Uroonkologie
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Verfasst von:
Frank Mayer, Axel S. Merseburger, Markus Kuczyk und Jörg T. Hartmann
Publiziert am: 16.11.2019

Molekularbiologische Aspekte bei der Entstehung und Behandlung von Keimzelltumoren

Die Therapieerfolge bei der zytostatischen Behandlung von Keimzelltumoren sind unter den soliden Tumoren des Erwachsenen einzigartig. Die Therapieempfindlichkeit wird ihren biologischen Eigenschaften zugeschrieben, die in Teilen denen von embryonalen Stammzellen entsprechen. Als ausschlaggebend werden einerseits die niedrige Schwelle zur Einleitung eines programmierten Zelltodes und andererseits die beschränkte Kapazität zur Reparatur von DNA-Schäden betrachtet. Bislang leiten sich aus dem wachsenden Verständnis der biologischen Zusammenhänge jedoch noch keine klinischen Konsequenzen ab.

Einleitung

Keimzelltumoren (KZT) sind eine heterogene Gruppe von Neoplasien, die von Keimzellen abstammen. Die Mehrzahl der KZT entsteht in den Gonaden, deutlich seltener finden sie sich primär extragonadal. In diesem Fall treten sie vorwiegend entlang der Mittellinie des Körpers auf (Mostofi 1973; Bokemeyer et al. 2002). Dieses Verteilungsmuster wird auf die Migrationsroute der primordialen Keimzellen vom Dottersack als Ort ihrer primären Entstehung zur Gonadenanlage während der Embryogenese zurückgeführt (Looijenga und Oosterhuis 1999; Chaganti und Houldsworth 2000).
Nach Manifestationsalter, Histologie und klinischem Verhalten werden drei große Gruppen von Keimzelltumoren bei männlichen Patienten unterschieden:
  • die infantilen Keimzelltumoren von Neugeborenen und Kleinkindern,
  • die Keimzelltumoren von postpubertären Jugendlichen und jungen Erwachsenen und schließlich
  • die sog. spermatozytischen Seminome bei älteren Männern (Oosterhuis und Looijenga 2005; Looijenga 2011).
Im Folgenden wird auf die Keimzelltumoren der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eingegangen. Diese Malignome werden für klinische Belange unterteilt in
  • Seminome und
  • Nichtseminome.
Seminome stellen histologisch einheitliche Tumoren dar, deren Zellen in zahlreichen Charakteristiken der normalen primordialen Keimzelle bzw. dem Gonozyten entsprechen (Ulbright 1993; Rajpert-De Meyts et al. 2003; Gueler et al. 2012). Nichtseminome dagegen sind heterogen und können aus verschiedenen histologischen Subtypen zusammengesetzt sein, welche sämtliche Gewebe der Embryogenese repräsentieren können. Zellen eines embryonalen Karzinoms stellen das undifferenzierte Stammzellkompartiment dar. Sie können in extraembryonales Gewebe im Sinne von Dottersacktumoren oder Chorionkarzinomen oder in embryonales Gewebe aller Keimblätter wie Kutis oder Knorpelgewebe als reife oder unreife Teratome differenzieren (Ulbright 1993). Die Unterscheidung von reifen und unreifen Teratomanteilen ist schwierig und nicht immer unzweifelhaft möglich, in der aktuellen WHO-Klassifikation wird die Unterscheidung nicht vorgenommen.

Embryonaler Ursprung von Keimzelltumoren

Anfang der 1970er-Jahre wurde erstmals ein sog. „Carcinoma in situ“ des Hodens beschrieben (Skakkebaek 1972).
Mittlerweile ist die „Germ cell neoplasia in situ“ oder die testikuläre intratubuläre Neoplasie (TIN) als die obligate Vorläuferläsion aller KZT des erwachsenen Mannes akzeptiert (Gondos und Migliozzi 1987; Spiller und Bowles 2017).
Mehrere phänotypische Eigenschaften unterstützen die Annahme, dass die primordiale Keimzelle bzw. der Gonozyt die Ursprungszelle der prämalignen TIN-Zelle ist (Gondos 1993; Rajpert-De Meyts et al. 2003). Die primordialen Keimzellen migrieren von der Allantois entlang der Mittellinie des Körpers in Richtung des gonadalen Blastems, welches sie in der 6.–7. Gestationswoche erreichen. Ab diesem Zeitpunkt werden sie als Gonozyten bezeichnet, biologisch sind sie aber weiterhin mit den primordialen Keimzellen identisch (Looijenga und Oosterhuis 1999; Chaganti und Houldsworth 2000). Gonozyten können im Hoden von Neugeborenen und Kleinkindern bis zum Ende des 1. Lebensjahres identifiziert werden (Wylie 1999). Dementsprechend müsste die Tumorentstehung ihren Ursprung bereits während oder kurz nach Abschluss der intrauterinen Entwicklung nehmen.
Die Pluripotenz der primordialen Keimzellen wird durch den Transkriptionsfaktor Oct3/4 erhalten. Eine Ausschaltung von Oct3/4 resultiert sowohl im humanen als auch im Mausmodell in einer Differenzierung.
Oct3/4 hat sich als ein guter diagnostischer Parameter mittlerweile etabliert, der Nachweis ist durch eine einfache Immunhistochemie möglich (de Jong et al. 2005). Aus dem gleichen regulativen Netzwerk der embryonalen Pluripotenz können daneben SALL4 und NANOG in schwierigen Fällen hilfreich sein, finden sich jedoch auch selten in anderen Histologien, insbesondere bei entdifferenzierten Tumoren (Miettinnen et al. 2014)

Genetische Veränderungen bei KZT und ihren Vorläufern

KZT zeichnen sich durch eine Reihe genetischer Veränderungen aus. Bereits die Zellen der Präkanzerose TIN sind durchgehend aneuploid (Oosterhuis et al. 1997). Zu diesem Zeitpunkt ist der Chromosomensatz etwa tetraploid. Während der Progression in einen invasiven KZT werden ganze Chromosomen oder Teile von Chromosomen verloren, sodass ein hypertriploider Chromosomensatz bei Seminomen und ein hypotriploider bei Nichtseminomen resultieren.
Sämtlichen invasiven KZT sind verschiedene chromosomale Veränderungen gemeinsam. Die konsistenteste ist eine Überrepräsentation von bestimmten Abschnitten des kurzen Arms auf Chromosom 12, die prinzipiell bei allen invasiven Tumoren vorliegt. In 80 % der Fälle wird die Überrepräsentation durch die Ausbildung eines Isochromosoms i12p erreicht. Bei einem Teil der verbleibenden 20 % liegt eine Amplifikation bestimmter Abschnitte von 12p vor (Sandberg et al. 1996; Mostert et al. 1998). Da sich die Überrepräsentation von 12p erst nach Ausbildung eines invasiven Wachstumsverhaltens nachweisen lässt, wurde ein Zusammenhang mit der Fähigkeit der Keimzellen postuliert, außerhalb ihrer natürlichen Umgebung ohne direkten Kontakt zu Sertoli-Zellen zu überleben (Rosenberg et al. 2000; Ottesen et al. 2003).
Weitere häufige zytogenetische Veränderungen sind Verluste der Chromosomen 4, 5, 11, 13, 18 und Y sowie Zugewinne der Chromosomen 7, 8, und X. Unterschiede zwischen Seminomen und Nichtseminomen finden sich bezüglich der Chromosomen 15, 17, 19 und 22. Das Nebeneinander von gemeinsamen und unterschiedlichen genetischen Veränderungen bei Seminomen und Nichtseminomen spricht, wie auch das Auftreten von Mischformen, für den gemeinsamen Ursprung beider Entitäten.
Ein beträchtlicher Teil der KZT ist durch hereditäre Einflüsse erklärt. Dabei sind Gene betroffen, die bei der Keimzellentwicklung, der Regulation der Pluripotenz, DNA Reparatur und im Metabolismus in den Mitochondrien relevant sind (Wang et al. 2017).

Biologische Grundlage der Chemotherapieempfindlichkeit von KZT

Die außergewöhnliche Empfindlichkeit von KZT gegenüber Chemotherapie reflektiert vermutlich die Eigenschaften der Ursprungszelle – primordiale Keimzelle bzw. Gonozyt – und der von diesen Zellen abstammenden frühen embryonalen Zellen. Sie wird vorrangig auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits eine sehr niedrige Schwelle zur Einleitung der Apoptose und eine geringe Kapazität zur Reparatur von DNA-Schäden (Cavallo et al. 2013)
Die bei der zytostatischen Behandlung von KZT eingesetzten Substanzen, allen voran Cisplatin als die wichtigste, wirken direkt oder indirekt über eine Schädigung der DNA. Man geht davon aus, dass Cisplatin die Tumorzelle durch Apoptose abtötet. In Bezug auf KZT wurde in diesem Zusammenhang das p53-Protein als die entscheidende Determinante betrachtet. 50 % aller Malignome weisen inaktivierende p53-Mutationen auf (Hainaut et al. 1997). Die Mehrzahl dieser Mutationen sind Missense-Mutationen, die in einem trunkierten Protein mit veränderter oder eingeschränkter Funktion und verlängerter Halbwertszeit resultieren. p53 kann einen G1/S-Phase-Arrest über die Transaktivierung des Zielgens p21 vermitteln. Involviert in diesen Arrest sind die zyklinabhängige Kinase 4 (cdk4), das Retinoblastomgenprodukt RB sowie die Wachstumsfaktoren E2F1 und 2.
p53-Mutationen werden bei KZT kaum gefunden (Zusammenstellung in Kersemaekers et al. 2002). Nach DNA-Schädigung reagieren Keimzelltumoren ähnlich wie embryonale Stammzellen nicht mit einer p21-Expression und G1/S-Phase-Arrest sondern mit einem Arrest in G2/M und schließlich Apoptose (Filion et al. 2009). Die Korrelation zwischen p53 und Apoptose ohne Nachweis von p21 bestätigt die Funktionalität von p53 bei KZT und unterstreicht die Weichenstellung weg von einem Zellzyklusarrest, der z. B. Reparaturvorgängen Zeit geben könnte, hin zur Apoptose (Mayer et al. 2003). Diese Weichenstellung könnte durch die Expression von endogenen kleinen RNAs (miRNA), speziell den miRNA-372 und miRNA-373, vermittelt werden, welche die sonst übliche p53-vermittelte Aktivierung zyklinabhängiger Kinasen mit nachfolgendem Zellzyklusarrest unterdrückt (Voorhoeve et al. 2006). Begünstigt wird die Apoptose durch das Fehlen des p53-Antagonisten MDM2 sowie hohe Spiegel von Oct 4 als Voraussetzung für die Aktivierung der proapopotischen Mitglieder der Bcl2-Familie NOXA und PUMA (Gutekunst et al. 2011; Gutekunst et al. 2013)
Eine vollständige Reparatur von DNA-Schäden vor Einleitung des Apoptoseprogramms verhindert die Wirkung eines Zytostatikums mit Ansatz an der DNA. KZT wurde zunächst die Fähigkeit zur effektiven Reparatur von Cisplatin-induzierten DNA-Schäden durch den „nucleotide excision repair pathway“ (NER) abgesprochen (Koberle et al.1997, 1999), eine klinische Korrelation gelang jedoch nicht (Honecker et al. 2003; Koberle et al. 2008). Neuere Daten zeigen, dass zwar die häufigen „intrastand crosslinks“, die 90 % der DNA-Schäden ausmachen, behoben werden können, nicht jedoch die selteneren „interstrand crosslinks“. Für Letzteres ist eine funktionierende homologe Rekombination erforderlich, was bei KZT nicht der Fall ist (Cavallo et al. 2012).
Bei der Analyse von verschiedenen Mitgliedern der BCL-2-Familie wurde – wiederum in vitro – die hohe Empfindlichkeit der KZT gegenüber Etoposid, neben Cisplatin die am häufigsten eingesetzte Substanz bei der Behandlung von KZT, durch ein deutliches Überwiegen von proapoptotischem BAX gegenüber dem antiapoptotischen BCL-2 erklärt (Chresta et al. 1996). Eine weitere Eigenschaft, welche die Therapieempfindlichkeit der KZT begünstigt, ist das Fehlen von einigen Transportproteinen, welche Zytostatika vor Erreichen des Zellkerns als Ort ihrer Wirkungsentfaltung aus der Zelle entfernen können. So weisen invasive KZT keine Expression von MRP2 oder BCRP auf, auch das LRP wird nicht exprimiert (Mayer et al. 2003).
Zusammenfassende Bewertung
Es ist davon auszugehen, dass die Empfindlichkeit der invasiven KZT gegenüber einer Cisplatin-basierten Chemotherapie nicht durch einen einzelnen Faktor zu erklären ist. Sie scheint vielmehr Folge multipler Einflüsse, welche die Apoptoseinduktion auf zahlreichen Ebenen begünstigen (Galluzzi et al. 2012).

Mögliche Resistenzmechanismen gegenüber Cisplatin

Resistenzmechanismen gegenüber der Wirkung von Cisplatin können auf allen Schritten der intrazellulären Abläufe nach Zytostatikaexposition beginnend mit der Cisplatin-Aufnahme in die Zelle bis hin zur Ausführung der Apoptose durch Effektorcaspasen greifen.

Guppe 1: Reduktion der intrazellulären Cisplatin-Konzentration

Eine Verringerung der intrazellulären Cisplatinkonzentration nach systemischer Applikation kann resultieren aus:
  • einer verringerten Aufnahme,
  • einer vermehrten Ausschleusung oder
  • einer Entgiftung durch Konjugation.
Cisplatin ist ein Substrat von organischen Kationenentransportern (OCT), über welche es in die Zellen gelangt. Zusammenhänge zwischen diesen Transporten, der intrazellulären Akkumulation von Cisplatin und der Zytotoxizitäten wurden beschrieben (Kitada et al. 2008). Wenngleich diesen Transportern eine Rolle beispielsweise bei der Nephrotoxizität zugesprochen wird (Hu et al. 2017), fehlen klinische Korrelationen mit der antitumoralen Wirksamkeit.

Gruppe 2: Erhöhung der Kapazität der DNA-Reparatur

Hat Cisplatin die DNA erreicht und die toxischen DNA-Addukte gebildet, können im Rahmen einer Resistenzentstehung die Schäden revidiert werden, bevor die Zelle weitere Schritte in Richtung Apoptose unternommen hat. Verantwortlich für die Reparatur der Cisplatin-induzierten Schäden ist der NER (Reed 1998). Nach aktueller Datenlage dürften Alterationen an diesem Reparaturmechanismus bei KZT klinisch keine Relevanz besitzen (Honecker et al. 2003; Koberle et al. 2008).

Gruppe 3: Beeinträchtigte Schadenserkennung bzw. Störung der Schnittstelle zwischen Schadenserkennung und Apoptosekaskade

Der „DNA mismatch repair pathway“ (MMR) ist nicht in der Lage, Cisplatin-induzierte DNA-Schäden zu beseitigen. Vielmehr scheint er nach Erkennung der Schäden die Brücke zur Apoptoseeinleitung zu bilden. Prinzipiell entfernt der MMR Nukleotide, die durch DNA-Polymerasen im Doppelstrang irregulär eingebaut wurden. Ebenso werden Schleifen, die durch ein „Verrutschen“ von DNA-Polymerasen während der Replikation von repetitiven Sequenzen letztlich unweigerlich mit einer gewissen Häufigkeit entstehen, korrigiert. Defekte des MMR zeigen sich somit in einer größeren Variabilität von solchen repetitiven Sequenzen, den sog. Mikrosatelliten. Folglich können funktionelle Defizite des MMR an einer Instabilität der Mikrosatelliten abgelesen werden.
Der Verlust bzw. Defekte von MMR-Faktoren wurde mit einem besseren Ansprechen auf Topoisomerase-I-Inhibitoren wie Topotecan oder Irinotecan korreliert (Jacob et al. 2001). Gleichzeitig wird den identischen Störungen des MMR eine Resistenzvermittlung gegenüber Cisplatin, Alkylanzien, Methotrexat und dem Topoisomerase-II-Inhibitor Doxorubicin zugesprochen (Aebi et al. 1996, 1997; Lage und Dietel 1999). Die Resistenzentwicklung kann durch zwei unterschiedliche Szenarien erklärt werden. Einige MMR-Faktoren können bei frustraner Schadensreparatur die Brücke zur Apoptoseinduktion schlagen. Somit führt der Ausfall der entsprechenden Faktoren direkt zu einem Ausbleiben der Apoptose und zur Resistenz (Lage und Dietel 1999; Hardman et al. 2001). Alternativ könnte die Akkumulation von Mutationen durch die Mikrosatelliteninstabilität die Ausbildung eines resistenten Phänotyps als Selektionseffekt unter dem Selektionsdruck einer Behandlung erlauben (Fink et al. 1998).
Sowohl MMR als auch die Stabilität einiger Mikrosatellitensequenzen wurden in mehreren Serien von KZT untersucht. Dabei zeigten sich stabile Mikrosatellitensequenzen als Ausdruck eines funktionstüchtigen MMR (Huddart et al. 1995; Faulkner und Friedlander 2000; Lothe et al. 1995; Devouassoux-Shisheboran et al. 2001). Mikrosatelliteninstabilität in mehreren Loci wurde lediglich bei refraktären Tumoren beschrieben (Mayer et al. 2002; Velasco et al. 2004; Honecker et al. 2009).
Ein weiterer Parameter, für den bei Tumorpatienten eine Korrelation mit einem resistenten Phänotyp beschrieben wurde, ist die BRAF-V600E-Mutation V600E, welche häufig gleichzeitig mit einer Mikrosatelliteninstabilität gefunden wurde (Honecker et al. 2009). Diese Befunde zeigen eine Korrelation zwischen Chemotherapieresistenz und dem Auftreten einer Mikrosatelliteninstabilität bei KZT. Die klinische Relevanz muss jedoch noch in prospektiven Studien bestätigt werden. Eine besondere klinische Relevanz kommt diesem Befund mit der Verfügbarkeit von Immuncheckpointinhibitoren zu, welche bei Mikrosatelliteninstabilität eine hohe Ansprechwahrscheinlichkeit haben. In den USA liegt aufgrund dieser Korrelation unabhängig von der Histologie eine Zulassung für den Einsatz von Nivolumab bei Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität vor. Die bisherigen Untersuchungen zum unselektierten Einsatz von Checkpointinhibitoren bei Patienten mit refraktären Keimzelltumoren lieferten jedoch nur in wenigen Kasuistiken erfolgversprechende (Zschäbitz et al. 2017; Shah et al. 2016). Hier könnten aber auch der späte Einsatz bei zu großer Tumorlast oder zu hoher Dynamik die Wirksamkeit der Immuntherapie beeinträchtigen.
Im Rahmen der Diskussion der Chemotherapieempfindlichkeit wurde auf die intakte p53-Kaskade eingegangen, welche bei invasiven Keimzelltumoren aufgrund der niedrigen p21-Expression in Richtung Apoptose und nicht Zellzyklusarrest gebahnt ist. Auch an dieser Stelle kann eine Resistenz entstehen: Bei refraktären Keimzelltumoren wurden erhöhte zytoplasmatische Konzentrationen von funktionellem p21 nachgewiesen. Die Daten wurden in vitro experimentell untermauert (Koster et al. 2010).

Gruppe 4: Verhinderung der vollständigen Ausführung der Apoptosekaskade

Ist der Cisplatin-induzierte DNA-Schaden einmal erkannt, wird ein Apoptoseprogramm aktiviert. Welcher Weg dabei beschritten wird, ist Gegenstand kontroverser Diskussion. In einem mitochondrialen Apoptoseweg können Defekte einzelner Komponenten wie Verlust von Kaspasen bzw. die Überexpression antiapoptotischer Proteine der BCL-2-Familie eine Resistenz gegenüber Cisplatin auf diesem letzten Schritt der Zytostatikawirkung induzieren (Antonsson und Martinou 2000). Bis auf in vitro-Daten zur Beeinflussung der Aktivität von Etoposid durch die BCL-2-Familie finden sich diesbezüglich keine Informationen zu KZT. Andere Autoren sehen eher in einem todesrezeptorvermittelten Zelluntergang Ansatzpunkte für eine Resistenzentwicklung, die Einschätzung beruht bislang auch in diesem Falle nur auf in vitro-Daten (Spierings et al. 2003a).

Intrinsische Therapieresistenz bei reifen Teratomen

Reife Teratome entsprechen den komplett somatisch differenzierten Geweben der embryonalen bzw. fetalen Entwicklung. Im Gegensatz zu den übrigen histologischen Komponenten von Keimzelltumoren sprechen sie nicht auf Chemotherapie an.
Auf zellulärer Ebene wurden hierfür zahlreiche Erklärungsmöglichkeiten gefunden: Teratome exprimieren verschiedene ABC-Transporter und verfügen über hohe GST-Spiegel. Im Gegensatz zu den invasiven Komponenten verfügen sie über hohe p21- und RB-Spiegel, sodass bei ihnen auf zellulären Stress und p53-Induktion nicht mit Apoptose, sondern mit einem Zellzyklusarrest reagiert werden dürfte (Spierings et al. 2003a, b; Strohmeyer et al. 1991). Antiapoptotische Faktoren der BCL-2-Familie werden bei Teratomen im Vergleich mit den invasiven Komponenten vermehrt gefunden. Entsprechend dürfte der resistente Phänotyp der reifen Teratome Folge multipler Faktoren sein. Die Expression dieser Resistenzmarker auch ohne vorangegangene Exposition gegenüber Zytostatika ist vermutlich Ausdruck der somatischen Differenzierung der Zellen.
Es ist anzunehmen, dass eine Zelle, die die somatischen Eigenschaften gesunder Körperzellen teilt, durch eine systemische Therapie – welcher Art auch immer – nicht spezifisch abzutöten ist, ohne dabei auch gesunde Zellen zu schädigen. Die komplette Resektion der reifen Teratome dürfte somit auch in Zukunft Mittel der Wahl bleiben.
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