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Reproduktionsmedizin
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Publiziert am: 11.07.2018

Schilddrüsenfunktionsstörungen in der Reproduktionsmedizin

Verfasst von: Catharina Bullmann
Die physiologischen Veränderungen der Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft werden dargestellt. Schilddrüsenfunktionsstörungen sind bei jungen Frauen im reproduktiven Alter häufig. Einflüsse von Schilddrüsenfunktionsstörungen auf die Reproduktivität sind teils gut belegt, teils wahrscheinlich. Die speziellen Indikationen für eine Schilddrüsenhormonbehandlung bei Kinderwunsch und Schwangerschaft, einschließlich der trimenonspezifischen Referenzbereiche, werden dargestellt und konkrete Empfehlungen zur praktischen Durchführung gegeben. Neben der Hypothyreose werden die Differenzialdiagnose der Hyperthyreose und die therapeutischen Implikationen in dieser speziellen Lebensphase erläutert.

Einleitung und Definition

Die Schilddrüsenfunktion beeinflusst die Fertilität. Bekannt sind die Effekte des Thyroxins auf das LH (luteinisierendes Hormon), das Prolaktin und die Höhe des sexualhormonbindenden Globulins (SHBG). Zusätzliche direkte Effekte auf die ovulatorische Funktion werden aufgrund von vorhandenen T3-Rezeptoren am Ovar vermutet (Poppe et al. 2008). Schilddrüsenfunktionsstörungen sind bei Frauen in fertilem Alter mit 2–4 % häufig (Wang und Crapo 1997). Die Abklärung und Behandlung von Schilddrüsenfunktionsstörungen haben in der Reproduktionsmedizin deshalb ihren festen Platz.
Die Schilddrüse ist verantwortlich für die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin). Notwendiger Baustein für die Produktion von Schilddrüsenhormonen ist Jodid. An der Zielzelle wirksam ist das nicht gebundene, freie T3 (fT3), welches eine relativ kurze Halbwertszeit aufweist. T4 ist das Prohormon für das T3 mit einer Halbwertszeit von etwa 8 Tagen. Aufgrund der längeren Halbwertszeit ist es auch die bessere Substitutionsform. Beide Hormone werden heute als freie Hormone gemessen (fT3 und fT4). Die Produktion der Schilddrüsenhormone unterliegt dem hypothalamisch-hypophysären Regelkreis aus TRH und TSH (Abb. 1).
Es wird zwischen latenten/subklinischen und manifesten Schilddrüsenfunktionsstörungen unterschieden. Als latente Funktionsstörung bezeichnet man eine ausschließliche Veränderung des TSH-Spiegels. Bei manifesten Funktionsstörungen sind zusätzlich auch Veränderungen der freien Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4) auffällig. Dies setzt voraus, dass die empfindlichen Stellgrößen Hypophyse und Hypothalamus gesund sind (Abb. 1).

Physiologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft

Im Rahmen einer Schwangerschaft kommt es zu Veränderungen im Schilddrüsenstoffwechsel. Nur weniger als 1 % der Schilddrüsenhormone liegen in der ungebundenen Form als freies T3 und T4 vor. Das entscheidende Bindungsprotein ist das thyroxinbindende Globulin (TBG). Während einer Schwangerschaft verdoppelt sich das TBG, sodass mehr T4 gebunden werden kann.
Zusätzlich kommt es durch die schwangerschaftsbedingte Zunahme des renalen Blutflusses zu einer vermehrten Jod-Clearance. Dabei ist gleichzeitig der periphere Metabolismus der Schilddrüsenhormone durch die plazentare Aktivität der Dejodothyronin-Dejodinase verändert (Poppe et al. 2008). Und nicht zuletzt kommt es durch die strukturelle Ähnlichkeit des Schwangerschaftshormons HCG mit dem TSH im 1. Trimenon und/oder bei Vorliegen einer Geminigravidität zu einer Stimulation des TSH-Rezeptors an der Schilddrüse und damit zu einem Anstieg der freien Schilddrüsenhormone innerhalb des Referenzbereichs. Konsekutiv fällt der TSH-Spiegel in der Frühschwangerschaft ab (Abb. 2).
Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft kommt es bis zur Entbindung dann zu einem langsamen Anstieg des TSH bei gleichzeitigem Abfall des fT4 (Glinoer 1997; Chan und Mandel 2007). Diese physiologischen Mechanismen, die den notwendigen Thyroxinmehrbedarf in der Schwangerschaft ausgleichen, funktionieren nur in einer gesunden Schilddrüse.
In der aktuellsten europäischen Leitlinie wird die Anwendung trimenonspezifischer Referenzbereiche empfohlen, die mittlerweile in den meisten Labors Anwendung finden (Lazarus et al. 2014) (Tab. 1). Die noch etwas aktuellere Leitlinie der American Thyroid Organisation empfiehlt eigene Schwangerschaftsspezifische Referenzbereiche zu generieren (Alexander et al. 2017), in Ermangelung dessen ist es adäquat, sich an den europäischen Empfehlungen zu orientieren:
Tab. 1
Trimenonspezifische obere TSH-Referenzbereiche. (Lazarus et al. 2014)
 
Oberer TSH Referenzbereich (mIU/L)
1. Trimenon
<2,5
2. Trimenon
<3,0
3. Trimenon
<3,5
Die Schilddrüsenhormone gehen in nur geringer Menge diaplazentar auf das Kind über. Ab der 12. Schwangerschaftswoche ist der Fetus zur eigenständigen Produktion von Schilddrüsenhormonen fähig. Jodid, Schilddrüsenantikörper, aber auch Thyreostatika hingegen werden sehr gut diaplazentar übertragen (Abalovich et al. 2007).

Schilddrüsenunterfunktion – Hypothyreose

Häufigste Ursache einer latenten oder manifesten Hypothyreose ist im jungen Alter eine Autoimmunthyreoiditis (AIT), auch Hashimoto-Thyreoiditis genannt. Weitere Ursache kann eine ablative Schilddrüsenbehandlung (Operation oder Radiojodtherapie) sein. Die Überdosierung von Thyreostatika sollte ursächlich nur ein passageres Problem sein. Seltene Ursachen sind eine Fehlanlage der Schilddrüse, schwerer Jodmangel (in Deutschland nicht mehr relevant) oder eine Störung der Hormonsynthese.

Symptome und Diagnose

Typische Beschwerden einer Schilddrüsenunterfunktion sind in der Übersicht dargestellt.
Typische Beschwerden einer Hypothyreose
  • Müdigkeit
  • Verminderte Leistungsfähigkeit
  • Kälteintoleranz
  • Trockene Haut
  • Strohige Haare
  • Heiserkeit
  • Gewichtszunahme
  • Zyklusunregelmäßigkeiten
  • Wassereinlagerungen
Eine latente oder eben auch subklinisch genannte Hypothyreose ist meist symptomlos.
Die Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis wird gestellt durch gleichzeitiges Auftreten
  • einer latenten oder manifesten Hypothyreose,
  • typischer sonographischer Veränderungen (Echoinhomogenität, Echoarmut) und
  • erhöhter TPO-Antikörper.
2 von diesen 3 Kriterien müssen zur Diagnose einer Autoimmunthyreoiditis (AIT) erfüllt sein. Eine AIT kann im Rahmen eines polyendokrinen Autoimmunprozesses auftreten. Weitere – seltenere – assoziierte Manifestationen sind:
  • M. Addison,
  • Typ-1-Diabetes,
  • prämature Ovarialinsuffizienz,
  • pernitiöse Anämie.
Die Diagnose einer Hypothyreose wird zunächst mit dem Screeningparameter TSH überprüft. Ist dieser erhöht nachzuweisen, so empfiehlt sich die Bestimmung der freien Schilddrüsenhormonparameter fT3, fT4 und der Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK). Positive TPO-Antikörper und/oder Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK) finden sich bei etwa 10 % der Bevölkerung, hiervon ist 1/5 weiblich (Tunbridge et al. 1977). Bereits ab einem TSH-Spiegel >2,5 mIU/l finden sich gehäuft positive TPO-AK, sodass einige Labors den oberen Grenzwert des TSH auf 2,5 mIU/l festgelegt haben.
Empfehlung
Im Rahmen einer Fertilitätsabklärung ist auch bei einem TSH im Referenzbereich eine Thyreoperoxidase-Antikörperbestimmung sinnvoll.
Denn bereits 1981 gab es Untersuchungen, die eine erhöhte Inzidenz einer hypothyreoten Stoffwechsellage bei infertilen Frauen darstellten (reviewed in Poppe et al. 2008). Auch nachfolgende Untersuchungen wurden i. d. R. nicht prospektiv durchgeführt und die Definition einer latenten Hypothyreose mit unterschiedlichen Grenzwerten angesetzt. Versucht man jedoch, trotz allem die verschiedenen Studien zusammenzufassen, kommt man zu einer erhöhten Inzidenz von AIT bei infertilen Frauen im Vergleich zu Kontrollen etwa um den Faktor 2,1 (RR; Poppe et al. 2007).
Gleichzeitig hat es eine ganze Reihe von Studien – davon 12 Fallkontrollstudien – in den letzten Jahren gegeben, die eine Korrelation zwischen erhöhten TPO-Antikörpern und einer erhöhten Neigung zu Fehlgeburten zeigte (Männistö et al. 2009; Abalovich et al. 2007). In einer neueren Studie von 2016 hingegen zeigten TSH-Erhöhungen und TPO-AK-Positivität keinen negativen Einfluss (Plowden et al. 2016). Die genauen TSH-Grenzwerte sind hierbei weiterhin Gegenstand reger Diskussion.
Als eine Ursache wird angenommen, dass Frauen mit positiven TPO-Antikörpern eine relative Hypothyreose haben und insofern in der Schwangerschaft die Schilddrüsenfunktion nicht physiologisch anpassen können (Thangaratinam et al. 2011). Ob zusätzliche Autoimmunvorgänge hier noch einen direkten Einfluss auf die Intaktheit Schwangerschaft ausüben, ist Gegenstand der Diskussion.
Bis heute sind prospektive Studien rar, die den Effekt einer Levothyroxintherapie auf eine Reduktion der erhöhten Raten an Fehlgeburten bei TPO-Antikörper-positiven Frauen untersuchen. Es existieren hierzu 2 Arbeiten, die aus derselben Arbeitsgruppe um Negro stammen. Sie zeigen eine Reduktion der Rate an Fehlgeburten und v. a. keine negativen Effekte einer Levothyroxintherapie (Negro et al. 2005, 2006). Die Bestimmung des TPO-AK hat insofern zusätzlich zur Bestimmung des TSH Relevanz.
Die iranische Arbeitsgruppe um Sima Nazarpour hat kürzlich den Einfluss einer L-Thyroxingabe bei subklinisch hypothyreoten Frauen untersucht. Die Gruppe der TPO-AK-positiven Frauen scheint bezüglich einer Reduktion der Frühgeburtlichkeit von einer Levothyroxingabe zu profitieren. Die Häufigkeit neonataler stationärer Aufnahmen war insbesondere bei den Kindern der Frauen erhöht, die eine subklinische Hypothyreose mit einem TSH von >4,0 mIU/l aufwiesen und unbehandelt blieben (Nazarpour et al. 2017). Die Untersuchung bei TPO-AK-negativen Frauen zeigte eine Reduktion der Frühgeburtlichkeit unter einer Levothyroxintherapie ab einem TSH >4 mIU/l vor Therapiebeginn (Nazarpour et al. 2018). Bei beiden publizierten Untersuchungen wurde die Randomisierung in der 11–12. Schwangerschaftswoche vorgenommen, die Effekte einer L-Thyroxin-Therapie in der Frühschwangerschaft waren entsprechend nicht Gegenstand der Untersuchung.
In einer ebenfalls kürzlich erschienenen dänischen Follow-up-Studie wurde bei 5-jährigen Kindern eine Minderung des Intelligenzquotienten ab einem mütterlichen TSH in der Schwangerschaft >10 mIU/l nachgewiesen. Ein mütterliches TSH zwischen 2,5 und 9,9 mIU/l hatte keinen messbaren negativen Einfluss (Andersen et al. 2018). Dies bestätigt, dass milde TSH-Erhöhungen in der Schwangerschaft für die neuropsychologische Entwicklung des Kindes wohl keine negativen Auswirkungen haben.
Auch vor dem Hintergrund dieser neueren Daten sollten Übertherapien vermieden werden.

Therapie der Hypothyreose bei Kinderwunsch und Schwangerschaft

Empfehlung
Aufgrund der geschilderten Ergebnisse wird der Beginn einer Schilddrüsenhormonsubstitution bei Kinderwunsch und in der Frühschwangerschaft ab einem TSH-Wert >2,5 mIU/l empfohlen, insbesondere dann, wenn die TPO-AK positiv sind.
Die übliche Startdosis liegt bei 50 μg Levothyroxin, diese kann als Kombinationstherapie mit Jodid 150 μg eingenommen werden, falls die Frau nicht bereits ein Jodidpräparat einnimmt.
Schilddrüsenhormonsubstitution
Frauen mit Kinderwunsch, die positive TPO-AK aufweisen, profitieren nach der derzeitigen Studienlage wahrscheinlich von der Therapie einer subklinischen Hypothyreose mit Levothyroxin und sie wird deshalb empfohlen.
Ab einem TSH von >2,5 mIU/l wird bei Kinderwunsch der Beginn einer Schilddrüsenhormonsubstitution empfohlen (Abb. 3). In der Schwangerschaft ist eine Schilddrüsenhormonsubstitution ab einem TSH oberhalb des trimenonspezifischen Referenzbereiches empfohlen (Alexander et al. 2017).
Liegt das TSH nicht im Zielbereich, so kann nach Tab. 2 eine Dosisanpassung vorgenommen werden.
Tab. 2
Anpassung der Thyroxindosis. (Nach Glinoer und Abalovic 2007)
Serum-TSH (mIU/ml)
Erhöhung des Thyroxins (μg/d)
5–10
25–50
10–20
50–75
>20
100
Nimmt die Frau bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft ein Schilddrüsenhormon ein, so muss die Dosis um 25–50 % gesteigert werden. Es bietet sich hier an, in Kenntnis der Schwangerschaft die Dosis anzupassen. Hierzu können verschiedene Verfahren gewählt werden.
Möglichkeiten der Dosissteigerung der Levothyroxindosis im Rahmen der Schwangerschaft
  • Dosissteigerung mit Kenntnis der Schwangerschaft um 50 % der Tagesdosis (Beispiel von 50 μg Levothyroxin auf 75 μg/Tag).
  • Dosissteigerung durch Verdoppelung der Tagesdosis an beiden Wochenendtagen (Beispiel: 50 μg Levothyroxin Montag bis Freitag, 2 × 50 μg Samstag und Sonntag).
In jedem Fall sollte das TSH 4 Wochen nach Dosisänderung kontrolliert werden.
Bei stabilem TSH unter erfolgter Levothyroxintherapie und nicht notwendiger Dosisänderung im Verlauf wäre eine TSH-Kontrolle 1×/Trimenon zu empfehlen.
Direkt nach Entbindung ist eine Dosisreduktion auf die präkonzeptionelle Schilddrüsenhormondosis empfohlen.
Eine besondere Stellung nehmen in diesem Zusammenhang die Diagnose und Überwachung von Schilddrüsenfunktionsstörungen bei Hypophysenkrankheiten ein. Einerseits sollte bei Vorliegen einer bekannten hypophysären Insuffizienz an die Überwachung der thyreotropen Funktion gedacht werden, andererseits ist das TSH bei z. B. hypophysär bedingter sekundärer Hypothyreose inadäquat normal oder niedrig bei gleichzeitigem Vorliegen von niedrigen freien Schilddrüsenhormonen. In dieser Konstellation ist das TSH allein als Screening nicht zu gebrauchen. Der physiologische Abfall der freien Schilddrüsenhormone im Verlauf der Schwangerschaft durch das ansteigende TBG muss bei der Beurteilung mit berücksichtigt werden.
Empfehlung
Deshalb sollten auch die freien Schilddrüsenhormone bei bekannter Hypophysenerkrankung besonders bei bekannten Hypophysenmakroadenomen bestimmt werden (Beispiel: Makroprolaktinom).
Mikroadenome der Hypophyse hingegen führen in aller Regel nicht zu einer Hypophyseninsuffizienz, die Überwachung der Schilddrüsenfunktion allein durch Bestimmung des TSH ist ausreichend.
Für die Situation außerhalb von Kinderwunsch und Schwangerschaft gelten andere Indikationen für die Einleitung und die zu erreichenden Zielwerte einer Schilddrüsenhormonsubstitution.

Schilddrüsenüberfunktion – Hyperthyreose

Auch bei der Schilddrüsenüberfunktion/Hyperthyreose unterscheidet man latente von manifesten Funktionsstörungen. Als latente Hyperthyreose wird ein erniedrigtes TSH mit noch normalen freien Schilddrüsenhormonparametern bezeichnet. Eine manifeste Hyperthyreose liegt bei niedrigem (supprimiertem) TSH und gleichzeitig erhöhten freien Schilddrüsenhormonparametern vor.
Im jungen Alter ist die häufigste Ursache für eine Hyperthyreose die immunogene Hyperthyreose, die bei gleichzeitigem Auftreten einer endokrinen Orbitopathie M. Basedow genannt wird. Die Erkrankung gehört zu den Autoimmunthyreopathien und kann im Rahmen eines polyendokrinen Autoimmunsyndroms auftreten.
Des Weiteren können folgende Konstellationen für eine latente oder manifeste Schilddrüsenüberfunktion ursächlich sein:
  • Übersubstitution mit Schilddrüsenhormonen (iatrogene Hyperthyreose),
  • Zerfallshyperthyreose mit Beginn einer Hashimoto-Thyreoiditis, bei einer postpartalen Hyperthyreose oder einer subakuten Thyreoiditis (immer passager),
  • autonomes Adenom der Schilddrüse.

Symptome und Diagnose

Typische Beschwerden einer Hyperthyreose sind in der Übersicht dargestellt.
Typische Beschwerden einer Hyperthyreose
  • Körperliche Unruhe
  • Hyperhidrosis
  • Tachykardie
  • Haarausfall
  • Schlaflosigkeit
  • Wärmeintoleranz
  • Gewichtsabnahme
Fieber und/oder Diarrhö weisen auf eine schwere Hyperthyreose hin. Auch Zyklusstörungen sprechen für eine ausgeprägte Hyperthyreose, sodass eine Hyperthyreose keinesfalls vor dem Eintreten einer Schwangerschaft schützt.
Die Diagnose einer Schilddrüsenüberfunktion wird neben dem klinischen Befund durch die Konstellation von erhöhten freien Schilddrüsenhormonparametern und supprimiertem TSH gestellt. Die sehr seltene Konstellation von erhöhten freien Schilddrüsenhormonparametern in Kombination mit einem inadäquat hohen TSH spricht – bei Vorliegen einer hyperthyreoten Klinik – für eine sekundäre Hyperthyreose (TSHom = TSH produzierendes Hypophysenadenom) oder – ohne Vorliegen einer hyperthyreoten Klinik – für eine Schilddrüsenhormonresistenz (Mutationen des Schilddrüsenhormonrezeptors; Refetoff et al. 1993).
Fällt im Rahmen der Fertilitätsdiagnostik ein erniedrigtes TSH auf, so ist eine differenzialdiagnostische Abklärung zwingend notwendig, da das peripartale Vorgehen für die verschiedenen Erkrankungen unterschiedlich ist.
Für die weitere Diagnostik sind folgende Verfahren hilfreich:
  • Bestimmung des TSH-Rezeptor-Antikörpers = TRAK (positiv bei immunogener Hyperthyreose/M. Basedow),
  • Schilddrüsensonografie,
  • ggf. Schilddrüsenszintigrafie (insbesondere bei der Abklärung von stoffwechselaktiven Knoten sinnvoll).
Bei der immunogenen Hyperthyreose findet sich neben den meist positiven TRAK in der Sonografie eine stark echoinhomogene, echoarme Schilddrüse. Sie ist häufig vergrößert und stellt sich in der Duplex-Sonografie vermehrt vaskularisiert (Abb. 4) dar.
Neben den typischen klinischen Befunden, die sich von den Symptomen ableiten, und der Laborkonstellation findet sich in der Palpation häufig eine vergrößerte Schilddrüse, möglicherweise mit einem auskultatorisch nachweisbaren Schwirren der Schilddrüse.
Bei einem autonomen Adenom – die typische Ursache einer Überfunktion im höheren Alter – ist der TRAK negativ, sonographisch sind ein oder mehrere Knoten zu finden, und falls eine Szintigrafie möglich ist, würde sich ein autonomer Knoten mit einem lokalisiert vermehrten Uptake darstellen.
Wird die Diagnose einer Hyperthyreose in der Frühschwangerschaft gestellt, so ist die schwangerschafts- bzw. HCG-induzierte Hyperthyreose die entscheidende Differenzialdiagnose.
Da die HCG-induzierte Hyperthyreose in der Regel selbstlimitierend ist, ist eine thyreostatische Therapie nicht erforderlich. Tab. 3 hilft bei der notwendigen Differenzialdiagnose der Hyperthyreose in der Schwangerschaft:
Tab. 3
Differenzialdiagnose der Hyperthyreose in der Schwangerschaft
 
Schwangerschaftshyperthyreose
Autonomes Adenom mit manifester Hyperthyreose
Immunogene Hyperthyreose
Schilddrüsenanamnese
Keine
Oft Knoten bereits vorbekannt
U. U. früheres Hyperthyreose-Ereignis bekannt
TRAK
Normal
Normal
Erhöht
Sonografie der Schilddrüse
Unauffällig
Knotennachweis (oft vorbekannt)
Vermehrte Vaskularisierung, echoarm und inhomogen

Therapie der Hyperthyreose

Außerhalb der schwangerschaftsinduzierten Hyperthyreose ist eine manifeste Hyperthyreose immer therapiebedürftig. Eine Beeinträchtigung von Fertilität und Schwangerschaft durch eine latente Hyperthyreose ist hingegen nicht bekannt, deshalb ist diese im Rahmen einer Kinderwunschtherapie und einer Schwangerschaft nicht behandlungsbedürftig (Glinoer 1997; Abalovich et al. 2007). Dies entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit, die Ursache einer latenten Hyperthyreose zu klären.
Die manifeste Hyperthyreose wird mit Thyreostatika behandelt. Es stehen Thiamazol/Carbimazol und Propycilthiouracil (PTU) zur Verfügung. Bekannte Nebenwirkungen sind
  • allergische Reaktionen,
  • Blutbildveränderungen (Agranulozytose),
  • milder bis starker Anstieg der Lebertransaminasen.
Die Nebenwirkungen treten dosisabhängig auf.
Im angloamerikanischen Raum war PTU lange das bevorzugte thyreostatische Medikament. Nachdem allerdings mehrere Fälle mit ausgeprägter Leberschädigung bei jungen Frauen und der Notwendigkeit einer Lebertransplantation unter höher dosierter Therapie mit PTU berichtet wurden, ist die Zurückhaltung größer geworden, dieses Medikament insbesondere bei jungen Frauen einzusetzen (Cooper und Rivkees 2009).
Ziel der Therapie ist es, die freien Schilddrüsenhormone hoch normal zu halten und das TSH supprimiert zu lassen.
Die immunogene Hyperthyreose verläuft schubförmig. In etwa 30–40 % der Fälle wird nach 12–18 Monaten Therapie eine Remission erreicht. Die Größe der Schilddrüse und die Höhe des TRAK bei Erstdiagnose sind dabei von prognostischer Relevanz. Wird eine Remission nicht erreicht oder liegt ein rezidivierender Verlauf vor, so wird eine ablative Therapie der Schilddrüse empfohlen (Radiojodtherapie oder Operation).
50–70 % der Patienten leiden zusätzlich unter einer endokrinen Orbitopathie (EO), die die Mitbetreuung durch den erfahrenen Augenarzt verlangt. Bei Nikotinabusus sind das Auftreten einer EO häufiger und der Schweregrad höher (Wiersinga und Bartalena 2002).
Die Überfunktion im Rahmen einer Autonomie eines oder mehrerer Schilddrüsenknoten verlangt ebenfalls eine thyreostatische Therapie. Eine Heilung ist nur durch eine ablative Schilddrüsenbehandlung (Radiojodtherapie oder Operation) zu erreichen. Eine thyreostatische Therapie ist deshalb in der Regel nur vorübergehend einzusetzen.

Besonderheiten der Therapie bei Kinderwunsch und Schwangerschaft

Ein supprimiertes TSH, das in der Fertilitätsdiagnostik auffällt, sollte immer ursächlich geklärt werden. Für eine latente Hyperthyreose ist keine Beeinträchtigung der Schwangerschaft bekannt, sodass eine Therapie nicht zwingend erforderlich ist (Abalovich et al. 2007). Liegt einer latenten Hyperthyreose die in den jungen Jahren seltene Autonomie der Schilddrüse zugrunde, so wäre präkonzeptionell eine definitive Therapie erwägenswert, da sonst nur eingeschränkt Jodid gegeben werden könnte.
Empfehlung
Bei einer manifesten Hyperthyreose, u. U. mit einer endokrinen Orbitopathie, sollte von einer Schwangerschaft abgeraten werden, bis eine Remission eingetreten ist oder eine definitive Therapie durchgeführt wurde. Auch für mildere immunogene Hyperthyreose sollte eine Remission idealerweise vor der Konzeption angestrebt werden.
Fällt eine hyperthyreote Stoffwechsellage in der Schwangerschaft auf, so ist nach Ausschluss einer Schwangerschaftshyperthyreose (Tab. 3) meist eine thyreostatische Therapie erforderlich, denn in den seltenen Fällen einer anhaltenden Hyperthyreose kann es sowohl zu mütterlichen als auch zu fetalen Komplikationen kommen. Die Wahl des Thyreostatikums sollte interdisziplinär erfolgen.
Cave
Die kombinierte Therapie eines Thyreostatikums mit einem Schilddrüsenhormon ist in der Schwangerschaft nicht erlaubt.
Es sollte die niedrigst mögliche Thyreostasedosis gewählt werden. Hierbei gilt als Regel, dass die mütterliche Schilddrüsenfunktion gut die fetale Schilddrüsenfunktion widerspiegelt (Chan und Mandel 2007). Die immunogene Hyperthyreose bessert sich im 2. Schwangerschaftstrimenon, sodass häufig die thyreostatische Therapie ganz abgesetzt werden kann. Postpartal besteht jedoch ein hohes Rezidivrisiko.
Genauso wie die TRAK werden auch alle Thyreostatika diaplazentar übertragen.
Ist die Mutter bereits wegen einer immunogenen Hyperthyreose definitiv behandelt worden (Operation oder Radiojodtherapie), so sollte der TRAK-Spiegel im 3. Trimenon kontrolliert werden. Hohe Spiegel können eine fetale Hyperthyreose bedingen. Diese kann durch Prüfung der mütterlichen Schilddrüsenfunktion und fetale Ultraschalluntersuchungen kontrolliert werden (Abalovic et al. 2007).

Jodsupplementierung in der Schwangerschaft

Die Jodversorgung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren zwar gebessert, ist jedoch noch nicht optimal. Aus diesem Grund ist für jede Schwangere und Stillende eine Jodidsupplementation von 150–200 μg/Tag empfehlenswert. Die Mutter, die an einer Hashimoto-Thyreoiditis leidet, profitiert zwar nicht von einer Jodidgabe, für die fetale Schilddrüse ist jedoch eine ausreichende Jodversorgung notwendig (Abalovich et al. 2007). Die Gesamtjodidzufuhr sollte 500 μg/Tag nicht überschreiten.
Cave
Es gibt eine klare Kontraindikationen zur Jodidgabe: die manifeste Hyperthyreose.
Liegt eine latente Hyperthyreose, so muss vor einer Jodidgabe eine Ursachenabklärung und Risikoabschätzung erfolgen. Ist eine immunogene Hyperthyreose erst kürzlich ausgeheilt, so ist eine Jodidgabe eine klinische Ermessensfrage.

Zusammenfassung

  • Schilddrüsenfunktionsstörungen und insbesondere die Hypothyreose sind bei jungen Frauen häufig.
  • Die Abklärung der Schilddrüsenfunktion ist fester Bestandteil der Fertilitätsabklärung.
  • Im Rahmen von Kinderwunsch und Frühschwangerschaft wird ab einem TSH >2,5 mIU/l die Einleitung einer Schilddrüsenhormonsubstitution empfohlen. Insbesondere dann, wenn die TPO-AK positiv sind.
  • Häufigste Ursache einer hyperthyreoten Stoffwechsellage ist im jungen Alter die immunogene Hyperthyreose/M. Basedow.
  • Eine manifeste Hyperthyreose stellt auch in der Schwangerschaft eine Behandlungsindikation dar. Vorher sollte jedoch die wichtigste Differenzialdiagnose – HCG-induzierte Hyperthyeose – ausgeschlossen sein, da diese keine thyreostatische Behandlung verlangt.
  • Jede Schwangere und Stillende sollte eine ausreichende Jodidsupplementierung von 150–200 μg Jodid/Tag erhalten. Einzige Ausnahme ist die manifeste Hyperthyreose.
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