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Reproduktionsmedizin
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Publiziert am: 08.11.2018

Regulation der Reproduktionsmedizin im europäischen Vergleich

Verfasst von: Wolfgang Küpker und Peter Hartmann
Eine Familie zu gründen gehört zu den fundamentalen Rechten des Menschen (United Nations 1948). Eine adäquate Behandlung der Infertilität eignet diesen Rechten, zumal Infertilität ein zunehmend beobachtetes Phänomen nicht nur der hoch entwickelten Gesellschaften ist. Eine Zunahme der Infertilität steht nicht zuletzt ursächlich im Zusammenhang mit verändertem gesundheitlichem, sozialem und gesellschaftlichem Verhalten der letzen Dekaden. Daher kommt der Fortpflanzungsmedizin zukünftig eine erhebliche Bedeutung zu. Die Möglichkeiten zur effektiven Nutzung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen, um den Kinderwunsch zu erfüllen, sind weltweit verfügbar und mit hoher Expertise umsetzbar. Orientierung für eine gute medizinische Praxis bieten die Leitlinien der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) und für Europa die der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE).

Notwendigkeit supranationaler Rahmenbedingungen

Eine Familie zu gründen gehört zu den fundamentalen Rechten des Menschen (United Nations 1948). Eine adäquate Behandlung der Infertilität eignet diesen Rechten, zumal Infertilität ein zunehmend beobachtetes Phänomen nicht nur der hoch entwickelten Gesellschaften ist. Eine Zunahme der Infertilität steht nicht zuletzt ursächlich im Zusammenhang mit verändertem gesundheitlichem, sozialem und gesellschaftlichem Verhalten der letzen Dekaden, z. B. der Zunahme der Fettleibigkeit, von sexuell übertragbaren Erkrankungen, von fertilitätseinschränkenden Erkrankungen und nicht zuletzt dem Wunsch nach Nachwuchs in einer späteren Lebensphase, der untrüglich die gesellschaftlichen Bedingungen der Spätmoderne reflektiert. Daher kommt der Fortpflanzungsmedizin zukünftig eine erhebliche Bedeutung zu. Die Möglichkeiten zur effektiven Nutzung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen, um den Kinderwunsch zu erfüllen, sind weltweit verfügbar und mit hoher Expertise umsetzbar.
Orientierung für eine gute medizinische Praxis bieten die Leitlinien der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) und für Europa die der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE).
Auf gesetzgeberischer Seite herrscht hier eher Konfusion und wenig tragfähiges Verhalten seitens der einzelnen souveränen Nationalstaaten, durch deren partikulare Interessen der europäische Gedanke, den die wissenschaftlichen Gesellschaften bereits erfolgreich leben, ignoriert wird.
Wenngleich die einzelnen Staaten ihren eigenen kulturhistorischen, politischen und verfassungsrechtlichen Prägungen verhaftet sind, werden die Chance einer Vereinheitlichung der gesetzlichen Rahmenbedingungen vertan und der Europäische Gerichtshof und das Europaparlament übergangen. Dies geschieht zum Schaden der Ratsuchenden und insbesondere der Kinderwunschpaare, die in ihren Ländern aufgrund unterschiedlich repressiver Regulationen nicht die gebotene Therapie erhalten können, was nicht zuletzt einer Gesetzgebung geschuldet ist, die in einer hoch technisierten, ethisch feinhörigen, säkularen modernen Welt bizarren Grundüberzeugungen nachhängt, die allenfalls als historisch wertvoll und erinnerungswert erscheinen.
Im Jahre 2010 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Urteil fest, dass die österreichische Regelung zum Verbot von Eizell- und Samenspende für die In-vitro-Fertilisation gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstößt, insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens. Anlass war die Klage zweier österreichischer Paare gewesen, ihren Kinderwunsch im Rahmen des heterologen Systems der extrakorporalen Befruchtung erfüllen zu können. Im Jahre 2011 jedoch spielte der Europäische Gerichtshof nach Intervention der österreichischen Politik die Entscheidungshoheit in die Judikative Österreichs zurück. Soweit ein jüngeres Beispiel internationaler Inkompetenz auf diesem Gebiet.
Andererseits sind Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte grundsätzlich verbindlich und können bei Nichtbefolgen für die betreffenden Staaten zu Entschädigungszahlungen führen. Nun sind Rechtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nun nicht eben alltäglich, spiegeln aber deutlich die vorherrschende europäische Kontroverse hinsichtlich eines konsensuellen Standards zur Behandlung von Kinderwunschpaaren wider.

Patientenautonomie und Entwicklung der Gesellschaften

Das Europäische Parlament konstatierte 2008 den Zusammenhang zwischen zunehmender Infertilität und demografischem Wandel in Bezug auf die objektiven Geburtenstatistiken europäischer Länder. Im gleichen Maße ist eine Zunahme von ART-Behandlungen („assisted reproductive technologies“) zu verzeichnen. Hierzu zählen alle medizinischen Leistungen, die notwendig sind, eine Schwangerschaft herbeizuführen, inklusive der In-vitro-Fertilisation. Darüber hinaus bieten medizinische Behandlungen der Fortpflanzungsmedizin die Möglichkeit, in autonomer Entscheidung Familienplanung zu terminieren, auch außerhalb tradierter klassischer Partnerkonstellationen.
Fertilität, Mortalität und Migration sind die drei entscheidenden Faktoren, die die demografischen und gesellschaftlichen Strukturen in der Zukunft determinieren werden.
Die Commission of the European Communities (CEC) publizierte 2006 die demografischen Veränderungen und die durchschnittliche totale Fertilitätsrate in 25 EU-Ländern mit einer dramatischen Abnahme der aktuellen Geburtenzahlen von 1,5 Geburten pro Frau und einem zu erwartenden minimalen Anstieg auf 1,6 Geburten pro Frau für das Jahr 2030. Für die stabile Weiterentwicklung einer Population ohne Immigration hingegen sind 2,1 Geburten pro Frau berechnet. Eine höhere Lebenserwartung und sinkende Geburtenraten begründen das Altern europäischer Gesellschaften. 2004 war jeder sechste Europäer älter als 65, 2050 wird es jeder dritte sein (Commission of the European Communities 2005, 2006, 2007). Diese Prognose, ausgehend von den aktuellen Entwicklungen, wird von entscheidender Bedeutung für das Leben und den Lebensstandard künftiger Generationen und gesamter Volkswirtschaften in Europa sein.
Dass nicht allein eine Umstrukturierung der Volkswirtschaften, der Arbeitsmärkte und der sozialen Wohlfahrt unter konstruktiver Berücksichtigung der Migration zur Stabilisierung der europäischen Gesellschaften beiträgt, sondern auch die nicht zu unterschätzende Bedeutung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen, erkennt das Europäische Parlament mit seiner Resolution aus dem Jahre 2008 an, in der es alle Mitgliedsstaaten aufruft, allen Kinderwunschpaaren uneingeschränkt das Recht auf universellen Zugang zur Kinderwunschbehandlung zuzubilligen.
Es besteht eine Resolution des Europäische Parlaments aus dem Jahre 2008, in der es alle Mitgliedsstaaten aufruft, allen Kinderwunschpaaren uneingeschränkt das Recht auf universellen Zugang zur Kinderwunschbehandlung zuzubilligen.
Nach 2017 vom European IVF-Monitoring (EIM) Consortium der ESHRE publizierten Daten wurden 2013 europaweit (17 Länder mit konsistenter Datenlage wurden berücksichtigt) 374.177 IVF/ICSI – Behandlungszyklen durchgeführt. Bezogen auf eine Population von 310 Mio. Menschen entspricht das 1175 Behandlungszyklen pro 1 Mio. Einwohner (Calhaz-Jorge et al. 2017).
Ein negatives Beispiel politischer Fehleinschätzung ist die Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahre 2004. Die Kürzungen seitens der Krankenkassen der bis dato kompletten Kostenübernahme der Behandlungen auf die Hälfte führte zu einer dramatischen Abnahme der Behandlungszyklen mit konsekutiver Abnahme der Geburten (Griesinger et al. 2007). Inzwischen neigen einige Ersatzkassen wieder dazu, einen höheren Kostenanteil zu übernehmen, was wiederum zu einer langsamen Zunahme der Behandlungszahlen nicht ganz auf das Niveau von vor 2004 führte.
Aus der Abnahme der Behandlungszyklen ergab sich ein Abfall der Geburtenrate nach In-vitro-Fertilisation in Deutschland von 2,6 % auf 1,6 %. Die entsprechenden Raten im europäischen Vergleich lagen für Skandinavien im Maximum bei 4,2 %, für Belgien bei 2,4 %, für Frankreich bei 1,7 % und für Großbritannien bei 1,6 %. Inzwischen ist die Geburtenrate in Deutschland allmählich wieder angestiegen.
In der alltäglichen Praxis zeigt sich, dass die unterschiedlichen Regularien zur Familienplanung und Reproduktionsmedizin in den europäischen Ländern dazu führen, dass Paare bei gegebener Indikation zur Verwirklichung ihres Kinderwunsches im eigenen Land keine entsprechende Behandlung in Anspruch nehmen können und auf das europäische Ausland ausweichen und Staaten bereisen, wo z. B. die Eizellspende möglich ist, womit sie zu dem Phänomen beitragen, das man als Medizintourismus bezeichnet. Dieses Phänomen führt zu einem Ausgleich von Bedarf und Leistungserfüllung aufseiten der Kinderwunschpaare, ist aber auch mit hohem Aufwand und nicht zuletzt Kostenaufwand verbunden. Dieser Status quo entlastet die einzelnen Staaten jedoch nicht, über tragfähige und angemessene Lösungen nachzudenken (Pennings 2004).
Das Deutsche Embryonenschutzgesetz ist am 1. Januar 1991 in Kraft getreten. Das veranlasste auch die Gesetzgeber in anderen Ländern zum Handeln. Das inzwischen von 30 Staaten unterzeichnete Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin aus dem April 1997 kam hinzu, um gemeinsame Mindeststandards zu gewährleisten. Dieses Gesetz trat im Dezember 1999 in Kraft.
Ein Rechtsvergleich unter den Ländern betrifft sowohl Aspekte im bürgerlichen Recht als auch das Strafgesetzbuch oder ist in speziellen Gesetzen geregelt wie beispielsweise in Österreich, wo das Gentechnikgesetz aus dem Januar 1995 Bestimmungen zur Genanalyse und Pränataldiagnostik enthält. Eine vom Europarat 1995 vorgelegte Übersicht zu 39 vorwiegend europäischen Ländern weist für bis dato 22 Staaten das Vorhandensein gesetzlicher Regelungen zu einem oder mehreren Bereichen der Fortpflanzungsmedizin auf (Medically Assisted Procreation and the Protection of the Human Embryo, Strasbourg 1997).
Jedoch sind in etlichen Ländern große Bereiche dieses Faches nicht explizit geregelt.
Hingegen ist in Skandinavien, beispielsweise in Dänemark, die gesamte Fortpflanzungsmedizin in Rechtsordnungen abgebildet und reguliert. Zudem wird weiterhin deutlich, dass in Ländern wie Österreich, Schweiz, Deutschland und seit 2004 auch Italien die Zahl der Verbote überwiegen, während man sich etwa in Großbritannien mit repressiven gesetzlichen Verankerungen äußerst zurückhält und auf eine nachgeschaltete regulative Ebene verlagert. Die Gesetze in Deutschland und Österreich sind etwa zeitgleich entstanden (1991 und 1992), während das Fortpflanzungsmedizingesetz der Schweiz 1998 verabschiedet wurde, allerdings erst mit Verzögerung 2001 in Kraft trat.
Inzwischen ist ein wenig Bewegung in die Legislative der deutschsprachigen Länder gekommen. Zum 1. September 2017 wurde in der Schweiz die Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Bedingungen zugelassen wie auch eine Entgrenzung der Menge der kultivierbaren Embryonen mit entsprechender Bedeutung für die Kryokonservierung.
Eine vergleichbare Liberalisierung erfuhr die Gesetzgebung in Österreich 2015 nicht nur die Präimplantationsdiagnostik betreffend, sondern auch durch die Aufhebung des Verbotes der Eizellspende.
Ein letztlich verpflichtendes internationales Übereinkommen ist bislang noch nicht zustande gekommen, wenngleich in Art. 8 und 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention das Recht auf Privat- und Familienleben, Heirat und Familiengründung systematisch thematisiert wird. Das Menschenrechtsübereinkommen des Europarates von 1997 beschränkt sich auf das Gebot der Diskriminierung im Bereich humangenetischer Fragestellungen und hinsichtlich prädiktiver genetischer Tests.
Es existiert ein ausgesprochenes Verbot der Intervention in das menschliche Genom und ein Verbot der Geschlechterwahl, außer zur Vermeidung schwerer erblicher geschlechtsgebundener Krankheiten. Einigkeit herrscht über das Verbot des reproduktiven Klonens menschlicher Lebewesen (Tab. 1).
Tab. 1
Rechtslage in Europa (Stand 2017)
Land
PID
PGS
Samenspende
Belgien
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig
Dänemark
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig
Deutschland
zulässig
zulässig
unzulässig
zulässig
England
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig
Frankreich
zulässig
unzulässig
zulässig
zulässig
Griechenland
zulässig
unzulässig
zulässig
zulässig
Holland
zulässig
unzulässig
zulässig
zulässig
Italien
zulässig
zulässig
unzulässig
zulässig
Norwegen
zulässig
unzulässig
unzulässig
zulässig
Österreich
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig
Schweiz
zulässig
zulässig
unzulässig
zulässig
Portugal
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig
Spanien
zulässig
zulässig
zulässig
zulässig

Samenspende

Die natürliche Fortpflanzung unterliegt in Europa nicht der rechtlichen Regelung. Hingegen ist bei medizinisch assistierter Fortpflanzung der Bereich der Privatsphäre in rechtlicher Hinsicht vielfältig überschritten und liegt im Verantwortungsbereich Dritter. Die heterologe Insemination beispielsweise wird verstanden als intendiertes Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Vaterschaft ohne Rücksicht darauf, ob die Kinderwunschpaare miteinander verheiratet sind.
Von besonderer Bedeutung ist hier die Anonymität des Samenspenders. Die Anonymität gilt der Absicherung des genetischen Vaters gegenüber unterhalts- und erbrechtlichen Ansprüchen des Kindes. Modernere Rechtsfiguren betonen jetzt jedoch stärker die Interessen des Kindes. Das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz sieht vor, dem Kind eine Erklärung seiner biologischen Abstammung zu ermöglichen oder gesundheitsbezogene Informationen verfügbar zu machen. Das bedeutet die obligate Notwendigkeit einer Dokumentation der Spenderdaten.
Regelungsbedarf ist erforderlich im Hinblick auf Anzahl von Samenspenden, Vergütungsansprüche und zu Fragen der Spenderanwerbung und -auswahl. Ein entsprechendes Regelwerk findet sich in Österreich und der Schweiz.
Die Richtlinien der Deutschen Bundesärztekammer (2006) zur Durchführung der assistierten Reproduktion schließen diese Behandlungen nicht generell aus, verlangen aber optional ein zustimmendes Votum einer bei der Ärztekammer eingerichteten Kommission. Dies ist beispielsweise in Österreich nicht zulässig.
Ein weiterer Punkt ist die international kontrovers diskutierte Post-mortem-Insemination. Sie ist in Deutschland, Norwegen und Schweden verboten, zulässig dagegen in Großbritannien und Spanien. In Dänemark ist dies im homologen System untersagt, jedoch nicht aber zur weiteren Verwendung der Gameten im heterologen System.
Die Kryokonservierung von Samenzellen ist beispielsweise in Österreich maximal auf 1 Jahr beschränkt, wogegen in anderen europäischen Ländern die zulässige Höchstdauer zwischen 5 und 10 Jahren schwankt. Die Problematik der sozial vaterlosen Insemination bzw. die auf gleichgeschlechtliche soziale Elternschaft zielende Fortpflanzungshilfe lässt sich in die Begrifflichkeit homolog/heterolog nicht ohne Weiteres übertragen. In Frage stehen hier rechtlicherseits Unterhaltsansprüche gegen den betreffenden genetischen Vater. Sozial vaterlose Mutterschaften sind immer noch negativ konnotiert, jedoch nicht grundsätzlich untersagt.
Die Verwendung von Spendersamen zur Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen ist in Deutschland nicht verboten. Sie ist ebenfalls in der Muster-Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer geregelt. Die bis dato in Deutschland gewährleistete Spenderanonymität wurde unlängst iudikabel und neu berwertet, mit nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Betreuung betreffender Patientenpaare.
Vor einer Behandlung sollte eine psychologische Beratung des Paares erfolgen sowie eine Aufklärung über die rechtlichen Folgen durch einen Notariatsakt.
Aufgrund eines Urteils vom OLG Hamm vom 6. Februar 2013 und einer Bestätigung durch den Bundesgerichtshof durch ein Urteil vom 28. Januar 2015 wurde die Anonymität des Samenspenders aufgehoben. Es besteht dadurch das Auskunftsrecht von Spenderkindern über Daten des genetischen Vaters.
Am 17. Juli 2017 wurde das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samenzellen verabschiedet, das am 1. Juli 2018 in Kraft trat. Durch die Einrichtung eines Samenspenderregisters beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information wird Spenderkindern die Auskunft über Daten des Samenspenders erleichtert. Eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch bezüglich der Feststellung des Samenspenders als Vater des Kindes wurde vorgenommen. Nicht geregelt ist die Angabe der Spenderdaten von Spendersamen aus dem Ausland, wie z. B. aus Dänemark, bei der Durchführung von häuslichen Selbstinseminationen. Die Verwendung von gepooltem Spendersamen sowie der Sonderfall der Embryonenadoption ist ebenfalls nicht geregelt, was als kritisch zu bewerten ist.

Eizellspende und Leihmutterschaft

Eine Analogie der Eizellspende zur Samenspende ist nicht zwingend, da hier die Mitwirkung des Arztes im Hinblick auf die notwendige Eizellentnahme hinzukommt. Von Bedeutung ist vor allem die Tatsache, dass das Auseinanderfallen von genetischer und die Schwangerschaft austragender Rolle möglicherweise nicht vorkommt.
Die Zulässigkeit der Eizellspende wird international kontrovers beurteilt. Dieses Verfahren ist lediglich in fünf Staaten (Irland, Norwegen, Slowenien, Schweden, Schweiz) ausdrücklich verboten, in den übrigen Ländern dagegen nicht reguliert. Das Embryonenschutzgesetz in Deutschland verbietet jedoch implizit die Eizellspende, da hinterlegt ist, dass ausdrücklich nur Eizellen bei der Frau verwendet werden dürfen, von der sie auch stammen.
Unabhängig von einer Verbotsregelung der Eizellspende ist von viel größerer Bedeutung, wer im Falle einer gespalteten Mutterschaft im Rechtssinne als Mutter des Kindes gelten soll. Die Frau, von der die genetische Komponente herrührt, oder diejenige, die die Schwangerschaft austrägt und das Kind zur Welt bringt. Soweit hier überhaupt Regulierungen existieren, gilt offenbar die zweite Variante. Die Möglichkeit adoptionsrechtlicher Statusänderung bleibt davon unberührt.
Im Falle der Leihmutterschaft handelt es sich um eine Schwangerschaftsspende. Selbst im Fall der Tolerierung, z. B. in Großbritannien, besteht jedoch keine Möglichkeit, mit rechtlichen Mitteln eine Wegnahme des Kindes nach der Geburt zwangsweise durchzusetzen, wenn die Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat, nicht mehr bereit ist, es der sozialen Wunschmutter zu überlassen, selbst wenn diese auch die genetische Mutter ist (Akker 2006).

Präimplantationsdiagnostik (PID) und Bedeutung des Embryos

Die PID ist bislang in Frankreich, Norwegen, Spanien, Schweden und Australien gesetzlich geregelt. Ein explizites Verbot bestand bislang nur in Österreich. Hier durften entwicklungsfähige Eizellen nicht für andere Zwecke als für die assistierte Fortpflanzung verwendet und nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist.
Inzwischen ist es nun sowohl in Österreich (2015) als auch in der Schweiz (2017) zu einer Liberalisierung gekommen mit einer zeitgemäßen und tragfähigen Gesetzesnovellierung (s. oben). Kurios ist die Situation in Norwegen, wo ein Gesetz grundsätzlich den rechtlichen Rahmen zur PID absteckt, jedoch eine entsprechende Praxis auf eine zuständige Verordnung verweist, die bisher noch gar nicht nicht erlassen worden.
Festzustellen ist, dass das Thema PID überall gleichermaßen kontrovers diskutiert wird, wobei die zentralen Fragen und Argumente kaum variieren. Die österreichische Bioethikkommission hatte sich 2004 einer verbindlichen Stellungnahme und Empfehlung enthalten, ebenso beschränkte sich der dänische Ethikrat 2004 auf Fragen der Forschung an Keimzellen und Embryonen, während der niederländische Gesundheitsrat 2006 eine weitreichende Zulassung der PID einschließlich zum Zwecke der HLA-Typisierung forderte.
Die in deutschsprachigen Ländern favorisierte nunmehr aufgeweichte Verbotspraxis stellt international eine Minderheitenposition dar. In Ländern wie Belgien und Finnland ist diesem Thema eine weit geringere ethische Brisanz zugemessen worden als beispielsweise in Frankreich und Deutschland.
Eine definitive Regelung der Durchführbarkeit der PID in Deutschland auf dem Boden des Embryonenschutzgesetzes war längst überfällig, wurde diese Behandlungsmöglichkeit doch bereits seit 1995 insbesondere von der Lübecker Arbeitsgruppe um Diedrich eingefordert.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juli 2010 beschloss die straffreie Untersuchung von Trophoblastenzellen im Blastozystenstadium. Eine ausführliche Beratung der Eltern über die psychischen und medizinischen Auswirkungen der Untersuchung sollte unbedingt Bestandteil der Behandlung sein. Des Weiteren wird nunmehr durch eine Ethikkommission geprüft, ob für die Durchführung einer PID alle Voraussetzungen erfüllt sind. Das erste deutsche PID-Zentrum wurde im März 2014 an der Universitätsklinik Lübeck gegründet. Bei der Ärztekammer Hamburg ist die gemeinsame Ethikkommission für Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt. Für Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen ist die Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg in Stuttgart zuständig. Grundsätzlich ist die Durchführung der PID nur zulässig, um eine Schwangerschaft herbeizuführen und drohende Erbkrankheiten auszuschließen sowie zur Vermeidung von zu erwartenden Fehl- und Totgeburten. Der Rahmen zulässiger Maßnahmen in Deutschland entspricht den Gesetzesnovellierungen in Österreich und der Schweiz.

Forschung und Ethik im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik

Aristoteles fehlten 2000 Jahre Wissenschaft, um zu erkennen, dass der Embryo seine Beseelung nicht 40 respektive 80 Tage nach Konzeption zugemessen bekommt, sondern die Menschwerdung mit der Kernverschmelzung von männlichem und weiblichem Vorkern in der Oozyte seinen Anfang nimmt.
Dieser Erkenntnis konnte dann Papst Pius IX. 1869 Rechnung tragen, um die bis heute einflussreiche thomistisch-katholische Lehrmeinung umzudeuten und eine naturalistisch-neofundamentalistische Wende herbeizuführen.
Diese Haltung entstammt eher protestantischen Denkmodellen, die Ende der 1950er-Jahre des letzten Jahrhunderts bizarrerweise zur Sakralisierung der Gameten per se führte. Diese christliche Geistesströmung ist manifest und tief verwurzelt in den politisch demokratisch regierten Staaten Europas, wenngleich es sich weitgehend um laizistische Mehheitsgesellschaften handelt, die sich als moderne, plurikultural entwickelnde Gebilde präsentieren, in denen auch andere Glaubenswurzeln sprießen.
Der Beginn menschlichen Lebens versteht sich als genetisch kontrolliertes Programm, als ein zur Organogenese disponierendes An- und Abschalten von Genen im Ooplasma und in den nachfolgenden Blastomeren. Menschliches Leben beginnt demnach mit der Vereinigung des maternalen haploiden Chromosomensatzes der Eizelle und des paternalen haploiden Chromosomensatzes der Samenzelle, d. h. nach Abschluss der Befruchtungskaskade. In den Zellkernen liegt nach der ersten mitotischen Teilung das neue Genom in seiner definitiven Form vor unter Vorbehalt möglicher nachfolgender epigenetischer Variabilitäten.
Diese Phänomene sind gentechnologisch korrumpierbar und manipulierbar, also intentional beeinflussbar. Diese kritischen Beobachtungen ermöglichen zukünftig, was die zeitgenössische Medizin mit der Stammzellforschung als ihren Skopus anerkennt, nämlich suffiziente und elegante Heilmethoden zu entwickeln.
Diese Erkenntnisse beweisen zunächst rein gar nichts. Dass ein neu entstandenes Genom seiner wahrscheinlich ureigensten Bestimmung nach Weiterentwicklung und Differenzierung nachkommt, ist in uneingeschränkter Unidirektionalität nicht unstrittig.
Doch gewinnt dieses prozessuale Kontinuum eine Qualität, die richtigerweise mit dem Begriff der Potenzialität belegt wird. Allein diese Potenzialität aber wird zum Selbstzweck einer Schutzwürdigkeit, die sich sowohl im juristischen als auch in moralischem Sinne durch sich selbst rechtfertigt.
Die Potenzialität wird zu einer Rechtsfigur ungleicher Tragweite, dabei sagt der Begriff nur, dass mit anzunehmender Wahrscheinlichkeit Menschwerdung so und nicht anders geschieht. Allein die Potenzialität lässt die Entwicklungsfähigkeit offen. Inwieweit ein Embryo fähig ist, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln, ist nicht beweisbar, augenscheinlich ist, das dieses prozessuale Kontinuum in nicht unerheblichem Maß auf das maternale Milieu im Zuge des Nidationsprozesses angewiesen ist, um Implantation und Wachstum erst zu ermöglichen. Hier schon das Postulat von Identität und Individualität als causa sui generis der Statuszumessung zu reklamieren, und hieraus Würde- und Lebensschutz im verfassungsrechtlichen Sinn abzuleiten, ist nicht zwingend.
Wenngleich die Grundlagen verantwortbarer Handlungsmaximen weltweit durchtränkt sind von diverser kultureller Vielfalt und daraus resultierenden unterschiedlichen standesrechtlichen und gesetzlichen Regularien, gilt für den deutschen Diskurs die deutsche Gesetzgebung. Schlechthin gilt eine Ethik, die ein verantwortbares ärztliches Handeln unter den kontinuierlich wechselnden Bedingungen wissenschaftlicher Erkenntnis zum Wohle der Gesundheit der Patientinnen und Patienten zur Reflexion bringt, gar nichts angesichts klarer gesetzlicher Vorgaben, die gewagte Interpretamente sensu strictu nicht zulassen und auch nicht zulassen können, ohne dass Zweifel an ihrer Konsistenz aufkämen.
Das deutsche Embryonenschutzgesetz untersagt deshalb, innerhalb eines Behandlungszyklus mehr als drei Embryonen zu kultivieren und zu transferieren. Diese strikte Regelung ist ohne Zweifel im Ansatz ein geeignetes Instrument, der erhöhten Inzidenz von Mehrlingsschwangerschaften und den damit verbundenen geburtsmedizinischen Problemen, wie Frühgeburtlichkeit und postpartale Morbidität, zu entgegnen. Liegt die Mehrlingsrate in der fertilen Bevölkerung etwa bei 1 % aller Geburten, so ist sie jedoch nach assistierter Reproduktion weltweit, und auch in Deutschland, seit Jahren konstant erhöht gewesen.
Umso mehr gilt es weiterhin, die Einlingsschwangerschaft als Ziel reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zu etablieren.
Eine qualitative Embryonenselektion nach morphologischen und/oder genetischen Kriterien erhöht nachgewiesenermaßen den Erfolg, dieses Ziel auch zu erreichen. Die selektive Einlingsschwangerschaft als deklariertes Behandlungsziel, das es unter allen Umständen zu erreichen gilt, vermeidet zudem den weiteren Problemkreis, den des selektiven Fetozids bei eingetretener, aber nicht erwünschter Mehrlingsschwangerschaft.
Immerhin zeigten skandinavische und belgische Erfahrungen schon früh, dass nach Embryonenselektion und unter konsequenter Inanspruchnahme der Konservierung überzähliger Embryonen nach elektivem Transfer von nur einem Embryo hohe Schwangerschafts- und Geburtsraten möglich sind bei dramatisch gesunkenen Mehrlingsraten (Gerris 2005).
Die uneingeschränkte Schutzwürdigkeit des Embryos ist der Kernpunkt nicht nur im Hinblick auf die Frage der Selektion bei der Präimplantationsdiagnostik bei der Behandlung genetisch belasteter Kinderwunschpaare, sondern eben auch bei der Auswahl von Embryonen mit hohem Implantationspotenzial im Rahmen konventioneller reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei der Kinderwunschbehandlung. Eine erfolgreiche Praxis moderner Reproduktionsmedizin sieht man in Ländern wie Belgien, wo es keine gesetzliche Regulierung gibt, wohlgleich in höchstem Maße greifende Leitlinien. Oder wie in Großbritannien, das den Embryo erst nach Tag 14 unter Schutz stellt und damit eine effektive und praktikable Lösung bereithält.
Das deutsche Recht formuliert mit dem im Januar 1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz in § 8, 1 den Rechtsstatus des Embryos und garantiert ihm uneingeschränkte Schutzpflicht vom Zeitpunkt der abgeschlossenen Kernverschmelzung an. Es existiert kein Raum für die Annahme einer rechtlich ungeschützten Frühphase des Menschen. Handlungen gegen den Embryo in vitro sind hiernach rechtswidrig und unter Strafe gestellt.
Einzig und allein einer Einzelfallentscheidung ist es zu verdanken, dass letztlich der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung für die PID den Weg frei machte für die Zulassung der PID in besonderen Fällen. Dieser Entscheidung beugte sich dann auch das deutsche Parlament im Juli 2011.
Ein Meilenstein nach 15-jähriger deutscher Debatte. Regularien zur Umsetzung in die Praxis fehlen jedoch noch.
Besser würde eine Neuformulierung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes in Deutschland die Chance eröffnen, substanziell den medizinischen, juristischen und ethischen Diskurs der letzten nahezu 25 Jahre zu nutzen, um ärztlich verantwortbares Handeln für die Zukunft zu sichern. Der Autonomie und dem Selbstbestimmungsrecht der Kinderwunschpaare, und damit dem gesundheitlichen Wohl der Paare und der Wunschkinder, kann Rechnung getragen werden, wenn unter den Prämissen der gegenwärtigen und zukünftigen medizinischen Erkenntnisse und international geltenden Behandlungsstandards Behandlungsstrategien, wie z. B. der selektive Single-Embryotransfer möglich werden. In Abwägung der Güter und unter Berücksichtigung einer ergebnisoffenen Wertschätzung der Potenzialität von Menschwerdung kann der Würde- und Lebensschutz gelebt werden.
Eine solche Verfahrensweise, trüge man sie nach Europa, könnte Grundlage einer Neubewertung zur Etablierung rechtlich verbriefter Mindeststandards bei einem Maximum an Freiheit und Entscheidungsoptionen für die Patienten- und Ärzteschaft sein.
Einzig und allein dem Primat der Menschenwürde verpflichtet, und dem Recht auf Gesundheitsschutz folgend, lässt sich eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Kinderwunschbehandlung realisieren, die dem Pluralitätsanspruch und den globalen Erfordernissen in Europa standhält.
Literatur
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