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Universelle und selektive Prävention

Verfasst von: Arne Bürger und Michael Kaess
Gesellschaftspolitisch genießt das Thema der Prävention psychischer Störungen mittlerweile höchste Priorität. Im Kap. „Universelle und selektive Prävention“ wird zu Beginn die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen im Kindes- und Jugendalter untermauert. Anschließend werden Risiko- und Schutzfaktoren für die Altersgruppe vorgestellt. Der Begriff der Prävention wird in seinen verschiedenen Facetten definiert. Im Anschluss wird die Idee einer idealtypischen Entwicklung, Evaluation und Implementierung präventiver Maßnahmen erläutert. Im Mittelpunkt steht der aktuelle Forschungsstand in den Bereichen Essstörung, Angst und Depression sowie Suizidalität. Letztlich wird festgehalten, dass trotz der steigenden Forschungsaktivitäten im deutschsprachigen Raum der Beleg wirksamer Präventionsmaßnahmen als gering einzuschätzen ist. Dass eine intensive Beforschung notwendig ist, zeigt sich insbesondere darin, dass die erwünsche präventive Wirkung durchaus krankheitsauslösende Effekte besitzen kann.
„Vorbeugen ist besser als Heilen“. Dieses Zitat von Hippokrates 400 vor Christus zeigt, dass die Prävention von Erkrankungen nicht erst heute ein Thema der Medizin und Gesellschaft darstellt. Die Prävention psychischer Störungen ist im Zusammenhang mit der 1986 entstandenen „Ottawa-Charta“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu sehen. Gesellschaftspolitisch genießt das Thema der Prävention psychischer Störungen mittlerweile eine hohe Priorität. Im Vergleich zur steigenden Anzahl der Publikationen, Programme und Studien im deutschsprachigen Raum (Borbe et al. 2009) ist der Beleg wirksamer Methoden jedoch weiter als gering einzuschätzen. Dass eine intensive Beforschung notwendig ist, zeigt sich insbesondere darin, dass die erwünschte präventive Wirkung durchaus einen krankheitsauslösenden Effekt besitzen kann (Bonell et al. 2015).

Prävention und ihre Notwendigkeit im Kindes- und Jugendalter

Psychische Störungen und psychisch auffälliges Verhalten im Kindes- und Jugendalter

Epidemiologische Zahlen untermauern, dass psychische Störungen als größte gesundheitsbezogene Herausforderung des 21. Jahrhunderts gelten. In Europa sind ca. 38,2 % der Bevölkerung von einer psychischen Störung betroffen (Wittchen et al. 2011). Metaanalysen bei Kindern und Jugendlichen zeigen, dass weltweit 13,4 % von einer psychischen Störung und in Deutschland 17,6 % von einer emotionalen bzw. Verhaltensstörung betroffen sind (Barkmann und Schulte-Markwort 2012; Polanczyk et al. 2015). Das bedeutet, dass unter Berücksichtigung der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen derzeit nach konservativen Schätzungen ca. 1,9 Millionen von einer psychischen Störung betroffen sind. Eine Vielzahl der psychischen Störungen nehmen ihren Beginn im Kindes- und Jugendalter und zeigen sich zunächst durch subklinische oder partielle Auffälligkeiten, die dann in einer manifesten psychischen Störung münden. Im Folgenden wird ausschließlich auf Störungsbilder eingegangen werden, die in den folgenden Kapiteln im Rahmen der Prävention weiterhin eine Rolle spielen.
Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass die externalisierenden Störungsbilder, wie die hyperkinetische Störung oder die Störung des Sozialverhaltens im Kindesalter, deutlich häufiger vorkommen als die internalisierenden Störungen (z. B. Depression, Angststörungen). Epidemiologische Studien nach der Jahrtausendwende belegen allerdings, dass beispielsweise depressive Störungen mit 2,8 % und Angststörungen mit 3,5 % in der Altersgruppe vor dem 13. Lebensjahr vergleichbare Prävalenzraten aufweisen (Cartwright-Hatton et al. 2006; Costello et al. 2006). Während Jungen zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr häufiger von psychischen Störungen betroffen sind (17,8 % vs. 12,2 %), vermindert sich dieses Geschlechterverhältnis ab dem elften Lebensjahr deutlich und gleicht sich bis zum dreizehnten Lebensjahr an (22,9 % vs. 21,0 %) (Klasen et al. 2017). In der mittleren (15.–16. Lebensjahr) sowie in der späten Adoleszenz (17.–21. Lebensjahr) wird eine deutliche Zunahme psychischer Störungen nachgewiesen. So zeigt sich ein deutlicher Anstieg der depressiven Störungen auf 5,9 % bei Mädchen und 4,6 % bei Jungen zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr (Costello et al. 2006). Bei Angststörungen ist die Entwicklung diffiziler, da der Anstieg der Angststörungen nicht auf alle Formen übertragbar ist. Man könnte sagen, dass sich je nach anstehender Entwicklungsaufgabe die Prävalenzen verändern. So ist beispielsweise die Trennungsangst im Kindesalter häufiger als im Jugendalter und die soziale Phobie im Kindesalter im Vergleich zum Jugendalter noch gering ausgeprägt (Beesdo-Baum und Knappe 2012). Auch bei den Essstörungen zeigt sich für die Anorexia nervosa (AN) und Bulimia nervosa (BN) ein deutlicher Anstieg der Erkrankungen mit Beginn der mittleren Adoleszenz, wobei weibliche Adoleszente deutlich häufiger betroffen sind als männliche (Favaro et al. 2009; Smink et al. 2016). Das Geschlechterverhältnis psychischer Störungen verändert sich zu Ungunsten der weiblichen Jugendlichen, die ab dem 14. Lebensjahr deutlich mehr psychische Störungen aufweisen als männliche Jugendliche (19,6 % vs. 15,1 %) (Klasen et al. 2017). Der vollendete Suizid, als schwerste Folge einer psychischen Störung, stellt zwischen dem 15. und 29. Lebensjahr die zweithäufigste Todesursache in der westlichen Welt dar (WHO 2018). Diese Zahlen belegen zum einen das epidemische Ausmaß der psychischen Störungen und zum anderen den dringenden Handlungsbedarf im Kindes- und Jugendalter. Mit Blick auf die Lebenszeitprävalenz wird deutlich, dass bereits im Alter von 14 Jahren 50 % aller psychischen Erkrankungen manifest sind (Kessler et al. 2005) und ein Handeln bereits im Bereich der Kindheit und frühen Adoleszenz, also zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr, anzuraten ist. Weiterhin wird durch die epidemiologischen Daten klar, dass es unterschiedlicher Schwerpunkte für Prävention und Frühintervention in der jeweiligen Altersgruppe bedarf.
Nicht nur die Häufigkeit und die Neuerkrankungen, sondern vor allem die Persistenz psychischer Störungen untermauert den Handlungsbedarf. So waren in der BELLA-Studie (Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten) 40,7 % der betroffenen Kinder nach 6 Jahren weiterhin auffällig (Ravens-Sieberer et al. 2015). Trotz der verbesserten Möglichkeiten und der Weiterentwicklung im Bereich der pharmakotherapeutischen und psychotherapeutischen Behandlungen sind Morbidität und Mortalität psychischer Störungen nahezu unverändert hoch, die Krankheitsverläufe bisweilen schwer und die Heilungsquote bei psychischen Störungen immer noch nicht befriedigend. Dass wir es also nicht mit einem vorübergehenden, entwicklungspsychologischen oder leicht zu behandelnden Phänomen zu tun haben, zeigt sich bereits für Störungen des Kindesalters. Für die Depression zeigt sich, dass die erste depressive Episode zwar bei 60–90 % der Patienten remittiert, aber 50–70 % in den nächsten 5 Jahren erneut von einer Episode betroffen sind (Dunn und Goodyer 2006). Erschwerend kommt hinzu, dass kindliche und adoleszente Depressionen eine hohe Vorhersagekraft für weitere komorbide psychische Störungen (z. B. Angststörungen, Substanzmissbrauch, bipolare Störungen etc.) besitzen (Fergusson et al. 2005), mit einer hohen Suizidalität einhergehen (Windfuhr und Kapur 2011) sowie mit multiplen psychosozialen Schwierigkeiten und körperlichen Erkrankungen im Erwachsenenalter verbunden sind (Thapar et al. 2012). Ähnliches gilt für die Angststörungen, die typischerweise einen chronischen Verlauf nehmen und häufig mit einer hohen Komorbiditätsrate einhergehen (Beesdo-Baum et al. 2012). Essstörungen gelten seit Jahren als schwer behandelbar und sind ebenfalls mit einem hohen Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko assoziiert (Smink et al. 2013). Die Sterberate der AN ist mit 5,7 % als hoch anzusehen (Arcelus et al. 2011).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass psychische Störungen die größte gesundheitsbezogene Herausforderung im 21. Jahrhundert darstellen. Die Häufigkeit sowie die schweren Verläufe, die durch Chronizität, Begleiterkrankungen und ein niedriges psychosoziales Funktionsniveau gekennzeichnet sind, verdeutlichen die Notwendigkeit eines präventiven bzw. vorbeugenden Handelns. Weiterhin darf nicht unerwähnt bleiben, dass psychische Störungen enorme Kosten für das Gesundheitssystem verursachen und durch den Arbeitsausfall und die verminderte Produktivität der Betroffenen zusätzlich ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden für die Gesellschaft entsteht (Olesen et al. 2012).
Letztlich ist eine Verhinderung bzw. Verminderung von psychischen Störungen nur möglich, wenn Risiko- und Schutzfaktoren bekannt sind und diese bei der Entwicklung von vorbeugenden Maßnahmen Berücksichtigung finden.

Risiko- und Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter

Die Prävention von psychischen Störungen sollte sich grundlegend an den Erkenntnissen aus der Forschung zu Risiko- und Schutzfaktoren von psychischen Störungen orientieren. In der Regel wird von einem bio-psycho-sozialen Modell ausgegangen. Das heißt, dass jede Dimension (biologische, individuelle, familiäre und soziokulturelle) des Modells die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken, erhöhen (Risikofaktor) oder senken (Schutzfaktor) kann. Prävention bedeutet demnach eine zielgerichtete Beeinflussung der Dimensionen und damit den Abbau von Risiko- und den Aufbau von Schutzfaktoren. Obwohl bereits Risiko- und Schutzfaktoren identifiziert sind, liegt vor allem das Zusammenspiel dieser bei der Entstehung von psychischen Störungen noch im Dunkeln. Wir können annehmen, dass je nach Erkrankung die Faktoren und ihr Auftreten in der jeweiligen Altersgruppe gesondert betrachtet werden müssen. Grundlegend kann davon ausgegangen werden, dass die in der Übersicht beschriebenen Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen bzw. vermindern, an einer psychischen Störung zu erkranken.
Wirkung von Risiko- und Schutzfaktoren nach Rönnau-Böse und Fröhlich-Gildhoff (2015)
  • Anzahl der Risikofaktoren: je mehr Risikofaktoren, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken
  • Anzahl der Schutzfaktoren: je weniger Schutzfaktoren, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken
  • Dauer der Belastung durch die Risikofaktoren: je länger die Belastung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken
  • Der Zeitpunkt der Belastung mit den Risikofaktoren: je früher die Risikofaktoren auftreten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken
  • Geschlecht: Jungen sind im Kindesalter gefährdeter, Mädchen sind in der Adoleszenz gefährdeter
  • Subjektive Bewertung der Faktoren: je negativer das Verhältnis, eine Situation zu bewältigen, eingeschätzt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken
Es wird von einer komplexen Wechselwirkung der Risiko- und Schutzfaktoren ausgegangen (Übersicht). Letztlich wird darauf hingewiesen, dass es spezifische und unspezifischer Risiko- und Schutzfaktoren gibt. So sind unspezifische Risikofaktoren eine Belastung, die verschiedene psychische Störungen auslösen können, während spezifische nur eine ganz bestimmte psychische Störung wahrscheinlicher machen. Umgekehrt gilt dies auch für Schutzfaktoren.
Wechselwirkung zwischen Risiko- und Schutzfaktoren nach Rönnau-Böse und Fröhlich-Gildhoff (2015)
  • Kompensation: Die Schutzfaktoren heben die Wirkung der Risikofaktoren auf.
  • Steeling-Effekt: Risikofaktoren können, bei einem gewissen Vorhandensein von Schutzfaktoren und wenn die Situation in einem Abgleich zwischen bestehenden Fähigkeiten und Schwierigkeiten von der Person als lösbar beurteilt und in der Folge bewältigt wird, eine schützende Funktion haben.
  • Interaktion: Jeder Schutzfaktor hat nur bei Vorhandensein bzw. Vorliegen des spezifischen Risikofaktors eine aufhebende bzw. pufferende Wirkung.
  • Kumulation: Je nach Anzahl der vorhandenen Risiko- und Schutzfaktoren kann eine Situation besser oder schlechter bewältigt werden.
Die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter ist demnach durch eine Vielzahl von biologischen, individuellen sowie soziokulturellen und familiären Risiko- und Schutzfaktoren sowie deren komplexe Wechselwirkung beeinflusst. Ein Faktor des multiplen Zusammenspiels sind die biologischen Faktoren, die sich bespielweise in genetischen und epigenetischen Anlagen zeigen und das Risiko, zu erkranken, erhöhen können (Hohmann et al. 2015). Weiterhin haben prä- (z. B. Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht), peri- (z. B. CTG-Score nach Fischer ≤ 4, Laktat ≥ 8 mmol/l mit der Folge einer 7-tägigen stationären Behandlung) und neonatale (zerebrale Krampfanfälle, neonatale Sepsis) Komplikationen einen deutlichen Einfluss auf die Entwicklung einer psychischen Störung (Esser und Schmidt 2017). Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die starken körperlichen Veränderungen im Rahmen der Adoleszenzentwicklung einen Risikofaktor für das Auftreten einer psychischen Störung darstellen und den Anstieg der Inzidenz in dieser Altersgruppe bedingen. Dabei gehen in der Adoleszenz die hormonellen Veränderungen den psychosozialen Entwicklungen meist voraus. Der Beginn der Pubertät, der Startschuss der körperlichen Entwicklung in der Adoleszenz, ist in den westlichen Industrienationen in den letzten 120 Jahren stetig gesunken. Hierzu zählt die, als säkulare Akzeleration bezeichnete, Verschiebung des Menarchealters vom 17. Lebensjahr auf das 13. Lebensjahr. Es wird angenommen, dass die verbesserte Ernährung und medizinische Versorgung verantwortlich für diese Entwicklung ist. Seit den 1980er- und 1990er-Jahren wird keine Vorverlegung des Menarchealters in den europäischen Ländern mehr festgestellt (Gohlke und Woelfle 2009). Die hypothalamisch-hypophysär-gonodale Achse befindet sich nach der Neugeborenenperiode zunächst in einer Art Ruhephase, deren Stabilität jedoch auf besondere Weise im Sinne einer Co-Regulation durch enge Bindungspersonen erreicht wird. In der Adoleszenz wird diese Achse wahrscheinlich durch das Zusammenspiel einer verminderten Hemmung der Hormonsekretion und wegen der geringen Empfindlichkeit des Hypothalamus gegenüber den vermehrt freigesetzten Sexual- und Wachstumshormonen (z. B. Östradiol, Progesteron, Testosteron) aktiviert (Sisk und Foster 2004). Die tiefgreifende biologische Metamorphose ist neben den hormonellen Veränderungen auch durch weitgreifende Reifungs-und Ausdifferenzierungsprozesse des Gehirns bestimmt, welche sich bis ins junge Erwachsenenalter fortsetzen. Neben der bereits genannten Interaktion zwischen dem Nervensystem und den gonadalen Hormonen wird die neuronale Entwicklung auch durch weitere Wechselwirkungen (z. B. mit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse oder GABAerges System) beeinflusst (Shen et al. 2007). Das heutige Wissen über die neuronalen Entwicklungsprozesse während der Adoleszenz ist vorrangig durch die Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren in den letzten Jahrzehnten möglich. Dadurch kann der Entwicklungsverlauf, welcher sich durch eine Zunahme der grauen Substanz in der Kindheit, mit einem maximalen Volumen in der frühen Adoleszenz und in der Folge einer kontinuierlichen Abnahme zeigt, sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig zur Abnahme der grauen Substanz zeigt sich eine Zunahme der weißen Substanz in der Adoleszenz. Die Ergebnisse sprechen für eine zunehmende Myelinisierung des Gehirns. Als Folge dieses Prozesses gehen in einigen Hirnregionen über 50 % der neuronalen Verbindungen verloren, wobei sich auch neue Verknüpfungen bilden (Giedd et al. 1999). Dieser Prozess verdeutlicht die Chancen, aber auch Risiken der Entwicklungen im Jugendalter vor dem Hintergrund der Umstrukturierung des Gehirns. Besonders stark scheinen präfrontale Strukturen, die bei der Verhaltenskontrolle/-steuerung eine große Rolle spielen, und das limbische System von dieser Umstrukturierung betroffen zu sein. Das Zusammenspiel und die Rolle dieser beiden Strukturen ist maßgeblich für die Emotionsregulation sowie die Steuerung exekutiver Funktionen zuständig.
Im Bereich der individuellen Faktoren sind die Adoleszenten mit einer Reihe von Entwicklungsaufgaben konfrontiert, die sich durch das Zusammenspiel der biologischen Veränderungen des Organismus sowie der eigenen Erwartungen und Anforderungen des sozialen Umfeldes ergeben. Diese Aufgaben unterliegen auch zeitlichen Komponenten. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Shell Jugendstudie (2015) wurden die Entwicklungsaufgaben in vier Bereiche geclustert:
  • Erwerb schulischer und beruflicher Qualifikation,
  • Entwicklung einer Geschlechtsidentität und Aufbau sozialer Bindungen zu Gleichaltrigen,
  • Nutzung von Konsum-, Medien- und Freizeitangeboten sowie
  • Aufbau eines eigenen Wertesystems.
Aufgrund der starken biologischen Veränderungsprozesse und Entwicklungsaufgaben, die die Adoleszenz beinhaltet, wird auch der Begriff der „emerging adulthood“ als eigenständige Entwicklungsphase zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr vorgeschlagen. Besonders charakteristisch ist eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, eine vermehrte Experimentierfreudigkeit und Instabilität des Individuums sowie eine starke Fokussierung auf die eigene Person. Der Adoleszente befindet sich demnach in einem Spannungsfeld, weil er sich nicht mehr als Kind, aber auch noch nicht als „vollwertiger“ Erwachsener fühlt. Vergleichen wir die biologische Entwicklung und die anstehenden Entwicklungsaufgaben, dann wird ersichtlich, dass die Pubertät biologisch gesehen immer früher einsetzt, während der Eintritt in das Berufs- und familiäre Leben auf einen späteren Zeitpunkt verschoben ist. Die individuellen Risikofaktoren sind: Identitätsentwicklung (körperlich und sozial), Autonomieentwicklung (in Bezug auf Familie und Gleichaltrige), Aufbau bzw. Entwicklung eines altersentsprechenden Selbstwertgefühls (körperlich, sozial, individuell). Diese Faktoren stehen im Zusammenhang mit der zunehmenden Differenzierung kognitiver Fertigkeiten sowie der emotionalen Steuerungsfähigkeit und beeinflussen sich wechselseitig.
In Bezug auf die soziokulturellen und familiären Faktoren gibt es durch die BELLA-Studie Hinweise, dass persistierende Familienkonflikte, chronische und/oder psychische Erkrankung eines Elternteils, geringe psychische Lebensqualität der Eltern sowie niedriger sozioökonomischer Status und elterliche Alltagsbelastung im Kindes- und Jugendalter einen hohen prädiktiven Wert für die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten besitzen (Klasen et al. 2017). Weiterhin zeigte sich, dass Kinder alleinerziehender Mütter mit niedrigem Bildungsniveau eher psychisch auffällig werden, wobei das Bildungsniveau den stärkeren Einfluss besitzt (Meyrose et al. 2018). Letzteres hat seine Wirkung auch dadurch, dass in Deutschland ein hoher Zusammenhang zwischen Bildungs- und sozioökonomischem Status besteht. Es kann allerdings nicht nachgewiesen werden, was als Mediator oder Moderator wirken könnte. Weiterhin zeigte sich anhand der Daten der BELLA-Studie, dass Kinder im Vergleich zu Adoleszenten nicht nur über mehr protektive Faktoren verfügen, sondern diese auch effektiver den negativen Einfluss von Risikofaktoren abmildern (Wille et al. 2008). Die Studie verdeutlicht auch, dass es ratsam ist, den Einsatz von Präventionsmaßnahmen anhand der Anzahl der bestehenden Risiko- und Schutzfaktoren für die jeweilige Altersgruppe abzuwägen. Die Mannheimer Risikokinderstudie, die die psychische Entwicklung und ihre Störungen bei Kindern und Adoleszenten bereits mit einem Verlauf von 25 Jahren untersucht, zeigte ähnliche Befunde wie die BELLA-Studie (Übersicht).
Familiäre Risikofaktoren in der Mannheimer Risikokinderstudie (Esser und Schmidt 2017)
  • Belastungen der Eltern:
    • schulische/berufliche Bildung
    • psychische Erkrankung/Belastung eines Elternteils
    • mangelnde Bewältigungsstrategien eines Elternteils
  • Belastungen der Partnerschaft:
    • gestörte Paarbeziehungen
    • frühe Elternschaft
    • alleinerziehendes Elternteil
    • unerwünschte Schwangerschaft
  • Belastungen in der Familie:
    • beengte Wohnverhältnisse
    • mangelnde soziale Integration und Unterstützung
    • chronische Belastungen
Die genannten psychosozialen Risiken können zu einer strukturellen und funktionalen Veränderung, u. a. des frontalen Cortex und der Amygdala-Hippocampus-Region, führen. Dies ist besonders relevant, wenn die widrigen Lebensereignisse zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung stattfinden (Holz et al. 2017). Dass traumatische Erlebnisse wie körperliche Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Missbrauch ein hohes Risiko besitzen, sich negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit auszuwirken, ist ebenfalls bekannt. Studien belegen, dass die Ausbildung von externalisierenden, internalisierenden und psychotischen Symptomen sowie das erhöhte Risiko, eine posttraumatischen Belastungsstörung oder eine Persönlichkeitsstörung (insbesondere Borderline-Persönlichkeitsstörung) zu entwickeln, stark mit Traumata in der Kindheit verbunden ist (Jaffee 2017). Die in diesem Zusammenhang stehenden, vermittelnden neuronalen Prozesse, die für Mediatoren gehalten werden, waren lange Zeit nicht bekannt. Derzeit wird angenommen, dass sich das traumatische Erleben in der Kindheit auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse auswirkt. Genauer gesagt, zeigt sich ein vergrößertes Volumen der Amygdala bei gleichzeitig geringerer Cortisolausschüttung durch die Nebenniere. Diese veränderten Strukturen und Prozesse sind wahrscheinlich durch eine Hyperaktivierung aufgrund der kindlichen Traumata entstanden. Für eine Bestätigung dieser Annahme sind weitere prospektive Längsschnittstudien nötig (Kaess et al. 2018). Ein weiterer soziokultureller Risikofaktor ist das Bullying. Wenn ein Schüler über einen längeren Zeitraum systematisch negativen Handlungen von einem oder mehreren Mitschülern ausgesetzt ist, dann kann posttraumatischer Stress entstehen, welcher schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit besitzt. Verwunderlich ist, dass sich die Forschung im Vergleich zu anderen Bereichen bisher wenig mit Bullying beschäftigt hat. Dementgegen spricht, dass in der Adoleszenz die Gleichaltrigen immer mehr an Bedeutung gewinnen und eine europaweite Studie zeigte, dass Bullying keine Seltenheit ist und 26 % als Täter, Opfer oder Täter und Opfer involviert sind (Craig et al. 2009). Wir haben es demnach mit einem hoch relevanten Risikofaktor zu tun, der durch das sogenannte Cyberbullying auch außerhalb des Schulhofs betroffene Kinder und Adoleszente weiter belastet und in der Folge voraussichtlich die schon schwerwiegenden Auswirkungen noch weiter potenziert. Letztlich soll darauf hingewiesen werden, dass psychische Auffälligkeiten und dysfunktionale Verhaltensweisen die wohl drängendsten Anzeichen für die Entwicklung einer manifesten psychischen Störung darstellen. Spätestens hier besteht die letzte Möglichkeit, im Sinne einer selektiven Prävention die Entwicklung einer manifesten Erkrankung zu verhindern.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Forschung zu Risiko- und Schutzfaktoren in den letzten Jahrzehnten deutlich spezifischer Einflussfaktoren für die Entwicklung einer psychischen Störung benennen kann. Über das Zusammenspiel bzw. die Wechselwirkung ist nach wie vor wenig bekannt. Klar ist allerdings, dass die Berücksichtigung von Risiko- und Schutzfaktoren die Grundlage für eine wirksame Prävention darstellt. Während im Kindesalter, in dem die Anzahl der negativen Faktoren noch geringer und die Wirkung der protektiven Faktoren höher ist, universelle Programme zur Stärkung der Ressourcen und die Stärkung der Familien sinnvoll erscheint, sind im Jugendalter durch den Anstieg der Risikofaktoren und die Abnahme des protektiven Effektes von Schutzfaktoren selektive Maßnahmen wahrscheinlich erfolgversprechender.
Der Begriff Prävention wird im folgenden Kapitel definiert.

Prävention – eine Begriffseinordnung

Prävention bedeutet nach ihrem lateinischen Ursprung „praevenire“ so viel wie zuvorkommen, verhüten. Die vorausschauende Vermeidung gesundheitlicher Probleme sollte sowohl das Ziel beinhalten, Krankheiten zu verhindern, als auch die Gesundheit aufrechtzuerhalten. Nach Caplan (1964) können unter Differenzierung des Zeitpunktes drei Präventionsarten definiert werden:
  • Primärprävention: Das Ziel der Primärprävention ist es, Neuerkrankungen zu verhindern. Dadurch soll die Inzidenz verringert werden, zudem sollen mögliche Risikofaktoren bzw. Auslöser reduziert werden. Die Risikofaktoren unterteilen sich dabei in verhaltensbedingte Auslöser des Individuums und umweltbedingte Auslöser der Gesellschaft. Moderne Primärprävention integriert die Stärkung von Ressourcen bzw. Kompetenzen eines Individuums, um mögliche Risikofaktoren auszugleichen.
  • Sekundärprävention: Das Ziel der Sekundärprävention besteht darin, eine Verschlechterung bzw. Chronifizierung von Symptomen zu verhindern. Dieses Ziel soll durch Früherkennung und in der Folge durch die Einleitung zielgerichteter, wirkungsvoller Intervention verhindert werden. Mit Hilfe von Früherkennungsuntersuchungen sollen mögliche Vorläufer bzw. Risikofaktoren von Erkrankungen bereits in einem frühen Stadium erkannt und dadurch der Entstehung manifester Störungen durch eine frühzeitige Intervention vorgebeugt werden. In der Folge soll die Lebenszeitprävalenz des adressierten Krankheitsbildes verringert werden. Idealtypisch sind dabei: 1) regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, die bereits beim Entstehen subklinischer Störungen ohne längere Wartezeiten in ein 2) ausgewogenes, funktionierendes und spezialisiertes ambulantes bzw. stationäres Setting münden.
  • Tertiärprävention: Das Ziel der Tertiärprävention ist es, bei Individuen, die bereits von einer Erkrankung betroffen sind, eine weitere Verschlechterung der bestehenden Symptomatik zu verhindern und einer Entwicklung von Folgeerkrankungen sowie komorbider Störungen vorzubeugen. Dies beinhaltet auch die Rückfallprophylaxe. Die Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität sollen durch Maßnahmen der Tertiärprävention wiederhergestellt bzw. erhalten werden.
Haggerty und Mrazek (1994) definieren mit ihrer Unterteilung nicht den Zeitpunkt, sondern die Zielgruppe einer Präventionsmaßnahme. Dadurch bilden sich folgende Untergruppen.
  • Universelle Prävention richtet sich an die Gesamtbevölkerung und berücksichtigt keine spezifischen Auftretens- oder Entstehungshäufigkeiten bzw. Risikopopulationen. Das heißt, dass diese Form der Prävention vor allem in Einklang mit der Idee der Gesundheitsförderung steht. Die Aufrechterhaltung von Gesundheit durch die Stärkung von Ressourcen ist hierbei im Vordergrund.
  • Die selektive Prävention richtet sich gezielt an Individuen oder Bevölkerungsgruppen, welche aufgrund von Belastungskonstellationen ein erhöhtes Risiko besitzen, eine Störung zu entwickeln oder bereits erste Symptome bzw. eine beginnende Symptomatik zeigen.
  • Die indizierte Prävention schließt Personen ein, die bereits manifeste Symptome eines Störungsbildes entwickelt haben.
Außerdem kann nach dem Ansatzpunkt bzw. Objekt präventiver Maßnahmen unterschieden werden. Hierbei wird in Verhaltens- und Verhältnisprävention unterteilt:
  • Die Verhaltensprävention setzt direkt beim Individuum an. Das individuelle Gesundheitsverhalten soll durch Informationen, Übungen und Trainings so optimiert werden, dass die Gesundheit erhalten und Neuerkrankungen vermieden werden.
  • Die Verhältnisprävention setzt bei der Veränderung von Umwelt- bzw. Umfeldfaktoren an. Die Gesellschaft hat dabei die Aufgabe Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die gesundheitsförderlich und krankheitsvermeidend sind.
In der Zusammenschau der verschiedenen Formen der Prävention (Abb. 1) können folgende Ziele festgehalten werden: 1) die Erhaltung der Gesundheit, 2) die Verhinderung von Neuerkrankungen, 3) die Früherkennung und gezielte Zuweisung in ein spezialisiertes Behandlungssetting sowie 4) die Verbesserung der Lebensqualität und Funktionsfähigkeit bei chronischen Erkrankungen. Die ganzheitliche Betrachtung der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen verweist auf die Komplexität, präventive Maßnahmen zu entwickeln, durchzuführen und zu evaluieren.
Wie dieser Prozess idealtypisch erfolgen könnte, wird in der Folge dargestellt.

Idealtypische Entwicklung, Evaluation und Implementierung präventiver Maßnahmen

Die ethischen und wissenschaftlichen Richtlinien des „good clinical practice“ (GCP) sollten auch bei der Entwicklung, Implementierung und Beforschung der Prävention gelten. Im Zuge der Vereinheitlichung zwischen den USA, Europa und Japan wurden 1996 die ICH-GCP-Guideline E6 für klinische Forschung erstellt und auch als europäische Leitlinie verabschiedet. Die Vorgaben dieser Richtlinie können angepasst gut auf die Forschung von präventiven Maßnahmen übertragen werden und weisen Parallelen zu den Standards für eine evidenzbasierte Evaluation der Society of Prevention Research (SPR) auf (Flay et al. 2005). Im Folgenden werden Phasen, in Anlehnung an Arzneimittelstudien, definiert, die für den Bereich der Präventionsforschung sinnvoll sind (Abb. 2).
Die Phase 0 stellt dabei die Entwicklung eines Präventionsprogramms dar. Die Entwicklung sollte in einem ersten Schritt die Erkenntnisse aus der Ursachenforschung berücksichtigen. Epidemiologische Daten von Risikogruppen sowie die Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren sind bei der Konzeption einer präventiven Maßnahme wichtige Eckpunkte. Die Inhalte und Methoden sollten demzufolge einen kausalen Zusammenhang zwischen den bestehenden Risiko- und Schutzfaktoren der entsprechenden Erkrankung aufweisen. Das Ziel der Prävention ist eine Beeinflussung beider Faktoren, die idealtypisch durch eine Operationalisierung (z. B. mit Hilfe testpsychologischer Verfahren) sichtbar gemacht werden kann. Letztlich sollte das Präventionsprogramm in der Entwicklung die Sichtung bereits bestehender Programme und Studien beinhalten. Dadurch können Fehler vermieden und ggf. Inhalte funktionierender Programme übernommen werden.
Innerhalb der Phase I geht es um die erstmalige Anwendung des Programms für die entsprechende Zielgruppe. Es erscheint sinnvoll, ein von Wissenschaftlern entwickeltes Programm auf seine Feasibility zu überprüfen. Dabei sollte in der Zielgruppe die Anwendbarkeit/Durchführbarkeit sowie die Compliance überprüft werden. Außerdem sollte eine Absicherung hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen erfolgen.
Die Phase II beinhaltet die Untersuchung der Wirksamkeit im Sinne der Efficacy. Dabei wird das entwickelte Präventionsprogramm mit Hilfe eines systematischen Studiendesigns (randomisierte, kontrollierte Studie) untersucht. Besonders wichtig ist, dass eine hohe Qualität der Implementierung des Programms besteht. Das bedeutet, dass neben einem ausführlichen Training des Konzepts ein Manual für die Durchführenden vorliegt. Eine Adhärenzprüfung kann absichern, dass die Inhalte eines Programms, so wie im Behandlungsmanual vorgesehen, umgesetzt werden. Parallel sollte überprüft werden, inwiefern die implementierten Inhalte von den Teilnehmern des Programms auch in den Alltag übertragen bzw. umgesetzt werden. Diese hohe Standardisierung soll mögliche konfundierende Variablen, die einen Einfluss auf das Outcome haben könnten, gering halten. Kurz gesagt, überprüfen Studien mit dem Schwerpunkt Efficacy mit Hilfe eines exzellenten Studiendesigns und durch speziell geschulte Durchführende, ob ein Programm wirksam ist oder nicht. Eine Fallzahlschätzung für eine ausreichende Stichprobengröße ist dringend anzuraten. Ist das Programm nicht wirksam, könnte eine Veränderung oder Anpassung der Inhalte oder Dosis (im Sinne der Anzahl der Termine) erfolgen, und eine Wiederholung der Phase II wäre notwendig.
Ist ein Programm wirksam, dann könnte die Phase III, die Evaluation der Wirksamkeit im Sinne der Effectiveness, stattfinden. Das Ziel hierbei ist es festzustellen, inwiefern das bereits als wirksam nachgewiesene Programm seine Effektivität unter „real-world“-Bedingungen beibehält. Beispielsweise wird überprüft, ob ein Präventionsprogram, welches ursprünglich durch Fachkräfte (Mediziner, Psychologen) durchgeführt wurde, seine Wirksamkeit behält, wenn es durch Lehrkräfte umgesetzt wird. Die Frage dabei ist, ob eine Lehrkraft mit der Vielfältigkeit der alltäglichen Aufgaben und Aufträge sowie einem geringen Budget an Zeit und Vorbereitung ein Programm genauso ausführen kann, wie davor ein Psychologe in einem spezialisierten Forschungsprogramm. Kurz gesagt, wird überprüft, ob ein Präventionsprogramm nur in einem wissenschaftlichen Setting wirksam ist oder im Alltag seine Effektivität behält. Stellt sich in der Phase III keine Wirksamkeit ein, dann müsste das Programm gegebenenfalls verändert und angepasst werden, um eine Implementierung in ein bestehendes Umfeld zu ermöglichen.
Letztlich kann die Phase IV mit dem Begriff der „broad dissemination“ gleichgesetzt werden. Es geht dabei um eine flächendeckende Implementierung eines Präventionsprogramms. Die Forschung in diesem Bereich ist komplex, weil einerseits die Infrastruktur untersucht wird, die das Programm in die Fläche bringt, und gleichzeitig überprüft wird, ob die Wirksamkeit eines Programms im Sinne der effectivness immer noch gegeben ist. Kurz gesagt, soll überprüft werden, ob ein Programm, welches an tausenden von Teilnehmern durchgeführt wird, die Wirksamkeit behält. Es ist die Frage, inwieweit eine Vereinfachung dieses Phasenmodells möglich ist, da auch Präventionsprogramme Nebenwirkungen besitzen (Bonell et al. 2015). Daher ist ein fundiertes Vorgehen anzuraten. Die Komplexität des beschriebenen idealisierten Vorgehens zeigt auch, dass eine Kosten- und Nutzenanalyse sinnvoll ist, um abzuwägen, wie bei der Entwicklung, Evaluation und Implementierung eines Programms vorgegangen werden sollte.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Goldstandard für die Entwicklung von Präventionsprogrammen in Anlehnung an klinische Arzneimittelstudien wünschenswert wäre. Realistisch gesehen sind wir derzeit noch weit von dieser fundierten Form der Präventionsforschung entfernt. Wobei bereits einige Arbeitsgruppen weltweit die Grundzüge der genannten Richtlinien berücksichtigen.
In der Folge wird die Prävention von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter für konkrete Störungsbilder näher beschrieben. Eine Übersicht der Präventionsmaßnahmen für alle kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbilder übersteigt den Umfang des Kapitels. Im Abschn. 5 wird wieder Bezug auf die idealisierten Standards genommen, um zu überprüfen, inwiefern diese bereits umgesetzt wurden bzw. eine Umsetzung überhaupt möglich ist.

Prävention im Kindes- und Jugendalter – Eine Bestandsaufnahme

Präventionsmaßnahmen im Bereich Essstörungen

Essstörungen zählen zu den schwerwiegendsten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen. Sie verlaufen häufig chronisch, sind schwer zu behandeln und oft begleitet von schweren somatischen Komplikationen sowie einer hohen Morbidität und Mortalität (Arcelus et al. 2011; Smink et al. 2013). Die Unzufriedenheit mit dem Körper, negativer Affekt sowie ein niedriges Selbstwertgefühl, im Besonderen gegenüber der eigenen Figur und dem eigenen Gewicht, sind Prädiktoren für die Entwicklung von essstörungsspezifischen Verhaltensweisen (Jacobi et al. 2011). Epidemiologische Studien in Deutschland zeigen, dass ca. 20 % der Kinder und Jugendlichen von essstörungsspezifischen Verhaltensweisen betroffen sind (Hammerle et al. 2016). In diesem Zusammenhang zeigt sich in der frühen und mittleren Adoleszenz auch eine leichte Steigerung der Inzidenz in den letzten Jahrzehnten (Swanson et al. 2011). Diese Datenlage verweist auf die Notwendigkeit, durch den Einsatz von geeigneten Präventionsprogrammen, den Entwicklungen entgegenzuwirken. Die ersten Schritte der Prävention von Essstörungen waren wenig vielversprechend.
Austin (2000) beschrieb in ihrem Review von 20 Studien, dass drei der Präventionsprogramme zu einer Erhöhung von essgestörten Verhaltensweisen geführt hatten und ein Großteil keine Wirksamkeit nachweisen konnte. Erfreulicherweise zeigte sich sieben Jahre später durch die Metaanalyse von Stice et al. (2007), dass 51 % der Studien zu einer signifikanten Reduktion mindestens eines Risikofaktors führten. Einschränkend muss angemerkt werden, dass nur bei knapp einem Drittel der Studien eine signifikante Verminderung von essstörungsspezifischen Symptomen erreicht werden konnte. Die wirksamen Studien wiesen die in der Übersicht aufgeführten Merkmale auf.
Prädiktoren für wirksame Prävention im Bereich Essstörungen nach Stice et al. (2007)
  • Selektive vs. (universelle) Prävention
  • Interaktive vs. (didaktische – im Sinne eines psychoedukativen Frontalunterrichts) Methoden
  • Professionelle (Ärzte/Psychologen) vs. geschulte (Lehrkräfte/Sozialarbeiter) Durchführende
  • Multisession vs. (Single-Session) bzgl. der Anzahl der Sitzungen
  • Prävention über dem 15. Lebensjahr
Weiterhin wurde deutlich, dass die sogenannten „covered“ Präventionsprogramme, die nicht offen thematisierten, dass sie die Reduktion essstörungsspezifischer Risikofaktoren und Verhaltensweisen zum Ziel haben, Programmen mit rein psychoedukativem Inhalt deutlich überlegen sind. Die Effektstärken der Essstörungsprävention sind als gering einzuschätzen, und die Mehrzahl der Studien weist erhebliche methodische Schwächen auf. Das Cochrane Review von Pratt und Woolfenden (2010) unterstreicht dies und zeigt, dass die Qualität und Wirksamkeit der Prävention von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen nicht gegeben ist (Pratt und Woolfenden 2010). So hielten nur zwölf Studien den Gütekriterien stand und lediglich zwei Studien konnten durch eine Reduktion im Bereich verminderte Internalisierung des Schönheitsideals, aber nicht für ein essstörungsspezifisches Verhalten, einen Effekt im Vergleich zu einer Kontrollgruppe erzielen (Kusel 1999; Neumark-Sztainer et al. 2000). Weiterhin zeigt sich eine unzureichende Evaluation der Wirksamkeit. So werden beispielsweise Risikofaktoren für Essstörungen erhoben und eine differenzielle Untersuchung auf Ebene der Symptomkriterien nach ICD-10/DSM-5 findet häufig nicht statt. Daher ist nicht klar, ob die Programme wirklich vor einer manifesten Essstörung schützen. Zusätzlich muss angemerkt werden, dass bei wirksamen Programmen eine Übertragung der Ergebnisse im Sinne der Effectiveness nur vereinzelt erfolgt. Das heißt, es ist unklar, ob eine Durchführung mit geschultem Personal im Alltag noch eine Wirksamkeit zeigt. Es ist anzunehmen, dass viele der Studien unter „real world“-Bedingungen und mit einem vertretbaren Budget nicht durchführbar sind.
Die bisherigen Metaanalysen verweisen darauf, dass die selektive Prävention ab dem 18. Lebensjahr derzeit die stärkste Wirksamkeit besitzt. Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Intervention von bereits betroffenen Gruppen per se höhere Effektstärken erzielt, da gesunde Teilnehmer auf der Symptomebene bzw. mit den vorhandenen Messverfahren im Sinne des „floor effects“ scoren. Dadurch sind nur geringe Veränderungen messbar und demzufolge kann nur eine geringe Effektstärke erzielt werden. Eine Fallzahlschätzung bei der Konzeption der Studie wäre notwendig, um die Anzahl der Teilnehmenden entsprechend anzupassen. Derzeitige Studien zur Evaluation universeller Prävention sind in der Regel „underpowered“. Erst nach Korrektur dieses Problems macht eine zielgerichtete Aussage über die Wirksamkeit universeller Maßnahmen Sinn. Betrachten wir den derzeitigen Stand der Forschung, dann zeigt sich außerdem, dass 85 randomisierte, kontrollierte Studien an weiblichen Hochrisikogruppen über 15 Jahre publiziert wurden und im Vergleich lediglich 13 randomisierte, kontrollierte Studien mit universellen Präventionsmaßnahmen unter dem 15. Lebensjahr existieren. Dieses Ergebnis verstärkt den Unterschied der Wirksamkeit zwischen universeller und selektiver Prävention und ist, da der Erkrankungsgipfel sowohl für essstörungsspezifische Verhaltensweisen als auch manifeste Essstörungen zwischen dem 14. und 17. Lebensjahr liegt, überraschend. Der Beginn der Prävention sollte kurz vor diesem Zeitpunkt ansetzen. Neuere Programme für Kinder und Jugendliche, wie beispielsweise „Life Smart“ (Wilksch 2015); „MABIC-Project“ (Sanchez-Carracedo et al. 2016) oder „MaiStep“ (Mainzer Schultraining zur Essstörungsprävention) (Buerger et al. 2019), versuchen diese Lücke zu schließen. Diese Programme haben gemeinsam, dass sie protektive Verhaltensweisen bzw. „Life-Skills“ (z. B. Umgang mit Emotionen und gewichtsbezogenem Mobbing, Selbstwertstärkung) durch interaktive Programminhalte aufbauen und stärken, um damit die Auswirkung von Risikofaktoren abzupuffern. Die Programme zeigen durch die Reduktion von figur- und gewichtsbezogenen Sorgen, die Verminderung der körperlichen Unzufriedenheit und des gewichtsbezogenen Mobbings sowie die Verbesserung von anorektischem Essverhalten, dass auch die universelle Prävention in Schulen wirksam ist. In einer der bisher wohl aufwendigsten randomisierten, kontrollierten Studien verglichen Wilksch und Kollegen (2015) drei wirksame Präventionsprogramme („Life Smart“, „Media Smart“, „HELPP“ [Helping, Encouraging, Listening and Protecting Peers]). Das Programm „Media Smart“ erwies sich am wirksamsten für den Einsatz sowohl bei Essstörungen als auch Adipositas. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass auch Präventionsprogramme mit dem Schwerpunkt „media literacy“ (Förderung der Medienkompetenz in Bezug auf die Internalisierung des wesentlichen Schönheitsideals) für das Kindes- und Jugendalter einen protektiven Wert besitzen (Wilksch 2015). Letztlich soll darauf verwiesen werden, dass auch Programme mit dem Ansatz der „kognitiven Dissonanz“ erfolgversprechend sind (Adametz et al. 2017). Hierbei wird versucht, über widersprüchliche Informationen Diskussionen anzuregen und Einspruch zu provozieren. Diese Methode wurde bereits im Rahmen der Prävention von Substanzmissbrauch genutzt, um eine Änderung der Einstellung und des Verhaltens zu erzielen. Das heißt, es werden beispielsweise die Gründe einer Person dargestellt, Drogenmissbrauch zu betreiben. Die Teilnehmer sollen dadurch angeregt werden, die Sinnhaftigkeit dieses bzw. ihres eigenen Verhaltens zu hinterfragen. Während die Erfolge für das junge Erwachsenenalter deutlich belegt sind (Stice et al. 2017), ist die Wirksamkeit für den Bereich der Essstörungen aufgrund methodischer Schwächen bisheriger Studien im Kindes- und Jugendalter noch abzuwarten. Eine vielversprechende Möglichkeit der Prävention stellt sicherlich der Einsatz von internetbasierten Methoden dar. Bisher ist eine verbesserte Wirksamkeit der internetbasierten Prävention allerdings nicht nachgewiesen. So zeigte sich bei Studierenden ein klarer Vorteil der „face-to-face“-Prävention des Programms „Body Project“, auch wenn dieses durch peer coaches durchgeführt wurde (Stice et al. 2017). Bei der Durchführung eines gestuften internetvermittelten Ansatzes („Young Es[s]prit“) mit Schülern der 7.–10. Klassenstufe zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Es bleibt abzuwarten, inwiefern weitere Projekte eine Wirksamkeit von internetbasierten Präventionsmaßnahmen nachweisen können.
Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Prävention von Essstörungen geringe Effektstärken nachweisen kann. Derzeit zeigt die selektive Prävention von weiblichen Betroffenen über dem 18. Lebensjahr die stärkste Wirksamkeit. Kritisch muss angemerkt werden, dass die Evaluation eine Erhebung der Symptomkriterien nach ICD10/DSM-5 vermissen lässt und dadurch der protektive Wert für viele Programme fragwürdig ist. Bezüglich der Inhalte und Methoden zeigt sich erfreulicherweise eine Diversität („life-skill“-Ansatz, media literacy, kognitive Dissonanz), die viele Zugangswege zur Verhinderung essstörungsspezifscher Verhaltensweisen annehmen lässt. Hierbei ist zukünftig eine Evaluation wünschenswert, die Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einzelner Programminhalte zulässt. Bei der Evaluation der Wirksamkeit ist eine Messung möglicher Nebenwirkungen dringend anzuraten, da speziell im Bereich der Essstörungen anhand der Befunde Anfang der 1990er-Jahre die Gefahr besteht, dass der vermeintliche Schutz zu einer Erhöhung der Inzidenzen führen kann.

Präventionsmaßnahmen im Bereich Angststörungen und Depression

Insgesamt 90 Millionen Menschen sind in Europa an einer Depression oder Angststörung erkrankt (Beesdo-Baum und Knappe 2012; Wittchen et al. 2011). Der volkswirtschaftliche Schaden für diese Erkrankungen wird für die europäischen Staaten jährlich mit 192 Milliarden Euro geschätzt (Beesdo-Baum und Knappe 2012; Sobocki et al. 2006). Bereits 20 % der Adoleszenten sind vor dem 18. Lebensjahr an einer Depression oder Angststörung erkrankt (Costello et al. 2003). Angststörungen im Kindesalter erhöhen nicht nur das Risiko für eine Chronifizierung im Erwachsenenalter, sondern begünstigen die Entwicklung komorbider psychischer Störungen (besonders von Depressionen) sowie Suizidalität und psychiatrischer Hospitalisierung (Beesdo-Baum und Knappe 2012). Derzeit wird davon ausgegangen, dass nur 15 % der Patienten mit einer Angststörung eine leitliniengerechte Behandlung erhalten. Der frühe Beginn einer depressiven Erkrankung steht in Zusammenhang mit schlechten klinischen Verläufen, niedrigem sozioökonomischem und akademischem Status, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Suizidalität, sexuellem Risikoverhalten sowie somatischen Gesundheitsproblemen. Bereits das Bestehen subklinischer depressiver Symptome bei Adoleszenten, die noch nicht klinisch behandlungsbedürftig sind, sorgt für eine Verschlechterung des psychosozialen Funktionsniveaus und erhöht das Risiko, ohne präventive Maßnahmen an einem Vollbild zu erkranken (Bertha und Balazs 2013). Viele der betroffenen Adoleszenten finden aus den verschiedensten Gründen (erkennen die Symptome nicht als Störung an; haben Angst vor einer Stigmatisierung; sind nicht informiert, an wenn sie sich wenden können) nicht den Weg zu einer adäquaten Anlaufstelle für ihre Probleme. Der Einfluss von Informationsmaterialien, sich in ein entsprechendes Setting zu begeben, scheint keine signifikante Veränderung dieses Verhaltens zu bewirken (Gulliver et al. 2012). So bleibt vielen die dringend benötigte Hilfe verwehrt. Diese epidemiologischen Fakten unterstreichen, dass der Einsatz von präventiven Maßnahmen notwendig ist, um diesen schwerwiegenden Verläufen vorzubeugen und gegebenenfalls frühzeitig in geeignetes Behandlungssetting zu überweisen.
Erfreulich ist, dass im Bereich der Prävention von Angststörungen und Depressionen zahlreiche Studien existieren. Das aktuelle Review von Werner-Seidler und Kollegen (2017) unterstreicht dies und zeigt mit 90 randomisierten Studien ein intensives Forschungsfeld. Die Effektstärken für die Prävention der Depression sind als gering zu bezeichnen (Hedges g = .23). Die Wirksamkeit der Programme scheint mit Abstand zur Durchführung abzunehmen, da die Effekte im Follow-up > 12 Monate geringer werden (Hedges g = .11) (Werner-Seidler et al. 2017). Merry und Kollegen (2012) sprachen in ihrem Cochrane Review daher nicht von einer Verminderung, sondern nur von einer Abschwächung bzw. Verzögerung depressiver Symptome im Hinblick auf die Ergebnisse der Langzeiterhebungen. Von insgesamt 53 Studien verminderte sich die Anzahl von 15 wirksamen Programmen zum Messzeitpunkt der Postintervention auf zwei gering wirksame Programme zum Messzeitpunkt nach 24 Monaten und auf ein Programm nach 36 Monaten. Hierbei sollte erwähnt werden, dass lediglich 21 der ursprünglich 53 Studien einen Zeitraum von 36 Monaten untersuchten. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Dauer des Untersuchungszeitraums in fast allen Studien verlängert werden sollte, da eine Wirksamkeit nur dann besteht, wenn diese über einen langen Zeitraum nachgewiesen werden kann.
Im Bereich der Angststörungen zeigen sich ebenfalls niedrige Effektstärken direkt nach einer Intervention (Hedges g = .20) bzw. bei Langzeituntersuchungen > 12 Monate (Hedges g = .13). Das Absinken der Wirksamkeit scheint auch hier auffällig. Insgesamt wiesen nur 5 Studien ein Follow-up von mindestens 12 Monaten auf. Parallel zur Prävention bei Depressionen zeigt sich hier eine Schwachstelle der laufenden Studien. Die Prüfung der Wirksamkeit über einen längeren Zeitraum ist dringend erforderlich, um nachzuweisen, inwiefern eine Wirksamkeit längerfristig gegeben ist. Die abnehmenden Effektstärken könnten durch eine Verringerung der protektiven Wirkung der Maßnahme, aber auch durch die Verminderung der Strichprobengröße aufgrund von Drop-outs bedingt sein. Beide Faktoren können nur systematisch untersucht werden, wenn Nachuntersuchungen mit entsprechendem Abstand zur Intervention stattfinden. Bei nachlassender Wirksamkeit könnten Booster-Sessions wieder in den Unterricht eingebaut werden oder via Online-Tutorials protektiv wirkende Faktoren stabilisiert bzw. ihre Wirkung verstärkt werden. Letztlich sollte erwähnt werden, dass das Outcome der Studien sowohl im Bereich Depression als auch Angststörungen mit der Dauer der bestehenden psychopathologischen Verhaltensweisen und Kognitionen konfundiert ist. Sind diese noch nicht verfestigt und stabil, hat die präventive Arbeit eine deutlich größere Aussicht auf Erfolg.
Niedrige Effektstärken im Bereich der Prävention müssen nicht zwangsläufig mit einer niedrigen Wirkung einhergehen. Wenn die Wirksamkeit in der Gesamtpopulation gemessen wird, dann können die Effekte meist nur niedrig sein, da nur ein kleiner Teil der Gruppe betroffen ist und somit auch nur bei einem kleinen Teil der Population ein maximaler Nutzen nachweisbar sein wird. Dass sich dennoch ein Nutzen zeigt, wird dadurch belegt, dass das Ausmaß der internalisierenden Symptome bei den Betroffenen im Durchschnitt 6–9 Monate nach Durchführung des Programms um 53 % rückläufig ist (Stockings et al. 2016). Steigt die Anzahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Population, so erhöht sich auch die Effektgröße. Letzteres verleitet zu der Annahme, dass die selektive Prävention immer wirksamer sein muss. Der deutliche Vorteil selektiver Programme, welcher noch in früheren Reviews beschrieben wurde (Munoz et al. 2010), zeigte sich im aktuellen Review von Werner-Seidler et al. (2017) in deutlich abgeschwächter Form bzw. gar nicht mehr. Hier waren selektive Programme im Bereich Depression zum Postzeitpunkt noch überlegen. Diese Überlegenheit zeigte sich bei den Follow-up-Erhebungen nicht mehr. Im Bereich der Angststörungen hingegen zeigte sich die gleiche Wirksamkeit für universelle und selektive Prävention, unabhängig vom Erhebungszeitpunkt. Im Vergleich zur Prävention von Essstörungen existieren im Bereich Angststörungen und Depressionen deutlich mehr Studien über die universelle Prävention mit deutlich jüngeren Populationen. Die Prävention von Ängsten setzt bereits im Grundschulalter ein. Die Notwendigkeit eines frühen Einsatzes von Prävention liegt darin begründet, dass eine protektive Wirkung dann am sinnvollsten ist, wenn die psychische Störung noch nicht begonnen hat bzw. nur wenige positive Fälle nachzuweisen sind und ein Erkrankungsgipfel noch bevorsteht. Die Wirksamkeit bei der Prävention von Angststörungen und Depressionen war dieser Annahme folgend in der Kindheit sowie frühen und mittleren Adoleszenz deutlich höher als in der späten Adoleszenz. Demzufolge ist anzuraten, im Bereich der Depression zwischen dem 11. und 14. Lebensjahr und bei der Angststörung vor dem 10. Lebensjahr mit Präventionsmaßnahmen zu beginnen.
Weitere Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit werden folgend benannt. Die Metaanalyse von Werner-Seidler und Kollegen (2017) verweist bei den Durchführenden auf eine höhere Wirksamkeit für Psychologen im Vergleich zu Lehrkräften. Dieser Vorteil im Bereich der Depression konnte im Review von Brunwasser und Garber (2016) nicht bestätigt werden, und im Bereich der Angststörungen waren Lehrkräfte bei Kindern im Grundschulalter sogar effektiver. Es wird angenommen, dass unbekannte Erwachsene Kinder im Grundschulalter eher irritieren und damit Lernprozesse stören. Dass auch der Computer ein Präventionsprogramm durchführen kann, ist nachgewiesen. Die Wirksamkeit dieser kostengünstigen Variante kann für den Bereich der Angststörungen und Depression bisher nicht bestätigt werden. Bisher existieren zwei Studien mit geringem Wirksamkeitsnachweis (Calear et al. 2009; Wong et al. 2014). Ein Kritikpunkt ist, dass es keinen Vergleich mit einer face-to-face-Bedingung gab, sondern gegen eine Wartekontrollgruppe getestet wurde. Bezüglich der Inhalte der Programme zeigt sich eine deutliche Überlegenheit der kognitiv behavioralen Therapie (z. B. „Feelings Club“ [Manassis et al. 2010]; „Friends“ [Shortt et al. 2001]), die mit 84 % auch am häufigsten in den Studien untersucht wurde. Derzeit ist allerdings unklar, was genau bei diesen Programmen die Veränderung im Verlauf hervorruft. Hierfür sind weitere Studien notwendig.
Die Qualität der Studien bewerten Werner-Seidler (2017) als mittelmäßig bis schlecht. Achtzig der 81 Studien, die in die Metaanalyse eingingen, wiesen mindestens einen Bias (Verzerrung) auf. Herbei wird vor allem die Qualität der Randomisierung diskutiert. Im Rahmen der Pharmaka- und Psychotherapieforschung wird personenweise randomisiert. In der Präventionsforschung an Schulen wird die Gefahr gesehen, dass durch eine personenweise Randomisierung Mitschüler Zugang zu Inhalten und Materialien erhalten und in der Folge Interventionseffekte wirken, die ursprünglich getrennt voneinander untersucht werden sollten. Dieser Effekt wird als „school wise contamination“ bezeichnet. Es wird daher diskutiert, inwiefern eine Randomisierung im Bereich der schulbasierten Prävention schulweise erfolgen sollte. Insgesamt zeigt sich bei den Studien im Bereich Angststörungen und Depression, dass sich eine Verbesserung der Studienqualität ergeben hat, seitdem viele Journals eine Veröffentlichung von Studienprotokollen fördern und auch Präventionsstudien ihr Design vor der Durchführung registrieren (z. B. Deutschs Register Klinischer Studien [DRKS]).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei der Prävention von Angststörungen und Depressionen die universelle Prävention an Schulen erfolgversprechend erscheint. Wie bei der Prävention von anderen psychischen Störungen zeigen sich geringe Effektstärken. Eine Schwäche vor allem bei der Prävention von Angststörungen ist, dass die Untersuchungszeiträume kurz sind und somit wenig über die langfristige Wirksamkeit der Programme bekannt ist. In der Durchführung sind Professionelle überlegen und kognitiv behaviorale Inhalte erscheinen am effektivsten. Wünschenswert ist, in weiteren Forschungsbemühungen den Bias der Studien gering zu halten und die Wirkungsweise zu untersuchen. Das heißt, die Anteile von Programmen zu identifizieren, welche mit der Wirksamkeit eines Programms in Verbindung stehen. Sowohl die Adhärenz der Durchführenden als auch die Compliance der Teilnehmer sollte stärker berücksichtigt und evaluiert werden. Obwohl Werner-Seidler et al. (2017) die Qualität der randomisierten, kontrollierten Studien als gering einschätzen, zeigt die Prävention im Bereich Angststörungen und Depressionen erfreulicherweise eine große Anzahl von Studien und ein intensives Interesse der Forschergruppen, aktiv zur Verminderung der Störungsbilder beizutragen.

Präventionsmaßnahmen im Bereich Suizidalität

Über 800.000 Menschen sterben weltweit jährlich an einem vollendeten Suizid. Das bedeutet, dass sich alle 40 Sekunden ein Mensch das Leben nimmt. Die Zahl der Suizidversuche liegt deutlich höher und kann nicht genau bestimmt werden. Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Nach Schätzungen der WHO (2018) wird angenommen, dass ca. 16 Millionen Suizidversuche weltweit jährlich verübt werden. Zwischen dem 15. und 29. Lebensjahr ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache und war über die gesamte Lebensspanne mit 1,4 % aller Todesfälle 2016 die 18-häufigste Todesursache weltweit (WHO 2018). Es kann, wie bei anderen psychischen Störungen, von einem Diathese-Stress-Modell ausgegangen werden. Prädiktoren, die beispielsweise einen starken Einfluss auf das Risiko für einen Suizid/Suizidversuch nehmen, sind genetische Disposition, vorausgegangene Suizidversuche, regelmäßige Selbstverletzung, Substanzmissbrauch/-abhängigkeit, das Vorhandensein einer psychischen Störung (insbesondere Depression), das Erleben traumatischer Lebensereignisse (z. B. sexueller Missbrauch, psychische/körperliche Misshandlung, Krieg) sowie niedriger sozioökonomischer Status (Turecki und Brent 2016). Die Forschung hinsichtlich der Prävention von Suiziden ist brisant. Die Gegenüberstellung von Interventionsformen und damit die Inkaufnahme erhöhter Suizidraten in einer der Untersuchungsgruppen muss ethisch diskutiert werden. Gesellschaftspolitisch wird der Verhinderung von Suiziden vor allem in den westlichen Industrieländern eine hohe Priorität eingeräumt (WHO 2008). Trotz dieser beunruhigenden Zahl ist Suizidalität im Kindes- und Jugendalter immer noch ein „tabuisiertes“ Thema und sorgt für Unsicherheit im Umgang mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Ein Suizidversuch bei weiblichen Jugendlichen vor dem 18. Lebensjahr erhöht das Risiko für einen weiteren Suizidversuch im jungen Erwachsenenalter um das 17-Fache (Gibb et al. 2005). Ein vollendeter Suizid kommt somit nicht „aus heiterem Himmel“. Die epidemiologischen Daten sprechen dafür, dass der Suizidprävention ein besonderer Stellenwert bei der Verhinderung der schwersten Folge einer psychischen Störung zukommt. Bei der Durchsicht der derzeitigen Studienlage wird deutlich, dass nur wenige qualitativ hochwertige Studien existieren, was eine klare Aussage über die Wirksamkeit der derzeitigen präventiven Bemühungen erschwert.
Die schulbasierte Prävention von Suizidalität „generating much heat but little light“, wird treffend von Brent und Brown (2015) bemerkt. Die bislang aufwendigste Studie SEYLE (Saving and Empowering Young Peoples Live) verglich in einem vierarmigen clusterrandomisiert kontrollierten Design drei der am häufigsten eingesetzten Präventionsformen mit einer Wartekontrollgruppe bei 11.110 Schülern aus 10 europäischen Ländern (Wasserman et al. 2015). Ein Arm untersuchte das sogenannte ProfScreen. Hierbei handelt es sich um ein zweistufiges Vorgehen. Dabei werden in einem ersten Schritt über einen Screeningfragebogen Schüler ausgewählt, die ein potenzielles Risiko für Suizidalität aufweisen, und in einem zweiten Schritt wird dieses Risiko in einem persönlichen Kontakt mit einem Psychiater oder klinische Psychologen eingeschätzt und gegebenenfalls in ein entsprechendes Behandlungssetting überwiesen (Kaess et al. 2014). In einem zweiten Arm wurde das Gatekeeper Training QPR (Question, Persuade and Refer) durchgeführt, bei dem Schulpersonal ausgebildet wurde, Adoleszente mit einem Suizidrisiko zu erkennen, anzusprechen und in ein adäquates Setting zu überweisen. In einem weiteren Behandlungsarm wurde eine universelle Prävention für psychische Gesundheit YAM (Youth Aware of Mental Health Program) eingesetzt, welche die Wahrnehmung sowie Copingstrategien zum Umgang mit Depression, Angst und Suizidalität verbessern sollte. Überraschenderweise zeigte sich lediglich bei YAM mit einer Halbierung der Suizidgedanken und -versuche eine signifikante Wirksamkeit im Vergleich zur Wartekontrollgruppe. Dass universelle Prävention im Bereich der Schule wirksam ist, kann ebenfalls durch SOS (Signs of Suicide) belegt werden. Das Programm vermittelt die Verbindung zwischen psychischen Störungen und Suizidalität und trainiert Verhaltensweisen, um sich selbst zu helfen oder Hilfe aufzusuchen. SOS konnte die Inzidenz von selbst berichteten Suizidversuchen im Vergleich zur Kontrollgruppe ebenfalls deutlich reduzieren (Aseltine et al. 2007). Die Verminderung stand nicht in Verbindung mit dem Aufsuchen eines Helfersystems, sondern beruht auf einem anderen Wirkpfad, der bisher allerdings noch nicht bekannt ist. Ein weiterer erfolgversprechender Ansatz ist das Good Behavior Game, welches bei 6- bis 7-jährigen Kindern durch Lehrkräfte durchgeführt wurde. Hierbei wird in einem spielerischen Ansatz durch Kontingenzmanagement maladaptives (vor allem aggressives und dissoziales) Verhalten vermindert und sozial angemessenes Verhalten bestärkt. Fünfzehn Jahre später konnte neben der Reduktion von antisozialem Verhalten eine Reduktion von Suizidgedanken und -versuchen erreicht werden (Wilcox et al. 2008). Besonders hervorzuheben ist, dass das Programm ursprünglich für die Reduktion von antisozialen Verhaltensweisen und einer Verminderung von Substanzmissbrauch entwickelt wurde. Daher ist anzunehmen, dass eine Verminderung von Risikofaktoren und ein Aufbau von protektiven Faktoren im Bereich der Prävention ein Wirkprinzip darstellt. Wie bei allen universellen Präventionen muss trotz der Erfolge vor allem bei der Suizidprävention auf die Kosten-Nutzen-Relation beim Einsatz der Programme verwiesen werden. So war das Verhältnis bei YAM beispielsweise 1:90. Das heißt, es müssen 91 Schüler das Programm durchführen und nur einer profitiert von der Prävention. Weiterhin ist bei keiner der schulbasierten Programme untersucht worden, ob bei Schülern, die bereits einen Suizidversuch begangen haben, die gleiche Wirksamkeit gegeben ist (Brent und Brown 2015). Zum einen ist es wichtig, gerade diese Jugendlichen gezielt zu erreichen, und zum anderen wurde in älteren Studien eine Erhöhung von selbst berichteten Suizidversuchen bei diesem Klientel berichtet. Zusammenfassend kann für den Bereich der schulbasierten Suizidprävention festgehalten werden, dass insgesamt 17 Studien existieren, von denen drei als wirksam eingestuft werden können. Mit Seyle und SOS wiesen lediglich zwei Studien nur geringe methodische Limitationen auf.
Es wurde bereits auf die Rolle von Gatekeepern für die Suizidprävention verwiesen. Die Inhalte des Trainings finden sich in der Übersicht. Derzeit existieren 40 verschiedene Gatekeeper-Programme (Wilcox und Wyman 2016). Während Mann und Kollegen (2005) noch von einer Wirksamkeit dieser Form der Prävention sprechen, verweisen Zalsman et al. (2016) darauf, dass das Gatekeeper-Training ohne eine zusätzliche Intervention bis dato keinen signifikanten Einfluss auf die Suizidgedanken oder -versuche hat. Ein Manko der Studien ist, dass sie untersuchen, inwiefern die Gatekeeper beispielsweise höheres Selbstwirksamkeitserleben entwickeln, mehr Wissen über Suizidalität erlernen oder das Suizidrisiko bei einem Jugendlichen besser erkennen. Der Schwerpunkt liegt nicht darauf, ob und wie Gatekeeper Suizidgedanken, -versuche und vollendete Suizide bei Betroffenen vermindern. Somit ist keine wirkliche Aussage über den Erfolg der Methode möglich. Letztlich muss angemerkt werden, dass fast alle Studien kein Helfersystem zur Unterstützung der Gatekeeper bereitstellten, um ein funktionierendes Notfallprozedere einzuleiten, in dem eine Klinik mit entsprechendem Fachpersonal involviert war.
Inhalte des Gatekeeper-Trainings
  • Erhöhung des Wissens über Suizidalität
  • Verbesserung des Glaubens an die Wirksamkeit von Suizidprävention
  • Verminderung der Sorge, jemanden auf Suizidalität anzusprechen, und Kommunikationstraining
  • Steigerung der Selbstwirksamkeit, dass eigenes Handeln gegen Suizide wirksam ist
Im Rahmen der selektiven bzw. indizierten Prävention könnte die Schulung von Medizinern und Psychotherapeuten, um Suizidversuche und vollendete Suizide zu verhindern, ein probates Mittel sein. Bis zu 66 % der Menschen, die einen Suizid begehen, sehen einen Monat vorher einen Arzt im Rahmen einer Notfall- oder allgemeinen Gesundheitsversorgung (Luoma et al. 2002). Die Etablierung von existierenden, validen Screeninginstrumenten wäre ein erster Schritt und könnte in der Folge ein entsprechendes Notfallprozedere einleiten. Weiterhin zeigt sich, dass viele Patienten nach einem Suizidversuch keine angemessene Unterstützung erhalten. In einer Phase, in der ein Mensch im Spannungsfeld zwischen „möchte ich weiterleben oder wäre es nicht einfacher zu sterben“ steht, kommt einem Helfersystem eine besondere Stellung zu. Die Schulung von Klinikern in der Notfallversorgung hat sich bereits als wirkungsvoll erwiesen (Zalsman et al. 2016). Allerdings wird hierbei auch immer darauf verwiesen, dass vor allem der Austausch und die Zugangswege zu anderen Fachdisziplinen eine wichtige Voraussetzung für einen Erfolg sind. Das heißt, dass die Vernetzung der medizinischen Disziplinen (Unfallchirurgie, Intensivstation, Kinderstation, Kinder- und Jugendpsychiatrie, niedergelassene Behandler) ein wichtiger Grundstein für die Verminderung der Suizidrate ist (van der Feltz-Cornelis et al. 2011). Die Schulung von Hausärzten ist ein zweischneidiges Schwert, da die Zusammenschau der Studien belegt, dass sich sowohl ein protektiver Effekt durch die Verminderung von Suizidgedanken und -versuchen zeigt als auch die Erhöhung dieser Verhaltensweisen nachgewiesen werden konnte (Milner et al. 2017). Die Qualität der Studien in diesem Bereich ist allerdings so gering, dass kausale Aussagen der Ergebnisse nur beschränkt möglich sind. Nach einem Suizidversuch sind viele Betroffene und Eltern verunsichert und setzen sich häufig nicht oder zu selten mit dem Helfersystem in Verbindung. Dies wird erschwert von Seiten der Kliniken durch die enge terminliche Taktung der Helfer. Dass beispielsweise neue Informationstechnologien unterstützend eingreifen können, zeigt die SIAM-Studie („Suicide Intervention Assisted Messages“). Das Aufsuchen der Behandler nach einer Notfallversorgung in Folge eines Suizidversuchs konnte durch automatisierte versendete Textnachrichten (SMS) erhöht werden (Berrouiguet et al. 2018). Weiterhin wird derzeit untersucht, ob ein möglicher Suizid über Smartphones bzw. das Internet prognostizierbar ist. Hierbei wird auf das sogenannte Maschinenlernen zurückgegriffen. Dabei werden Daten aus Facebook, Twitter, Instagram und WhatsApp genutzt. Das System berechnet dabei fortlaufend aus dem Zusammenspiel bestimmter Wortkombinationen und durch den Einsatz bestimmter Pronomina sowie Inhalte, ob ein Suizidrisiko besteht. Wenn eine Prognose möglich wäre, dann könnte der Betroffene gebeten werden, eine Klinik aufzusuchen oder ein Warnsignal könnte an ein Helfersystem gesendet werden (Torous et al. 2018).
Der Einsatz von Smartphones und Onlineprogrammen zur universellen oder selektiven Prävention wird derzeit in ersten Studien untersucht. Derzeit wird zur Moderation dieser Programme Fachpersonal eingesetzt. Die teilnehmenden Jugendlichen erhalten die Möglichkeit, neben programmierten Tutorials auf Chatebene Kontakt mit Behandlern aufzunehmen. In der Regel basieren die Programme auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und bieten die Möglichkeit, auch in Regionen, die schlecht versorgt sind oder bei Patientengruppen, die Angst haben, Unterstützung einzufordern. Ein eindeutiger Beleg der Wirksamkeit ist auch hier durch methodische Limitationen (z. B. Stichprobengröße, Evaluationsinstrumente) schwer möglich (Hetrick et al. 2017). Weiterhin zeigt sich im Rahmen der sozialen Medien auch immer, dass ein Teil an Patienten durch diese Form der Prävention getriggert wird (Harris und Roberts 2013). Letztlich kann festgestellt werden, dass Smartphones, Computer und Maschinenlernen einen erfolgversprechenden Ansatz in der Suizidprävention darstellen und weiterer Forschungsbedarf besteht.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bereits eine Vielzahl von universellen und selektiven Programmen existiert. Die Überprüfung der Wirksamkeit dieser in hochwertigen Studien mit randomisiert kontrollierten Designs ist nur vereinzelt (SEYLE, SOS) erfolgt. Viele der Programme sind auf die Erkennung und nicht die Verminderung von suizidalem Verhalten ausgerichtet, so dass eine Aussage der Wirksamkeit nicht zufriedenstellend möglich ist. Vor allem YAM und SOS zeigen, dass die universelle Prävention im Bereich der Schule vielversprechend ist. Die Schulung von Klinikpersonal im Zuge der indizierten Prävention ist wichtig, um ein Suizidrisiko adäquat einschätzen zu können und in der Folge angemessene Hilfe bzw. Unterstützung einleiten zu können. Letztlich stellen die sozialen Medien sowie Maschinenlernen einen möglichen Weg dar, um ein Suizidrisiko zu erkennen und das Helfersystem zu involvieren. Hier sind weitere Studien notwendig, um eine Wirksamkeit zu bestätigen.

Ausblick und Fazit

Wie eingangs erwähnt, stellen psychische Störungen die größte gesundheitspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Erfreulicherweise spiegelt sich die Idee eines vorbeugenden Handelns zunehmend in der steigenden Anzahl der wissenschaftlichen Arbeiten wider. Die geringen bis mittleren Wirksamkeitsbelege bei der Verhinderung bzw. Verminderung von manifesten psychischen Störungen sollten Mut machen, diesem Forschungsfeld weiterhin eine große Bedeutung zukommen zu lassen. Einschränkend muss angemerkt werden, dass die Qualität der Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Präventionsmaßnahmen bisher in großen Teilen nicht als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. Im Vergleich zu pharmakologischen und psychotherapeutischen Studien zeigen sich deutliche Mängel, die in vielen Fällen Aussagen zur längerfristigen Wirksamkeit schwierig machen. Folgende Entwicklungen wären wünschenswert:
1.
Verbesserung der methodischen Qualität der Studien, vor allem im Sinne der Evaluation. Die Verbesserung der Evaluation sollte vor der Entwicklung neuer Programme stehen. Bisher gibt es kaum randomisierte, kontrollierte Studien mit längerem Untersuchungszeitraum (36–48 Monate). Erst dies würde eine Aussage über die langfristige Wirksamkeit der Programme ermöglichen.
 
2.
Präventionsprogramme sollten eine Aussage über die Verhinderung bzw. Verminderung von klinisch manifesten Störungen treffen. Nur vereinzelt können Studien darüber Auskunft geben, wie viele Kinder und Jugendliche aufgrund der Prävention vor einer Essstörung, Depression oder Angststörung geschützt wurden. Vor allem bei der Suizidprävention wäre eine Aussage über verhinderte Suizide enorm wichtig. Viele der Studien erheben lediglich auffälliges psychisches Verhalten und nicht die ICD10-/DSM-5-Symptomkriterien. Daher ist häufig lediglich eine Aussage darüber möglich, ob einzelne Risikofaktoren oder protektive Faktoren verändert wurden. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels dieser Faktoren ist es allerdings nicht möglich, über die tatsächlich verhinderten Fälle Auskunft zu geben.
 
3.
Prävention sollte verstärkt im Kindesalter beginnen. Die Forschung zur Prävention von psychischen Störungen im Kindesalter (inkl. der frühen Adoleszenz) kann als unzureichend bezeichnet werden. Erfreulich ist im Bereich der Prävention von Angststörungen, dass hier bereits ein aktives Forschungsfeld besteht und hieraus Schlüsse für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen im Kindesalter gezogen werden können. Leider lassen die kurzen Untersuchungszeiträume im Bereich Angststörungen nur unzureichende Aussagen über die Wirksamkeit zu. Wünschenswert ist eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema Prävention im Kindesalter.
 
4.
Stärkere Zusammenarbeit und Kooperation der unterschiedlichen Forschergruppen und Präventionsbereiche fördern. Es ist anzunehmen, dass aufgrund der Veränderung von Risiko- und Schutzfaktoren im Rahmen von Präventionsprogrammen nicht nur der Entwicklung eines psychischen Störungsbildes vorgebeugt wird. Das heißt, es sollte untersucht werden, ob beispielsweise ein Präventionsprogramm im Bereich Depression nicht auch vor Essstörung und Suizidalität schützt. Dadurch könnten Präventionsmaßnahmen gefördert werden, die einen generalisierenden Effekt auf die psychische Gesundheit besitzen.
 
5.
Universelle und selektive Prävention sollten stärker verzahnt werden. Während die universelle Prävention im Bereich der Schulen für eine Verminderung einer allgemeinen Anfälligkeit für psychische Störungen sinnvoll erscheint, könnte in der Folge bei Kindern und Jugendlichen, die nicht darauf angesprochen haben und weiterhin Risikomarker besitzen, eine selektive Intervention durchgeführt werden. Hierzu wäre auch eine engere Vernetzung zwischen Schulen, Familien und Kliniken wünschenswert, sodass eine Frühintervention bei der entsprechenden Risikopopulation zielgerichtet und bei Beginn der Symptomatik erfolgen könnte.
 
6.
Eine verbesserte Vernetzung zwischen Schulen und Kliniken anstreben. Nur selten ist bei einer Präventionsstudie eine Klinik im Hintergrund, die bei Nebenwirkungen des Programms oder bereits manifesten Fällen zur Unterstützung herangezogen wird. Weiterhin setzen Schulen Programme ein, deren Wirksamkeit nicht belegt ist. Weiterhin ist eine Vernetzung zwischen den Schulen und Kliniken anzuraten, um die Lehrkräfte durch Psychoedukation zu informieren und Risikofälle schnell in eine Klinik überweisen zu können. Innerhalb der Klinik ist, wie bei der Prävention von Suizidalität berichtet, ebenfalls eine Vernetzung wünschenswert, sodass im Sinne der Frühintervention schnell gehandelt werden kann.
 
7.
Eine Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Relation ist notwendig. Der Einsatz von Präventionsprogrammen sollte neben der Wirksamkeit auch dem Kosten-Nutzen-Verhältnis Rechnung tragen. Es ist fragwürdig, ob beispielsweise eine universelle Prävention Sinn macht, wenn lediglich jeder Hundertste profitiert. Zum einen sollte im Rahmen der Untersuchung der Effectiveness eine Kosten-Nutzen-Untersuchung erfolgen, und zum anderen sind selektive Maßnahmen und die Früherkennung zu bevorzugen, wenn sich bei der universellen Prävention keine Wirtschaftlichkeit zeigt.
 
Die Prävention von psychischen Störungen hat in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte erzielt. Vor allem die Berücksichtigung von Risiko- und Schutzfaktoren bei der Entwicklung der Programme waren ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der Wirksamkeit. Die angesprochenen Punkte sowie die Berücksichtigung der unter Abschn. 4.3 aufgeführten idealisierten Entwicklung, Implementierung und Evaluation könnten die Forschung der Prävention auf ein höheres Level bringen, um den Schutz vor Neuerkrankungen zu ermöglichen und langfristig die psychische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter zu erhöhen.
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