Es ist weit verbreitete klinische Praxis, bei drohendem
Abort in der Frühschwangerschaft Progesteron oder HCG einzusetzen unter der Annahme, die weitere Entwicklung der Schwangerschaft damit zu unterstützen. In den vergangenen Jahren wurden zwei Cochrane-Analysen publiziert, die sowohl die Bedeutung der Gabe von HCG (Devaseelan et al.
2010) als auch Progesteron (Haas und Ramsey
2013) zur Abortprophylaxe untersucht haben: Beide Interventionsmöglichkeiten zeigten keinen signifikanten Effekt bei Patientinnen mit einem drohenden Spontanabort.
Unbestritten ist, dass beide Prozesse parallel ablaufen und möglicherweise aufgrund der zunehmend erkannten Bedeutung der Follikelreifung sowohl für die Eizellqualität und Entwicklungskompetenz des Embryos als auch für die Sekretionsleistung des Corpus luteum bereits zu einem frühen Zeitpunkt einander gegenseitig bedingen. Dieses Konzept wird auch durch die retrospektive Auswertung einer fortgeführten Lutealphasensubstitution nach ART in den ersten 12 Schwangerschaftswochen unterstützt: Es zeigte sich lediglich eine Verschiebung der Aborte in spätere Schwangerschaftswochen, während die klinische Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate unverändert waren (Proctor et al.
2006).
Die Bedeutung einer Progesteronsubstitution im Zusammenhang mit dem Auftreten habitueller Aborte wird weiterhin diskutiert: Einige, aber nicht alle Studien haben eine gehäufte Assoziation mit dem Auftreten einer endometrialen
Reifungsstörung festgestellt (Szekeres-Bartho und Balasch
2008), sodass die Patientinnen möglicherweise von einem höheren Progesteronspiegel profitieren könnten. Ohne dies durch diagnostische Methoden wie eine vorausgegangene Progesteronmessung zum jetzigen Zeitpunkt abschließend differenzieren zu können, war bisher aufgrund der aktuellen Datenlage aus einer Subanalyse der oben zitierten Cochrane-Analyse (Tab.
3) bei Patientinnen mit habituellen Aborten zu frühzeitigen Progesterongaben bis einschl. der 12. SSW zu raten (Haas und Ramsey
2013). Eine in 2015 publizierte prospektive randomisiert-kontrollierte Studie zum Einsatz von 400 mg vaginalem
Progesteron versus Plazebo, begonnen vor der 6. Schwangerschaftswoche, konnte dies jedoch nicht bestätigen (RR 1,04, KI 0,94–1,15; Coomarasamy et al.
2015). Jedoch zeigte eine aktuelle
Metaanalyse den Nutzen von synthetischen
Gestagenen, aber nicht Progesteron für eine Reduktion der Abortrate (RR: 0,72, 95 % KI: 0,53–0,97; Saccone et al.
2017), und wiederum eine prospektive Beobachtungsstudie den von sehr früh begonnenen vaginalen Progesterongaben in einem definierten Kollektiv (OR 2,1, 95 % KI 1,0–4,4; Stephenson et al.
2017). Zusammenfassend wird vermutlich eine noch differenziertere Betrachtung unterschiedlicher Kollektive durch zusätzliche diagnostische Marker zukünftig über den Nutzen einer prophylaktischen Progesterongabe bei habituellen Aborten entscheiden.
Tab. 3
Wirksamkeit einer Progesteronsubstitution zur Abortprophylaxe. (Nach Haas und Ramsey
2013)
Alle Patientinnen | (n = 2118) | 0,98 | 0,78–1,24 |
Patientinnen mit ≥3 früheren Aborten | (n = 223) | 0,38 | 0,20–0,70 |