Umgang mit ihrem Kind auch auf symbolische Weise Gedankeninhalte und innere Vorstellungen in ihrer Mimik zum Ausdruck zu bringen. Die mimische Kommunikation kann auf diesem Wege dem Gegenüber Informationen, die über die eigene Zustandsmitteilung hinausgehen, vermitteln und zur Verfügung stellen. Die Bezugspersonen können insbesondere den Gefühlszustand des Kindes in ihrer eigenen Mimik spiegeln und so dem Kind dessen Emotionen symbolisch zur Kenntnis zu bringen. Dieser Vorgang wird Affektspiegelung genannt (Zusammenfassung bei Resch 2009). Dieses ursprünglich von Gergely und Watson beschriebene Phänomen wurde schließlich von Fonagy in Zusammenarbeit mit den genannten Autoren weiter konzeptionalisiert (Fonagy et al. 2006). Über die Affektspiegelung können Eltern die Äußerungen des Säuglings akzentuieren und in spielerischer Form mit den Kindern gemeinsam – im Sinne einer Ko-Regulation – die Affekte des Kindes beeinflussen. So kann beispielsweise ein kurzes Lächeln des Kindes von den Eltern bewusst erfasst und mimisch beantwortet werden, sodass es dem Säugling den eigenen Zustand ins Bewusstsein ruft: damit ist ein Prozess des sozial-emotionalen Biofeedbacks in Gang gesetzt (Fonagy et al. 2006). Der Säugling erkennt, dass ihm eine Information über seine eigene Mimik, seinen eigenen Gefühlszustand widergespiegelt wird, die er zur verstärkten Bewusstwerdung des Eigenen nützen kann. Dies ist nur durch eine spezifische Markierung in den Affektäußerungen der Bezugsperson möglich, die Markierung zeigt an, dass der von den Eltern geäußerte Affekt dem Kind selbst gilt. Der Mechanismus dieser Markierung ist nicht genau entschlüsselt und stellt eines jener noch zu lösenden Geheimnisse der zwischenmenschlichen Interaktion dar. Durch die Affektspiegelung und die zunehmende Bewusstwerdung der emotionalen Befindlichkeit, kann es beim Kind zur Ausbildung sekundärer Kontrollstrukturen kommen, die die Regulierung von Affektzuständen beim Kind positiv beeinflussen. Die aktive Modifikation von Emotionen in der Interaktion wird als Affekt-Attunement bezeichnet (Stern 1985). Beeinträchtigungen des emotionalen Dialoges haben Einfluss auf die Affektregulation des Kindes, so können Bezugspersonen – wenn sie unsensibel auf das Kind reagieren und Handlungsintentionen unterbrechen, oder kindliche Signale durch unberechenbare Verhaltensweisen beantworten – die Affektregulation beim Kind negativ ausgestalten. Empirische Untersuchungen zur Mutter-Kind-Kommunikation haben dafür überzeugende Beweise geliefert (Möhler 2013). Alle Formen von Misshandlung und Vernachlässigung haben einen signifikanten Einfluss auf den emotionalen Dialog und die Entwicklung der emotionalen Strukturen beim Kind. Kinderschutz ist und bleibt deswegen eine fundamentale Herausforderung für die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Entwicklung von Kindern mit beeinträchtigten Eltern-Kind-Beziehungen ist ein wichtiges offenes Forschungsfeld (Cicchetti 2013).
Ein weiterer interaktiver Mechanismus besitzt bedeutsame Einflüsse auf die Affektregulation und die Entwicklung der Bedeutungsgebung beim Kind, es handelt sich um die soziale Rückversicherung (social referencing) (Campos und Stenberg 1981). Die soziale Rückversicherung bezeichnet die Neigung des Kleinkindes, bei Konfrontation mit interessanten oder verunsichernden Objekten den eigenen Blick auf die Mutter zu richten und seine eigenen Reaktionen an deren Gesichtsausdruck und Stimme anzupassen. Kommuniziert die Mutter einen Angstaffekt, kann das Kind selbst eine ängstliche Reaktion zeigen, lächelt sie jedoch beruhigend, kann das Kind weiter sein Neugierverhalten an den Tag legen. Über solche sozialen Referenzierungsprozesse können affektive Wertungen kommuniziert und zwischen Bezugspersonen und Kind geteilt werden. Auf diese Weise kann die emotionale Reaktivität des Kindes günstig beeinflusst werden. Es ist nicht allein einer verunsichernden Umwelt ausgesetzt, sondern kann im Dialog mit der Bezugsperson Bedeutungen konstituieren. Auch solche sozialen Rückversicherungen dienen nicht nur dem frühen affektiven Austausch, sondern der Entwicklung regulativer Strukturen. Das Kind lernt im Wechselspiel mit seinen Bezugspersonen in unklaren Situationen Orientierung zu finden, Stress zu vermeiden und Bedeutsamkeiten zu entdecken (Resch 2004).
Störungen der Emotionsregulation sind fundamental an der Entwicklung von psychopathologischen Symptomen beteiligt. Die Wurzeln solcher Regulationsstörungen reichen nicht nur bis in den Bereich genetischer und epigenetischer Regulationsmechanismen (Hyde 2015), sie weisen auch auf die Bedeutung der frühen Interaktionsprozesse zwischen Bezugspersonen und Kind hin. Die Entwicklung kindlicher psychischer Störungen ist nicht ohne den psychosozialen Kontext verständlich zu machen.

Affektive Alarmzustände und Traumatisierung

Affekte erzeugen umschriebene Aktivitätsmuster des Gehirns in einem bestimmten Zeitabschnitt, die als umschriebene Zustände auch „State of Mind“ genannt werden (Resch und Fegert 2012; Siegel 1999). Solche Gefühlszustände determinieren nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Bewertung äußerer und innerer Stimuli. Wer ängstlich die Umgebung nach Gefahren absucht, wird eher Anzeichen potenzieller Bedrohungen erkennen als jemand, der in freudiger Erwartung einer Wiederbegegnung seine Umgebung mustert. Bestimmte Gefühlszustände erlauben auch nur ganz bestimmte Zugangsmöglichkeiten zu Gedächtnisinhalten: den Affekten kommt somit (nach Ciompi 1982) eine Schleusenfunktion für Gedächtnisinhalte zu (Resch und Fegert 2012). Es ist durchaus einsehbar, dass in Gefühlszuständen der Freude, Trauer oder Wut die Wahrnehmungsfunktionen und Bewertungen der Umweltbedingungen – ja das gesamte Verhaltensrepertoire – unterschiedliche Intensitäten und Qualitäten annehmen können. States of Mind koordinieren die Anpassungsaktivitäten des Individuums. Wenn Gefühlszustände eher einen geringen bis mittleren Aktivierungsgrad kennzeichnen, sprechen wir von einer affektiven Normallage, in dieser sind die kognitiven Bereitschaften optimal verfügbar – wir sprechen auch vom Zustand der Besonnenheit (Resch und Fegert 2012). Dies ändert sich jedoch, wenn der Aktivierungsgrad weiter steigt und schließlich zu einem affektiven Druck führt. Hochgeschaukelte affektive Turbulenzen können den Charakter von Ausnahmezuständen annehmen (z. B. Wutanfälle oder Zustände tiefer Betroffenheit). In diesen Zuständen sind Wahrnehmungen, Gedankenbilder und Grundeinstellungen so eingeengt, dass das gesamte Weltbild „umgetönt“ werden kann (Resch und Fegert 2012). In solchen affektiven Ausnahmezuständen entsteht ein massiver Handlungsdruck, der auch als affektive Alarmreaktion bezeichnet wird. Affektive Alarmreaktionen lassen nach Perry et al. (1998) zwei Komponenten erkennen (Sachsse 2013):
Unter Gefahrensituationen entsteht ein Zustand der Übererregung („Übererregungskontinuum“), in diesem werden Angriffs- oder Fluchtreaktionen angestoßen. Wir sprechen von der sogenannten „Fight-flight-Dichotomie“. Die Welt wird in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst, die Anpassung der Entscheidung an „Kampf oder Flucht“ unterworfen (Resch 2017). Als Ausdruck von Regulationsvorgängen im Rahmen der Stresssituation kommt es zu einer vermehrten Sympathikusaktivität und zu einer Aktivierung des Nebennierenrindensystems. Auch das Noradrenalinsystem spielt bei dieser Alarmreaktion eine Rolle. Angriffsentscheidungen werden durch die Affekte Zorn und Wut vorbereitet, eine hohe Erregung und die Einschätzung der eigenen Handlungsmächtigkeit führen in sozialen und territorialen Auseinandersetzungen zum Angriffsverhalten (Resch 2017). Demgegenüber wird das Fluchtverhalten durch den Affekt Angst/Furcht eingeleitet. Diese Verhaltenseinstellung entspricht einer hohen Erregung, die mit der Gewissheit mangelnder Handlungsmacht und Vermeidungstendenzen einhergeht. Angst kann jedoch auch in Aggressivität umschlagen, insbesondere wenn dadurch traumatische Trigger angesprochen werden, und eine Notlage unentrinnbar erscheint (Siever 2008).
Affektive Alarmreaktionen können auch durch eine zwischenmenschliche, affektive Ko-Regulation kompensiert werden. Das Kind kann durch affektives Attunement und soziale Referenzierungsprozesse mit wichtigen Bezugspersonen außergewöhnliche Stresssituationen besser bewältigen. Der Bindungskontext und der emotionale Dialog spielen also in der affektiven Regulation bei Alarmsituationen eine fundamentale Rolle.
Wird das Kind nicht durch helfende Bezugspersonen im Bindungskontext beschützt, bleibt es der Dichotomie Flucht oder Angriff ausgesetzt; wenn jedoch Flucht oder Angriff unter den Bedingungen einer Alarmreaktion gar nicht möglich sind, weil beide Möglichkeiten nicht zugelassen werden, die Gefahr aber präsent bleibt, kommt es zu einer weiteren Eskalationsstufe des Alarmzustandes. Die sich weiter steigernde Irritation führt zu einem Prozess der Verzweiflung. Wenn Bezugspersonen nicht rekrutiert werden können, die zur Abwendung von Gefahr beispringen und das Kind kein soziales Echo, keine Resonanz in der Umgebung findet – weil beispielsweise die Bezugsperson selbst Verursacher der Alarmreaktion ist! –, bleibt das Kind seiner eskalierenden, affektiven Zuständlichkeit ausgeliefert (Resch 2017). Der nun einsetzende Regulationsmechanismus der affektiven Alarmreaktion wird als „Dissoziationskontinuum“ bezeichnet. Diese Alarmreaktion entspricht im Tierreich der Kapitulation, es kommt zu einer Erstarrungsreaktion („Freezing“) und inneren Abstandnahme von der Gefahr, die auch mit einem „Vogelstraußverhalten“ verglichen werden kann. Neben dem sympathischen wird auch das parasympathische Nervensystem aktiviert, Blutdruck und Herzfrequenz können trotz erhöhter Adrenalinspiegel absinken. Auch mesolimbisch-mesocortical-dopaminerge Systeme und das Opioidsystem zeigen sich an der Dissoziationsreaktion beteiligt (Resch 2017). Die Reaktion erlaubt, ein unerträgliches Gefahrenmoment aktuell auszuschalten oder vermeintlich ungeschehen zu machen, es kommt also zur inneren Distanzierung. Dissoziative Reaktionen können jedoch in längerer Perspektive bei wiederholtem Einsetzen ungünstige Entwicklungseinflüsse auf die Affektregulation des Kindes ausüben. Wir gehen davon aus, dass alle Alarmreaktionen, die nicht in der Interaktion mit Bezugspersonen mitigiert werden können, das kindliche Affektsystem überfordern und so bei wiederholtem Auftreten in der Folge zu unterschiedlichen psychopathologischen Symptomen Anlass geben (Resch 2017).
Ereignisse, die nicht nur die Gesundheit und Integrität des Körpers, ja sogar das Leben selbst beim Kind unmittelbar gefährden, lösen affektive Alarmsituationen aus. Diese Belastungen sind umso stärker, wenn das Kind keinen Ausweg findet und elterliche Bezugspersonen zur Beruhigung nicht zur Verfügung stehen. In diesem Falle können Ereignisse über affektive Alarmreaktionen ein seelisches Trauma auslösen (Resch 2017). Shonkoff et al. (2012) sprechen von „toxischem Stress“ im Kontrast zu „positivem Stress“, der nur von kurzer Dauer und mittlerer Intensität ist und durch die Verfügbarkeit von helfenden Bezugspersonen beendet werden kann. Einfühlsame Erwachsene können das Kind dabei unterstützen, die Probleme mit dem stressauslösenden Ereignis zu bewältigen. Demgegenüber legt der toxische Stress einen Grundstein für lebenslange körperliche und psychische Beeinträchtigungen. Dabei ist nicht nur ein ungesunder Lebensstil mit Risikoverhalten gemeint, sondern auch gravierende immunologische Funktionseinschränkungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hepatitis, Leberkrebs, Asthma oder Autoimmunerkrankungen (Shonkoff et al. 2012). Traumen mit ereignishaftem Charakter, wie wir sie bei Naturkatastrophen und Unfällen oder bei Opfern von Terrorakten finden, werden als Typ-1-Traumen chronischen Überbelastungen gegenübergestellt, die durch Misshandlungen, sexuelle Missbrauchserlebnisse und kumulative Traumatisierungen in einem sozialen Kontext der Vernachlässigung gekennzeichnet sind (Terr 1991). Auch einzelne Ereignisse wie der Verlust eines Elternteiles im frühen Kindesalter können schließlich prozesshaft wirksame Folgen nach sich ziehen. Traumen sind in der Regel durch Einmündungen der affektiven Alarmreaktion in das dissoziative Kontinuum gekennzeichnet. Dabei kann es zur Desintegration psychischer Funktionen kommen, sodass die Selbstreflexion verändert wird (Resch 2017). Dissoziative Mechanismen können sich schließlich in der Folge ungünstig auf die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit auswirken, insbesondere dann, wenn Kinder im Sinne einer Wiederholungstendenz mehrfachen Reviktimisierungen und Retraumatisierungen anheimfallen (Resch 2017). Es kann schließlich unter ungünstigen Entwicklungsbedingungen und bei schweren Kommunikationsstörungen mit den wichtigen Bezugspersonen zur Entwicklung jugendlicher Borderlinesyndrome oder der Ausprägung von Somatisierungen und dissoziativen Störungen kommen. Aktuell werden derzeit die transgenerationalen Traumatisierungen beachtet (Eisenbeis et al. 2016; Fuchs et al. 2016). Elterliche Missbrauchserfahrungen können einen Risikofaktor für die Entwicklung der Kinder bedeuten. Immer wieder wurde das Risiko angesprochen, dass Eltern, die in ihrer Kindheit körperlich oder sexuell misshandelt wurden, das Risiko eines körperlichen oder sexuellen Missbrauches erhöhen, indem sie selbst ihre Kinder misshandeln oder einer solchen Misshandlung tatenlos zusehen. Darüber hinaus scheint die Symptomatik eines Missbrauchstraumas die Fähigkeit zu hemmen, eine für das Kind beschützende Familienumgebung zu schaffen und den Bedürfnissen des Kindes mit der angemessenen Feinfühligkeit zu begegnen (Resch 2017). Mütter mit Misshandlungserfahrungen zeigen Veränderungen der emotionalen Verfügbarkeit im Sinne intrusiver Verhaltensmuster (Moehler et al. 2007). Auch Störungen der Mutter-Kind-Bindung, als Folge von Missbrauchserfahrungen der Mutter, werden berichtet (Zeanah et al. 2004).
Säuglinge können bei Müttern, die nicht feinfühlig genug sind, das Verhalten der Bezugsperson nicht vorhersagen. Dadurch äußern die Säuglinge ihre Bindungsbedürfnisse in verunsichernden Situationen übertrieben stark und dramatisch, um überhaupt beachtet zu werden. In diesen Situationen ist das Bindungssystem der Säuglinge chronisch aktiviert, wobei in Belastungssituationen Neugier und Erkundungslust zu Gunsten des übersteigerten Bindungsverhaltens zurückgefahren werden (Eisenbeis et al. 2016). Bei anderen Kindern kommt es dazu, dass ihre Signale nach Nähe und Kontakt stark eingeschränkt werden, um sich nicht dem zurückweisenden oder impulsiven Verhalten der Mutter aussetzen zu müssen (Möhler et al. 2009). Wir sprechen in all diesen Fällen der Eltern-Kind-Interaktionsstörung von „unsicherer Bindungsorganisation“ (Resch 2017).

Funktionelle Psychopathologie/Kontextualismus

Eine weitere Schlüsselannahme der Entwicklungspathologie ist, dass psychopathologische Phänomene unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität zu betrachten sind (Resch 1999b). Psychopathologische Symptome erscheinen dabei nicht schlechthin als Ausdruck krankhafter Störungen, sondern werden unter einem Aspekt der Anpassung neu bewertet. Die funktionelle Betrachtung von Symptomen geht davon aus, dass diese auch über ihre Verursachungsbedingung hinaus immer einem oder mehreren persönlich bedeutsamen Zielen dienen (Resch und Parzer 2015). Während wir in der Medizin immer eine kausale Verursachung für Symptome suchen und beschreiben, dient die funktionelle Betrachtungsweise mehr diesem finalen Aspekt. Neurobiologische und sozialtheoretische Modelle versuchen die klinischen Symptome als Folge von zerebralen Störungsprozessen und/oder sozialen Turbulenzen und Zwängen zu beschreiben. Die auf solchen Modellen aufbauenden Therapieschritte sind kausal orientiert und versuchen die verursachenden Bedingungen durch Medikamente oder Psychotherapie im Rahmen eines biopsychosozialen Modells so zu verändern, dass die klinische Symptomatik abnimmt. Diese Modelle setzen voraus, dass psychopathologische Symptome ihren Ursachen regelhaft folgen, dies ist jedoch nur selten der Fall, vor allem bei chronifizierenden psychischen Störungen zeigen sich kausalorientierte therapeutische Versuche immer wieder erfolglos. Die finale Betrachtungsweise geht davon aus, dass Symptome auch eine Anpassungsfunktion besitzen und nicht zufällig in ihre psychosozialen Kontexte eingebettet sind. Es geht also um innere Zielsetzungen und Sinnstiftungen, die durch Symptome verfolgt werden (Resch und Parzer 2015).
Während durch eine kausale Betrachtung das Verhalten aus Vorbedingungen hergeleitet wird und als notwendige Konsequenz solche Vorbedingungen darstellt, wird selten reflektiert, dass unter kausalen Gesichtspunkten diese Symptome ja bei den Betroffenen unmittelbar hervorgerufen werden müssen. Sie müssten gleichsam dem Patienten widerfahren und dürften nicht von diesen aktiv erzeugt werden. In den meisten Handlungsfeldern bleiben den Patienten jedoch Spielräume, die eine Wahl ermöglichen. So kann jedes Verhalten gelenkt, angewendet und auf diese Weise den Umgebungsbedingungen angepasst werden (Resch und Parzer 2015). Auch das psychisch kranke Kind handelt ebenso wie jedes gesunde Kind nach Zielvorstellungen. Es setzt Verhalten ein, um eigene Ziele zu erreichen. In dieser Sichtweise gehen wir davon aus, dass Symptome nicht einfach passiv ausgelöst werden, sondern dass sie aus einem Kanon möglicher Verhaltensweisen aktiv ausgesucht sind. Zielgerichtetes Handeln darf nicht mit dem bewussten selbstreflexiven Handeln gleichgesetzt werden, innere Ziele können auch unbewusst bleiben und außerhalb der psychischen Beachtung wirksam werden. So laufen viele Handlungen und Verhaltensreaktionen in zielgerichteter Weise in uns ab, ohne dass sie unsere Bewusstseinsschwelle überschreiten, denn alles, was über einen einfachen Reiz-Reaktionsmechanismus bei reflexartigen Handlungen hinausgeht (von den Lerntheorien als elicited behavior bezeichnet) – also alles, was umweltbezogen geregelt wird –, entspricht einem aktiven Verhalten, das in den Lerntheorien „emitted behavior“ genannt wird (Resch und Parzer 2015), denn nicht jedes aktive Verhalten ist bewusst oder reflexiv eingesetzt. Zwischen der Ebene unmittelbarer Reflexe und einem selbstreflexiven Verhalten gibt es ein ganzes Spektrum an zielgerichteten Handlungsweisen, die nur einen lockeren Bezug zum Bewusstsein aufweisen.
Biologisch orientierte Therapieverfahren basieren in der Regel auf kausalorientierten Modellen der Pathogenese und werden gezielt symptomatisch für gewisse Teilstrecken dieser Modelle eingesetzt. Sie heben jene Faktoren hervor, aus denen das gegenwärtige Verhalten entstanden ist oder auf deren gegenwärtige dysfunktionale Erlebnis- und Verhaltensweisen notwendigerweise folgen mussten (Resch und Parzer 2016). Der theoretische Hintergrund für die medikamentöse Therapie ist dabei, dass das Equilibrium des biologischen Regelsystems eine minimal notwendige Voraussetzung für die adaptive Funktionalität höherer psychischer Ebenen bildet. Sozialtherapeutische Maßnahmen und familiäre Interventionen versuchen Entwicklungsspielräume zu schaffen, in denen sich psychische Veränderungen der Patienten auch tatsächlich manifestieren können. Demgegenüber zielen die psychotherapeutischen Verfahren dahin, einen sicheren Ort herzustellen, eine Klärung von Motiven und Fantasien sowie eine Flexibilität von Erleben und Verhalten zu ermöglichen, wie sie strukturelle, mentale und regulative Defizite des Selbst ausgleichen helfen können (Resch und Parzer 2016). Eine solche psychotherapeutische Arbeit stützt sich intensiv auf funktionelle Aspekte der Symptomatik in der gegenwärtigen Umwelt. Für manche Symptome erscheint also die kausale Betrachtung angemessener, für andere Symptome oder deren Verlauf ist aber die kontextuelle, funktionelle Betrachtung von größerer Fruchtbarkeit. Keine Sicht auf das Kind besitzt eine alleinige Wahrheit, jede Sicht erlaubt andere Phänomene besser zu verstehen. Bei Erlebnissen und Verhaltensweisen, die primär durch kausalwirksame Prozesse uns aufoktroyiert sind – beispielsweise bei epileptischen Krämpfen, Halluzinationen oder Panikattacken –, spielen Kontextvariablen in der Erstentstehung eine eher nachgeordnete Rolle. Bei der Aufrechterhaltung jedoch, der Chronifizierung oder Aggravierung solcher Symptome ist der Kontext wiederum sehr bedeutsam (Resch und Parzer 2015). Dort, wo im interaktiven Handeln jedoch Freiheitsgrade der Entscheidung von Beginn an existieren, wo die Betroffenen also eine Wahl haben, ihr Verhalten oder Erleben zu modifizieren und umweltbezogen einzusetzen – bei den meisten Verhaltensweisen des Kindesalters also –, spielt der funktionelle Kontextualismus eine überragende Rolle (Resch und Parzer 2015). So gibt es in der Ausgestaltung und Perpetuierung von Symptomen immer ein Stück Freiheit für das Kind, das der Erreichung innerer Ziele dient. Umgekehrt eröffnet die Kenntnis solcher Ziele wieder Spielräume für Veränderung, wenn sie dem Bewusstsein zugänglich sind.
Es gibt Regelkreise, die pathologisches Verhalten perpetuieren, an diesen können z. B. pharmakologische Therapieformen manchmal scheitern. Unter dem Begriff der Therapieresistenz können Kontextvariablen sehr bedeutsam werden. Es gilt, dass manche Symptome innere Ziele, Motive und Wünsche auf eine besondere Weise erfüllen können. Symptome sind oft vielschichtig und vieldeutig, sie können Undurchschaubares, Gegensätzliches und Widersprüchliches in Schwebe halten, Scheinlösungen und Ersatzbefriedigungen erlauben, ohne konkret das Umweltproblem zu erfassen oder gar zu lösen. Bezüglich der Funktionalität der Symptome besteht beim Kind häufig ein Mangel an Bewusstsein. Der funktionelle Kontext erschließt sich dem Therapeuten aus der Betrachtung der Wechselwirkung des Kindes mit seinem (sozialen) Umfeld. Dabei wird eine ganzheitliche Betrachtung der Situation vorausgesetzt (O’Brien und Carhart 2011). Auch in der Verhaltenstherapie werden unter dem Titel eines „funktionellen Kontextualismus“ (Hayes 2004) unterschiedliche moderne Therapieverfahren zusammengefasst und einer sogenannten dritten Welle der Verhaltenstherapie – nach den Lerntheorien (Welle 1) und der kognitiven Wende (Welle 2) – zugeordnet (O’Brien und Carhart 2011). In der Betrachtung von Symptomen, unter dem Aspekt des funktionellen Kontextualismus, erhalten diese ihre Bedeutung durch biografische und aktuelle interne und externe Ereignisse (Hayes 2004). Das Verhalten des Patienten muss also durch einen hermeneutischen Prozess erschlossen werden. In der situativen Verhaltenshermeneutik wird das kindliche Symptom wie ein Text zu lesen sein, der in Bezug auf die Situation Sinn macht (Resch und Parzer 2015). Symptome müssen also gemeinsam mit ihren Kontextvariablen betrachtet und analysiert werden, es ist nicht sinnvoll, sie in Verhaltensbausteine zu zerlegen und sie dann unabhängig voneinander einem kausalen Prozess zuzuordnen. Diese kontextuelle Vorgangsweise nennen O’Brien und Carhart (2011) eine „ In-situ Betrachtung“.
In Kombinationsbehandlungen von Psychotherapie und Pharmakotherapie stehen die kausalen und die finalen Betrachtungsweisen des Menschen nicht gegeneinander, sie schließen einander nicht aus, sondern können einander zum Wohl der Patienten ergänzen (Resch und Parzer 2015).

Entwicklungsmodell von Pathologie

Unter diesen gedanklichen Voraussetzungen, dass Kinder aufgrund unterschiedlicher somatischer, sozialer, kognitiver und emotionaler Bedingungen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Ressourcen besitzen, auf seelische Erschütterungen, Traumen oder psychische Krisen zu antworten, können wir ein dynamisches Entwicklungsmodell formulieren, das uns in Gegenüberstellung zum medizinischen Modell erlaubt, die Ausgestaltung psychischer Störungen besser zu verstehen. Das entwicklungspsychopathologische Modell sieht die psychische Störung als Ausdruck einer Diskrepanz zwischen Anforderungen der Umwelt und aktuellen Bewältigungsressourcen im Anpassungsprozess. Demgegenüber ist dem klassischen Pathologiemodell das Symptom immer ein Zeichen für Krankheit, Dysfunktionalität, Störung oder Defekt. Es macht einen Unterschied, ob ein Störungsmodell lediglich ein Missverhältnis zwischen den aktuellen Möglichkeiten und Anforderungen betont oder immer eine stabile Fehlfunktion für die Verursachung annimmt. Ein Kind, das in einer unaushaltbar traumatisierenden Umwelt Symptome entwickelt, sendet lediglich Hilfeschreie aus, aus dieser Umwelt errettet zu werden. Dieses Kind ist nicht a priori durch einen Defekt oder eine Krankheit gekennzeichnet.
Im entwicklungspsychopathologischen Modell ist der Fokus immer auf ein Individuum-Umwelt-System im Zeitverlauf gerichtet und beschränkt sich nicht auf eine Modellierung der Funktionen des Individuums unabhängig von Umweltbedingungen. Solche dynamischen Modelle sind häufig in kybernetischen Regelkreis-Kausalitäten formuliert, während statische Verursachungsmodelle lineare Kausalitäten („wenn – dann“) bevorzugen. Nochmals sei betont, dass im entwicklungspsychopathologischen Modell therapeutische Prozesse niemals wieder zu einem virtuellen Ausgangspunkt im Sinne einer Heilung zurückführen, es geht lediglich darum, die Entwicklungsrichtung so zu verändern, dass der normale Entwicklungsprozess günstiger verlaufen kann.

Entwicklung von Symptomen im Kontext

In der Regel geht die Entwicklung psychopathologischer Symptome nicht so vonstatten, dass sie am besten durch On-Off-Modelle erklärbar sind, sondern Symptome entwickeln sich über Vorstadien, die voneinander abgrenzbar sind (Resch 1999a, 2012; Resch und Parzer 2015).
Phase 1 ist durch die biografisch entstandene Disposition gekennzeichnet. Genetische Bereitschaften (z. B. für schizophrene Störungen), kindliche somatische Entwicklungseinflüsse (z. B. Mangelernährung oder Epilepsie) und psychosoziale Entwicklungseinflüsse (z. B. Beziehungs- und Erziehungsfaktoren in der Interaktion mit den wichtigen Bezugspersonen) bilden in unterschiedlicher Komposition die Matrix der Disposition. Sie ist selbst schon die Resultante aus individuellen und interaktionellen Risikofaktoren, protektiven Faktoren und traumatischen Einflüssen, die in der kindlichen Vergangenheit das Individuum betroffen haben (Resch 2012; Resch und Parzer 2015). Diese komplexe Disposition bringt das Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebensalters in Phase 2 mit. Diese Phase ist durch das Spannungsfeld zwischen alterstypischen Entwicklungsaufgaben und schicksalshaften Lebensereignissen gekennzeichnet (z. B. Traumen und/oder aktuelle Konflikte). In diesem Spannungsfeld werden die Anpassungsfähigkeiten des Kindes herausgefordert. Dispositionsbedingte Turbulenzen und Anpassungsprobleme können ein Missverhältnis zwischen Bewältigungsmöglichkeiten und aktuellen Herausforderungen widerspiegeln. Solche Missverhältnisse rufen schließlich als Irritationen emotionale Steuerungsprobleme hervor, die als Untersteuerung (Agieren oder Impulshaftigkeit) oder emotionale Übersteuerung (Verhaltenshemmung oder Zwanghaftigkeit) imponieren können (du Bois und Resch 2005).
Phase 3 beginnt mit einer krisenhaften Anpassungsproblematik, wenn Probleme nicht mehr lösbar sind und die Kinder und Jugendlichen massiv unter Druck geraten. Verschiedene Bewältigungsversuche haben sich in dieser Phase als nicht erfolgreich herausgestellt, und das Kind benötigt selbstreparative Mechanismen, um dem eigenen Affektdruck standzuhalten. Risikoverhalten setzt nun, insbesondere im Jugendalter, Akzente, die dem Erhalt von Selbstwert und Identität dienen. Von Kampftrinken über Drogenabusus und suchtartigem Internetgebrauch kann das klinische Bild wechseln. Es finden sich subklinische affektive Symptome, Erschöpfung, Schlafstörungen und Motivationsdefizite; vor allem bei Kindern sehen wir Spielunlust und Reizbarkeit und/oder Rückzugstendenzen. In dieser Phase sind Kinder und Jugendliche aber noch reagibel und ansprechbar, sie können sich gleichwohl an neue Situationen (z. B. in der Schule) adaptieren. Die Freiheitsgrade ihrer Handlungsmöglichkeiten erscheinen aber bereits eingeschränkt (Resch 2012).
Bleibt eine solche Fehlanpassung an die familiäre oder außerfamiliäre Problemumwelt bestehen oder kann ein Trauma nicht bewältigt, eine Entwicklungsaufgabe nicht gelöst werden, tritt Phase 4 in Kraft. Durch dispositionelle Bereitschaften – auch Vulnerabilitäten genannt – oder fortdauerndes Risikoverhalten können bei manchen Kindern und Jugendlichen Symptome entstehen, die bereits eine nosologisch exakte psychopathologische Zuordnung erlauben. Zusätzlich zur psychischen Störung können Risikoverhaltensweisen, wie Aggressivität, Selbstverletzung, Substanzmissbrauch, das klinische Bild verkomplizieren oder Komorbiditäten unterschiedlicher nosologischer Syndrome komplexere psychische Störungsbilder hervorrufen (Resch und Parzer 2015). Während Phase 3 noch als subklinisches Stadium erkennbar wird, ist schließlich in Phase 4 ein klinisch bedeutsames therapiebedürftiges Zustandsbild erreicht. Psychische Störungen mit Krankheitswert bedürfen einer Behandlung, Fehlverhaltensweisen können auch zu massiven sozialen Regelübertretungen Anlass geben, die dann auch juristisch verfolgt und sanktioniert werden. Das spezifische vierte Stadium muss nicht immer erreicht werden, vielmehr können Risikoverhaltensweisen und subklinische Symptome auch nach einer Bewältigung zu einer neuen psychischen Stabilisierung auf höherer Ebene führen.

Funktionelle Symptomanalyse

Eine genaue Symptombeschreibung erlaubt nicht nur die nosologische Zuordnung der Einzelsymptome zu psychischen Störungsbildern, denn dabei darf die Diagnostik nicht haltmachen. Die Symptomorientierung dient zwar der Schadensminderung und Leidensreduktion, und eine Reduktion selbstschädigender Symptome muss auch ein wichtiges Ziel der Therapie bleiben, aber die nosologische Zuordnung alleine reicht nicht aus, um eine mehrdimensionale Indikation zu erlauben. Es muss sich auch eine strukturelle Analyse der Ressourcen des Selbst und eine funktionelle Analyse der Symptome anschließen. So genügt es nicht, dass die Symptomanalyse den Schweregrad, die Komplexität der Einzelsymptomatik und den Verlauf in den Fokus nimmt. Es bedarf auch der situativen Analyse zur Klärung von Auslösern und kontextuellen Eskalationsbedingungen, um die Funktionalität der Symptome besser zur erfassen. Eine biografische Analyse erhellt die Risikofaktoren, protektiven Rahmenbedingungen und Vulnerabilitäten. Sie macht auch Resilienzfaktoren erkennbar. Für eine strukturelle Analyse zur Erfassung der Selbstintegration, Bewältigungsstile und Abwehrformen sei auf Kap. „Tiefenpsychologische Diagnostik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ verwiesen.
Im Folgenden sollen vier Diagnoseschritte einer funktionellen Symptomanalyse beschrieben werden. Diese sollen dazu dienen, die Anpassungsfunktion der Symptomatik zu erkennen. Die Frage soll geklärt werden, inwieweit aktuelle Symptome und Verhaltensweisen nicht nur ein Leiden im Individuum hervorrufen oder die Anpassung stören, sondern inwieweit diese Symptome auch ein Problem der Person auf anderer Ebene lösen helfen. Beispielsweise können Symptome in einem familiären Kontext unerträgliche Spannungen und Konflikte des Kindes mit der gesamten Familie unterbrechen helfen; die fürsorgliche Attitüde der Eltern, die vermehrte Zuwendung von sonst desinteressierten Bezugspersonen können einer Symptomatik Auftrieb geben. Die Frage lautet: Was wird für die einzelnen Patienten durch ihre Symptome erreichbar? Während die klassische Psychopathologie ihren Blick immer auf die Dinge richtet, die der Patient durch sein Symptom nicht erreichen kann oder die durch das Symptom geradezu verhindert werden, erlaubt die funktionelle Psychopathologie eine inverse Sicht. Gibt es beispielsweise durch die Symptome einen primären oder sekundären Krankheitsgewinn? Kann eine aktuelle Symptomatik durch Katastrophisierungstendenzen und Eskalationsschleifen in der Interaktion mit wichtigen Bezugspersonen akzentuiert sein? Letztlich ist immer die Frage zu beantworten, welchen Zielen das aktuelle Erleben und Verhalten dient (Resch und Parzer 2015).
Im ersten Schritt soll der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Symptomatik und den Umweltbedingungen geklärt werden. Das Symptom ist im situativen Kontext zu beurteilen. Es stellt sich die Frage, ob eine grundsätzlich das Kind wertschätzende positiv eingestellte soziale Umwelt durch die Symptome verkompliziert wird, oder ob sich die Symptome auf eine überbordende, fordernde oder überfordernde Umwelt beziehen, wie dies in traumatischen Situationen der Fall ist. Wie schon betont, kann das Verhalten einzelner Patienten auch eine normale Reaktion auf eine unbewältigbare Umwelt darstellen. Viele Beispiele aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie folgen diesem Muster (Resch und Parzer 2015), denn unter traumatisierenden Rahmenbedingungen zeigen sich Symptome als sinnvolle Antworten und „Hilferufe“ auf die überwältigende krankhafte und perfide, den Interessen des Kindes entgegen stehende Umwelt im Bereich von Familie, Schule oder dem weiteren gesellschaftlichen Feld (Resch und Parzer 2018). Ein konflikthaftes oder traumatisierendes Umfeld steht häufig der Erreichung innerer Ziele (Aufrechterhaltung des Selbstwertes oder Erreichung eines sicheren Ortes) systematisch entgegen. Symptome sind Ausdruck der erfolglosen Anpassungsbemühung, sie können auch pathologische Kompromissbildungen für das Überleben in einer feindlichen Umwelt anzeigen. Das therapeutische Vorgehen muss dann erst einmal der Sicherung des Patienten in der Gegenwart gewidmet sein (Resch und Parzer 2015). Denn psychiatrische Interventionen dürfen nicht der Perpetuierung von traumatisierenden Bedingungen Vorschub leisten und „das Unaushaltbare aushaltbar“ machen. Den Patienten muss Schutz, Hilfestellung und vitale Sicherung ermöglicht werden. Der therapeutische Ort ist dabei in erster Linie Zuflucht, Katastrophen benötigen Hilfe und Unterstützung für die Familien, eine Stärkung der Bezugspersonen kann die gemeinsamen Verarbeitungsprozesse in den Familien in Gang setzen helfen.
Der zweite Diagnoseschritt prüft die erkennbaren Zielwerte. Welchen Zielen dient das aktuelle Verhalten, welchen Sinn haben die aktuellen Symptome im Gesamtkontext, wenn man das zentrale Handlungsmotiv betrachtet? Dieser Diagnoseschritt ist besonders anspruchsvoll, weil sich die Ziele nicht sofort unmittelbar erschließen lassen, sondern hermeneutisch aus dem Verhalten im Kontext hergeleitet werden müssen. Wie Kulissen stehen immer einzelne Themen als Motto im Raum, die, wenn sie bewusst geworden sind, neuen noch nicht bewussten Motivkulissen weichen. Die diagnostische Arbeit richtet sich von der Oberfläche des Gängigen und Selbstverständlichen zu immer tieferen Zielen, die sich den Kindern selbst oft erst in der diagnostisch-therapeutischen Arbeit erschließen. Denn dahinter liegende Ziele des Handelns erkennbar zu machen ist entwicklungspsychopathologisch wichtig. Die unmittelbaren Zielwerte können manchmal unerreichbar oder selbst dysfunktional sein (z. B. du musst immer erfolgreich sein oder du musst immer so handeln, dass dein Gegenüber auch zufrieden ist), dann muss man zur nächsthöheren Ebene in der Zielhierarchie voranschreiten, um mögliche Widersprüche erkennbar zu machen und aufzuheben. Nur eine konsistente Zielhierarchie erlaubt schließlich eine erfolgreiche Zielerreichung. Widersprüchliche oder unrealistische, unerreichbare Ziele verunmöglichen eine wirksame Anpassung an die Umwelt (Resch und Parzer 2015). Schließlich kann das Kind in überschießenden Handlungen oder repetitiven Bemühungen an seine psychobiologischen Grenzen kommen. Die Kernfrage dabei ist: Was will das Kind, das sich mit seinen Symptomen präsentiert, wirklich erreichen, was zeigt es im aktuellen Kontext, worauf will es hinaus? Was für eine Zukunftsvorstellung hat das Kind oder agiert es nur in der unmittelbaren Gegenwart, um proximale Ziele wie Lustbefriedigung oder Selbstbestätigung zu erreichen?
Ein dritter Schritt der Diagnostik prüft die Anpassungsbemühungen auf das aktuelle Problem hin, denn häufig zeigen sich die eingesetzten Verhaltensweisen nicht erfolgsträchtig. Oft laufen die Verhaltensbemühungen den Rahmenbedingungen zuwider, sie perpetuieren sich, weil sie eigentlich ehemaligen Zielen dienen und mit Aufgaben befasst sind, die früher einmal erfolgreich bewältigt werden konnten. Dadurch kann Verhalten rigide werden, wenn es einem Mangel an Rückmeldung unterliegt. So kann es eine Validierung benötigen, um eine Lernmüdigkeit aufzuheben (Resch und Parzer 2015). Dabei gilt es, im Beziehungsrahmen Veränderungen des eigenen Erlebens und Verhaltens zu erarbeiten. Die Frage stellt sich, ob das Kind aus vergangenen Beziehungskontexten Verhaltensziele oder übergeordnete Mottos internalisiert hat, die einer aktuellen Bewältigung von Lebensaufgaben eher entgegenstehen (Resch und Parzer 2015). Rigide Anpassungsschemata als Resultat emotionaler Erfahrungen oder aus früheren Lebenssituationen mitgebrachte Sensibilisierungen können das aktuelle Erleben und Verhalten überschießend bzw. dysfunktional werden lassen.
Der vierte Diagnoseschritt befasst sich mit der strukturellen Integrität des Selbst als Regulationssystem. Die Frage ist: Gibt es grundsätzliche Defekte in dieser Regulation, verkomplizieren Werkzeugstörungen bei der kognitiven Verarbeitung oder Realitätsprüfung die Anpassung? Gibt es Defekte im Wahrnehmungssystem? Denn wir beobachten immer wieder, dass bei Kindern durch Aktivitäten der Selbsttäuschung Ziele vermeintlich erreicht werden, obwohl die Verhältnisse in der Umwelt weiterhin eine verstärkte Anpassungsleistung erfordern würden. Die soziale Wahrnehmung kann grundsätzlich beeinträchtigt sein, wie wir es aus der Behandlung von Kindern aus dem autistischen Spektrum wissen. Bei schizophrenen Patienten kann der Weltbezug durch Wahrnehmungsstörungen wie akustische Halluzinationen oder Wahnphänomene verkompliziert sein. Wie gestalten Personen ihre Beziehungen aus, wie integriert sind die inneren Repräsentanzen, die Selbstwahrnehmung, die Selbstreflexion und die Selbststeuerung? Solche Phänomene der Unter- oder Überregulation können in jedem Lebensalter das Kind an seinen Lebensvollzügen hindern oder Entwicklungsaufgaben verunmöglichen.
Nur die komplexe funktionelle Verhaltensanalyse erlaubt eine erste Intervention in unterschiedlichen Feldern des biopsychosozialen Modells, ohne dabei eine übergeordnete Zielvorstellung des therapeutischen Teams aus dem Auge zu verlieren. Die modalen Interventionen entsprechen nicht einer hilflosen Polypragmasie („in vielen Feldern zu intervenieren hilft viel“), sondern alle Interventionen sollen unter dieses gemeinsame therapeutische Ziel des Teams integriert werden. Eine funktionelle Psychopathologie erlaubt durch ihre Beschreibungen ein besseres Verständnis für das Kind in seiner Lebenssituation, sodass die therapeutische Hilfe „Hilfe zur Selbsthilfe“ wird. Die entwicklungspsychopathologische Betrachtungsweise besitzt daher einen stärker emanzipatorischen Charakter und dient nicht primär einer Verbesserung dysfunktionaler Systemprozesse.

Fazit

Das entwicklungspsychopathologische Modell richtet den Fokus immer auf ein Individuum-Umwelt-System im Zeitverlauf und erfasst die Entwicklungsrisiken und protektiven Faktoren vor dem Hintergrund des Wechselspiels zwischen Vulnerabilitäten und Resilienzfaktoren. Dieses dynamische Modell ist in kybernetischen Regelkreiskausalitäten formuliert. Die Entwicklung von Symptomen im situativen Kontext kann auf diese Weise erfasst werden. Damit wird ein therapierelevantes Verständnis der Anpassungsfunktionen von Symptomen ermöglicht. Kausal ausgerichtete (was ist die Ursache?) und mehr final orientierte (welchem Ziel dient das Symptom?) Gesichtspunkte können sich bei der Therapieentscheidung gut ergänzen und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.
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