Thoraxchirurgie
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Verfasst von:
Daniel S. Majorski und Wolfram Windisch
Publiziert am: 23.02.2022

Präoperative Diagnostik bei Zwerchfellerkrankungen

Die Diagnostik einer gestörten Zwerchfellfunktion umfasst eine Ursachenklärung derselben und eine Abschätzung des Ausmaßes der Zwerchfelldysfunktion. Dabei müssen Entitäten, die einer operativen Therapie zugänglich sind, abgegrenzt werden von solchen, die dies nicht sind, oder solchen, bei denen die Möglichkeit einer Spontanremission besteht. Klinisch stehen Dys- und Tachypnoe im Vordergrund, typischerweise im Liegen und beim Eintauchen in Wasser. Neben der Messung der Blutgasanalyse und der Lungenfunktion steht vor allem die Bestimmung der atemmuskulären Funktion im Vordergrund. Hier haben sich der maximale Mundverschlussdruck sowie der nasale Sniff-Druck als Messmethoden in der klinischen Praxis etabliert. In der Bildgebung ist ein Zwerchfellhochstand verdächtig, aber nicht beweisend, während die CT-Morphologie vom Thorax genauere Informationen auch hinsichtlich der Differenzialdiagnosen liefert. Wesentlich ist aber die dynamische Bildgebung mittels Zwerchfellsonografie zur Darstellung der Beweglichkeit und der Zwerchfellatrophie.

Einleitung

Das respiratorische System besteht aus zwei verschiedenen Anteilen (Abb. 1).
Während die Lunge den Gasaustausch regelt, dient die Atempumpe dem An- und Abtransport der Atemgase (Sauerstoff und Kohlendioxid; Criée und Laier-Groeneveld 1995; Criée 2003). Die Atempumpe setzt sich zusammen aus dem Atemzentrum, den zentralen und peripheren Nerven, der neuromuskulären Endplatte sowie der Atemmuskulatur und dem knöchernen Thorax (Abb. 2). Unter Ruheatmungsbedingungen ist die Inspiration muskelaktiv, während die Exspiration passiv abläuft und den Rückstellkräften von Lunge und Thorax folgt. Hier stellt das Zwerchfell (Diaphragma) das Kernstück der Atempumpe dar und gilt als wichtigster Atemmuskel des Menschen.
Voraussetzung für eine suffiziente Muskelfunktion ist die Konfiguration des Zwerchfells als Kuppelform. Während das Centrum tendineum die Brust- und Bauchhöhle voneinander trennt, stehen die Muskelfasern dem Rippenbogen anliegend in kraniokaudaler Zugrichtung, was die Voraussetzung für das Heben des unteren Brustkorbes darstellt (McCool und Tzelepis 2012). Eine Störung der Zwerchfellfunktion kann zu einer wesentlichen Störung der Ventilation führen. Die Folgen reichen von Einschränkungen im Alltag bis hin zur Ausbildung einer respiratorischen Insuffizienz mit Hypoventilation und konsekutiver Hyperkapnie.
Die Ursachen von Funktionseinschränkungen des Zwerchfells, aber auch die therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung sind vielfältig. Deshalb kommt der Diagnostik von Zwerchfellerkrankungen eine besondere Bedeutung zu. Eine solche Zwerchfelldiagnostik dient zum einen der Feststellung einer Zwerchfellerkrankung an sich, zum anderen aber auch einer Ursachenforschung sowie schließlich auch einer Einschätzung des Schweregrades der Pathologie. Hierbei reichen Störungen von einer Zwerchfellschwäche bis hin zur kompletten Parese, sowohl unilateral als auch hin zu bilateralen Störungen. Die Schwere der Einschränkung basiert auf dem Ausmaß der Störung des Gleichgewichts zwischen der verfügbaren Kapazität der Atempumpe und der Last, mit der diese konfrontiert ist (Criée und Laier-Groeneveld 1995; Criée 2003).

Ursachen einer Zwerchfelldysfunktion

Die Ursachen einer gestörten Zwerchfellfunktion sind vielfältig (Abb. 2). Die Störungen reichen hier von Affektionen des Atemzentrums und der anatomischen Strukturen der Impulsfortleitung bis hin zu Störungen der Zwerchfellmuskulatur selbst (Tab. 1). Schließlich kann auch nachgeschaltet eine Störung der Atemmechanik, trotz funktional suffizienter neuromuskulärer Funktion, zu einer Einschränkung der Ventilation führen.
Tab. 1
Ursachen einer diaphragmalen Dysfunktion (mod. nach Windisch et al. 2016, mit freundl. Genehmigung von Georg Thieme Verlag KG)
Lokalisation
Pathologie
ZNS
Apoplex
Multiple Skleorse
PNS
1. Motoneuron
2. Motoneuron
HWS – Affektion
Quadriplegie
Spinale Muskelatrophie
Nervus phrenicus
Trauma
iatrogen (Kardiochirurgie, Ablation u. a.)
Tumorkompression
Guillian-Barré-Syndrom
Neurogene Schultermyatrophie
Charcot-Marie-Tooth
Critical Illness Polyneuropathie
Demyelinisierende Polyneuropathie
Idiopathische Phrenicusparese
Neuromuskuläre
Endplatte
Lambert-Eaton-Syndrom
medikamentös-toxisch
Atemmuskulatur
Zwerchfell
Muskulär
Muskeldystrophie
Myositis (infektiös, inflammatorisch, metabolisch)
Medikamentös (Glukortikoide und andere)
Ventilator induced diaphragmatic dysfunction
Atemmechanisch
Thoraxdeformitäten, -instabilität
Atemwegsobstruktionen
Atemmuskuläre Überlastung
In der Diagnostik von Zwerchfellerkrankungen ist es entscheidend, Störungen, die einer operativen Therapie zugänglich sind, von solchen zu unterscheiden, für welche keine operativen Möglichkeiten bestehen. Auch sind solche Erkrankungen zu differenzieren, für die Spontanremissionen beschrieben sind oder für welche konservative Therapiemöglichkeiten bestehen. Insbesondere die Zwerchfellparese nach Schädigung des N. phrenicus mit entsprechendem Zwerchfellhochstand ist einer operativen Zwerchfellraffung zugänglich. So können irreversible Schädigungen des N. phrenicus (z. B. nach Trauma oder in der Folge von Operationen; McCool und Tzelepis 2012) direkt einer operativen Therapie zugeführt werden. Im Gegensatz dazu zeigt ein Zwerchfellhochstand im Rahmen einer Nervenschädigung im Zuge einer neuralgischen Schultermyatrophie (Parsonage-Turner-Syndrom) nicht selten eine Spontanremission auch nach vielen Monaten oder gar wenigen Jahren. Auch das Krankheitsbild der sog. idiopathischen Zwerchfellparese muss unter anderem hinsichtlich einer möglichen neuralgischen Schultermyatrophie geprüft werden (Parsonage und Turner 1948; Turner und Parsonage 1957; Tjoumakaris et al. 2012). Hier kann auch bei klinisch inkomplett apparenter Schultersymptomatik oder bei einem prädominierenden Befall des N. phrenicus eine nicht sofort erkennbare neuralgische Schultermyotrophie zugrunde liegen.
Vor jeder operativen Maßnahme zur Behandlung einer Zwerchfellparese muss zunächst eine Diagnostik zur Ursachenforschung betrieben werden.

Klinische Präsentation

Zunächst stehen Symptome und klinische Zeichen der Grunderkrankung im Vordergrund. So werden beispielhaft bei einer neurogenen Schultermyatrophie zum Teil heftige Schmerzen, aber auch Lähmungen im Bereich der Schulter beschrieben (Parsonage und Turner 1948; Turner und Parsonage 1957; Tjoumakaris et al. 2012). Patienten mit generalisierten neuromuskulären Erkrankungen zeigen entsprechend eine Schwäche auch anderer Skelettmuskeln. Dabei besteht eine Lähmung insbesondere der Extremitäten häufig mitunter viele Jahre vor einer Schwäche der Atemmuskulatur und damit auch des Zwerchfells. Es muss aber reflektiert werden, dass neuromuskuläre Erkrankungen, wie z. B. die amyotrophe Lateralsklerose, in ihrer Primärmanifestation auch zunächst das Zwerchfell betreffend auftreten können und erst in der Folge weitere Skelettmuskeln befallen.
Wesentliches Symptom einer gestörten Zwerchfellfunktion ist die Luftnot (Windisch et al. 2016). Hier tritt Luftnot vorzugsweise zunächst unter Belastungsbedingungen auf. Kennzeichnend für eine Zwerchfellparese ist aber auch die Luftnot beim Wechsel von der aufrechten Körperposition in die Liegeposition. Durch die Veränderungen der Schwerkraftwirkung kommt es dazu, dass das gelähmte Zwerchfell nach thorakal rutscht und somit eine weitere Kompression der Lunge, konsekutiv mit Ventilationsperfusions-Verteilungsstörungen, nach sich zieht. Geradezu pathognomonisch für die Zwerchfellparese ist eine heftige Zunahme der Luftnot, wenn der Körper einem Wasserdruck ausgesetzt ist, wie z. B. beim Baden oder Schwimmen, da hier die Änderungen der Druckverhältnisse noch stärker ausgeprägt sind als beim Körperlagewechsel (Kabitz et al. 2014; Schönhofer et al. 2004).
Eine Zwerchfellparese kann uni- oder bilateral auftreten und insbesondere bei beidseitiger Lähmung mit erheblichen Symptomen einhergehen. Das Hauptsymptom ist Lufnot, insbesondere aggraviert im Liegen oder bei Eintauchen ins Wasser.
In der klinischen Untersuchung ist zunächst nach einer generalisierten Muskelschwäche zu fahnden. Störungen der Atemmechanik, beispielsweise bei einem Fassthorax in Folge eines Lungenemphysems oder bei Kyphoskoliose, sind ebenso abzugrenzen. Da eine neurogene Schultermyatrophie häufig Hintergrund einer Zwerchfellparese sein kann, sollte hier eine entsprechende Inspektion und klinische Untersuchungen der Schulterpartien erfolgen. Pathognomonisch für eine Zwerchfellparese sind aber insbesondere paradoxe abdominelle Atembewegungen. Hierbei kommt es während der Inspiration zu einer Einwärtsbewegung des Abdomens in Liegeposition, da unter Einsatz der Interkostal- und Atemhilfsmuskulatur mit konsekutiver Erniedrigung des intrathorakalen Drucks als Folge das paretische Zwerchfell nach kranial gezogen wird. Diese Veränderungen sind insbesondere bei bilateraler Zwerchfellparese prominent (Kabitz et al. 2014).
Abschließend bleibt zu untersuchen, inwieweit klinische Zeichen einer ventilatorischen Insuffizienz bestehen. Zusätzlich zu den Symptomen einer Luftnot kommt es hier mitunter zu schlafbezogenen Atemstörungen bedingt durch die Hyperkapnie und Hypoxämie in der Nacht, einhergehend mit Tagesmüdigkeit, Einschlafneigung und psychologischen Störungen wie Depressivität. Ein wesentliches klinisches Zeichen der ventilatorischen Insuffizienz ist die Tachypnoe, insbesondere verbunden mit einem niedrigen Atemzugvolumen (rapid shallow breathing, RSB). Im Weiteren kann es zu Ödemen im Rahmen einer Kohlendioxid-assoziierten Vasodilatation kommen. Letztere ist auch verantwortlich für häufig beschriebene Kopfschmerzen, voranging morgendlich, da durch die insbesondere nachts auftretende Hypoventilation hier die Kohlendioxidwerte am höchsten sind.
Insbesondere bei einer Zwerchfellparese muss die Ventilation kompensatorisch von anderen Muskeln übernommen werden, entsprechend der Atemhilfsmuskulatur. Dabei ist die Aktivität der häufig hypertrophierten Muskulatur, welche vom Kopf zum Thorax zieht (M. trapezius, Mm. scaleni, M. sternocleidomastoideus) der klinischen Inspektion zugänglich. Bei Gebrauch der Muskulatur, welche von der oberen Extremität zum Thorax zieht (insbesondere des M. pectoralis) ist vor allen Dingen das Aufstützen der Arme wesentliches klinisches Kennzeichen, wenn also Punctum fixum und Punctum mobile für Ursprung und Ansatz der jeweiligen Atemhilfsmuskulatur getauscht werden.
Schließlich kann eine gestörte Zwerchfellfunktion mit Zwerchfellhochstand nicht nur zu Ventilationsperfusionsstörungen führen, sondern auch Belüftungsstörungen nach sich ziehen, die für respiratorische Infektionen oder gar eine Pneumonie prädisponieren.
Diagnostisch ist auch die Erfassung der krankheitsspezifischen Lebensqualität entscheidend. Hier ist kürzlich ein spezifischer Fragebogen entwickelt (DPQ, diaphragmatic paralysis questionnaire) und in verschiedene Sprachen übersetzt worden. Dieser Fragebogen steht auf der Homepage der Deutschen Atemwegsliga frei zugänglich zur Verfügung (https://www.atemwegsliga.de/service-220/service/dpq-fragebogen.html). Dieser Fragebogen dient insbesondere auch wissenschaftlichen Fragestellungen (Kosse et al. 2021).

Blutgasanalyse

Eine Blutgasanalyse kann entweder kapillär oder arteriell bestimmt werden. Eine venöse Blutgasanalyse ist zur Evaluation der respiratorischen Situation nicht geeignet. Eine Störung der Zwerchfellfunktion kann zunächst eine Hypoxämie bedingen. Basis hierfür sind Ventilationsperfusionsstörungen, welche konsekutiv mit Erhöhung der Shunt-Fraktion einhergehen, insbesondere bei Zwerchfellhochstand mit Kompression der basalen Lungenabschnitte. Bei ausgeprägten und insbesondere bilateralen Störungen kann eine Mangelventilation aber auch mit einer Hyperkapnie verbunden sein. Schließlich können Grunderkrankungen (neuromuskuläre Erkrankungen mit generalisierter Muskelschwäche, COPD oder andere Entitäten) mit einer Einschränkung des Gasaustausches oder der Ventilation einhergehen.

Lungenfunktion

Wesentliches Kennzeichen einer diaphragmalen Dysfunktion ist die restriktive Ventilationsstörung. Vorzugsweise sollte hier eine Ganzkörperplethysmografie durchgeführt werden, mit Bestimmung des intrathorakalen Gasvolumens (Criée et al. 2009). Aber auch die Spirometrie im Sitzen und im Liegen bietet wertvolle Informationen, da es bei der Zwerchfellparese häufig zu einer starken Abnahme der Lungenvolumina beim Wechsel von der Sitz- in die Liegeposition kommt (Criée et al. 2015).
Eine Zwerchfellparese führt zu einer restriktiven Ventilationsstörung.
Lungenfunktionell sollte allerdings nicht nur eine rein quantitative Beschreibung der Lungenvolumina erfolgen. Auch die grafische Beschreibung insbesondere der Atemschleife bietet wertvolle Informationen. So zeigt die Atemschleife einen charakteristischen Verlauf mit abruptem exspiratorischem Strömungsabfall als Ausdruck einer abrupten Strömungsbehinderung bei tiefem Lungenvolumen, was Ausdruck eines Zwerchfellhochstandes sein kann. Dabei können auch andere Ursachen, wie z. B. eine Adipositas ähnliche Atemschleifen zum Ausdruck bringen. Schließlich sollte die Lungenfunktionsanalyse auch zur Erwägung etwaiger Differenzialdiagnosen herangezogen werden. So muss die Lungenfunktion immer auch vor dem Hintergrund einer jeweiligen Grunderkrankung interpretiert werden. Beispielhaft fiele eine Restriktion im Rahmen einer einseitigen Zwerchfellstörung weniger ins Gewicht hinsichtlich der Abnahme der ausgerechneten Lungenvolumina, wenn gleichzeitig die andere Lungenhälfte im Rahmen eines Lungenemphysems schwer überbläht bleibt. Da dies jedoch klinisch mit starken Einschränkungen verbunden ist, ist eine Evaluation der Gesamtschau von essenzieller Bedeutung (Criée et al. 2009).

Spezifische atemmuskuläre Funktionsdiagnostik

Grundsätzlich besteht in der speziellen atemmuskulären Funktionsdiagnostik das Ziel, den Krafteinsatz der Atemmuskulatur zu quantifizieren. Dies kann grundsätzlich bei Ruheatmung durchgeführt werden, wobei hier der Grad der atemmuskulären Last für jeden Atemzug in Ruhe erhoben werden kann. Zum anderen besteht die Möglichkeit die Maximalkraft zu bestimmen, die von der Atemmuskulatur aufgebaut werden kann, über inspiratorische und exspiratorische Maximalmanöver (Criée et al. 2009).
Der Krafteinsatz der Atemmuskulatur wird indirekt über die Fähigkeit der Muskulatur zum Druckaufbau abgeschätzt. Hier stehen sowohl mitarbeitsabhängige als auch mitarbeitsunabhängige Methoden zur Verfügung. Wichtig ist die Betonung, dass nicht ein Test allein eine suffiziente Aussage erlaubt, sondern dass vielmehr in Zusammenschau aller Testergebnisse eine Einschätzung zu geben ist.
Am weitesten verbreitet ist die Technik der sog. Mundverschlussdruckmessung (Abb. 3). Hier atmet der Patient über ein Mundstück, welches selektiv während der Inspiration verschlossen werden kann. Wird dieser Verschluss während einer Ruheatmung durchgeführt, entspricht der Druck dem Krafteinsatz bei Ruheatmung. Er reflektiert dann die atemmuskuläre Last. Technisch wird der Verschluss 100 msec nach Inspirationsbeginn durchgeführt, um eine willkürliche oder unwillkürliche Steigerung der Ventilation als Reaktion auf den Verschluss zu vermeiden (P0.1). Um das tatsächliche Ausmaß der Ventilation in die Betrachtung zu integrieren, kann der P0.1 im Verhältnis zum inspiratorischen Fluss betrachtet werden, was eine gewisse Unabhängigkeit der Messung vom Grad der Ventilation anstrebt (effektive inspiratorische Impedanz).
Der maximale Mundverschlussdruck wird zur Bestimmung der maximalen globalen atemmuskulären Kraft durchgeführt. Er kann sowohl inspiratorisch (PImax) als auch exspiratorisch (PEmax) durchgeführt werden. Dabei wird der Druck entweder nach maximaler Ausatmung (PEmax) oder maximaler Einatmung (PImax) bestimmt ([Kabitz et al. 2014). Hierbei wird im Falle der globalen inspiratorischen Atemmuskelkraft die tatsächliche Atemmuskelkraft überschätzt, da bei weiterer Ausatmung aus der Atemruhelage heraus, inspiratorisch zusätzlich zur aktiven Muskelbewegung noch die passive Lungenretraktion hinzuaddiert wird. Dennoch wird dieses Verfahren favorisiert, da es unter messtechnischen Bedingungen einfacher ist. Methodisch wird zudem in Deutschland der Spitzendruck (PImax peak) bestimmt, was im Gegensatz zur internationalen Literatur steht, wo häufig derjenige Druck gemessen wird, der als Plateaudruck über 1 sec gehalten werden kann (Laveneziana et al. 2019).
Alternativ zur Mundverschlussdruckmessung existiert als nichtinvasives Messverfahren auch die Erfassung der sog. Sniff-Drücke (Abb. 4). Hier wird nicht über ein Mundstück geatmet. Vielmehr wird der Druck gemessen, welcher über Nasenoliven und kleine Katheter bei maximaler nasaler Inspiration aufgebaut werden kann. Der Patient unternimmt dabei ein kurzes, scharfes Inspirationsmanöver, wobei es zu einer kurzen, aber maximalen Kontraktion des Zwerchfells kommt. Dabei sind die anderen Atemmuskeln wesentlich weniger stark involviert. Die Messung des Sniff-Drucks ist somit wesentlich spezifischer für die diaphragmale atemmuskuläre Kraft.
Der Sniff-Druck kann noch genauer invasiv über die Einlage sog. Ballonkatheter erfolgen. Vorteilhaft ist hier die Einlage von Doppelballonkathetern, wobei die Messung der Drücke dann sowohl oberhalb als auch unterhalb des Zwerchfells erfolgen kann. Während des Sniff-Manövers kommt es hier zur Erniedrigung des Pleuradrucks und konsekutiv des Ösophagusdrucks, während es umgekehrt zu einer Erhöhung des abdominalen und damit des gastralen Drucks kommt. Beide Drücke können über die entsprechende Sonde gemessen werden, wobei die Differenz den sog. transdiaphragmalen Druck ausmacht.
Weitere Messgenauigkeit wird durch mitarbeitsunabhängige Messverfahren erzielt. Hier wird der N. phrenicus im Halsbereich zu einer maximalen Kontraktion von extern angeregt. Neben einer elektrischen Stimulation steht insbesondere die supramaximale Magnetstimulation des N. phrenicus im Vordergrund, welche sowohl zervikal als auch bilateral anterior erfolgen kann (s. Abb 3). Die Messung der Drücke kann dann entweder über ein Mundstück erfolgen (TwPmo, Twitch mouth pressure) oder eben auch über die Einlage enteraler Sonden (TwPdi, Twitch transdiaphragmatic pressure).
Die Twitch-Messungen und selbst die ballonkathetergestützte Sniff-Druckbestimmung sind vor allen Dingen wissenschaftlichen Untersuchungen vorbehalten. Die Messungen der Mundverschlussdrücke oder der nasalen Sniff-Drücke sind aber im klinischen Alltag über entsprechende Module in der Lungenfunktionsdiagnostik auf einfache Weise möglich. Es bleibt aber herauszustellen, dass es für die jeweiligen Messungen keine entsprechenden Normwerte gibt, die sich an Regressionsgleichungen anlehnen, wie es für die Spirometrie oder Ganzkörperplethysmografie etabliert ist. Dabei ist die Abhängigkeit von anthropogenetischen Größen (Alter, Körpergröße, Körpergewicht, Geschlecht) wesentlich weniger stark für die atemmuskulären Drücke im Vergleich zur Lungenfunktion. Entsprechend sind prädiktive Faktoren weniger gut zu etablieren, auch weil die Studien zur Normwerterstellung wesentlich kleiner sind, als die für die Lungenfunktionsanalyse.
Es sei an dieser Stelle herausgestellt, dass einzelne Firmen von Lungenfunktionsmessgeräten prozentuale Normwerte in ihrer Software zur Verfügung stellen, welche auf einzelnen Studien basieren. Anthropogenetische Größen zur Normwerterstellung haben sich allerdings in unterschiedlichen Studien als zum Teil gegenteilig prädiktiv herausgestellt, weshalb diese Normwerte mit Vorsicht zu interpretieren sind. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Deutsche Atemwegsliga, prozentuale Normwerte nicht zu verwenden und verweist hier vielmehr auf entsprechende Grenzwerte, welche auf eine atemmuskuläre Funktionseinschränkung schließen lassen oder oft eben nicht (Tab. 2).
Tab. 2
Nichtpathologische Grenzwerte der diagnostischen Verfahren zur Messung der Atemmuskelfunktion (mit freundl. Genehmigung von Georg Thieme Verlag aus Kabitz und Windisch 2007)
Einheit
Frauen
Männer
  
Nichtpathologischer Grenzwert
Nichtpathologischer Grenzwert
P0.1
[kPa]
< 0,3
< 0,3
PImax1.0 RV
[kPa]
> 6,0
> 7,0
PImax peak RV
[kPa]
> 7,0
> 8,0
PEmax
[kPa]
> 7,0
> 10,0
P0.1/PImax1.0 RV
[%]
< 4,5
< 4,5
P0.1/PImax peak RV
[%]
< 2,0
< 2,0
P0.1*ti/VT
[kPa*s/l]
< 0,5
< 0,5
Sn Pna
[kPa]
> 6,0
> 7,0
Sn Pdi
[kPa]
> 8,0
> 10,0
Tw Pmo
[kPa]
> 1,0
> 1,0
Tw Pdi
[kPa]
> 1,8
> 1,8
Zwerchfellbewegung
[mm]
> 10,0
> 10,0
Zwerchfelldicke
[mm]
≥ 2,0
≥ 2,0
P0.1 Mundverschlussdruck nach 0,1 sec Inspiration; PImax11.0 bzw. PImax peak RV vom Residualvolumen aus bestimmter maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck über 1,0 sec bzw. Spitzenwert; PEmax maximaler exspiratorischer Mundverschlussdruck; P0.1/PImax respiratorische Kapazität; P0.1*ti/VT effektive inspiratorische Impedanz; Sn Pn: nasaler Sniff-Druck; Sn Pdi transdiaphragmaler Sniff-Druck; Tw Pmo Twitch- Munddruck; Tw Pdi transdiaphragmaler Twitch-Druck
Die atemmuskuläre Funktionsdiagnostik kann damit eine gestörte Zwerchfellfunktion nicht sicher ausschließen und auch nicht sicher beweisen. Sie dient vielmehr als Screeningparameter und gegebenenfalls auch als Verlaufsparameter insbesondere im intraindividuellen Verlauf, wenn z. B. durch Therapiemaßnahmen oder auch durch spontane Rekonvaleszenz eine Verbesserung der atemmuskulären Funktion eintritt und sich dies in den entsprechenden Messergebnissen zeigt.

Bildgebende Diagnostik

Eine Bildgebung ist essenziell in der Diagnostik von Zwerchfellerkrankungen. Zunächst fällt in der konventionellen Thoraxaufnahme im p.-a.-Strahlengang in der aufrechten Körperposition mitunter ein Zwerchfellhochstand auf. Dieser ist allerdings noch nicht beweisend für eine Parese des Zwerchfells. So müssen anatomische Besonderheiten (z. B. Zwerchfellbuckel), mangelnde Inspirationstiefe, Vergrößerung der abdominalen Organe, Atelektasen, intraabdominelle Druckerhöhung und andere Entitäten abgegrenzt werden.
Entsprechend kommt weiterführend die CT-Morphologie vom Thorax in Betracht (Abb. 5). Hier ist insbesondere auch nach weiteren Ursachen für eine Zwerchfellparese zu suchen, z. B. eine Affektion des N. phrenicus bei Tumorerkrankungen. Zudem können Folgen einer Zwerchfellparese, wie z. B. basale Minderbelüftungen, detektiert und in ihrem Ausmaß erfasst werden.
Entscheidend aber sind die dynamischen Untersuchungen in der Bildgebung. Historisch hat hier insbesondere die Zwerchfelldurchleuchtung große Bedeutung erlangt (Hitzenberger Schnupfversuch). Dabei kommt es zu einer ruckartigen Inspiration durch die Nase bei geschlossenem Mund, wobei sich das gesunde Hemidiaphragma physiologisch nach kaudal bewegt, das paretische aber nicht nach kaudal tritt, sondern entsprechend der Negativierung des intrathorakalen Drucks folgend paradoxerweise nach kranial gezogen wird. Entsprechend ist hier ein sog. Waagebalken-Phänomen beschrieben. Dies ist mittlerweile jedoch vermehrt von historischer Relevanz, da die Zwerchfelldurchleuchtung mittlerweile durch die Zwerchfellsonografie abgelöst worden ist.
Die Zwerchfellsonografie hat entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung der Zwerchfellfunktion.
Vorteile sind hier die fehlende Strahlenbelastung, die schnelle Verfügbarkeit und die klinische Genauigkeit (8). Zusätzlich hat man hierdurch die Möglichkeit, wie in den klinischen Untersuchungen und Messungen, in unterschiedlichen Körperpositionen, also auch im Liegen, zu messen. Zudem kann das Zwerchfell differenziert an unterschiedlichen Stellen untersucht werden, um hier gegebenenfalls Anhaltspunkte auch für partielle Schädigungen zu erhalten. Darüber hinaus ist das Verfahren nichtinvasiv, kosteneffizient und direkt am Krankenbett einsetzbar, also nicht nur in der ambulanten Diagnostik zugänglich, sondern eben auch selbst auf Beatmungs- und/oder Intensivstation einsatzfähig (Kabitz et al. 2014).
Mit der Zwerchfellsonografie können im Wesentlichen zwei Aspekte Betrachtung finden:
1.
Typischerweise findet sich eine Auslenkung des Zwerchfells nach kaudal, welche über 10 mm im Liegen umfasst, was insbesondere im M-Mode gut zu erfassen ist. Im Echtzeitmodus können zudem auch paradoxe Bewegungen bei Zwerchfellparese beobachtet werden und Anhaltspunkte dafür erbracht werden, ob eine komplette Parese oder nur eine Schwäche vorliegend ist (Kabitz et al. 2013; Abb. 6).
 
2.
Schließlich erlaubt die Zwerchfellsonografie im zweidimensionalen Echtzeitmodus die Bestimmung der endexspiratorischen Dicke des Zwerchfells, was seitengetrennt möglich ist. Werte von <2 mm in der Appositionszone zeigen hier eine Atrophie des Zwerchfells (Abb. 7).
 
Literatur
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Kosse NJ, Windisch W, Koryllos A, Lopez-Pastorini A, Piras D, Schroiff HW, Straßmann SE, Stoelben E, Schwarz SB (2021) Development of the Diaphragmatic Paralysis Questionnaire: a simple tool for patient relevant outcome. Interact Cardiovasc Thorac Surg 32(2):244–249. https://​doi.​org/​10.​1093/​icvts/​ivaa258. PMID: 33221909
Laveneziana P, Albuquerque A, Aliverti A et al (2019) ERS statement on respiratory muscle testing at rest and during exercise. Eur Respir J 53(6):1801214. https://​doi.​org/​10.​1183/​13993003.​01214-2018. PMID: 30956204
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