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Rechenstörungen im Kindes- und Jugendalter

Verfasst von: Michael von Aster, Liane Kaufmann, Ursina McCaskey und Karin Kucian
Rechenstörungen sind komplexe kognitive Entwicklungsbeeinträchtigungen, die bei etwa 5 % der Schulkinder auftreten und unbehandelt erhebliche Risiken für die Bildungs-, Gesundheits- und Persönlichkeitsentwicklung darstellen. Häufig treten komorbide Störungen im Bereich der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses auf. Neurokognitive Modelle postulieren ein reifungsbezogenes Ineinandergreifen zahlreicher domänenspezifischer und -übergreifender kognitiver Funktionen. Entsprechend vielgestaltig sind auch die Symptome und ihre ätiologischen Bezüge. Entscheidend für das Gelingen individuell adaptiver Förderung und Therapie ist die Erfassung der Lernbiografie, die testmetrische Diagnostik aller beteiligten funktionellen und neuropsychologischen Komponenten sowie die Erhebung eines psychopathologischen und entwicklungsneurologischen Befundes.

Definition, Klassifikation, Epidemiologie und Verlauf

Definition

Der Begriff „Rechenstörung“ bezeichnet gravierende Schwierigkeiten beim Erlernen der rechnerischen Fertigkeiten. Allerdings gibt es bisher keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition des Begriffs. Häufig als Synonyme verwendet werden beispielsweise die Begriffe „Dyskalkulie“, „Rechenschwäche“ oder „mathematische Lernschwäche“.1 Begriffliche Differenzierungen werden zwar von einigen Autoren vorgenommen, leider sind diese jedoch oftmals weder eindeutig noch einheitlich. Hier möchten wir uns auf die beiden Begriffe der Rechenstörung und der Rechenschwäche beschränken, wobei die Rechenstörung eine gravierendere, stärker umschriebene Minderleistung bezeichnet, während die Rechenschwäche eine weniger umschriebene, aber leichtere Form der Minderleistung im Rechnen bezeichnet. Der Schweregrad der Minderleistung manifestiert sich dabei in der Größe des Leistungsunterschieds, der mittels eines standardisierten (und wenn möglich empirisch validierten) Rechentests zwischen dem individuellen Testwert des betroffenen Kindes und der entsprechenden Alters- und/oder Klassennorm feststellbar ist. Strengere Cut-off-Werte von 10 bis 15 % sind indikativ für eine Lernstörung, während bei großzügigeren Cut-off Werten von bis 25 % das Vorliegen einer Lernschwäche angenommen wird.

Klassifikation

Gemäß der beiden internationalen Diagnosemanuale ICD-11 (World Health Organization 2017) und DSM-V (dt. Version Falkai und Wittchen 2015) ist die Rechenstörung (neben den Störungen des Schriftspracherwerbs) ein Kapitel innerhalb der Gruppe der Lernstörungen, die unter dem Sammelbegriff der „neurodevelopmental disorders“ zusammengefasst werden. Das ICD-11 spezifiziert die Lernstörungen (inklusive die Rechenstörung) in der Subkategorie der „developmental learning disorders“, während das DSM-V von „specific learning disorders“ spricht. Beide Diagnosemanuale spezifizieren innerhalb dieser Diagnosegruppe weiter in die verschiedenen Arten von Lernstörungen, wobei die Rechenstörung den Zusatz „… with impairment in mathematics“ erhält.
In Bezug auf die Symptomatik sind beide Manuale zwar etwas vage, jedoch weitgehend übereinstimmend. So ist laut beiden Diagnosesystemen die Diagnose einer Rechenstörung dann gerechtfertigt, wenn signifikante und anhaltende Schwierigkeiten beim Erlernen der rechnerischen Fertigkeiten vorliegen, die deutlich unter dem Niveau liegen, das in Bezug auf die Alters- bzw. Klassennorm zu erwarten wäre. Das ICD-11 fordert zudem (im Gegensatz zum DSM-V) ein striktes Intelligenz-Diskrepanz-Kriterium, das besagt, dass die Rechenleistungen deutlich unter dem Wert liegen müssen, der aufgrund der intellektuellen Leistungsfähigkeit zu erwarten wäre. Weiter übereinstimmend fordern beide Diagnosesysteme, dass die mittels standardisierter Rechentests festgestellten rechnerischen Schwierigkeiten die schulischen oder beruflichen Aktivitäten signifikant beeinträchtigen und meistens in den ersten Schuljahren offensichtlich werden. Ausschlusskriterien für die Diagnose einer Rechenstörung (wie für alle Störungen schulischer Fertigkeiten) sind intellektuelle Beeinträchtigungen, sensorische Beeinträchtigungen (Seh- und/oder Hörminderungen), neurologische oder motorische Störungen, unzureichende Beschulung sowie widrige psychosoziale Umstände.
Die in den Klassifikationssystemen formulierte Forderung, wonach die schulischen Entwicklungsstörungen nicht durch unangemessene Beschulung erklärbar sein sollen, ist insofern widersprüchlich, als es bislang kaum möglich erscheint, deren „Angemessenheit“ allgemeingültig zu definieren, geschweige denn zu überprüfen. Dies gilt sowohl für den Einzelfall als auch für übergreifende Merkmale von Unterrichtsquantität und -qualität in pädagogischer und didaktischer Hinsicht. Die pädagogische Evidenzforschung befindet sich in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Immerhin gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass die Qualität pädagogischer Konzepte und Methoden für das Erlernen des Rechnens weitreichende, auch negative Auswirkungen auf den Fertigkeits- und Wissenserwerb haben können (vgl. didaktische Kontroversen um Mengenlehre, zählendes Rechnen, Hundertertafel).
Im ICD-11 werden die „Rechenleistungen“ differenziert in Zahlensinn, Merkfähigkeit für arithmetisches Faktenwissen, exaktes und flüssiges Rechnen sowie rechnerisches Problemlösen. Demgegenüber liefert das DSM-V keine expliziten Hinweise für eine weitere Differenzierung der rechnerischen Fertigkeiten. Die Rechenstörung muss jedoch insofern „unerwartet“ sein, als andere Entwicklungsaspekte altersgemäß ausfallen. Erste Hinweise für eine Rechenstörung können gemäß DSM-V bereits im Vorschulalter beobachtbar sein, wobei eine manifeste Rechenstörung erst nach dem Beginn der formalen Beschulung diagnostizierbar ist. Hervorzuheben ist auch, dass das DMS-V explizit darauf hinweist, dass eine Rechenstörung (wie andere Lernstörungen auch) ein chronischer Zustand ist, der unbehandelt bis ins Erwachsenenalter persistiert, wobei sich die Charakteristika der Lernstörung mit zunehmendem Alter verändern können (Abschn. 1.4).
Wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels deutlich werden wird, ist die Heterogenität der klinischen Erscheinungsformen und der ätiologischen Bezüge sehr groß. In jüngster Zeit werden deshalb die beschriebenen kategorial gefassten Diagnoseklassen zunehmend als willkürlich und für Forschung und Praxis einschränkend kritisiert. Zahlreiche Experten fordern daher dimensional ausgerichtete Diagnosen, die der Komplexität der betroffenen kognitiven Domänen und der realen Facettenvielfalt der klinischen Phänomene besser gerecht werden (Kaufmann et al. 2013; Peters und Ansari 2019).
Die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen einer Rechenstörung sind nicht einheitlich. Während das ICD-11 für die Diagnosestellung das Vorliegen eines sog. Diskrepanzkriteriums fordert (nämlich einer Diskrepanz zwischen deutlich beeinträchtigter Rechenleistung und durchschnittlicher intellektueller Leistungsfähigkeit), genügt laut DSM-V das Vorliegen einer gravierenden Minderleistung der rechnerischen Fertigkeiten für die Diagnosestellung.
Die Rechenleistung muss mit einem standardisierten Rechentest erfasst werden und soll 2 Standardabweichungen unterhalb jenes Wertes liegen, der aufgrund der Alters- und/oder der Klassennorm oder der allgemeinen intellektuellen Leistungsfähigkeit (erhoben mittels eines standardisierten Intelligenztests) zu erwarten wäre. In der Praxis werden häufig weniger strenge Kriterien angewendet, sodass man bereits ab einer Differenz von 1 oder 1,5 Standardabweichungen von einer deutlichen Leistungsdiskrepanz ausgeht, die eine Rechenstörung indiziert.
Ein weiteres, in Deutschland häufig verwendetes Diagnosesystem ist die sog. S3-Leitlinie, die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt wurde (AWMF 2018, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-046.html). Die in der S3-Leitlinie angeführten Empfehlungen für die Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung sind evidenzbasiert (d. h. beruhen auf systematischen Literaturrecherchen) und wurden von einem interdisziplinären Fachgremium mittels Konsensfindung entwickelt. Eine Rechenstörung liegt gemäß den S3-Leitlinien dann vor, wenn eine gravierende Minderleistung (in Bezug auf die Fehleranzahl und/oder die Bearbeitungszeit) in den Bereichen der numerischen Basiskompetenzen, der Grundrechenarten, der Rechenstrategien und/oder der Textaufgaben vorliegen. Explizit angeführt wird, dass diese Minderleistungen in der Regel begleitet sind von reduziertem Arbeitsgedächtnis (insbesondere betroffen ist das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis, welches das korrekte Speichern und Abrufen visuell-räumlicher Informationen unterstützt) sowie defizitären exekutiven Funktionen (insbesondere der Inhibitionskontrolle, die das rasche Unterdrücken ablenkender Reize ermöglicht). Analog zum DSM-V verzichten auch die S3-Leitlinien für die Diagnosestellung auf das Vorliegen des Intelligenz-Diskrepanz-Kriteriums, allerdings soll die Intelligenz nicht unter 70 sein und die Rechenleistung kleiner/gleich einem Prozentrang von 7 (entspricht 1,5 Standardabweichung) oder kleiner/gleich Prozentrang 15 (entspricht 1 Standardabweichung), wenn klinische oder qualitative Kriterien die Diagnose unterstützen (bzw. mindestens 1 Jahr oder 1 Klassenstufe unter dem zu erwartenden Leistungsstand liegen sollte).

Epidemiologie

Prävalenz und Geschlechterverteilung

Die Prävalenz bzw. Häufigkeit von Rechenstörungen liegt zwischen 3 und 8 % (Kaufmann und von Aster 2012; Landerl et al. 2017; Moll et al. 2014; Wyschkon et al. 2009), wobei es kaum länderspezifische Unterschiede zu geben scheint. Anders als bei der Lese-Rechtschreibschwäche, die häufiger bei Jungen diagnostiziert wird als bei Mädchen (3:2 bis 3:1; Klicpera et al. 2017), scheinen Mädchen in etwa gleich häufig (Landerl et al. 2017; Moll et al. 2014; für eine umfangreiche populationsbasierte Stichprobe von 2421 englischen PrimarschülerInnen, Morsanyi et al. 2018) oder häufiger (Fischbach et al. 2013; Schulz et al. 2018) von Rechenstörungen betroffen zu sein als Jungen.
Prävalenzzahlen können leicht variieren, und zwar in Abhängigkeit von den verwendeten Diagnoserichtlinien (Diskrepanzkriterium ja/nein), den verwendeten Testverfahren (Unterschiede in der Normierung/Standardisierung) oder den herangezogenen Cut-off-Werten (z. B. ob eine Rechenstörung bereits bei 1 oder erst bei 1,5 Standardabweichungen Differenz zur Alters- oder Klassennorm diagnostiziert wird).
Die diagnostische Erfassung der rechnerischen Fertigkeiten ist nicht vereinheitlicht. Das bedeutet, in der Praxis werden verschiedene standardisierte Rechentests verwendet (Abschn. 4). Diese unterscheiden sich jedoch oftmals in Hinblick auf die Konzeptualisierung und die konstituierenden Untertests. Das heißt, je nachdem, welcher Rechentest für die Diagnosefindung verwendet wird, werden unterschiedliche Bereiche der numerisch-rechnerischen Fertigkeiten erfasst. Da Kinder mit einer Rechenstörung sehr unterschiedliche Leistungsprofile haben können (sowohl in Bezug auf die domänenspezifischen rechnerischen Funktionen als auch in Bezug auf die domänenunspezifischen nichtrechnerischen Funktionen, wie beispielsweise Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen), werden bestimmte Kinder bei einem Rechentest die Diagnose Rechenstörung erhalten, bei einem anderen Rechentest das Diagnosekriterium jedoch nicht erreichen.

Komorbidität

Rechenstörungen sind häufig mit anderen Lernstörungen, wie beispielsweise Lese-Rechtschreibstörungen oder Aufmerksamkeitsstörungen, assoziiert (Kaufmann und von Aster 2012; Landerl et al. 2017), aber auch Sprachentwicklungsstörungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen, wie Autismus, sowie sozialemotionale Störungen treten häufig in Kombination mit Rechenstörungen auf (Morsanyi et al. 2018). Die Wahrscheinlichkeit, dass zusätzlich zur Rechenstörung eine Lese-Rechtschreibstörung existiert, liegt bei ungefähr 33–40 %, die einer Aufmerksamkeitsstörung bei 22 %. Zudem zeigen sich bei bis zu einem Fünftel der betroffenen Kinder externalisierende Symptome, wie aggressives Verhalten oder Störungen des Sozialverhaltens. Mindestens ebenso häufig entwickeln Kinder mit Rechenstörungen auch Störungen aus dem internalisierenden Spektrum mit spezifischen Phobien (Matheangst, Prüfungsangst), sich auf alles Schulische ausdehnende Ängste mit Schulvermeidung und schließlich depressiven Symptomen mit Unglücklichsein, Selbstentwertung, Antriebsverlust und sozialem Rückzug (vgl. Pixner und Kaufmann 2013).

Verlauf

Ohne entsprechende Behandlung bleibt eine Rechenstörung bis ins Erwachsenenalter bestehen (Cohen Kadosh et al. 2013; Kaufmann und von Aster 2012; Landerl et al. 2017), wobei sich die Symptomatik im Laufe der Zeit verändern kann (vgl. DSM-V: Falkai und Wittchen 2015; McCaskey et al. 2017a, 2018; Schulz et al. 2018). Bis heute sind systematische und vor allem differenzierte Untersuchungen zu den domänenspezifischen Leistungsprofilen von Erwachsenen mit persistierender Rechenstörung spärlich. Interessant sind detaillierte Analysen der Rechenleistung von Erwachsenen mit Rechenstörung, die zeigen, dass Erwachsene im Gegensatz zu Kindern zwar meist die Grundrechenarten erlernt haben, aber die Lösungsstrategien häufig ineffizient bleiben, wobei auch betroffene Erwachsene noch auf fingerbasierte – und damit sehr zeitaufwendige – Lösungsstrategien zurückgreifen müssen (Kaufmann et al. 2011). Die Ergebnisse einer aktuellen bildgebenden Studie von 24 Erwachsenen mit Rechenstörung reflektieren zwei Kerndefizite: zum einen defizitäre mentale Zahlenrepräsentationen und zum anderen einen defizitären Zugriff auf diese Repräsentationen (Bulthé et al. 2018). Während das erste Kerndefizit als plausibler Erklärungsansatz für eventuell hartnäckige Fehleranfälligkeiten beim Lösen rechnerischer Aufgaben interpretiert werden kann, scheint das zweite Kerndefizit (also der beeinträchtigte Zugriff bzw. Abruf der Zahlenrepräsentationen) primär verantwortlich zu sein für die bei Erwachsenen häufig beobachtbaren langen Lösungszeiten.
Rechenstörungen haben aber nicht nur negative Auswirkungen auf die schulischen und Alltagsleistungen (z. B. an der Supermarktkasse schnell das Wechselgeld ausrechnen, rasch Quotenvergleiche bei den Bundesliga-Fußballtabellen machen, Angaben in Rezepten verdoppeln/halbieren, Zeit berechnen, um rechtzeitig an einem Treffpunkt zu sein), sondern beeinflussen auch die Berufswahl und damit das Einkommen. Im Vergleich mit Erwachsenen ohne Rechenstörung haben Erwachsene mit Rechenstörungen im Durchschnitt ein niedrigeres Einkommen, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und haben dadurch meist einen niedrigeren sozialökonomischen Status, was in weiterer Folge auch die psychische und physische Gesundheit der Betroffenen negativ beeinflussen kann (Cohen Kadosh et al. 2013). Sie stellen damit ein weitreichendes Risiko für die Bildungs-, Persönlichkeits- und Gesundheitsentwicklung dar.

Ätiologie und Störungsverständnis

Typische Entwicklung

Entwicklungspsychologisch und neurowissenschaftlich begründete Modelle fassen den Prozess der Entwicklung zahlenverarbeitender Hirnfunktionen als einen neuroplastischen Reifungsprozess auf, der im Verlauf von Kindheit und Jugend zu einem modular organisierten neuronalen Netzwerk führt (Kucian und Kaufmann 2009; von Aster und Shalev 2007; Abb. 1). Diese Entwicklung beginnt sehr früh mit der Entwicklung sog. basisnumerischer Fähigkeiten, die schon bei wenigen Monaten alten Babys beobachtet werden können, wenn sie die Größe von Mengen erfassen und voneinander unterscheiden. Dabei können kleine Mengen (<4) exakt (Subitizing) und größere Mengen nach ihrem ungefähren Umfang verarbeitet werden (Schätzen).
Mit der Sprachentwicklung beginnt die Fähigkeit das Wahrnehmbare bzw. Wahrgenommene zu symbolisieren, zunächst durch Zahlworte und im späteren Vorschul- und frühen Schulalter durch arabische Zahlen. Mit dem Erlernen der Zahlwortreihe entwickeln sich Zählfertigkeiten, die das arithmetische Verändern von Mengen ermöglichen. Die eingesetzten Zählstrategien werden zunehmend reifer und ökonomischer: Zunächst werden alle Items gezählt (counting all), dann wird hinzu- oder weggezählt (counting on), danach wird vom größeren Addenden ausgegangen, auch wenn der kleinere vorne steht (3+5 entspricht 5+3, Min-Strategie). Mit zunehmender Zählsicherheit nimmt das Fingerzählen ab und wird bei zunehmender Häufigkeit korrekter Ergebnisse nach und nach durch direkte Abrufstrategien ersetzt, d. h. das Ergebnis wird rasch mit der Rechenaufgabe assoziiert.
Die arabische Zahlenschreibweise ist eine universell und nur visuell verfügbare Symbolisierung und unterscheidet sich in ihrer Syntax mehr oder weniger erheblich von den verschiedenen linguistischen Zahlwortsystemen. So weisen verschiedene ostasiatische Zahlensprachen kaum Unterschiede zur arabischen Zahlennotation auf (149 entspricht Einhundert-Vierzig-Neun). Das deutsche Zahlwortsystem dagegen weist eine systematische Zehner-Einer-Inversion auf (149 entspricht Einhundert-Neun-und-Vierzig), was beim Erlernen der Übersetzung zwischen beiden Symbolformen oft zu sog. Zahlendrehern führt. Kinder, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, müssen einen erheblichen Mehraufwand beim Erlernen und Automatisieren dieser Übersetzungsalgorithmen aufbringen. Parallel zu den Prozessen der sprachlichen und arabischen Symbolisierung entwickelt sich schließlich eine mentale Zahlenraumvorstellung, die grundlegend für das Kopfrechnen und das rechnerische Denken zu sein scheint. Die frühen, wahrnehmungsgebundenen basisnumerischen Fähigkeiten verleihen den sprachlichen und arabischen Symbolsystemen ihren anschaulichen Sinn und der mentale Zahlenstrahl stellt diesen Sinnbezug auf einem höheren abstrakten Niveau sicher. Seine Entwicklung ist auf die sichere und automatisierte Beherrschung der verbalen und arabischen Zahlensymbolisierungen angewiesen, denn die imaginäre örtliche Zuordnung erfolgt abstrakt und nicht in Form vorgestellter konkreter Mengen. Die Zuordnung etwa der Zahl 48 ungefähr in die Mitte zwischen 0 und 100 kann nicht korrekt erfolgen, wenn die deutsche Zahlwortbezeichnung/acht-und-vierzig/falsch in die arabische Notation transkodiert wird, nämlich z. B. wie im Englischen oder Französischen ohne Zehner-Einer-Inversion: Dann liegt 48 als 84 (/vier-und-achtzig/) nahe bei 100.
Entsprechend der verbalen, visuellen und imaginativ-räumlichen Eigenschaften dieser kognitiven Zahlenrepräsentationen bilden sich neuromodulare Strukturen in verschiedenen Hirnregionen aus: die Zahlwortrepräsentation in den perisylvischen Sprachregionen links, die arabische Repräsentation beidseitig parieto-okzipital und die frühe Mengen- und spätere Zahlenraumrepräsentation beidseitig parietal. Diese neuroplastische Entwicklung der domänenspezifischen Hirnfunktionen ist abhängig von der Reifung zahlreicher domänenübergreifender geistiger Funktionen, wie Aufmerksamkeits-, Arbeitsgedächtnis- und Affektregulation, Sprache, Sensomotorik (Finger als Zählhilfe) sowie visuell-räumlichen Syntheseleistungen. Diese komplexe und dynamische Entwicklungsdynamik ist auf verschiedenen Stufen und an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Folgen für die Symptomatik und den Verlauf störbar.

Genetische und nichtgenetische Bedingungsfaktoren

Wenn wir von genetischer Bedingtheit sprechen, wird darunter allgemein ein gegebenes, in unseren Genen determiniertes, unveränderliches und im Mendel’schen Sinne vererbtes Merkmal, wie etwa die Augen- oder Haarfarbe verstanden („Dagegen kann man nichts machen!“). Das zugrunde liegende Verständnis der Funktion unserer Gene ist dabei, dass die unseren Phänotyp prägenden Merkmale in unseren Genen im Sinne einer Blaupause verschlüsselt und festgelegt sind und dementsprechend an unsere Nachkommen weitergegeben werden. Wie weitgehend und detailliert persönliche Merkmale, physische und psychische, unverrückbar genetisch fixiert oder aber durch Lernen und Erfahrung erzeugt und geformt werden, ist Gegenstand der in vielen natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen angesichts neuer Erkenntnisse aus der molekulargenetischen und epigenetischen Forschung neu belebten Anlage-Umwelt-Debatte. Wir können an dieser Stelle nicht im Detail auf diese Erkenntnisse eingehen, sondern nur die aus ihnen hervorgehenden Argumentationslinien in Bezug auf den in diesem Kapitel behandelten Gegenstand skizzieren. Wir halten einen kurzen Ausflug in diese übergreifenden theoretischen Konzeptionen auch deshalb für erforderlich, weil sie für die Entwicklung des konkreten, handlungsleitenden Störungsverständnisses bedeutsam sind.
Dass Menschen über eine angeborene Möglichkeit für die Entwicklung von Sprache verfügen, wird niemand bezweifeln, aber sie entwickelt sich nicht, wenn sie nicht innerhalb einer frühen sensitiven Entwicklungsperiode ausreichend vernehmbar und erfahrbar wird. Die Qualität ihrer Ausprägung und die Art ihres Gebrauchs hängen von der individuellen personalen und kulturellen Umgebung ab. Sprache wiederum ist eines der grundlegenden Werkzeuge für die Entwicklung und Gestaltung sozialer Beziehungen und Erfahrungen, für die Entwicklung des Denkens und Reflektierens und für den Aufbau von Wissen und weiteren kognitiven Fertigkeiten, die zur Lebensbewältigung in einem spezifischen kulturellen Kontext benötigt werden. Dazu gehören hierzulande der Erwerb der Kulturtechniken Schriftsprache und Rechnen. Die Zahlensprache mancher Naturvölker kennt nur Zahleneigennamen bis Fünf und darüber hinaus nur Bezeichnungen für zunehmende ungefähre Mengengrößen. Diese Menschen sind daher nicht in der Lage, exakte Rechenoperationen in größeren Zahlenräumen auszuführen (Pica et al. 2004). Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, dieses Unvermögen als eine Dyskalkulie oder gar Intelligenzminderung im Sinne eines krankhaften oder genetischen Defekts zu verstehen. Würden unsere Intelligenztests andersherum Bewältigungsfähigkeiten für das Überleben im Urwald messen, so würden die Menschen unseres sogenannt zivilisierten Kulturkreises trotz guter numerisch-rechnerischer Fertigkeiten vermutlich weit unterdurchschnittlich abschneiden. Auch hier käme wohl kaum ein vernünftiger Mensch auf die Idee, dies als eine genetisch determinierte Intelligenzminderung aufzufassen. Dieses etwas drastische Beispiel mag verdeutlichen, wie bedeutsam in Zeiten zunehmender Mobilität und Migration die kultursensitive Erfassung lernbiografischer Prägungen und die Evaluation von Möglichkeiten bzw. Erschwerungen in der Bewältigung kultureller (schulischer) Anpassung ist.
Ob über das menschliche Potenzial zur Entwicklung intelligenten Verhaltens als einer sehr basalen genetischen Determinante hinaus spezifische und stabile genetische Determinanten für die unterschiedlichsten Arten und Ausprägungen einzelner geistiger Funktionen (und ihrer Störungen) überhaupt existieren, ist auch im Zeitalter hochmoderner molekulargenetischer Forschungsmethoden höchst zweifelhaft und umstritten. Ergebnisse aus wenigen Zwillings- und genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) konnten für basisnumerische und Rechenfertigkeiten bzw. -schwierigkeiten bislang keine spezifischen Genorte lokalisieren und keine genetische Heritabilität bestätigen, und auch Studien zur familiären Aggregation sind, was die Frage nach genetischer oder erfahrungsbezogener Bedingtheit betrifft, wenig aussagekräftig (Carvalho und Haase 2018a; Tosto et al. 2014). Die Untersuchung sog. Endophänotypen von primär verbalen bzw. nonverbalen Subtypen von Dyskalkulie bei Menschen mit bekannten, seltenen genetischen Syndromen (z. B. Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom, Velokardiofazial-Syndrom, Williams-Syndrom) erlauben bislang ebenfalls keine genbezogenen Zuordnungen und Rückschlüsse auf die vergleichsweise große Gruppe von körperlich gesunden und genetisch unbelasteten Menschen mit Dyskalkulie (Carvalho und Haase 2018b). Für die diagnostische und (lern)therapeutische Praxis interessant ist, dass die mit den oben erwähnten genetischen Syndromen assoziierten Rechenstörungen durch unterschiedliche Leistungsprofile (und wahrscheinlich unterschiedliche Verursachungsfaktoren) charakterisiert sind (Brankaer et al. 2016).
Dieses Problem mangelnder Spezifität und Sensitivität gilt im Übrigen auch für die Einflüsse verschiedener physiologischer Risikofaktoren, wie Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht oder fetale Alkoholeffekte auf die spätere Rechenfertigkeit, und auch für die zahlreichen Versuche, auf der Basis neuropsychologischer Testprofile verschiedene Subtypen und Syndrome von Dyskalkulie zu definieren. Zu den bekanntesten gehören sicher das erstmals von Rourke (1989) beschriebene sog. Nonverbal-Learning-Disability Syndrome (NLD) und das von Kinsbourne (1968) beschriebene Developmental Gerstmann Syndrome (DGS). Beim NLD tritt die Rechenstörung gemeinsam mit Störungen der Entwicklung der Psychomotorik und mit internalisierenden, sozialemotionalen Symptomen auf, sowie mit einer charakteristischen Diskrepanz zwischen guten sprachabhängigen und schwachen nonverbalen Intelligenzleistungen. Das DGS bildet eine Symptomtetrade aus Dyskalkulie, Dysgrafie, Fingeragnosie und Störungen der Rechts-Links-Unterscheidung, die auf eine Funktions- oder Reifungsstörung im Bereich des Gyrus angularis am temporo-parieto-okzipitalen Übergang zurückgeführt wurde und heute eher als eine Störung oder Schwächung der Verbindungen zwischen den relevanten Hirnregionen angesehen wird (Rusconi et al. 2010). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die genannten Risikofaktoren und syndromalen Konzepte weder hochspezifisch noch ganz unspezifisch für Rechenstörungen sind und diese daher allenfalls begrenzt und nicht allein erklären können (Kaufmann und von Aster 2012; Kucian und von Aster 2015; von Aster 2017).
Erfahrungs- und umweltsensible epigenetische und andere‚ nichtgenetische Vererbungsmechanismen gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Erklärung von Entwicklungsstörungen und auch vielen anderen psychischen Störungen. Epigenetische Mechanismen, wie die DNA-Methylierung, greifen maßgeblich in die Steuerung und Regulation genetischer Funktionen ein und dienen der Anpassung an die Bedingungen der „Entwicklungsnische“ (Stotz 2014). Sie sind zeitlich dynamisch, reversibel und auch transgenerational wirksam. Inzwischen gut belegt durch diverse klinische und bindungspsychologische wie experimentelle und epigenetische Forschungsergebnisse ist der verhängnisvolle Einfluss früher Stresserfahrungen auf die Entwicklung von affekt- und aufmerksamkeitsregulierenden Funktionen mit entsprechenden Folgen für die kognitive und sozialemotionale Entwicklung (Kap. „Kognitive und sozioemotionale Entwicklung“. Nach heutigem Stand muss die Konzeption des Gens als einer Blaupause für unseren äußeren und inneren Phänotyp als überholt angesehen werden. In der biologischen Philosophie werden Gen-Konzeptionen diskutiert, die diesen modernen epigenetischen Ergebnissen Rechnung tragen und die Anlage-Umwelt-Beziehung mit ihren bisher primär deterministischen Festlegungen dynamisch und entwicklungsbezogen definiert. Moss (2003; zitiert nach Stotz und Griffiths 2008) schlägt ein „ad hoc Komitee von Molekülen“ vor, das sich nicht auf der Basis eines vorgefundenen Plans in einer befruchteten Eizelle zusammensetze, sondern auf der Grundlage einer spezifischen, in der Zelle verfügbaren molekularen Expertise, die sich als Ergebnis ihrer aktuellen Geschichte von Transaktionen mit anderen Zellen und einer erweiterten Umwelt forme. Ein primär deterministisch geprägtes Störungsverständnis ist aus dieser Perspektive nicht nur falsch, es schwächt im Übrigen auch die Veränderungsmotivation und untergräbt damit positive Erwartungen an therapeutisches Bemühen (Baumeister et al. 2009; von Aster et al. 2014).
Faktoren der nichtgenetischen Vererbung und der biografischen Lern- und Entwicklungserfahrung sind für das ätiologische Verständnis und die Behandlung des schulischen Leistungsversagens im Rechnen weitaus bedeutsamer als genetische Vererbungsfaktoren im Mendel’schen Sinne. Die Entwicklung spezifischer Rechenängste belastet dabei die Fertigkeitenentwicklung besonders nachhaltig.
Spezifische Rechenangst ist ein besonders wichtiger, auch transgenerational wirksamer, nichtgenetischer Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Dyskalkulie (von Aster et al. 2017). Die Ursachen für die Entstehung der Rechenangst sind vielfältig. Furner und Berman (2003) führen als wesentlichen Faktor die soziale Transmission an. So seien insbesondere solche Kinder gefährdet Rechenangst auszubilden, deren Eltern eine negative Einstellung gegenüber oder wenig Erfahrung mit dem Schulfach Mathematik haben. Untermauert wird diese Annahme generationsübergreifender Auswirkungen durch eine Untersuchung von Maloney, Ramirez, Gunderson, Levine und Beilock (2015). Die Autoren konnten anhand einer Längsschnittuntersuchung an Erst- und Zweitklässlern nachweisen, dass eine höhere Ängstlichkeit der Eltern zu geringeren Rechenleistungen und höheren Angstwerten bei den Kindern am Ende eines Schuljahres führt. Jedoch findet sich dieser Zusammenhang nur, wenn die mathematikängstlichen Eltern ihre Kinder häufig bei den Hausaufgaben begleiteten.
Maloney und Beilock (2012) führen als weiteren bedeutsamen Faktor in der Entwicklung der Rechenangst das Schulsystem und die Lehrer des Kindes an. Sie vermuten, dass insbesondere Lehrer, die selbst mathematikängstlich sind, ihre negative Einstellung gegenüber dem Gegenstand an die Schüler übertragen. Beachtenswert ist, dass sich diese Übertragung offenbar geschlechtsspezifisch ausprägt. Weibliche Lehrer scheinen ihre negative Einstellung stärker an Mädchen weiterzugeben als an Jungen (Beilock et al. 2010).
Maloney und Beilock (2012) formulieren die Annahme einer kognitiven Präferenz für die Angst vor dem Rechnenlernen, die dazu führe, dass soziale Hinweisreize, die ein negatives Bild des Schulfachs Mathematik vermitteln, bevorzugt verarbeitet werden. Rechenängstliche Erwachsene verfügen im Vergleich zu Erwachsenen ohne Angst über geringere Fertigkeiten beim Zählen von Objekten, sie können schlechter entscheiden, bei welcher von zwei Zahlen es sich um die Größere handelt und haben Schwierigkeiten mit der mentalen Rotation von dreidimensionalen Objekten (Maloney et al. 2010, 2011; Maloney und Beilock 2012). Diese Einschränkungen führen zu einer bevorzugten Verarbeitung negativer Hinweisreize.
Mit dem Ziel, die verschiedenen Entstehungskomponenten für Rechenangst zusammenzufassen, schlugen Ashcraft et al. (2007) unter Berücksichtigung verschiedener Studienergebnisse ein Strukturmodell vor (Abb. 2), bei dem eine Kombination aus persönlicher Lerngeschichte und biologischer Prädisposition für generelle Ängstlichkeit den Ausgangspunkt bildet. Daraus resultieren einerseits geringere rechnerische Fertigkeiten, andererseits eine geringere Motivation und Defizite im Arbeitsgedächtnis. Diese Bedingungen können zu einer schlechteren Rechenleistung und zu einer Vermeidung numerisch-rechnerischer Lerninhalte führen, die dann wiederum die Entwicklung der Rechenangst begünstigen.
Ashcraft et al. (2007) ergänzen das Modell mit der Annahme verzerrter Informationsverarbeitung in Bezug auf Stimuli, die mit Zahlen und Rechnen assoziiert sind. Da die Aufmerksamkeit besonders auf negative Ereignisse in Bezug auf das Rechnenlernen gelenkt wird, führt dies auch zu einer negativeren Einstellung gegenüber Zahlen und Rechnen sowie zu einer höheren Vulnerabilität für Ängstlichkeit und einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit. Letztere führt dazu, dass negatives Feedback zu einer schlechten Rechenleistung internalisiert wird. Die verzerrte Informationsverarbeitung bedingt schließlich die Angst vor dem Schulfach Mathematik und letztendlich ebenfalls schlechtere rechnerische Leistungen und die Vermeidung von numerisch-rechnerischen Kontexten. Dieses Modell verdeutlicht, dass sich Rechenangst in einer komplexen Wechselwirkung verschiedener Faktoren ungünstig auf die Lern- und Leistungsentwicklung auswirkt. Länger bestehend formen sich daraus negative Selbstkonzepte und depressives Selbsterleben.

Neurobiologische Befunde

Dank moderner bildgebender Verfahren können wir hochauflösende anatomische Bilder unseres Gehirns erzeugen, Faserbahnen untersuchen, metabolische Einblicke gewinnen, die Gehirnaktivierung beobachten oder zeitliche Vorgänge messen, während wir eine numerische Aufgabe ausführen. Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass Kinder mit Rechenstörungen bzw. Rechenschwäche sich von Kindern ohne solche Lernprobleme unterscheiden lassen.
Zahlenverarbeitung und Rechnen sind anspruchsvolle kognitive Fertigkeiten, die von einem komplexen neuronalen Netzwerk verarbeitet werden. Neben den Schlüsselbereichen für die numerische Kognition im Parietallappen spielen der präfrontale Kortex, Regionen, die mit der dorsalen und ventralen Sehbahn assoziiert sind, sowie subkortikale Bereiche und das Kleinhirn eine wichtige Rolle beim Rechnen (zur Übersicht siehe Kucian 2016; Peters und De Smedt 2018). Abb. 3 illustriert das neuronale Netzwerk der Zahlenverarbeitung. Dieses setzt sich aus verschiedenen, über das Gehirn verteilten Arealen zusammen, wobei das Kerngebiet für numerische und rechnerische Verarbeitung im Parietallappen lokalisiert ist. Man spricht auch vom Sitz unseres Zahlensinnes. Daneben werden Regionen benötigt für die visuelle Identifikation von Mengen und Zahlen und Areale, welche es uns erlauben, numerische Fakten aus dem Gedächtnis abzurufen. Zusätzlich werden eine Vielzahl von frontalen Regionen rekrutiert, die übergreifende kognitive Prozesse der exekutiven Funktionen, wie Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit und Affektkontrolle steuern, die ebenfalls grundlegend an der Zahlenverarbeitung und dem Rechnen beteiligt sind.
Rechenstörungen sind charakterisiert durch abweichende Aktivierungsmuster dieser neuronalen Netzwerke (zur Übersicht siehe Kucian und von Aster 2015; Peters und De Smedt 2018). Vermehrt beobachtet man, dass die Kerngebiete im Parietallappen schwächer aktiviert werden. Das bedeutet, bei Kindern oder Erwachsenen mit Rechenstörung ist die neuronale Repräsentation des Zahlensinns weniger gut entwickelt und/oder der automatisierte und rasche Zugriff zu dieser Repräsentation schlechter ausgebildet. Im Unterschied dazu zeigen Personen mit Rechenstörung kompensatorische Mechanismen. Sie rekrutieren vermehrt unterstützende Gehirnareale, um eine numerische Aufgabe lösen zu können, beispielsweise den Frontallappen, welcher mit nichtnumerischen Ressourcen wie Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit und exekutiven Funktionen assoziiert ist. Daneben können aber auch weitere kortikale und subkortikale Gebiete, welche zu numerischen und rechnerischen Prozessen beitragen, betroffen sein und entsprechend atypische Aktivierungsmuster aufweisen. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Ergebnisse der bildgebenden Forschung lediglich als Korrelate (und nicht Ursache) der beobachtbaren Rechenschwierigkeiten zu interpretieren sind.
Erfolgreiche Zahlenverarbeitung hängt von der Entwicklung und Bildung dieses gut organisierten Netzwerkes im Gehirn ab. Dabei sind auch die schnellen und adäquaten Verbindungen zwischen den verschiedenen Hirnregionen entscheidend für die effiziente Übertragung und Anpassung von Informationen. Bei Personen mit Rechenstörung wurde ebenfalls beobachtet, dass strukturelle Faserverbindungen zwischen einzelnen Arealen schlechter ausgebildet sind. Beispielsweise wurde eine verminderte Vernetzung des Parietallappens mit temporalen und frontalen Gebieten berichtet (Kucian et al. 2013; Rykhlevskaia et al. 2009).
Kinder mit Rechenstörungen zeigen auch strukturelle Besonderheiten im Gehirn (Rotzer et al. 2008; Rykhlevskaia et al. 2009). Ein verringertes Volumen an grauer Substanz wurde einerseits in domänenspezifischen Arealen in und um den intraparietalen Sulkus gefunden. Andererseits wurde auch reduzierte graue Substanz in frontalen und subkortikalen Bereichen festgestellt, welche für die Entwicklung von allgemeinen kognitiven Fähigkeiten von Bedeutung sind.
Unser Gehirn ist in hohem Masse plastisch und passt sich fortwährend der Benutzung und Stimulation an. Interventionsstudien bei Kindern mit Rechenstörung haben gezeigt, dass sich sowohl die Gehirnaktivität als auch die Konnektivität zwischen den aktivierten Arealen nach intensivem mehrwöchigen computerbasieren Training oder 1:1-Tutoring normalisiert (Iuculano et al. 2015; Kucian et al. 2011; Michels et al. 2018). Das heißt, dass die beobachtbaren neuronalen Defizite bei Rechenstörung durch gezielte Förderprogramme moduliert und vermindert werden können (Abschn. 5).

Symptomatik

Rechenstörungen sind in ihrem klinischen Erscheinungsbild äußerst heterogen (Bartelet et al. 2014). Rechnen setzt ein einwandfreies Zusammenspiel einer Vielzahl kognitiver Teilkomponenten voraus, die hinsichtlich Art und Ausprägung gestört sein können.
Häufig zeigen betroffene Personen bereits Schwierigkeiten bei den sog. basisnumerischen Fähigkeiten, die zu einem großen Teil bereits im Vorschulalter erworben werden. Defizite in diesen grundlegenden numerischen Fähigkeiten erschweren den erfolgreichen Erwerb von rechnerischen Kompetenzen.

Domänen-spezifische Fertigkeiten

Defizite in der Zahlen- und Größenverarbeitung

Der Erwerb der Zählfertigkeiten erfolgt während des Vorschulalters entlang definierter Zählprinzipien. Um eine Menge von Objekten korrekt abzuzählen, muss ein Kind begreifen, dass die Abfolge der Zahlwörter stabil ist, das letzte genannte Zahlwort der Mengengröße entspricht und der Zählinhalt sowie die Reihenfolge irrelevant für das Ergebnis des Zählprozesses sind. Kinder, die in der 2. Klassenstufe als rechenschwach diagnostiziert wurden, wiesen bereits im Kindergartenalter Defizite in den Zählfunktionen auf, sie benutzten unreifere und fehleranfällige Zählstrategien (von Aster et al. 2007). Schwächen in den Zählfertigkeiten scheinen zu persistieren: So hatten etwa rechenschwache Kinder der 1. und 2. Klassenstufe das Prinzip der irrelevanten Reihenfolge noch nicht verstanden (Geary et al. 2000) und rechenschwache Erwachsene zeigten signifikant langsamere Zählleistungen verglichen mit nicht Betroffenen (Gliksman und Henik 2019).
Ein sicherer und flüssiger Umgang mit Zahlen beinhaltet das Verständnis des arabischen Stellenwertsystems sowie des Transkodierens, also des Übertragens von Zahlwörtern in arabische Zahlen und umgekehrt. Typischerweise unterlaufen Kindern mit Rechenstörungen sog. Zahlendreher, bei denen die Einer- und Zehnerposition einer Zahl vertauscht werden (z. B. 64 wird als sechsundvierzig gelesen). Diese Fehlerart tritt vermutlich bei deutschsprachigen Kindern mit Rechenstörungen häufiger auf, da im Deutschen das Lesen und Schreiben von Zahlen eine Zehner-Einer-Inversion erfordert (einundzwanzig verglichen zu twentyone). In einer Studie von Landerl et al. (2004) waren Zahlendreher bei ungefähr der Hälfte der rechenschwachen 9-Jährigen und Stellenwertfehler (z. B. 724 wurde als 7024 geschrieben) bei etwa einem Viertel dieser Kinder beobachtbar. Aber auch bei älteren Kindern können noch Schwierigkeiten beim Transkodieren festgestellt werden. Verglichen zu Gleichaltrigen waren Kinder mit einer Rechenstörung der 5. und 6. Klassenstufe signifikant langsamer beim Lesen von ein- und zweistelligen Zahlen (Andersson und Östergren 2012). Ein zusätzliches und heutzutage zunehmendes Risiko besteht bei Kindern, die zwei- oder sogar mehrsprachig aufwachsen. Hier kann es beim Transkodieren zu Verwirrung und Unsicherheit kommen, wenn die Sprachen in Bezug auf die Korrespondenz zwischen den Zahlwörtern und den entsprechenden geschriebenen arabischen Zahlen unterschiedlich transparent sind.
Eines der besonders charakteristischen Symptome der Rechenstörung ist die beeinträchtigte Verarbeitung der Größe von Mengen und Zahlen – auch als eingeschränkter Zahlensinn bezeichnet. Personen mit Rechenstörung berichten häufig, dass ihnen Zahlen „nichts sagen“ und sie sich jedes Mal mühevoll vergegenwärtigen müssen, welche Menge mit einer bestimmten Zahl verknüpft ist. Normalerweise ist dies ein unbewusster und hoch automatisierter Prozess.
Ein Defizit in der Größenrepräsentation und -verarbeitung ist während des Lösens unterschiedlicher Aufgaben erkennbar: So sind Personen mit Rechenstörung langsamer und machen mehr Fehler beim Größenvergleich von ein- und zweistelligen arabischen Zahlen (symbolischer Mengenvergleich). Beim Lokalisieren einer arabischen Zahl auf einem Zahlenstrahl (z. B. von 0 bis 100) weisen sie größere Abweichungen zur korrekten Position auf als Gleichaltrige. (Andersson und Östergren 2012; Landerl 2013; Skagerlund und Träff 2016).
Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Rechenstörungen lassen sich auch bei nichtsymbolischen Mengenaufgaben finden. Beim Größenvergleich von Punktmengen zeigten rechenschwache Kinder bis zur 4. Klassenstufe schlechtere Leistungen (Landerl 2013). Ebenso zeigten Erwachsene mit Rechenstörung Defizite im sog. Subitizing (simultane Erfassung von kleinen Mengen bis zu 4 oder 5 Objekten ohne verbales Zählen; Gliksman und Henik 2019). Die Befundlage ist jedoch nicht einheitlich: Mehrere Studien konnten keine Unterschiede in der nichtsymbolischen Größenverarbeitung oder im Subitizing zwischen Personen mit und ohne Rechenstörung finden (Andersson und Östergren 2012).
Insgesamt weisen die Studien darauf hin, dass rechenschwache Kinder bis ins Erwachsenenalter ein Defizit in der basalen und räumlichen Größenverarbeitung haben. Kontrovers diskutiert wird allerdings, ob das Defizit eher in der Qualität der Mengen- und Größenrepräsentation oder eher im Zugriff auf die symbolischen Repräsentationen besteht (siehe auch Bulthé et al. 2018).

Defizite in den rechnerischen Fertigkeiten

Im Verlauf der Primarschulentwicklung lösen sich Kinder normalerweise vom mühsamen, auch fehleranfälligen zählenden Rechnen und rufen zunehmend arithmetische Fakten aus dem Gedächtnis ab. Dies ist essenziell, da durch den Abruf von Teilergebnissen kognitive Ressourcen frei werden, um umfangreichere und komplexe Rechenoperationen durchführen zu können.
Bei einer Rechenstörung bestehen typischerweise persistente Defizite im Aufbau und Abruf von numerischem Faktenwissen (z. B. Einmaleins) sowie im Verständnis und Gebrauch angemessener arithmetischer Prozeduren.
Kinder mit Rechenstörungen erzielen schlechtere Leistungen bei sämtlichen einfachen arithmetischen Aufgaben (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division). Häufig kann beobachtet werden, dass sie bis in die oberen Klassenstufen zählende Rechenstrategien anwenden, oft mit Zuhilfenahme der Finger. Da ihnen beim zählenden Rechnen vermehrt Fehler unterlaufen, hindert dies wiederum das Abspeichern von Faktenwissen. Mühsam auswendig gelerntes Faktenwissen scheint am nächsten Tag verschwunden zu sein. Ergebnisse von Rechenaufgaben werden oft durch kompensatorische Strategien erarbeitet, wie beispielsweise durch Aufsagen der Multiplikations-Reihe. Gleichzeitig scheinen Kinder mit Rechenstörungen im Vergleich zu Gleichaltrigen weniger flexibel bei der Auswahl der Lösungsstrategie zu sein. Insgesamt verwenden betroffene Kinder typischerweise unreifere Lösungsstrategien, die langsamer und fehleranfälliger sind und mehr kognitive Ressourcen benötigen. So wird z. B. das Kommutativgesetz nicht angewendet, 8+15 nicht in 15+8 umgewandelt (Shin und Bryant 2015).
Um eine Rechenaufgabe korrekt ausführen zu können, benötigen wir auch Wissen über mathematische Prozeduren (z. B. schriftlich Subtrahieren), und wir müssen arithmetische Operationen und deren Gesetzmäßigkeiten verstanden haben (z. B. 3x4=4+4+4). In einer Übersichtsarbeit von Shin und Bryant (2015) wiesen rechenschwache Schüler mehr Rechen- und prozedurale Fehler beim Lösen von Textaufgaben auf. Häufige Fehler sind beispielsweise Verwechslungen der arithmetischen Zeichen (+ und -) oder Fehler beim Ausführen von schriftlichen Operationen (der Übertrag wird nicht gemacht). Systematische Fehler weisen auf ein unzureichendes prozedurales Wissen hin, während unsystematische Fehler ein Hinweis auf ein überfordertes Arbeitsgedächtnis (Abschn. 3.2) oder mangelndes Faktenwissen sein können. Für die Planung einer individuell angepassten Intervention ist es daher wichtig, eine detaillierte Fehleranalyse durchzuführen.
Anzeichen für und Fehler bei einer Rechenstörung
1.
Erste Anzeichen einer Rechenstörung im Vorschulalter
  • Schwierigkeiten beim Vergleich von Zahlen (größer/kleiner) und Mengen (mehr/weniger)
  • Fehler beim freien Zählen oder Abzählen von konkreten Objekten
  • Einer Menge von Objekten werden falsche Zahlen zugeordnet
  • Einstellige arabische Zahlen können nicht benannt werden
  • Schätzen einer kleinen Menge von Objekten gelingt nicht
  • Einfache Additions- und Subtraktionsaufgaben, auch mit anschaulichen Objekten, werden fehlerhaft gelöst
 
2.
Typische Fehler bei einer Rechenstörung (Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter)
  • Fehler beim Zählen oder Abzählen (Vorwärts- und Rückwärtszählen, Zählen in größeren Schritten)
  • Zahlendreher beim Vorlesen und Schreiben
  • Probleme beim Zehner-, Hunderterübergang usw.
  • Simple Rechenaufgaben müssen immer wieder neu errechnet werden, anstatt Abruf aus dem Gedächtnis (z. B. Einmaleins)
  • Zählendes Rechnen, oft auch mit Zuhilfenahme der Finger
  • Verrechnen um eins oder Fehler im Umgang mit der Null
  • Rechenzeichen werden vertauscht oder nicht berücksichtigt
  • Rechnen mit Platzhalter oder Schätzaufgaben oft nicht lösbar
  • Textaufgaben werden falsch entschlüsselt
  • Arithmetische Prozeduren und Regeln (z. B. 2+5=5+2) werden falsch verstanden und bei neuen Aufgaben falsch angewandt
  • Kopfrechnen gelingt nur mit Mühe, schriftliches oder anschauliches Rechnen auch bei einfachen Aufgaben nötig
  • Schwierigkeiten beim Umgang mit Zeit, Geld, Längen oder Gewichten
  • Teilweise auch Probleme beim Zeichnen von Figuren oder Erkennen von Symmetrien
 

Domänenübergreifende Fähigkeiten

Rechnerische Leistungen setzen nicht nur das einwandfreie Funktionieren der domänenspezifischen Fertigkeiten voraus, sondern benötigen zusätzlich domänenübergreifende kognitive Fähigkeiten (Abschn. 2). Hierzu gehören etwa Gedächtnisleistungen, insbesondere das Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeitsprozesse, visuell-räumliche Verarbeitung und weitere exekutive Funktionen (beispielsweise das Planen und Überwachen von Teilschritten).
Rechenstörungen können mit verschiedenartigen Entwicklungsdefiziten im Bereich der visuell-räumlichen, der sprachabhängigen, der sensomotorischen sowie der regulativen kognitiven Funktionen für Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungstempo und Impulskontrolle einher gehen.
Kinder mit Rechenstörungen weisen in der Regel schwächere Leistungen im Arbeitsgedächtnis auf, also dem kurzzeitigen Speichern von aufgabenrelevanten Informationen. Meist finden sich diese Defizite im visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnis, dem sog. visuell-räumlichen Notizblock (z. B. Merken einer räumlichen Sequenz), teilweise auch in der verbalen Komponente des Arbeitsgedächtnisses, der sog. phonologischen Schleife (z. B. mehrere Zahlworte oder Zahlwortreihen im Kopf behalten; AWMF 2018; Landerl und Kölle 2009; Shin und Bryant 2015).
Inkonsistente Befunde zeigen sich bezüglich des Langzeitgedächtnisses. Einige Studien wiesen nach, dass Personen mit Rechenstörungen Mühe haben, verbale und nonverbale Informationen aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, andere fanden hingegen keine Unterschiede zu Gleichaltrigen ohne Rechenstörungen (Andersson und Östergren 2012; Shin und Bryant 2015).
Des Weiteren zeigen Kinder mit Rechenstörungen verminderte Inhibitionsleistungen. Sie haben Mühe, ablenkende Reize zu unterdrücken, um eine Aufgabe zügig bearbeiten zu können (AWMF 2018).
Defizite in visuell-räumlichen Funktionen werden immer wieder postuliert (Abschn. 2.2). Studien zeigen vereinzelt, dass Kinder mit Rechenschwäche Minderleistungen in visuell-räumlichen Aufgaben aufweisen (z. B. Mosaiktest des Wechsler Intelligence Scale for Children, WISC; z. B. McCaskey et al. 2017b). Ein Vergleich zwischen Studienergebnissen gestaltet sich aufgrund der vielfältigen visuell-räumlichen Aufgaben allerdings schwierig. Unumstritten ist jedoch die enge Verknüpfung von numerischen und räumlichen Leistungen, wie sie beispielsweise beim Platzieren von Zahlen auf einem Zahlenstrahl erforderlich ist.
Träff und Koautoren (2017) beschrieben die kognitiven Profile von 4 verschiedenen Kindern mit einer Rechenstörung, die das heterogene Erscheinungsbild dieser Lernstörung trefflich veranschaulichen.
„Beispiel“
Fallbeispiele
Die vorgestellten Kinder hatten eine durchschnittliche Intelligenz und altersentsprechende Leseleistung, keine Vorgeschichte oder Diagnose einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung oder Lese-Rechtschreibstörung. Hingegen wiesen alle Kinder in Rechentests eine Leistung unter dem 10. Perzentil auf. Gemessen wurden das verbale und visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis, exekutive Funktionen, die symbolische und nichtsymbolische Größenverarbeitung, Subitizing und Zählen, die Verarbeitung von Zeit und visuell-räumliche Funktionen.
Der 1. Fall, ein 8-jähriger Junge, zeigte Schwierigkeiten in der nichtsymbolischen Größenunterscheidung (konkrete Punktmengen) sowie bei der Verarbeitung von zeitlichen und räumlichen Informationen. Zusätzlich war die Leistung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses eingeschränkt.
Hingegen wies das kognitive Profil eines 8-jährigen Mädchens keine Defizite in der nichtsymbolischen Größenverarbeitung auf. Jedoch zeigte sie deutliche Schwierigkeiten, wenn sie arabische Zahlen nach ihrer Größe vergleichen, kleine Mengen abzählen oder unmittelbar erfassen sollte (Subitizing). Ebenso erzielte sie Minderleistungen im visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnis und den exekutiven Funktionen.
Probleme in der nichtsymbolischen wie auch der symbolischen Größenverarbeitung hatte ein 9-jähriges Mädchen. Sie zeigte keine Minderleistungen im Subitizing, jedoch beim Zählen, der Verarbeitung von Zeit, im visuell-räumlichen Gedächtnis und den exekutiven Funktionen.
Im letzten berichteten Fall eines 8-jährigen Jungen konnten die Autoren nebst den Defiziten im arithmetischen Faktenwissen keine weiteren Minderleistungen in der Verarbeitung von Zahlen, Mengen oder Zeit finden. Seine Leistungen im verbalen Arbeitsgedächtnis und den exekutiven Funktionen waren jedoch nicht altersentsprechend.

Diagnostik

Die Überprüfung der Rechenkompetenzen ist für den diagnostischen Prozess wichtig, aber für die Diagnosestellung allein nicht ausreichend. Um der Heterogenität des Störungsbildes gerecht zu werden, bedarf es einer umfassenden Diagnostik, die alle relevanten kognitiven Teilkomponenten einschließt, testmetrische und qualitative Messverfahren berücksichtigt und unter differenzialdiagnostischen Gesichtspunkten auch die körperliche, die neuromotorische, die psycho-emotionale und die soziale Entwicklung untersucht.
Das Ziel der Diagnostik ist die Erstellung eines funktionellen Profils von Stärken und Schwächen, um einen individuell angepassten Förderansatz verfolgen zu können. Sie schließt neben der psychometrischen Erfassung der Zahlenverarbeitung und des Rechnens sowie der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit auch die klinische Untersuchung der Neuromotorik und des psycho-emotionalen Befindens ein. Die Anamnese prüft das biografische Vorliegen entwicklungsbezogener Risikofaktoren und die Qualität der aktuellen schulischen und soziofamiliären Lern- und Umgebungsbedingungen.

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Anamnese klärt die Einflüsse der körperlichen, mentalen und sozialen Entwicklungsbiografie. Dabei kommt der spezifischen vorschulischen und schulischen Lernbiografie eine besondere Bedeutung zu. Zu erfragen sind Komplikationen bei Schwangerschaft, Geburt (Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht) und Neonatalperiode, die Abfolge von motorischen, sprachlichen, kognitiven und sozialen Entwicklungsmeilensteinen sowie psychosoziale Umstände und Entwicklungsbedingungen (Bildungsnähe, familiärer und schulischer Lebensraum, akutes oder chronisches Konflikterleben, Umzüge, Schulwechsel, Fehlzeiten usw.).
Die klinische Untersuchung schließt zum einen den psychopathologischen und zum anderen einen körperlichen und entwicklungsneurologischen Befund zur Erfassung bzw. zum Ausschluss von psychischen, körperlichen und neurologischen Erkrankungen ein, die persistierende Schwierigkeiten beim Rechnenlernen (mit)verursachen können. Dies können bei den psychischen Störungen z. B. AD(H)S, Störungen des Sozialverhalten, spezifische Phobien oder übergreifende Ängste, Depressionen und psychosomatische Beschwerdebilder sein und bei den körperlichen Erkrankungen die verschiedenen Formen von Sinnesbeeinträchtigungen, das fetale Alkoholsyndrom, Anfallserkrankungen, neurogenetische Syndrome u. a. m. (Übersicht siehe S3-Leitlinie; AWMF 2018).

Testmetrische Untersuchung

Wenn möglich, sollen standardisierte, mehrdimensionale Verfahren gewählt werden. Diese überprüfen nicht nur die rechnerischen Leistungen, sondern auch Fertigkeiten wie das Zählen, das Transkodieren, den Vergleich von (Zahlen-)Größen, die perzeptive und kontextuelle Einschätzung von Mengen, das Zuordnen von Zahlen zu analogen Repräsentationen (z. B. Zahlenstrahl), das Lösen von Textaufgaben und das schriftliche Rechnen. Ferner ist das Tempo der Aufgabenbearbeitung zu beachten: Viele Betroffene machen besonders viele Fehler, wenn sie das Gefühl haben unter Zeitdruck zu geraten.
Die qualitative Beobachtung der Aufgabenbearbeitung und die Aufforderung zu lautem Denken kann wertvolle Hinweise über die Art der verwendeten Rechenstrategien, über Fehlerquellen und -arten, über Merkmale der Größenverarbeitung sowie auch über die psychische Verfassung (z. B. Angst, Konzentrationsprobleme) liefern.
Bei der Wahl des Testverfahrens sollte Folgendes beachtet werden: Es gibt curricular orientierte Testverfahren, die entlang der festgelegten Unterrichtsinhalte den Leistungsstand eines Schülers messen. Diese Verfahren geben dem Untersucher jedoch keinen ausreichenden Einblick in das Profil der basisnumerischen und rechnerischen Teilkomponenten. Daher sollte für die Diagnostik ein Individualtest, der die unterschiedlichen Komponenten der Zahlenverarbeitung und des Rechnens prüft, vorgezogen werden. Eine ausführliche und aktuelle Übersicht von empfehlenswerten Verfahren im deutschsprachigen Raum sind der S3-Leitlinie für die Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung zu entnehmen (AWMF 2018).
Neben der Überprüfung der basisnumerischen und rechnerischen Fertigkeiten sind die Überprüfung der Lese- und Rechtschreibleistungen sowie die Erfassung von domänenübergreifenden Fertigkeiten für die Diagnosestellung einer Rechenstörung unverzichtbar. Hierzu gehören die Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisleistungen, die visuell-räumlichen Funktionen, die Sprachentwicklung und die allgemeinen Denk- und Problemlösefähigkeiten. Eine solche Diagnostik der allgemeinen kognitiven Funktionen dient dem Ausschluss einer globalen Entwicklungsstörung oder Intelligenzminderung, sowie der Ermittlung kognitiver Ressourcen für kompensatorische Lernstrategien.

Prävention, Förderung, Therapie und Prognose

Prävention

Frühe numerische Kompetenzen variieren sehr stark zwischen den einzelnen Kindern vor ihrer Einschulung. Zudem weiß man heute aus verschiedenen Langzeitstudien, dass diese frühen numerischen Kompetenzen gute Prädiktoren sind für die spätere Entwicklung der rechnerischen Fertigkeiten. Kinder, die bereits Schwierigkeiten zeigen in diesen grundlegenden numerischen Fertigkeiten vor der Einschulung, scheinen auch ihre weiteren numerischen und rechnerischen Fertigkeiten langsamer weiter zu entwickeln im Vergleich zu Kindern mit durchschnittlichen vorschulischen numerischen Kompetenzen. Ohne zusätzliche Unterstützung ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Kinder während ihrer folgenden Primarschulzeit immer zu den schlechtesten im Rechnen zählen werden. Hoffnung bieten verschiedene wissenschaftlich evaluierte Frühförder- und Präventionsprogramme.
Ziel sollte es sein, Kinder, die ein Risiko haben später eine Rechenschwäche oder -störung zu entwickeln, bereits vor der Einschulung zu identifizieren und mittels spezifischer Präventionsprogramme zu fördern.
Die Wirksamkeit solcher frühen Fördermaßnahmen konnte schon 2005 in einer Meta-Analyse nachgewiesen werden (Malofeeva 2005). Der Review-Artikel von Mononen et al. (2014) gibt einen differenzierten Überblick. In der Mehrheit der untersuchten Studien schnitten die Kinder, die eine frühe präventive Förderung erhalten haben, besser ab als solche ohne Unterstützung. Anstatt mit einer effektiven Förderung von rechenschwachen Kindern bis zur Schule zu warten, sollten bereits vor Schuleintritt evidenzbasierte Programme eingesetzt werden, um die frühen numerischen Fertigkeiten von Kindern mit einem Risiko für eine Rechenstörung zu fördern. Solche präventiven Förderprogramme trainieren numerische Fertigkeiten wie verbales Zählen oder das Zählen von Objekten, das rasche Erfassen von kleinen Mengen ohne Zählen (Subitizing), Addition und Subtraktion, numerische Vergleichsaufgaben oder zahlenabhängiges logisches Denken. Eine großangelegte Studie im deutschsprachigen Raum überprüfte die Wirksamkeit einer vorschulischen Förderung des Mengen- und Zahlenverständnisses bei Kindern mit einem Risiko für die Entwicklung einer Rechenstörung (Moraske et al. 2018). Zu betonen ist, dass der Einsatz des Trainings unter Bedingungen geprüft wurde, die sich am Alltag der Kindergärten orientierte und so eine ökonomische Variante darstellt. Im Kindergarten wurden Risikokinder identifiziert und mit einer Kombination aus Mathematik im Vorschulalter (Rademacher et al. 2009) und Mengen, zählen, Zahlen (Krajewski et al. 2007) während 11 Wochen (2 Sessions zu 30–40 min pro Woche) gefördert. In dieser längsschnittlich angelegten Studie wurden die Kinder wiederholt in der 1., 2. und 3. Klasse getestet. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die trainierten Risikokinder in der 1. Klasse Rechenleistungen im durchschnittlichen Bereich aufwiesen, während die untrainierten Risikokinder im unterdurchschnittlichen Leistungsbereich lagen. In der 2. und 3. Klasse konnte dieser Leistungsvorteil weiter abgesichert werden. Zudem reduzierte die vorschulische Förderung das Risiko, eine Rechenschwäche auszubilden.
Eine Förderung numerischer Basiskompetenzen in der Vorschule führt bei Risikokindern zu einer Verbesserung der späteren Rechenleistungen und reduziert die Auftretenswahrscheinlichkeit einer späteren Rechenschwäche bzw. Rechenstörung.
Förderprogramme, welche bereits im Vorschulalter eingesetzt werden können, sind im folgenden Abschnitt mitaufgelistet.

Förderung und Therapie

Bisher gibt es wenig standardisierte und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich evaluierte Förderprogramme. Dies liegt auch daran, dass Rechenstörungen einerseits sehr unterschiedliche Ausprägungsformen haben und dementsprechend eine flexible und individualisierte Therapie erfordern und andererseits längsschnittlich angelegte Interventionsstudien sehr aufwendig und anspruchsvoll sind.
Die nachfolgenden Empfehlungen zur Förderung und Therapie von Rechenstörungen basieren auf der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung (AWMF 2018). Diese fordert, dass alle Behandlungsformen der Rechenstörung wissenschaftlich evaluiert sein sollen. Nur so kann ein positiver Fördereffekt gewährleistet und ein Vergleich zwischen verschiedenen Therapieformen ermöglicht werden. Der S3-Leitlinie kann ebenfalls eine Reihe von bewerteten Förderprogrammen entnommen werden. In die Bewertung flossen solche Präventions- und Interventionsprogramme ein, die in einem Prä-post-Design mit Versuchs- und Kontrollgruppe evaluiert wurden. Empfohlen sind jene Programme, deren Evaluationsstudien in einem peer-reviewed Journal publiziert wurden (Kriterium 1) oder deren Versuchs- und Kontrollgruppe Schwierigkeiten im Schulfach Mathematik aufwiesen und somit relevant im Sinne der S3-Leitlinie waren (Kriterium 2). Nicht empfohlen wurden Programme, die zwar in Studien evaluiert wurden, aber keines der beiden genannten Qualitätskriterien erfüllen (AWMF 2018).
Kinder, die beim Rechnenlernen versagen, haben ein mehrfaches Risiko: Durch das chronische Misserfolgserleben können sich Ängste und depressive Symptome entwickeln, die langfristig oft zu einem größeren Problem werden als das eigentliche schulische Lernhandicap. Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten ein vielfach höheres Ausmaß an negativem Feedback durch ihre Lehrpersonen, was sie auch in den Augen ihrer Altersgenossen unattraktiver und dadurch auch leichter zu sozialen Außenseitern werden lässt (Huber 2009). Insbesondere bei solchen sekundären sozial-emotionalen Störungen sind integrative Lerntherapien, die spezifische Förderung mit psychotherapeutischen Basiselementen verbinden, angezeigt (Bender et al. 2017).
Die Grundlage für eine erfolgreiche Förderung und Therapie ist immer eine detaillierte Diagnostik der Problemsituation (Abschn. 4). Die Behandlung soll primär an den in der Diagnostik ermittelten Problemen in der Zahlenverarbeitung und dem Rechnen ansetzen. Treten neben den spezifischen numerischen und rechnerischen Schwierigkeiten noch andere sekundäre Probleme (z. B. Mathematikangst) oder komorbide Störungen (z. B. AD(H)S) auf (Abschn. 3), welche die Rechenleistung ebenfalls negativ beeinflussen, sind diese in der Therapie mit zu berücksichtigen. Das bedeutet, die Interventionen müssen auf das individuelle Profil von Stärken und Schwächen in den domänenspezifischen und den domänenübergreifenden Funktionsbereichen adaptiert und angepasst sein und gegebenenfalls auch medizinisch-psychiatrische und psychotherapeutische Methoden einschließen.
Eine spezifische Förderung soll so früh wie möglich beginnen. Allerdings werden die meisten Rechenstörungen erst in der Grundschule erkannt. Der Regelunterricht setzt für Kinder mit Rechenschwächen oder Rechenstörungen meist zu hoch an und vermittelt Lerninhalte, für die Kinder mit Lernstörungen das entsprechende Grundlagenwissen noch nicht etabliert oder nicht ausreichend automatisiert haben (Landerl et al. 2017). Aus diesem Grund müssen Kinder mit Rechenstörung häufig erst jene numerischen Basisfertigkeiten erarbeiten, die normalerweise schon vor Schuleintritt und ohne explizite Förderung erworben wurden. Grundsätzlich gilt es, sensibel in Hinblick auf eine mögliche Rechenstörung zu sein, um diese so früh wie möglich zu erkennen und zu behandeln.
Die Förderung soll symptomspezifisch und dementsprechend im basisnumerischen und rechnerischen Bereich ansetzen. Evidenzbasierte, störungsspezifische Förderprogramme sind auf numerische und rechnerische Inhalte ausgerichtet, sollen in zeitlich und inhaltlich klar strukturierten Einheiten durchgeführt werden und sich adaptiv an den individuellen Lernfortschritt anpassen. Dabei haben sich Therapie- und Förderformate im Einzelsetting als effektiver erwiesen als im Gruppensetting. Die empfohlene Dauer einer Sitzung beträgt 45 min, wobei dies neben der spezifischen Förderung auch das Eingehen auf aktuelle Erfahrungen im schulischen und außerschulischen Bereich sowie auf das emotionale Befinden einschließt. Eine erfolgreiche Therapie benötigt interdisziplinäre Zusammenarbeit und fachlichen Austausch zwischen Therapeuten, Lehrer, Schulleitung, Psychologe und Arzt, Eltern und dem betroffenen Kind. Empfehlenswert ist die Verwendung einheitlich gestalteter mathematisch-didaktischer Veranschaulichungsmaterialien, die mit denen in der Schule korrespondieren (Landerl et al. 2017). Weiter sollten die Lernmaterialien generell reizarm gestaltet sein und auf ablenkende Elemente verzichten. Die Förderung sollte angemessen frequent, ökologisch valide, d. h. mit nützlichem Bezug zum Alltagserleben des Kindes und unter Belohnungsbedingungen stattfinden. Um zu beurteilen, ob die angesetzte Therapie erfolgreich ist, werden mindestens jährliche Verlaufskontrollen empfohlen.
Von den behandelnden Therapeuten wird ein entsprechendes Fachwissen vorausgesetzt. Diese sollten sich durch spezifische Studiengänge, Aus- bzw. Weiterbildungen mit Schwerpunkt schulische Entwicklungsstörungen, insbesondere der Rechenstörung, und integrative Lerntherapie qualifizieren.
Neben der klassischen personenbezogenen Förderung und Therapie kommen heute vermehrt auch computergestützte Interventionsprogramme zum Zuge. Insgesamt tragen computergestützte Förderprogramme häufig zur Motivation der Kinder bei oder ermöglichen eine zeitlich und örtlich unabhängige Planung der Fördereinheiten, was insbesondere für Personen, die in Ausbildung und Beruf eingespannt sind, eine attraktive Alternative oder Ergänzung darstellt. Vor allem für wiederholtes Üben zur Automatisierung von numerischem Faktenwissen können Computerprogramme eine Therapie sinnvoll unterstützen (Heine et al. 2012). Besonders empfehlenswert sind solche Computerprogramme, die dank der Methoden der künstlichen Intelligenz in der Lage sind, sich in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad der Übungsaufgaben und die individuell erforderlichen Fertigkeitskomponenten laufend anzupassen (Räsänen et al. 2015, 2019). Dabei bietet der Computer entlang dem eigenen Lernfortschritt ein unmittelbares und positives Feedback, und die Übungssituation wird von negativem sozialem Quervergleich abgeschirmt. Insgesamt sind solche evidenzbasierten computergestützten Interventionsprogramme primär als ergänzende Hilfestellung zu betrachten, die sowohl in der Schule, zu Hause und in der Therapie zum Einsatz kommen können, aber weder den Lehrer noch den Therapeuten ersetzen sollen (siehe Meta-Analysen von Ise et al. 2012; Kroesbergen und Van Luit 2003). Eine aktuelle Meta-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass computerbasierte Förderprogramme ebenso effektiv sind wie Förderungen durch einen Therapeuten (Chodura et al. 2015).
In Bezug auf die Dauer der Intervention zeigen kürzer über einen längeren Zeitraum positivere Effekte als länger dauernde Fördereinheiten. Das Ende einer Therapie kann nicht vorab bestimmt werden. Die Fördermaßnahme soll erst beendet werden, wenn sie für die spezifische Lebenssituation des Kindes nicht mehr notwendig ist oder sich als ungeeignet herausgestellt hat. Im Idealfall führt eine Förderung dazu, dass die betroffene Person die Anforderungen in der Schule, in Berufsbildung oder Berufsausübung sowie im Alltag selbstständig und erfolgreich bewältigen kann. Ist dies gegeben, kann die Therapie beendet werden.
Die wichtigsten Punkte, die in einer erfolgreichen Therapie berücksichtigt werden sollten, sind in Abb. 4 zusammengefasst.
Schließlich gilt für jede Behandlung, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern am Beginn sorgfältig über die erhobenen Untersuchungsbefunde und das daraus abgeleitete weitere Vorgehen aufgeklärt werden müssen. Regelmäßige prozessbegleitende Beratungen der Eltern, aber auch der Lehrpersonen sind ebenfalls erforderlich.

Prognose

Wie im vorangehenden Abschnitt zum Verlauf der Rechenstörung beschrieben, handelt es sich um eine persistierende Lernstörung, welche sich nicht einfach von allein auswächst. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit einer Rechenstörung bis ins Erwachsenenalter unter diesem Lerndefizit leidet, ist sehr hoch. Hinzu kommen die wiederholten negativen Erfahrungen im Umgang mit Zahlen und dem Rechnen, was oft zu einer Vermeidungshaltung der betroffenen Personen führt gegenüber allem, was mit dem Schulfach Mathematik zu tun hat. Dies begünstigt die Entwicklung von sekundären Symptomen und die Unterstützung der Abwärtsspirale. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, diese immer weiter zunehmende Verschlechterung durch gezielte Intervention zu unterbrechen. Obwohl die vorhandenen Daten zu Interventionsstudien vielversprechend sind und deutliche Verbesserung berichten, darf nicht angenommen werden, dass alle Kinder gleich gut auf ein bestimmtes Förderprogramm ansprechen. Allerdings existieren Studien zur Prognose von bestimmten Therapieprogrammen kaum.
Es wird davon ausgegangen, dass Kinder mit einer drohenden oder manifesten Rechenschwäche besser auf Interventionsprogramme ansprechen und stärkere Verbesserungen nach dem Training aufweisen als Kindern mit einer ausgeprägten Rechenstörung (siehe Meta-Analyse von Chodura et al. 2015). Es ist möglich, dass Kinder mit einer milderen Form von Rechenproblemen weniger störungsspezifische Symptome zeigen und deshalb eher auf Interventionsprogramme ansprechen. Im Vergleich dazu zeigen Kinder mit Rechenstörung häufig zusätzlich komorbide Probleme, welche den Lernerfolg obendrein behindern können.
Die Heterogenität der Symptome bei Rechenstörungen lässt eine differenzielle Wirksamkeit verschiedener Förderprogramme erwarten. Dabei scheinen Kinder mit schwerwiegenden Problemen im Rechnen und in Folge schlechteren initialen Rechenleistungen weniger von standardisierten Förderprogrammen zu profitieren und intensivere und stärker individualisierte Unterstützung zu benötigen, um vergleichbare Erfolge zu erzielen, als Kinder mit weniger schwergradigen Problemen.
Erste Studien adressieren die wichtige Frage nach der differentiellen Wirksamkeit, d. h. welches Kind mehr oder weniger gut von einem Förderprogramm im Rechnen profitiert. Powell et al. (2017) fanden, dass das anfänglich höhere individuelle Leistungsniveau im Rechnen, im Arbeitsgedächtnis, dem Sprachverständnis und der Aufmerksamkeitsleistung einen besseren Therapieerfolg voraussagte bei Schülern der 2. Klasse mit Rechenproblemen. Im Gegensatz dazu berichteten Clark et al. (2019), dass Kindergartenkinder mit anfänglich schlechteren numerischen Leistungen stärker von einer spezifischen Intervention profitierten. Eine weitere Studie kam zum Schluss, dass die Rechenleistung vor der Intervention kein Indikator für den individuellen Erfolg eines Förderprogramms ist (Fuchs et al. 2019). Welche Faktoren nun den individuellen Lernzuwachs durch eine Therapie am besten vorhersagen, ist insgesamt noch unklar.
Entsprechend der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Rechenstörungen wird empfohlen, Kinder mit Rechenproblemen möglichst früh durch spezifische Förderprogramme zu unterstützen. Die Meta-Analyse von Chodura et al. (2015) ist allerdings optimistisch auch für ältere Kinder, da sie unabhängig vom Alter positive Effekte aufgrund von Förderprogrammen bei Kindern mit Rechenschwierigkeiten zwischen der 1. und 5. Klasse fanden. Das bedeutet, dass auch Kinder, die relativ spät Hilfe erfahren, ihre Rechenleistungen noch zu steigern vermögen. Allerdings scheint es so, dass Interventionseffekte geringer ausfallen für Schüler im Sekundarschulbereich verglichen zum Primarschulbereich (siehe Meta-Analyse von Stevens et al. 2018). Förderunterricht für Sekundarschüler mit Rechenproblemen scheint dementsprechend anspruchsvoller zu sein. Möglicherweise sind die Rechenprobleme komplexer und fester verwurzelt bei Jugendlichen und Erwachsenen und deshalb schwerer zu therapieren. Des Weiteren ist die Annahme plausibel, dass die neuronale Plastizität (und somit auch das Lern- und Förderpotenzial) mit zunehmendem Alter abnimmt (Kolb und Gibb 2011).

Fazit

Essenziell für die menschliche Anpassungsfähigkeit ist die erfahrungsabhängige plastische Formung neurokognitiver Strukturen und Fähigkeiten, die sich entsprechend den Erfordernissen und Stimulationen aus der Entwicklungsumwelt adaptiv herausbilden. Das Erlernen unserer Kulturtechniken, zu denen der Umgang mit Zahlen und das Rechnen sehr zentral gehören, geht auf biologischer Ebene mit dem Aufbau und der Ausdifferenzierung neuronaler Netzwerke einher, die als Denk- und Verarbeitungswerkzeuge in verschiedenen Regionen des Gehirns modular konstruiert und aufgabenspezifisch aktiviert werden. Dies gilt für den schulischen Erwerb der mathematischen Wissens- und Fähigkeitsdomänen im engeren Sinne ebenso wie für die Entwicklung von verschiedenen domänenübergreifenden geistigen Funktionen, auf die das spezifischere vorschulische und schulische Lernen angewiesen ist und auf denen es aufbaut (Sprache und räumliche Vorstellung, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeits-, Affekt- und Verhaltensregulation). Diese hochkomplexe Entwicklung ist sowohl in vorschulischen als auch in schulischen Perioden leicht störbar und kann zu einer Verzögerung, Schwächung oder gar einem Ausbleiben entsprechender neurokognitiver Reifungsprozesse führen, was dann in schulischem Leistungsversagen und oft auch sekundären emotionalen Störungen, insbesondere spezifischen Ängsten, mündet. Die weit verbreitete Ansicht, schulische Entwicklungsstörungen seien maßgeblich auf genetische Vererbung zurückzuführen ist insofern sehr irreführend, als sie diesen Ursachenmechanismus enorm überschätzt und die Einflüsse der vorschulischen und schulischen Lernbiografie und der sog. nichtgenetischen Vererbung entsprechend unterschätzt. Es ist davon auszugehen, dass die Qualität von Pädagogik und Fachdidaktik und deren Fähigkeit, heterogene Lernvoraussetzungen frühzeitig zu erkennen, individuell zu berücksichtigen und der Entwicklung leistungshemmender spezifischer Ängste vorzubeugen, einen erheblichen Einfluss auf die Häufigkeit, den Schweregrad und den Verlauf umschriebener schulischer Entwicklungsstörungen hat. Primäre und sekundäre komorbide Störungen im Erleben und Verhalten belasten die Entwicklungsprognose zusätzlich. Wirksame spezifische Förderung und Therapie kann wesentlich zu Leistungsverbesserung, Angstverminderung und neuronaler Nachreifung beitragen, je früher desto besser. Unbehandelt ist die Prognose ungünstig und belastet die gesamte weitere Bildungs-, Persönlichkeits- und Gesundheitsentwicklung.
Fußnoten
1
Im anglo-amerikanischen Sprachraum gibt es den Begriff der „mathematical learning disability“, der häufig direkt ins Deutsche übersetzt wird als „mathematische Lernstörung oder -schwäche“. Da der Begriff der „Mathematik“ jedoch sehr umfassend ist und zusätzlich zu den numerisch-rechnerischen Fertigkeiten, die das Schulfach Mathematik in den Grundschuljahren dominieren, auch Fächer wie Algebra und Geometrie mit einschließt, möchten wir im Folgenden unsere Ausführungen auf die Begriffe der Rechenstörung und -schwäche sowie die Begriffe der numerisch-rechnerischen (anstatt mathematischen) Fertigkeiten beschränken.
 
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