Nachsorge des nicht-muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Die Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie (AUA) wie auch die der Europäischen Gesellschaft für Urologie fordern im Gegensatz zu den starren Nachsorgeschemata der Vergangenheit aktuell patientenindividuelle Nachsorgekonzepte nach Behandlung eines
Urothelkarzinoms der Harnblase. Grundsätzlich muss das Ziel einer Tumornachsorge im Falle des nichtinvasiven Urothelkarzinoms die Erkennung eines Tumorrezidives sein. Dieser Empfehlung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das mögliche Tumorrezidiv bei vorliegender Low-risk-Erkrankung zum weit überwiegenden Teil keinen Krankheitsprogress darstellt und sich somit auch aus einer zeitlich verzögerten Diagnosestellung keine Einschränkung der durchweg guten Prognose für den Patienten ergibt.
Um dennoch systematische Nachsorgeschemata entwickeln zu können, ist es sinnvoll, die nicht-muskelinvasiven
Harnblasenkarzinome anhand der EORTC-Kriterien einer Risikogruppe zuzuordnen. Aus der Gesamtschau im Hinblick auf Anzahl der Tumore, Tumordurchmesser, vorhergehender Rezidivfrequenz, pT-Stadium, Vorhandensein eines begleitenden pTis und dem Grading nach WHO 1973 ergibt sich der Rezidiv- und Progression-Score nach Sylvester (Sylvester et al.
2006). Die Einteilung verdeutlicht, dass das Rezidivrisiko im ersten Jahr mit Raten zwischen 15 % (Rezidiv-Score 0/Low risk) und über 60 % (Rezidiv-Score 10–17/High risk) gravierend unterschiedlich ausfallen kann. Im 5-Jahres Intervall beträgt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Tumorrezidives hier 31 % bzw. 78 %. Vergleichbar deutlich zeigt sich die Unterscheidung im Bereich der Progressionswahrscheinlichkeit. Hier kommt es bei einem Progressionscore 0 in lediglich 0,2 % der Fälle zur Progression (Low risk), bei einem Progressionsscore von ≥14 (High risk) hingegen in 17 % der Fälle zu einer Tumorprogression im ersten Jahr. Die Progressionswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren beträgt 0,8 % bzw. 45 %.
Kleinere retrospektive Arbeiten geben zudem einen Hinweis auf den Einfluss einer lympho-vaskulären Invasion auf das Rezidv- und Progressionsrisiko (Bolenz et al.
2013; Branchereau et al.
2013). Spezielle histologische Varianten der Urothelkarzinome mit plasmazytoider, plattenepithelialer, mikropapillärer, sarkomatoider oder kleinzelliger und/oder nested Variante sind ebenfalls mit einem höheren Rezidiv- und Progressionsrisiko verbunden (Brimo et al.
2013; Scosyrev et al.
2009; Alkibay et al.
2009; Beltran et al.
2014; Kaimakliotis et al.
2014; Pasquier et al.
2015). Der Nachweis dieser Tumorvarianten erfordert somit eine Anpassung der Tumornachsorge.
Anhand der vorgestellten Risikoklassifikation wird in der S3-Leitlinie
Harnblasenkarzinom, Stand November 2016 folgendes Nachsorgeschema empfohlen (Tab.
1).
Tab. 1 Nachsorge nach transurethraler Tumorresektion
Low risk | |
Zystoskopie | X | | | X | X | X | X | X | |
Urinzytologie | | | | | | | | | |
Bildgebung | ∗ | | | | | | | | |
Intermediate risk | |
Zystoskopie | X | X | X | X | 2x | 2x | 1x | 1x | 1x |
Urinzytologie | X | X | X | X | 2x | 2x | 1x | 1x | 1x |
Bildgebung | | | | | | | | | |
High risk | |
Zystoskopie | X | X | X | X | 4x | 2x | 2x | 1x | 1x |
Urinzytologie | X | X | X | X | 4x | 2x | 2x | 1x | 1x |
Bildgebung | X | | | | X | X | X | X | X |
Nachsorge des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Für die Tumornachsorge nach
Zystektomie wegen eines muskelinvasiven Tumors der Harnblase gelten andere Empfehlungen, als nach Radio- und/oder Chemotherapie der Harnblase. Grundsätzlich dient die Nachsorge in beiden Fällen in erster Linie der frühzeitigen Diagnosestellung bei Rezidiv oder Progress, hinzu kommt jedoch die Überwachung möglicher metabolischer Veränderung und funktioneller Störungen und die Berücksichtigung psychoonkologischer Aspekte im Rahmen der Patientenkontakte.
Die Nachsorge nach operativer Therapie (=Zystektomie) im nicht-metastasierten Stadium orientiert sich an der lokalen Tumorausdehnung. Die S3-Leitlinie
Harnblasenkarzinom, Stand November 2016 schlägt die Nachsorge zur Detektion von Tumorrezidiven mittels Bildgebung in Abhängigkeit vom Tumorstadium wie folgt vor:
Tab. 3Nachsorge bei lokal fortgeschrittenem oder Lymphknoten-positivem Tumor
Diagnostik | |
| 3 | 6 | 12 | 18 | 24 | 30 | 36 | 42 | 48 | 54 | 60 | Kontrollen jährlich |
| X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
| X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
Urinzytologie | | X | X | X | X | | X | | X | | X | X |
Spülzytologie Urethra | | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
(bei kontinenter Harnableitung) | | | | | | | X | | X | | X | X |
| X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
CT Thorax/Abdomen inkl. Urographie | (X) | X | X | X | X | X | X | | X | | X | X∗ |
Stomakontrolle | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
Anamnese Kontinenz u. Sexualfunktion | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
Anamnese Psychoonkologischer Sozialstatus | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X | X |
Lokal begrenzte Blasentumore (<pT2 pN0 cM0) (Tab.
2)
Erste Nachsorge nach 3–6 Monaten
1.-2. Jahr der Nachsorge: 6-Monats Intervalle
3.-5. Jahr der Nachsorge: 12-Monats Intervalle
ab 6. Jahr der Nachsorge: bei neuer Hydronephrose oder positiver Urinzytologie
Lokal fortgeschrittene Blasentumore (≥pT3 und/oder pN1) (Tab.
3):
Erste Nachsorge nach 3–6 Monaten
bis 3. Jahr der Nachsorge: 6-Monats Intervalle
4.-5. Jahr der Nachsorge: 12-Monats Intervalle
ab 6. Jahr der Nachsorge: bei neuer Hydronephrose oder positiver Urinzytologie
Tabellarisch können die Empfehlungen der S3-Leitlinie zur Nachsorge wie folgt vereinfacht zusammengefasst werden (Tabellen
1-
3):
Nach multimodaler organerhaltender Therapie liegt der Schwerpunkt der Nachsorge auf einer lebenslang durchzuführenden, regelmäßigen zystoskopischen Kontrolle. Die S3-Leitlinien empfehlen hierbei für das 1. bis 3. Jahr der Nachsorge die Zystoskopie alle 3 Monate, im 4. und 5. Jahr alle 6 Monate und anschließend jährlich. Im Falle suspekter Befunde sollten Biopsien entnommen oder eine transurethrale Tumorresektion durchgeführt werden. Zudem sollte regelmäßig die zytologische Untersuchung des
Urins erfolgen.
Für die Nachsorge des metastasierten
Harnblasenkarzinoms existieren keine allgemein standardisierten Empfehlungen. Stattdessen wird ein dem Verlauf und den Beschwerden angepasstes individuelles, symptomorientiertes Nachsorgekonzept empfohlen. Den Schwerpunkt stellen schnittbildgebende Untersuchungen (CT und/oder MRT) von Abdomens und Thorax dar. Im Falle von Symptomen, die einen Hinweis auf das mögliche Vorliegen einer ossären Filialisierung geben, sollte die Nachsorge um eine Knochenszintigraphie erweitert werden. Im Falle neurologischer Symptome muss auch an die Möglichkeit einer Hirnmetastasierung gedacht werden. Die Indikation zum Schädel-CT oder zur Schädel-MRT sollte individuell gestellt werden.