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Reproduktionsmedizin
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Publiziert am: 12.07.2018

Hyperprolaktinämie

Verfasst von: Frank Nawroth
Prolaktin bereitet häufig Probleme bei der Interpretation und ist daher ein möglicher Ausgangspunkt fragwürdiger diagnostischer und therapeutischer Entscheidungen. Unsicherheit besteht oft hinsichtlich der Notwendigkeit einer bildgebenden Diagnostik, dem Follow-up auffälliger Werte, dem Verhalten bei Zyklusstörungen, bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und Stillzeit. Das Kapitel beschäftigt sich mit den genannten Punkten, fasst das praxisrelevante Wissen zusammen und erarbeitet mögliche Flussschemata für das tägliche Handeln in der Routine.

Physiologie

Prolaktin ist ein seit 1933 (Riddle et al. 1933) bei Nagern und seit ca. 30 Jahren beim Menschen bekanntes Polypeptidhormon, dessen kodierendes Einzelgen sich beim Menschen auf Chromosom 6 befindet. Nach der Entfernung des Signalpeptids besteht Prolaktin aus 199 Aminosäuren und hat ein Molekulargewicht von 23 kDa (Goffin et al. 2002). Die Aminosäuresequenz von Prolaktin entspricht der des plazentaren Laktogens. Aufgrund struktureller, biologischer und anderer Ähnlichkeiten gehören Prolaktin, das Wachstumshormon sowie das Plazentalaktogen zu einer gemeinsamen Proteinfamilie (Goffin et al. 1996).
In erster Linie wird Prolaktin von den laktotrophen Zellen des Hypophysenvorderlappens in das Blut sezerniert. Diese Sekretion unterliegt der Regulation sowohl stimulierender als auch inhibierender Einflüsse. Dabei überwiegen die inhibitorischen Einflüsse des Hypothalamus, wobei vor allem Dopamin eine Rolle spielt, das über seine D2-Rezeptoren in den laktotrophen Zellen wirkt (Goffin et al. 2002).
Stimulierende Faktoren sind GnRH (Yazigi et al. 1997) und von klinischer Relevanz vor allem das Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) (Jacobs et al. 1971) sowie Serotonin (Clemens et al. 1978).
Die Expression des Prolaktingens wurde aber auch in verschiedenen extrahypophysären Lokalisationen wie z. B. im Endometrium (Maslar und Riddick 1979), den T-Lymphozyten, dem Gehirn, der Haut, der Brust (Ben-Jonathan et al. 1996), der Follikelflüssigkeit (McNatty et al. 1974), den Follikelzellen des Ovars (Phelps et al. 2003) sowie im Fruchtwasser (Golander et al. 1978) nachgewiesen. Die genaue Bedeutung des extrahypophysären Prolaktins beim Menschen ist unklar.
Durch posttranslationale Veränderungen (Phosphorylierung, Glykosylierung) entstehen unterschiedliche Prolaktinvarianten. Deren Wirkung kann zwischen einer hohen biologischen Aktivität und auch antagonistischen Effekten schwanken (Sinha 1995). Mit steigendem Molekulargewicht sinkt dabei die biologische Aktivität (Yazigi et al. 1997). Neben dem o. g. nicht-glykosylierten „little“. Prolaktin (23 kDa) mit der höchsten biologischen Aktivität und hohen Affinität zum Prolaktinrezeptor gibt es glykosyliertes „big“ (50 kDa) und zusätzlich an Immunglobuline gebundenes „big big“ (100 kDa) Prolaktin.

Prolaktinrezeptor

Der Prolaktinrezeptor ist ein spezifisches Membran-gebundenes Protein (Posner et al. 1974). Das ihn kodierende Gen befindet sich auf dem Chromosom 5 (Arden et al. 1990).

Biologische Effekte von Prolaktin

Prolaktin stimuliert die Entwicklung der Mammae und die Laktation. Es kann die Bildung und Funktion des Corpus luteum unterstützen (Astwood 1941).
Bole-Feysot et al. (1998) subsumierten ca. 300 Wirkungen von Prolaktin sowie von Molekülen, die über seinen Rezeptor aktiviert werden.

Hyperprolaktinämie

Ursachen

Eine Hyperprolaktinämie kann physiologische, pathologische und pharmakologische Ursachen aufweisen (Tab. 1).
Tab. 1
Mögliche Ursachen einer Hyperprolaktinämie
Physiologische Ursachen
Stress
Brustuntersuchung
Koitus
Schwangerschaft/Laktation
Corpus-luteum-Phase
Operationen
Schlaf
Venenpunktion
Pathologische Ursachen
Prolaktinsezernierende Hypophysentumoren
Prolaktin-/GH-sezernierende Tumoren
Ektope Prolaktinsekretion
Adrenale Erkrankungen (M. Addison, Hyperplasie, Karzinom)
Pharmakologische Ursachen
Metoclopramid
Orale Kontrazeptiva (20–30 % der Patientinnen mit 35 μg EE-OC)
Wegen der vielfältigen Einflussfaktoren ist bei einer Hyperprolaktinämie einerseits gezielt nach diesen Faktoren zu fragen und andererseits bei erhöhtem Prolaktin ohne klinische Symptomatik (z. B. ab einem doppelten oberen Referenzwert) in jedem Fall eine Kontrolle des Laborwertes sinnvoll.
In der klinischen Routine wohl am häufigsten verantwortlich für eine Hyperprolaktinämie sind eine Hypothyreose sowie die Einnahme von Medikamenten, welche die Prolaktinsekretion steigern.
Eine zu kurze Wachphase kann sicher Ursache eines einmalig erhöhten Prolaktinwertes sein, sollte dann wegen des passageren Effektes aber eigentlich nicht zu klinischen Symptomen führen. Etwa 3–4 Stunden nach dem Aufstehen dürfte der Einfluss des Schlafes auf die Höhe des Prolaktinwertes vernachlässigbar sein.
Erwähnung muss aber auch die Tatsache finden, dass eine TSH-Erhöhung im Rahmen einer Hypothyreose zwar Ursache eines erhöhten Prolaktinwertes und dadurch von Zyklusstörungen und einer Galaktorrhö sein kann, aber keine Korrelation zwischen den Werten von TSH und Prolaktin sowie zwischen der Höhe von Prolaktin und der Wahrscheinlichkeit von Zyklusstörungen besteht (Raber et al. 2003). Eine relevante Hyperprolaktinämie als Folge einer Hypothyreose scheint eher selten aufzutreten.
In etwa 30–40 % der Fälle bleibt die Ursache der Hyperprolaktinämie ungeklärt (idiopathische Hyperprolaktinämie). Untersuchungen zum Follow-up zeigen später den Nachweis von (primär möglicherweise übersehenen) Mikroprolaktinomen bei 10 % der Patienten (Schlechte et al. 1989) sowie eine spontane Normalisierung der Werte bei ca. \( {1}\!\left/ \!{3}\right. \) der Fälle (Verhelst und Abs 2003).

Klinische Symptomatik

Neben der Galaktorrhö sind Zyklusstörungen bis zur Amenorrhö typische Symptome einer klinisch relevanten Hyperprolaktinämie.
Aufgrund der im Zusammenhang mit einer Hyperprolaktinämie und Zyklusstörungen niedrigen Gonadotropine wird eine zentrale hypothalamisch-hypophysäre Suppression als Ursache der Follikelreifungsstörung vermutet. Neuere Arbeiten weisen aber darauf hin, dass auch andere Ursachen eine Rolle spielen könnten. Dazu gehören eine Dissoziation zwischen Follikelreifung und endokriner Aktivität der Follikel mit einer resultierenden veränderten Stimulierbarkeit der Follikel (Velasquez et al. 2006a) sowie bei einer Hyperprolaktinämie nachweisbare veränderte FSH-Isoformen mit niedrigerer Bioaktivität (Velasquez et al. 2006b).
Das assoziierte Osteoporoserisiko beruht auf dem Östrogenmangel im Zusammenhang mit den Zyklusstörungen, möglicherweise aber auch auf einem direkten Einfluss von Prolaktin auf den Knochenstoffwechsel, welcher unabhängig vom Östradiol ist (Naliato et al. 2008). Das Osteoporoserisiko ist bei einer Hyperprolaktinämie 4,5-fach erhöht (Vartej et al. 2001).

Makroprolaktinämie

Prolaktin liegt im Serum – wie oben bereits beschrieben – in unterschiedlichen Bindungsformen vor, die sein Molekulargewicht und damit seine biologische Aktivität bestimmen. Je höher das MG, desto niedriger ist dabei die biologische Aktivität (Tab. 2).
Tab. 2
Prolaktinvarianten und biologische Aktivität
Prolaktinvarianten
Molekulargewicht
„little“ Prolaktin (nicht glykosyliert)
23 kDa
„big“ Prolaktin (glykosyliert)
50 kDa
„big big“ Prolaktin (glykosyliert + Ig)
100 kDa (= Makroprolaktin)
„Big big“ Prolaktin wird als Makroprolaktin bezeichnet. Moderne Assays selektieren das biologisch aktive Prolaktin in der Laboranalytik schon recht gut, so dass das Problem der Makroprolaktinämie in der klinischen Routine in den letzten Jahren an Relevanz verloren hat, trotzdem aber gelegentlich noch eine Rolle für die klinische Entscheidung spielt.
Wird bei einer Patientin ohne klinische Symptome (!) wiederholt ein erhöhter Prolaktinwert gemessen, für den es keine andere passagere Ursache (Wachphase, Brustpalpation etc.) gibt, empfiehlt sich die Abklärung der sogenannten Makroprolaktinämie (Phelbs et al. 2003; Nawroth 2005; Nawroth und Ludwig 2007; Ono et al. 2010). Für deren Diagnostik gibt es verschiedene laboranalytische Möglichkeiten, wobei wir die nachfolgend genannte aufgrund ihrer Einfachheit sowie der niedrigen Kosten präferieren.
Vorgeschlagene Diagnostik der Makroprolaktinämie
  • Basismessung von Prolaktin
  • Ausfällung vorhandener Komplexe mit Polyethylenglykol (PEG)
  • Kontrollmessung von Prolaktin
  • Makroprolaktinämie: „Wiederfindung“ von Prolaktin < 40 % des Ausgangswertes
Von klinischer Relevanz ist aber nicht, ob der Wert auf <40 % der Ausgangskonzentration abfällt, also per definitionem eine Makroprolaktinämie besteht, sondern, ob die Prolaktinkonzentration nach der Ausfällung in den Referenzbereich sinkt.
Erst der Prolaktinwert nach der Ausfällung erlaubt dann eine weitere individuelle klinische Entscheidung (Abb. 1).
Bleibt die Möglichkeit des Vorliegens einer Makroprolaktinämie unberücksichtigt, besteht die Gefahr einer unnötigen dauerhaften medikamentösen Therapie sowie der Stigmatisierung durch den Nachweis hormonell inaktiver Hypophysenadenome („Inzidentalome“), die sich bei 10–20 % der Menschen finden (meist < 10 mm) (Molitch und Russell 1990) und Anlass zu weiteren unnötigen bildgebenden Verlaufskontrollen sein könnten.

Prolaktinome

Hinsichtlich der Größe von Prolaktinomen wird zwischen Mikro- (<10 mm) und Makroprolaktinomen (>10 mm) differenziert. Um eine kostenintensive Überdiagnostik bzw. Stigmatisierung (s. obige Ausführung zu „Inzidentalomen“) zu vermeiden, wird häufig nach Cut-off-Werten von Prolaktin gefragt, ab denen ein koronales MRT der Hypophyse sinnvoll ist.
Diese existieren nicht bzw. werden in der Literatur unterschiedlich angegeben. Alle Empfehlungen sind daher heute mehr oder weniger empirisch basiert.
Wir empfehlen die bildgebende Diagnostik bei klinischen Symptomen (Zyklusstörungen, Galaktorrhö) und Prolaktinwerten >60 ng/ml bzw. >1200 mIU/l, individuell ggf. auch bei niedrigeren Werten, wenn bilaterale Blickfeldausfälle („Scheuklappenphänomen“) oder Symptome wie Kopfschmerzen etc. als Ausdruck einer möglichen Kompression des Chiasma opticum auftreten.

Therapeutisches Vorgehen

Medikamentöse Therapie
Für die medikamentöse Therapie werden Dopaminagonisten verwendet, da Dopamin die Prolaktinsekretion hemmt. Dopaminagonisten binden mit hoher Affinität an verschiedene Dopaminrezeptoren sowohl normaler als auch adenomatöser laktotropher Zellen.
Dabei werden vom Ergotamin abstammende Derivate (je nach Entwicklung der 1. [z. B. Bromocriptin] und 2. Generation [z. B. Cabergolin]) und Nicht-Ergotamin-Derivate (z. B. Quinagolid) unterschieden. Hauptnebenwirkungen der vor allem auch an die D1-Rezeptoren bindenden Agonisten der 1. Generation sind Übelkeit, Hypotension, Depressionen etc. Zur Minimierung der Nebenwirkungen sind eine initial niedrige abendliche Applikation und ggf. langsame Dosissteigerung zu empfehlen. Eine Kontrolle von Prolaktin ist etwa 3 Wochen nach Therapiebeginn sinnvoll.
Die genannten Nebenwirkungen treten bei Cabergolin als Dopaminagonisten der 2. Generation nicht auf.
Außerdem unterscheiden sich die einzelnen Agonisten teilweise erheblich in ihren Halbwertszeiten und damit der notwendigen Applikationshäufigkeit sowie ihrer Effektivität bei der Senkung der Prolaktinwerte, was insbesondere in der Therapie von Prolaktinomen bedeutsam sein kann (Tab. 3 und 4).
Tab. 3
Charakteristika einiger Dopaminagonisten. (Barlier und Jaquet 2006)
Wirkstoff
Wirkungsmechanismus
Halbwertszeit
Wirkungsdauer
Bromocriptin (Ergotaminderivat der 1. Generation)
D1- und D2-Rezeptoragonist
3,3 h
8–12 h
Cabergolin (Ergotaminderivat der 2. Generation)
D1- (schwach) und D2- (stark) Rezeptoragonist
65 h
7–14 d
Quinagolid (Nicht-Ergotaminderivat)
D1- (schwach) und D2- (stark) Rezeptoragonist
22 h
24 h
Tab. 4
Dosierungsbeispiele einiger Dopaminagonisten
Wirkstoff
Beispiele für verfügbare Präparate
Dosierung
Bromocriptin
Pravidel 2,5®
Bromocriptin 2,5®
Kirim gyn®
2 × 1,25 mg/d – 15 mg/d
Beginn: 1,25 mg abends über 3 d
Dosiserhöhung auf 2–3 × 2,5 mg/d innerhalb von 1–2 Wochen
Lisurid
Dopergin 0,2®
2–3 × 100 μg/d
Beginn: 100 μg abends über 3 d
Dosiserhöhung auf 2–3 × 200 μg/d innerhalb von 1–2 Wochen
Metergolin
Liserdol®
4–12 mg/d
Cabergolin
z. B. Dostinex®, Cabergolin Dura®, Cabergolin Hexal®
0,25–2 mg/Woche
In der Therapie der Hyperprolaktinämie bei vorliegendem Prolaktinom können durchaus auch Ergotaminderivate der 1. Generation wie z. B. Bromocriptin versucht werden. Bei einer ausgeprägten klinischen Symptomatik, Nebenwirkungen unter dieser Medikamentengruppe bzw. ausbleibender Senkung der Werte sind Ergotaminderivate der 2. Generation wie Cabergolin oder das Nicht-Ergotaminderivat Quinagolid indiziert.
Dabei sind gerade bei Bromocriptin-resistenten Patientinnen Cabergolin-Dosierungen von bis zu 9 mg/Woche bis zum Schwangerschaftseintritt beschrieben worden (Ono et al. 2010).
Aus der hoch dosierten Cabergolin-Therapie beim M. Parkinson ist bekannt, dass diese – abhängig von der Dosis sowie der Therapiedauer – mit dem erhöhten Risiko von Herzklappeninsuffizienzen assoziiert ist (Schade et al. 2007; Zanettini et al. 2007). Die Anwendung von > 3 mg Cabergolin/Tag (!) erhöhte das Risiko einer Klappeninsuffizienz etwa 50-fach (Schade et al. 2007).
Diese Dosierungen liegen damit aber noch um ein Vielfaches über den bei der Hyperprolaktinämie erforderlichen. In einer Untersuchung bei hyperpolaktinämischen Patientinnen/Patienten konnte bei kumulativen Dosen von 12–588 mg (Median 48 mg) über 24 Monate und 48–1260 mg (Median 149 mg) über 60 Monate keine Korrelation zwischen der kumulativen Dosis und Prävalenz sowie dem Grad von Klappeninsuffizienzen gezeigt werden (Auriemma et al. 2013a).
Daher halten wir die initiale Forderung nach einer Echokardiografie bei jeder Anwendung von Cabergolin für überzogen. Bei hohen Dosierungen sowie Risikopatientinnen sollte sie erwogen werden. Aktuelle Daten zur Therapie der Hyperprolaktinämie mit Cabergolin zeigen aber keine Assoziation mit Klappenerkrankungen in den bei einer Hyperprolaktinämie meist ausreichenden Dosierungen von durchschnittlich etwa 1 mg/Woche (Tan et al. 2010).
Auslassversuch
Einheitlich definierte Prognoseparameter für die Rezidivfreiheit nach dem Absetzen eines Dopaminagonisten existieren nicht. Die kumulative Rezidivrate liegt bei 21 % (idiopathische Hyperprolaktinämie: 32 %, Mikroprolaktinome: 21 %, Makroprolaktinome: 16 %; Dekkers et al. 2010).
Besonders erfolgversprechend ist ein Auslassversuch nach den Literaturangaben, wenn
  • im MRT kein Tumorrest mehr nachweisbar ist (Colao et al. 2003),
  • Cabergolin länger als 2 Jahre gegeben wurde (Dekkers et al. 2010).
Operative Therapie
Die primäre Operation ist beim Makroprolaktinom mit manifester Sehstörung und unmittelbarer Gefahr einer irreversiblen Nervenschädigung oder bei akutem Tumorwachstum indiziert. Die Operation erfolgt transnasal/transsphenoidal oder über einen kraniellen Zugang mit möglichst elektiver Resektion unter Schonung der Resthypophyse.

Gravidität und Laktation

Schwangerschaft und Laktation haben keinen Einfluss auf das Wachstum eines Prolaktinoms. Verlaufskontrollen von Prolaktin sind während der Schwangerschaft nicht sinnvoll, da es in dieser Zeit generell steigt, aber keine Korrelation mit dem Tumorwachstum besteht.
Der Dopaminagonist wird in aller Regel der Fälle mit der Konzeption abgesetzt.
Wichtig ist die Belehrung der Patientin, beim Auftreten von lateralen Blickfeldausfällen den Arzt zu informieren.
Nur 1,6–5,5 % der Schwangeren mit einem Mikroprolaktinom entwickeln jedoch eine symptomatische Hypophysenvergrößerung (Kopfschmerz, Gesichtsfeldeinschränkung). Zumindest bei Makroprolaktinomen wird die Perimetrie 1×/Trimester diskutiert (15,5–35,7 % Wachstumswahrscheinlichkeit in der Schwangerschaft).
Bei Blickfeldausfällen aufgrund eines dynamischen Adenomwachstums muss individuell über die Indikation eines MRT, die Initiierung einer medikamentösen (Bromocriptin in der Schwangerschaft zugelassen, Cabergolin nicht zugelassen, aber nach bisherigem Kenntnisstand ohne negativen Einfluss) sowie in seltenen Fällen auch operativen Therapie entschieden werden. Eine Kontraindikation für das Stillen ist nicht ableitbar.
Diese Ergebnisse bestätigte eine Studie, in der 143 unter Cabergolin eingetretene Schwangerschaften bei 91 Patientinnen untersucht wurden. Die Medikation zum Konzeptionszeitpunkt erhöhte weder die Abort- noch die Fehlbildungsrate. Das Stillen hatte keinen Einfluss auf die Rezidivrate der Hyperprolaktinämie (Auriemma et al. 2013b).

Zusammenfassung

Die in Abb. 2 und 3 dargestellten Empfehlungen entsprechen auch denen in der Leitlinie der Endocrine Society (Melmed et al. 2011).

Fazit für die Praxis

Bei einem erhöhten Prolaktinwert im Serum müssen die oben genannten physiologischen Einflussfaktoren sowie die Einnahme einer Prolaktin-steigernden Medikation nachgefragt werden. In der Laboranalytik sollte eine Hypothyreose ausgeschlossen werden.
Entscheidend für die weiteren Konsequenzen ist vor allem die Frage, ob klinische Symptome (Galaktorrhö, Zyklusstörungen) vorliegen. Bestehen diese nicht, sollte das Vorliegen einer Makroprolaktinämie in Erwägung gezogen und ausgeschlossen werden.
Ab einem Cut-off-Prolaktinwert von etwa >50–60 ng/ml bzw. >1200 mIU/l ist die Indikationstellung für ein MRT der Hypophyse sinnvoll. Bei niedrigeren Werten, aber Kopfschmerzen, lateralen Blickfeldausfällen o. Ä. ist das MRT in jedem Fall zu empfehlen. Bei niedrigeren Werten und einer Galaktorrhö/Zyklusstörung kann primär mit einer Prolaktin-hemmenden Medikation begonnen werden.
Deren Dosierung orientiert sich an der Beobachtung der klinischen Symptomatik (Eintreten einer Eumenorrhö, Sistieren einer Galaktorrhö), ggf. auch am Verlauf des Laborwertes.
Für die Abwägung eines Auslassversuches existieren zur Orientierung einige wenige Prognoseparameter wie der fehlende Tumorrest im MRT sowie die Anwendung von Cabergolin über mehr als 2 Jahre.
In aller Regel wird die Medikation in der Schwangerschaft abgesetzt, Stillen ist möglich.
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