Sinn und Zweck einer
anästhesiologischen Betreuung während operativen Eingriffen ist es, eine schmerzlose Operation unter möglichst stabilen physiologischen Verhältnissen bei optimalen Operationsbedingungen für den Operateur zu gewährleisten. Man unterscheidet zwischen
Regionalanästhesie, bei der meist nur die betroffene Region des Körpers durch
Lokalanästhetika betäubt wird, und
Allgemeinanästhesie. Als Allgemeinanästhesie bezeichnet man einen medikamentös induzierten, schlafähnlichen Zustand, der mit einer Ausschaltung von Schmerzempfinden und Abwehrreflexen einhergeht.
Insbesondere bei größeren Operationen ist eine Kombination aus
Allgemeinanästhesie und
Regionalanästhesie auch zur Verbesserung der intra- und
postoperativen Schmerztherapie sinnvoll. Einzelheiten zu in der Thoraxchirurgie gängigen regionalen Anästhesieverfahren werden in Kap. „Intra- und postoperative Schmerzkontrolle bei thorakalen Eingriffen“ behandelt, sodass im Folgenden vermehrt auf die Besonderheiten der Allgemeinanästhesie eingegangen wird.
Einleitung und Aufrechterhaltung der Allgemeinanästhesie in der Thoraxchirurgie: Besonderheiten beim Einsatz verschiedener Narkosemittel
Zur Einleitung und
Aufrechterhaltung der Allgemeinanästhesie stehen dem Anästhesisten verschiedene Medikamente zur Verfügung.
Goldstandard ist eine intravenöse Anästhesieeinleitung
mit einem Opiat (Sufentanil, Fentanyl, Remifentanil u. a.), einem Narkosemittel (Propofol, in Ausnahmefällen Thiopental) und, wenn nötig, einem Muskelrelaxans (z. B. Rocuronium, Atracurium u. a.).
Bei der Auswahl der geeigneten Medikamente müssen neben patientenspezifischen Kontraindikationen (
Allergien, Vorerkrankungen u. a.) verschiedene pharmakodynamische Aspekte berücksichtigt werden.
Relevant ist in der Thoraxchirurgie vor allem die Unterscheidung zwischen intravenöser und inhalativer Aufrechterhaltung der Anästhesie. Sie kann mittels kontinuierlicher Propofolapplikation (totale intravenöse Anästhesie, TIVA) oder inhalativ mittels volatiler Anästhetika (Desflurane, Sevoflurane) erfolgen.
Voraussetzung für eine TIVA ist ein sicherer Venenzugang. Die gute Steuerbarkeit ermöglicht je nach Infusionsdauer eine kürzere Ausleitungszeit. Ebenso wird durch den Einsatz einer TIVA die Wahrscheinlichkeit für postoperative Übelkeit und Erbrechen reduziert (Apfel et al.
2002,
2004).
Ein häufig angeführtes Problem der TIVA im Gegensatz zu Gasnarkosen ist das gehäufte Auftreten von intraoperativer Wachheit und Awareness. Empfohlen wird daher eine Überwachung der Narkosetiefe, beispielsweise mittels
Elektroenzephalogramm (
EEG, Bispectral-Index-Monitoring) um diese zu vermeiden.
Insbesondere bei Eingriffen, die eine Eröffnung der Atemwege oder Lungenabschnitte erfordern, also dem Großteil thoraxchirurgischer Interventionen, bietet der Einsatz von volatilen Anästhetika Nachteile. In einem eröffneten pulmonalen System kann es zu einer Raumluftkontamination mit Narkosegasen kommen, da eine adäquate Absaugung über das OP-Gebiet nicht möglich ist. Dies führt zu einer Belastung des Personals sowie zu einer schlechten Steuerbarkeit der Narkose. Der Verbrauch von Narkosegas steigt durch den Verlust des Gases in die Raumluft, was wiederum zu erhöhten Kosten und Umweltbelastung führt.
Volatile Anästhetika zeigen tierexperimentell einen inhibitorischen Effekt auf die HPV und erhöhen den pulmonalen Shunt somit auch nach Narkoseausleitung noch über Stunden (Abschn.
1), eine TIVA kann daher mit einer besseren Oxygenierung einhergehen (Abschn.
1; Cho et al.
2017; Boldt et al.
1996; Lumb und Slinger
2015). Die klinische Relevanz ist jedoch fraglich, da dieser Effekt erst bei sehr hohen Volumina auftritt. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang die bronchodilatatorische Wirkung volatiler Anästhetika, die zu einer Verbesserung der
Beatmung bei hyperreagiblen oder obstruktiven Bronchialsystemen führen kann. Des Weiteren wird den volatilen Anästhetika ein positiver Effekt auf die Inflammation der Lunge nachgesagt.
Da beide Verfahren prinzipiell möglich sind, muss für jeden Patienten unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile das für ihn beste gewählt werden.