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Uroonkologie
Info
Publiziert am: 24.04.2019

Neuroblastom

Verfasst von: Petra Ketteler und Angelika Eggert
Neuroblastische Tumoren (Neuroblastome, Ganglioneuroblastome und Ganglioneurome) sind Tumoren des sympathischen Nervensystems, die sich embryologisch von der Neuralleiste herleiten lassen. Histologisches Bild, Biologie und klinisches Verhalten dieser Tumoren zeigen so große Unterschiede wie bei keinem anderen soliden Tumor des Kindesalters. Während Kleinkinder mit einer metastasierten Krankheit und ungünstigen biologischen Parametern auch bei Anwendung aller therapeutischen Möglichkeiten eine 5-Jahres-Prognose von weniger als 50 % haben, können im Säuglingsalter selbst metastasierte Neuroblastome ohne jede Therapie eine spontane Regression zeigen.
Viele genetische und molekularpathologische Befunde lassen sich mit den beobachteten Verläufen korrelieren, allerdings sind die pathogenetischen Zusammenhänge weiterhin nicht vollständig verstanden Eine präzise molekulare Charakterisierung des Tumors bei Diagnosestellung ist grundlegend für eine erfolgreiche risikoadaptierte Behandlung.

Epidemiologie, Ätiologie

Epidemiologie

Das Neuroblastom ist der häufigste extrakranielle solide Tumor des Kindesalters. Es umfasst etwa 10 % aller kindlichen Krebserkrankungen. Seine Inzidenz beträgt 1,1 Erkrankungen auf 100.000 Kinder unter 15 Jahren. 40 % aller Patienten werden im Säuglingsalter diagnostiziert, bis zum Ende des 5. Lebensjahres sind es 90 %. Autopsiestudien an Embryonen im 1. Trimenon zeigten, dass bei 1/200 Fällen ein klinisch inapparentes „Neuroblastoma in situ“ gefunden wird (Beckwith und Perrin 1963). Auch Screeninguntersuchungen auf Katecholamine im Urin bei 6 und 12 Monate alten Kindern in Japan, England, Frankreich, Kanada und Deutschland ergaben eine 2–3-mal höhere Inzidenz verglichen mit klinisch manifest an Neuroblastomen erkrankten Gleichaltrigen (Schilling et al. 2002). Solche Befunde sind nur durch Spontanregression subklinischer Neuroblastome zu erklären.
Einige Neuroblastompatienten weisen eine genetische Prädisposition zu der Erkrankung auf (Maris 2010). Eine positive Familienanamnese lässt sich in 1–2 % neu diagnostizierter Fälle finden. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant mit einer Penetranz von 65–70 %. Durch genomweite Analysen betroffener Familien konnten aktivierende Mutationen der anaplastischen Lymphomkinase (ALK) in der Keimbahn der meisten Patienten mit hereditären Tumoren nachgewiesen werden (Maris 2010; Carpenter und Mossé 2012). In großen genomweiten Assoziationsstudien konnten zudem SNP-Variationen in verschiedenen Genen nachgewiesen werden, die für sporadische Neuroblastome prädisponieren (u. a. BARD1,LMO1, DUSP12, DDX4, HACE1 und LIN28B; Review: Schleiermacher 2014).
Etwa die Hälfte aller Patienten zeigt bei Diagnosestellung bereits hämatogene Metastasen. 40 % aller Patienten haben ein INSS Stadium 4, 10 % ein INSS Stadium 4S (Tab. 1).
Tab. 1
Stadieneinteilung des Neuroblastoms [International Neuroblastoma Staging System (INSS). (Nach Brodeur et al. 1993) und nach INRGSS (Cohn et al. 2009; Monclair et al. 2009)
INSS Stadium
Kriterien
INRGSS
 
Stadium 1
Lokalisierte Tumoren mit makroskopisch kompletter Entfernung (mit oder ohne mikroskopischen Resttumor); repräsentative ipsi- und kontralaterale Lymphknoten sind histologisch ohne Tumorbefall; mit dem Tumor entfernte anhängende Lymphknoten dürfen befallen sein
L1
Lokalisierte Tumore ohne Beteiligung vitaler Strukturen definiert gemäß der Liste der radiologischen Risikofaktoren und auf ein Compartment begrenzt.
Stadium 2A
Lokalisierter Tumor mit makroskopisch inkompletter Entfernung; repräsentative ipsilaterale (nicht am Tumor adhärente) Lymphknoten sind histologisch ohne Tumorbefall
L2
Lokoregionale Tumore mit Vorliegen von einem oder mehreren radiologischen Risikofaktoren
Stadium 2B
Lokalisierter Tumor mit oder ohne makroskopisch komplette Entfernung; ipsilaterale nicht adhärente Lymphknoten zeigen Tumorbefall, vergrößerte, kontralaterale Lymphknoten müssen histologisch negativ sein
  
Stadium 3
Nicht resektabler unilateraler Tumor mit Überschreiten der Mittellinie mit oder ohne Lymphknotenbefall oder unilateraler lokalisierter Tumor mit kontralateralem Lymphknotenbefall oder Mittellinientumor mit bilateraler Ausdehnung durch Infiltration (nicht resektabel) oder durch Lymphknotenbefall (das Überschreiten der Mittellinie ist definiert durch infiltratives Erreichen/Überschreiten der Wirbelkante der Gegenseite)
  
Stadium 4
Dissemination des Tumors in Fernlymphknoten, Knochen, Knochenmark, Leber, Haut und/oder andere Organe ausgenommen Stadium 4S
M
Erkrankung mit Fernmetastasen (außer Stadium MS)
Stadium 4S
Lokalisierter Primärtumor bei Säuglingen im 1. Lebensjahr (definiert entsprechend dem Stadium 1, 2A oder 2B) mit Dissemination in Haut, Leber und/oder das Knochenmark; der Knochenmarkbefall muss minimal sein, d. h. in der Knochenmarkbiopsie oder Aspiration sind weniger als 10 % aller kernhaltiger Zellen maligne – bei größerem Anteil an Tumorzellen Einordnung als Stadium 4 –, mIBG-Szintigramm im Knochenmark negativ
MS
Metastatische Erkrankung bei Kindern jünger als 18 Monate ausschließlich mit Haut, Leber und/oder Knochenmarkmetastasen

Ätiologie, Risikofaktoren

Obwohl bei Neuroblastomen zahlreiche somatische Genveränderungen beschrieben sind, sind die genauen tumorauslösenden Ereignisse bislang weitgehend unbekannt. Jüngere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Mutationen, die zur Aktivierung von Telomerstabilisierungsmechanismen führen, eine wesentliche Rolle in der Pathogenese des Neuroblastoms spielen (Peifer et al. 2015). Der überwiegenden Mehrheit der Neuroblastome liegen spontane, somatische Genveränderungen ohne Keimbahnmutationen zugrunde. Frühe Karyotypanalysen zeigten bereits eine Aneuploidie der Neuroblastome mit Amplifikationen, unbalancierten Translokationen sowie chromosomalen Zugewinnen und Verlusten. Die wichtigsten Faktoren der molekularen Pathogenese sind die Amplifikation des MYCN Onkogens, Mutationen der anaplastischen Lymphomkinase (ALK), TERT Rearrangements, ATRX Mutationen, Deletionen der chromosomalen Bereiche 1p36 und 11q14-23 und Störungen in verschiedenen Signalwegen (z. B. RAS/MAPK, p53, Neurotrophinrezeptoren).

Onkologische Kennzeichen

Klassifikation

Jahrelang wurde das 1993 von Brodeur eingeführte International Neuroblastoma Staging System (INSS) (Tab. 30.1) als Standard verwendet. Das INSS basiert auf klinischen und radiologischen Untersuchungsergebnissen in Kombination mit chirurgischen und histologischen Kriterien, Da diese Stadieneinteilung jedoch vom Ausmaß der Tumorresektion und damit vom individuellen Vorgehen des Chirurgen abhängig ist, hat die Internationale Neuroblastoma Risk Group (INRG) 2009 ein neues Stagingsystem INRGSS (Tab. 1) entwickelt, das anstelle des chirurgischen Ergebnisses radiologische Risikofaktoren definiert. Diese Risikofaktoren dienen als ein Maß für die mögliche chirurgische Resektabilität.
Für das INSS Stadium 1 und 2 (INRGSS L1) wird ein nachweisbarer Tumorrest akzeptiert, sodass in dieser Situation trotz fehlender radikaler Operation eine adjuvante Chemotherapie entfällt – ein für onkologische Behandlung ungewöhnliches Vorgehen. Bei Säuglingen kann selbst eine hämatogene Metastasierung mit einem bestimmten Muster (Haut, Leber, Knochenmark; nicht Skelett) mit einer günstigen Prognose verbunden sein (INSS 4S, INRGSS MS).

Histologische Einteilung

Das Neuroblastom sollte heute nach der 1999 publizierten Internationalen Neuroblastomklassifikation (International Neuroblastoma Pathology Classification; INPC) klassifiziert werden (Shimada et al. 1999). In dieser Klassifikation wird die vertraute Terminologie
  • Neuroblastom,
  • Ganglioneuroblastom,
  • Ganglioneurom
mit den prognostisch aussagekräftigsten morphologischen Merkmalen verbunden. Neuroblastome enthalten 2 Zelltypen, Neuroblasten und Schwann-Zellen. Typische undifferenzierte Neuroblasten sind kleine blaue rundkernige Zellen, die rein morphologisch von Lymphomen oder Weichteilsarkomen nur schwer abgrenzbar sind.
Die Ausbildung von Rosetten, von Stroma und die ganglionäre Differenzierung von Neuroblasten gehen in die morphologische Klassifizierung ein. Schwann-Zellen werden nur in ausreifenden Tumoren beobachtet; es wird angenommen, dass Schwann-Zellen nicht zum malignen Klon gehören, sondern reaktiv in den Tumor rekrutiert werden und die Differenzierung unterhalten (Ambros et al. 1996).
Ein Neuroblastom kann histologisch heterogene Areale enthalten. Dieser histologischen Heterogenität entspricht auch eine genetische. Daher ist eine fachkundige Aufarbeitung des kompletten Resektats gerade bei Neuroblastomen von entscheidender Bedeutung (Ambros und Ambros 2001).
Ein relevanter Knochenmarkbefall ist zytologisch leicht an dem typischen Tumorzellhaufen zu erkennen; geringgradige Infiltrationen können über Antikörper mittels Immunfluoreszenz sichtbar gemacht werden.
Im Mainzer Kindertumorregister ist dokumentiert, dass die Langzeit – Überlebensrate von Kindern mit Neuroblastomen in den letzten 35 Jahren kontinuierlich von etwa 42 % im Jahr 1980 auf etwa 76 % im Jahr 2016 verbessert werden konnte (Jahresbericht Kinderkrebsregister 2017). Die wichtigsten prognostischen Faktoren sind Alter, Erkrankungsstadium und Amplifikation des Onkogens MYCN.

Alter

Unabhängig vom Stadium haben Säuglinge ein Gesamtüberleben von etwa 90 %, alle Kinder jenseits des Säuglingsalters zusammen ein solches von 60 %. Zwar zeigen jüngere Kinder auch häufiger niedrige Stadien, aber der Alterseinfluss lässt sich auch innerhalb der einzelnen Stadien noch nachweisen.

Stadium

Grundsätzlich sinkt die Prognose von Kindern mit Neuroblastom mit steigendem Stadium. Eine Ausnahme bildet das INSS 4S (INRGSS MS), welches eine metastasierte Erkrankung von Säuglingen mit ausgesprochen günstiger Prognose beschreibt.
  • Lokalisierte Neuroblastome (INSS 1–3; INRGSS L1-2): Etwa 25 % der Kinder mit Neuroblastom haben initial resektable Primärtumoren ohne Fernmetastasen (INSS 1 und 2, INRGSS L1). Diese Patienten zeigen ein 5-Jahres-Überleben von 90–100 %. Sie sind häufig <1 Jahr alt, haben bevorzugt thorakale Primärtumoren und keine regionale Lymphknotenbeteiligung. Kinder mit ausgedehnterer regionaler Erkrankung (INSS 3, INRGSS L2) zeigen eine sehr variable Prognose von 30–90 %. Hier beeinflussen Radikalität der Tumorresektion, Ansprechen auf Chemotherapie bzw. biologische Parameter zusätzlich zum Stadium die Heilungschance. Auch in diesem Stadium haben Kinder im Alter von bis zu 2 Jahren eine sehr gute Prognose von 90 %.
  • Stadium 4S (INRGSS MS): Säuglinge mit INSS 4S haben auch bei metastasiertem Bild biologisch grundsätzlich günstige Tumoren mit einer Neigung zur Spontanregression. Diese Kinder sind bei Diagnosestellung vor allem durch eine rasche initiale Tumorprogression bedroht. Typisch ist eine enorme Lebervergrößerung, die zu einer Ateminsuffizienz führt. Hier kann eine Strahlentherapie oder Chemotherapie eine Tumorregression einleiten, die dann ohne eine fortgesetzte Behandlung weiter abläuft.
Primär metastasierte Neuroblastome (INSS 4, INRGSS MS) bei Kindern >1 Jahr haben die schlechteste Langzeitprognose. Trotz Intensivierung der Chemotherapie mit initialen Ansprechraten von 90 % beträgt das 5-Jahres-Überleben solcher Kinder nicht über 50 % (Berthold et al. 2005; Simon et al. 2016). Prognostisch besonders ungünstig ist ein Knochenbefall, der durch eine Metaiodbenzylguanidin (MIBG)-Szintigrafie festzustellen ist.

Tumormarker

Die klassischen Tumormarker des Neuroblastoms sind Katecholaminabbauprodukte (Homovanillinsäure und Vanillinmandelsäure) im Urin sowie die neuronspezifische Enolase (NSE) im Blut. Laborchemische Prognosefaktoren wie erhöhtes Ferritin und erhöhte LDH im Serum sind als grobe Parameter für Tumormasse ebenfalls mit der Prognose korreliert, haben aber heute keinen Einfluss auf das therapeutische Vorgehen.

Molekularbiologische Veränderungen und ihre prognostische Aussagekraft

Viele biologische Eigenschaften von Neuroblastomen wurden auf ihre prognostische Bedeutung hin analysiert.
Neben Patientenalter und Tumorstadium ist die MYCN-Amplifikation der wichtigste Prognosefaktor des Neuroblastoms und beeinflusst die Wahl der Therapieintensität.
Daher wird die MYCN-Kopienzahl bei jedem Patienten mit Neuroblastom routinemäßig aus der Biopsie bestimmt. Eine >4-fache Amplifikation gilt weltweit als Biomarker für eine schlechte Prognose. Kinder mit Tumoren, die diese Eigenschaft zeigen, werden seit Jahrzehnten als Hochrisikopatienten klassifiziert, unabhängig von Alter, Stadium oder sonstigen prognostisch relevanten Merkmalen (Seeger et al. 1985; Brodeur et al. 1984). Bei Hochrisiko-Neuroblastomen werden zudem häufig Translokationen des Gens Telomerase Reverse Transkriptase (TERT) und inaktivierende Mutationen des Gens ATRX gefunden (Peifer et al. 2015; Valentijn et al. 2015).
Auch Genverluste an Chromosom 1p und 11q werden häufig gefunden und sind mit schlechter Prognose assoziiert Als unabhängiger Marker für ein erhöhtes Rezidivrisiko eignet sich die 11q-Deletion insbesondere gut für die prognostische Unterscheidung von Neuroblastomen mit MYCN-Einzelkopie. Aktivierende Mutationen der anaplastischen Lymphomkinase (ALK) treten nicht nur als Keimbahnmutationen, sondern auch in 8–14 % der sporadischen Tumoren auf (Maris 2010; Schleiermacher et al. 2014; Schulte et al. 2011). Insbesondere im Zusammenspiel mit der MYCN-Amplifikation charakterisieren aktivierende ALK-Mutationen sehr aggressive Neuroblastomzellen und werden in der Rezidivsituation vermehrt nachgewiesen.

Diagnostik

Basisdiagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Primärsymptome des Neuroblastoms sind abhängig von der Lokalisation: Die Hälfte der Primärtumoren finden sich in den Nebennieren, bis zu 30 % in den abdominellen und bis zu 20 % in den thorakalen und zervikalen Grenzsträngen. Die meisten dieser Primärtumoren sind zunächst asymptomatisch. Allgemeinsymptome wie Schmerzen, Fieber oder Gewichtsverlust findet man bei metastasierten Erkrankungen. Auffällige Symptome, die immer den Verdacht auf ein Neuroblastom hervorrufen, sind eine Querschnittssymptomatik durch intraspinales Vorwachsen von Grenzstrangtumoren, eine Horner-Trias durch Infiltration des Ganglion stellatum, ein ein- oder beidseitiges Brillenhämatom durch periorbitale Infiltrationen, ein paraneoblastisches Opsomyoklonus-Ataxie-Syndrom sowie therapieresistenter Durchfall durch erhöhte Sekretion von vasointestinalem Peptid (VIP). Eine arterielle Hypertonie durch Katecholaminmetaboliten ist ein seltenes Symptom.

Labor-/Hormondiagnostik

Als Tumormarker eignen sich die Katecholaminmetaboliten Vanillinmandelsäure (VMA) und Homovanillinsäure (HVA). Sie können im Urin und im Serum bestimmt werden. Ebenfalls nützlich sind dien euronspezifische Enolase (NSE) im Serum, ein Blutbild zur Suche nach Zytopenien (Hinweis auf eine Knochenmarkinfiltration) sowie die LDH im Serum als unspezifischer Tumormassenparameter. Ein erhöhter Ferritinwert im Serum ist einer der ältesten bekannten Labormarker und korreliert unspezifisch ebenfalls mit der Tumormasse.

Bildgebung

Die diagnostisch eingesetzten Bildgebungsverfahren hängen von der Lokalisation ab: Im Abdomen Sonografie und MRT, insbesondere auch zum Ausschluss paraspinal vorwachsender Tumoren; im Thoraxbereich Röntgenaufnahme und MRT, im Halsbereich Sonogramm und MRT.
Szintigraphisch nutzbar ist die spezifische 123meta-J-Benzylguanidin-Szintigrafie (mIBG), weil dieses Noradrenalin-Analogon spezifisch in adrenergem Gewebe und davon abgeleiteten Tumoren angereichert wird. Die MIBG-Szintigrafie spielt bei Patienten mit Hochrisikoneuroblastom auch eine wesentliche Rolle in der Beurteilung des Ansprechens auf die Induktionschemotherapie. Rund 90 % aller Neuroblastome sind mIBG-positiv. Bei mIBG-negativen Tumoren können 99mTechnetium-Scans (Knochenszintigramm) und zunehmend auch die Positronen-Emissionstomografie mit 18F-Fluordeoxyglucose (18F-FDG-PET) oder 18F-DOPA (18F-DOPA) zur Klärung eines Knochenbefalls eingesetzt werden. Der Nachweis einer Knochenmarkinfiltration gelingt durch Aspirate und/oder Stanzen aus dem Knochenmark. Es werden Punktionen an 4 verschiedenen Stellen empfohlen, weil das Neuroblastom zunächst einen herdförmigen Befall des Knochenmarks verursacht, den man mit einer einzigen Punktionsstelle verfehlen kann.

Therapie

Die Behandlung von Kindern mit Neuroblastom richtet sich nach den unterschiedlichen Verlaufsformen dieser Krankheit. Sie sollte immer im Rahmen einer Therapiestudie stattfinden. Alle Studiengruppen auf der Welt unterscheiden eine Gruppe von Patienten mit minimaler oder gar keiner Therapie (Niedrigrisiko- oder Beobachtungsgruppe (=sehr niedriges Risiko)), eine mittlere Risikogruppe (intermediär) und eine Hochrisikogruppe. Die Therapie ist immer interdisziplinär organisiert und richtet sich in ihrer Aggressivität nach dem Risiko der Erkrankung. Ihr Spektrum reicht von ausschließlich operativer Behandlung bis zu sehr intensiven multimodalen Konzepten. Die Überlebenschancen von Kindern in den unterschiedlichen Risikogruppen unterscheiden sich deutlich (Abb. 1).

Chirurgische Therapie

Operative Verfahren sind für Patienten mit Neuroblastom von entscheidender Bedeutung. Die Chirurgie spielt sowohl für die Diagnose als auch für die Therapie des Neuroblastoms eine wichtige Rolle. Initial dient sie der Diagnosestellung durch eine offene Biopsie des Primärtumors und ggf. regional befallener Lymphknoten oder durch komplette Resektion des Tumors, falls dies risikoarm ohne Gefährdung vitaler Strukturen möglich ist. Die «Second-look-Chirurgie« bleibt Hochrisikopatienten vorbehalten. Biopsien zum Zeitpunkt eines Rezidivs haben im Zeitalter molekularer Diagnostik und Therapie eine wichtige Bedeutung erlangt und sollten zum Standard werden. Die primären und sekundären Resektionsmöglichkeiten sollten in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation, Mobilität, Bezug zu großen Gefäßen und Nerven sowie Präsenz von Fernmetastasen und Heilungsaussicht individuell reflektiert werden. Angesicht der Effizienz der Polychemotherapie sollte eine Opferung vitaler Strukturen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung unbedingt vermieden werden. Falls möglich, sollten regionale Lymphknoten entfernt oder einer Biopsie zugeführt werden. Es gibt keinen Grund für Leberbiopsien zum Nachweis okkulter Metastasen.
Der sonst in der Tumorchirurgie gerechtfertigte Versuch, auch unter Inkaufnahme von Risiken eine Resektion in sano zu erreichen, ist beim Neuroblastom kontraindiziert!.
Bei lokalisierten Tumoren hat die Ausdehnung der chirurgischen Resektion teilweise einen Einfluss über das Gesamtüberleben der Patienten. Heroische und risikoreiche Operationstechniken sind auf Grund der möglichen Spontanregression von postoperativen Resten und der Effektivität einer postoperativen Chemotherapie dennoch nicht gerechtfertigt und sollten unbedingt unterlassen werden. Bei Säuglingen besteht ein besonders hohes operatives Risiko bei gleichzeitig sehr guter Prognose, so dass radikale chirurgische Ansätze insbesondere bei diesen Patienten unterbleiben sollten. Eine Sonderform in dieser Patientengruppe stellt allerdings eine ausgedehnte Hepatomegalie mit erhöhtem intraabdominalen Druck und respiratorischer Insuffizienz dar. Bei diesen Patienten kann eine entlastende Operation mit sekundärem Bauchdeckenverschluss und vorübergehendem Einsatz eines Goretex-Patches lebensrettend sein. Der „Wait-and-see-Ansatz“ für Niedrigrisikopatienten wird zukünftig bei allen Studiengruppen um einen Biopsieverzicht bei kleinen Nebennierentumoren der Perinatalperiode erweitert. Diese Niedrigrisikopatienten sollen in Zukunft ohne Biopsie nur regelmäßig sonografisch untersucht werden. Der Anteil der Neuroblastome mit MYCN-Amplifikation ist in dieser Gruppe besonders klein.
Beim INSS Stadium 4, d. h. bei hämatogen disseminierter Krankheit, sind Artdiagnostik und biologische Charakterisierung aus dem Knochenmark möglich, wenn dieses >60 % Tumorzellen enthält. Eine operative Biopsie ist dann nicht zwingend erforderlich, sollte aber zur Durchführung einer molekularen Diagnostik erfolgen, wenn dadurch der Patient nicht vital gefährdet wird. Auch im Stadium 4 sind die Anforderungen an die operative Radikalität einzuschränken, weil bei hämatogener Disseminierung das Schicksal des Patienten ohnehin davon abhängt, ob die Fernmetastasen durch Chemotherapie kontrolliert werden können (Berthold et al. 2003). Deshalb sollen auch in dieser Situation ausgedehnte risikoreiche Eingriffe oder die Resektion ganzer Organe, insbesondere die Entfernung einer funktionierenden Niere, unbedingt vermieden werden.
Die Bedeutung einer kompletten im Vergleich zur partiellen Resektion bei Stadium-4-Neuroblastomen wird international allerdings immer noch kontrovers diskutiert. Generell gilt für Stadium 4 Patienten die Empfehlung, initial allenfalls eine risikoarme partielle Tumorresektion durchzuführen und erst nach der intensiven Induktionschemotherapie eine komplette Resektion anzustreben, ohne vitale Strukturen zu gefährden oder eine signifikante postoperative Morbidität zu riskieren, um die postoperative Chemotherapie nicht unnötig zu verzögern. Der Tumor kann in einer Second-look-Operation häufig komplett und risikoarm reseziert werden. In das neue INRG-Staging-System wurden bildgebungsdefinierte chirurgische Risikofaktoren integriert, um das operative Risiko besser einschätzen zu können.
Insbesondere die Gefäße in oder neben einem Neuroblastom erzeugen manchmal intraoperativ durch ungewöhnliche topografische Verhältnisse nicht vorhergesehene Risiken. Dazu tragen entweder langsames Wachstum oder die hohe angiogene Potenz der Tumoren bei. Auch eine gute präoperative Bildgebung verhindert solche intraoperativen Überraschungen nicht. Im Zweifelsfall muss hier zum Abbruch der Operation unter Belassung eines Tumorrests geraten werden.
Neuroblastome im INSS Stadium 4S haben meist ein günstiges biologisches Profil, das zur Regression des Primärtumors und der Metastasen führt. Die Rückbildung kann selbst nach anfänglichem Tumorwachstum spontan eintreten. Zwar ist eine Biopsie wünschenswert, um eine Amplifikation des MYCN-Onkogens auszuschließen, aber postoperative Langzeitfolgen müssen wegen der günstigen Prognose ganz besonders vermieden werden. In einer amerikanischen Studie konnte zwischen den Überlebensraten von Säuglingen mit INSS Stadium 4S mit bzw. ohne Operation des Primärtumors kein Unterschied festgestellt werden (Nickerson et al. 2000).

Chemotherapie

Die Chemotherapie ist die wichtigste Therapiemodalität für Neuroblastompatienten mit intermediärem und hohem Risiko. Bei niedrigem Risiko bleibt sie auf Fälle mit symptomatischer Gefährdung vitaler Organe beschränkt. Die Aktivität von Alkylanzien (Cyclophosphamid, Ifosfamid, Dacarbacin), Anthrazyklinen, Platinanaloga, Epipodophyllotoxinen und Camptothecinen konnte in zahlreichen Phase-II- und -III-Studien belegt werden. Topotecan und Irinotecan in Kombination mit Cyclophosphamid oder Temozolomid zeigen vor allem in der Rezidivsituation noch eine gewisse Wirkung.

Hochdosistherapie

Nach der Induktionschemotherapie besteht heute das Konzept der Konsolidierung darin, mit Hilfe einer autologen Stammzelltransplantation Therapiekonzepte zu entwickeln, bei denen wirksame Substanzen mit hauptsächlich knochenmarktoxischen Nebenwirkungen in ihrer Dosis deutlich gesteigert werden.
Eine Verbesserung der Prognose durch diese Hochdosistherapie mit nachfolgender Stammzelltransplantation konnte in bisher 3 randomisierten Studien gezeigt werden (Berthold et al. 2005; Matthay et al. 2009; Matthay et al. 1999; Pritchard et al. 2005, S. 155). In einer europäischen Studie zeigten Pinkerton et al. (1987), dass die 10-Jahres-Überlebensrate nach hochdosiertem Melphalan signifikant besser war als ohne diese Hochdosistherapie. Die amerikanische Children’s Cancer-Study Group berichtete 1995 über den prognostischen Einfluss der Hochdosistherapie mit Cyclophosphamid, Etoposid, Melphalan und Ganzkörperbestrahlung im Vergleich mit 3 zusätzlichen konventionell dosierten Chemotherapiezyklen. Das Überleben war im Megatherapiearm mit 34 % signifikant besser als im Chemotherapiearm (18 %; Matthay et al. 1999). Die deutsche Neuroblastom-Studiengruppe schließlich untersuchte den Unterschied im ereignisfreien Überleben nach 3 Jahren zwischen einer hochdosierten Chemotherapie mit Melphalan, Etoposid und Carboplatin und nachfolgender autologer Stammzelltransplantation versus orale Erhaltungstherapie mit Cyclophosphamid. Die Patienten mit der Hochdosistherapie zeigen mit 47 % einen mäßigen, aber signifikanten Überlebensvorteil gegenüber denjenigen mit oraler Erhaltungstherapie (31 %; Berthold et al. 2005).
Die verschiedenen Zytostatikakombinationen, die zu einer Hochdosistherapie genutzt wurden, konnten auch mit Hilfe des Sammelregisters der EBMT (European Group for Blood and Marrow Transplantation) verglichen werden. Busulfan und Melphalan zeigten die vielversprechendsten Ergebnisse und dieser der Überlebensvorteil konnte in einer europäischen randomisierten Studie im Vergleich zum mit Carboplatin/Etoposid/Melphalan Regime bestätigt werden (Ladenstein et al. 2017). Als aktuell wirksamste Hochdosistherapie gilt daher heute international die Kombination von Busulfan und Melphalan. Eine Ganzkörperbestrahlung (TBI) mit 8–12 Gy wurde im Rahmen myeloablativer Konditionierung und autologer Stammzelltransplantation evaluiert. Angesichts der zu erwartenden Spätfolgen bei jungen Kindern hat sich diese Konditionierung bislang nicht durchgesetzt.
Die Therapieletalität der Hochdosistherapie liegt heute generell unter 5 %.
Wegen des Nachweises von Tumorzellen auch im autolog gewonnenen Stammzellpräparat wurden verschiedene Reinigungsverfahren („purging“) evaluiert. Methodisch lässt sich der Anteil von Tumorzellen im Stammzellprodukt mit Erfolg minimieren. Es konnte jedoch bisher in keiner Studie ein prognostischer Vorteil durch den Einsatz dieser Purging-Verfahren demonstriert werden (Garaventa et al. 1993). In den meisten Studien werden derzeit Stammzellen benutzt, die durch Anreicherung der CD34-positiven Progenitorzellen aufgereinigt sind. Die amerikanische Studiengruppe konnte durch Purging-Negativselektion von Tumorzellen aus peripheren Blutstammzellen keinen Überlebensvorteil nachweisen (Kreissman et al. 2013)
In Deutschland gilt die CD34 Positivselektion als Standard und wird auch bis auf Weiteres empfohlen. Der Einsatz allogener Stammzellen in der Primärtherapie hat wegen der zusätzlichen Komplikationen durch Graft-versus-Host-Disease (GvHD) bislang eher zu schlechterem ereignisfreiem Überleben für die Patienten geführt, sodass die allogene Transplantation derzeit für Neuroblastompatienten in der Rezidivsituation reserviert ist.

Radiotherapie

Das Neuroblastom ist ein strahlensensibler Tumor, weil seine Zellen eine geringe Reparaturkapazität nach Strahlenschädigung aufweisen (Deacon et al. 1985). Die Vorteile der Radiotherapie müssen immer gegen die möglichen Spätfolgen wie unter anderen das Auftreten von Zweittumoren und vermindertes Wachstum abgewogen werden.
Bei Kindern mit INSS Stadium 4 führt gemäß retrospektiven Auswertungen die intensivierte Lokalbestrahlung (36–40 Gy) von vitalem Resttumorgewebe – kenntlich an aktiver Aufnahme von mIBG – zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens. Eine intensivierte Lokalbestrahlung kann also die prognostisch ungünstigen Auswirkungen eines postoperativen Resttumors kompensieren.
In der geplanten europaweiten Neuroblastom-Hochrisikostudie HR-NBL2-SIOPEN wird aufgrund europäischer und US-amerikanischer Daten eine lokale Radiotherapie mit 21 Gy bei allen (auch inaktiven) Resttumoren empfohlen und bei aktivem Resttumor der Effekt eines Boosts auf 36 Gy randomisiert evaluiert.
Die Strahlentherapie ist zudem ein geeignetes Mittel bei Palliativpatienten, um schon mit geringen Dosen eine gute Symptomkontrolle zu erreichen.

MIBG-Therapie

Wie schon Kap. „Nephroblastom“ (Abschn. 3) erwähnt, ist Benzylguanidin eine Substanz, die in allen vom sympathischen Nervensystem abgeleiteten Tumoren gespeichert wird. Mit 131Iod gekoppelt kann es bei Patienten mit refraktärem Neuroblastom oder Neuroblastomrezidiv für eine nuklearmedizinische Therapie genutzt werden, die ausgesprochen tumorselektiv ist. Leider erreicht man mit dieser Substanz auf Einzelzellniveau keine tumoriziden Strahlendosen. Deshalb ist die mIBG-Therapie am effektivsten bei makroskopischem Tumor, hingegen ungeeignet zur Kontrolle von minimaler Restkrankheit. mIBG ist in manchen palliativen Situationen eine nebenwirkungsarme, wirksame Therapieoption. Einzelne Untersucher setzen es auch im Rahmen von Hochdosiskonzepten oder als Monosubstanz zur primären Tumorverkleinerung vor Resektion des Primärtumors ein.

Immunologische Therapie

Der monoklonale Antikärper ch14.18, gerichtet gegen das Disialogangliosid GD2 auf der Oberfläche von Neuroblastomzellen, ist in vitro wirksam gegen Neuroblastomzellen (Schulz et al. 1984). Verschiedene murine and chimerische anti-GD2 Antikörper wurden in klinischen Studien untersucht. Die randomisierte Studie der amerikanischen Childrenʼ Oncology Group ergab einen signifikanten Überlebensvorteil für die Patientengruppe, welche mit dem Anti-GD2 Antikörper Dinutuximab plus Interleukin-2 plus GM-CSF behandelt worden war (Yu et al. 2010). In der randomisierten europäischen SIOPEN Studie konnte kein Vorteil der Kombination von Interleukin-2 mit dem anti-GD2 Antikörper ch14.18/CHO (Dinutuximab beta) im Vergleich zum Antiköper alleine nachgewiesen werden (Ladenstein et al. 2016) Auf der Basis dieser internationalen Daten empfiehlt die Deutsche Neuroblastom Studiengruppe für Hochrisikopatienten nach der Hochdosistherapie die Behandlung mit 5 Zyklen Dinutuximab Beta (Qarziba) alleine.

Retinoidtherapie

Bei Patienten mit Hochrisikoneuroblastom führte der Einsatz von Retinsäure nicht zu einer Lebensverlängerung und wird daher aktuell nicht mehr empfohlen. Die Gabe von Retinolsäure wird aber in zukünftigen klinischen Studien erneut geprüft werden.

Nachsorge

Jedes Kind, das eine Neuroblastomerkrankung überlebt hat, bedarf mindestens bis zum Abschluss seiner körperlichen Entwicklung einer fachspezifischen Nachsorge. In den ersten 5 Jahren steht die Kontrolle der Remission im Vordergrund. Da die meisten Neuroblastome Katecholaminmetaboliten und neuronspezifische Enolase produzieren und die Mehrzahl der Primärtumoren überdies abdominell lokalisiert ist, lässt sich mit gründlicher Anamnese und klinischer Untersuchung sowie mit wenigen Blutentnahmen und einer Ultraschalluntersuchung des Bauches ein effektives Rezidivscreening etablieren.
Im weiteren Verlauf der Nachsorge wird ein Rückfall zunehmend unwahrscheinlicher. Dann stehen Krankheits- oder Therapiefolgen für die Funktion der inneren Organe, Endokrinium, Wachstum und Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen im Vordergrund. Häufiger zu beobachten sind Nierenfunktionsstörungen (Platinverbindungen, Antibiotika) sowie Hörstörungen (Platinverbindungen).

Rezidiv- und Palliativtherapie

Bei Patienten mit ausgedehntem Neuroblastom werden, wie oben dargelegt, bereits in der Primärtherapie viele Möglichkeiten der Behandlung eingesetzt. So wundert es nicht, dass im Rezidivfall kaum bisher ungenutzte Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Notwendig ist die molekulare Charakterisierung des Rezidivtumors (erneute Biopsie!), um ggf. die Möglichkeit einer molekular gezielten Therapie wie beispielsweise eines ALK-Inhibitors bei entsprechender Mutationn nutzen zu können. Auch eine Rezidivtherapie sollte möglichst innerhalb klinischer Studien erfolgen. Hierzu bietet sich vor allem bei fehlendem Nachweis einer molekularen Zielstruktur aktuell die RIST-Studie an – eine gut verträgliche, metronomische Therapie mit den Substanzen Irinotecan, Temozolomid, Dasatinib und Sirolimus. Eine mIBG-Therapie ist je nach Lokalisation und Progredienz des Rezidivs immer erwägenswert. Dasselbe gilt für eine lokale Symptomkontrolle durch perkutane Strahlentherapie. Kann zumindest eine gute partielle Remission erreicht werden, bietet sich eine Konsolidierungstherapie mit haploidenter Stammzelltransplantation und erneuter Immuntherapie (z. B. mit Dinutuximab Beta) an.
Die Prognose eines ausgiebig vorbehandelten und dann rezidivierten Neuroblastoms ist immer noch sehr schlecht (<10 % Überlebensrate) Auf den einzelnen Patienten adaptierte Prinzipien der Palliativtherapie und der Symptomkontrolle müssen zusätzlich zu frühen klinischen Studien Anwendung finden.
Zusammenfassende Bewertung
Epidemiologie, Ätiologie
Das Neuroblastom, der häufigste extrakranielle Tumor des Kindesalters, geht von sympathischem Nervengewebe aus.
Onkologische Kennzeichen
Neuroblastome verschiedener Ausreifungsstadien unterscheiden sich histologisch (Neuroblastom, Ganglioneuroblastom, Ganglioneurom) und in biologischen Charakteristika (Amplifikation des Onkogens MCYN, Deletion 1p und 11q, TERT Rearrangements, Mutationen im ALK- und ATRX-Gen etc.). Diesen Differenzen entsprechen komplett unterschiedliche Prognosen, von spontaner Ausreifung ohne jegliche Therapie bei den meisten Säuglingen bis zu 5-Jahres-Überlebensraten von nur 40–50 % nach Einsatz aller therapeutischen Optionen bei disseminierten aggressiven Neuroblastomen.
Diagnostik
Die Diagnostik nutzt die typischen Grenzstranglokalisationen, die Ausscheidung von Katecholaminmetaboliten (die nicht blutdruckrelevant sind, in Abgrenzung zum Phäochromozytom), die spezifische Speicherung des Radionuklids MIBG und die biologische Charakterisierung des Tumorgewebes.
Therapie
Erstes Ziel der kooperativen Behandlungsstrategie ist es, Kinder mit prognostisch günstigen Tumoren gar nicht oder nur gering zu therapieren. Der chirurgische Partner ist unentbehrlich für eine repräsentative, aber risikoscheue Gewinnung repräsentativen Tumorgewebes für die biologische Charakterisierung.
Für Patienten mit mittlerem Rezidivrisiko wird eine Polychemotherapie vorgeschlagen, mit einer operativen Resektion im Verlauf, bei der jedoch kein vitales oder Organrisiko eingegangen werden soll, da die Radikalität der Resektion prognostisch keine nachweisbare Relevanz hat. Die Strahlensensibilität von Neuroblastomen wird genützt, soweit die lokalisationsbedingten Limitationen (thorakal, wirbelsäulennah) es erlauben. Kinder mit hochmalignen, meist auch systemisch metastasierten Neuroblastomen werden chemotherapeutisch durch Hochdosistherapie mit autologem Stammzell-Rescue „ausgereizt“. Zusätzlich wird der Nutzen anderer Substanzen (Anti-Gangliosid-Antikörper; MIBG-Therapie, haploidente Stammzelltransplantation) bei diesen Patienten und im Fall eines Rezidivs evaluiert. Dennoch erreichen die Langzeitergebnisse noch nicht 50 %. Auch hier ist offensichtlich, dass der operative Partner im Therapiekonzept die schwierige Balance zwischen Entfernung von möglichst viel Tumorgewebe und Vermeidung von hohem Operationsrisiko angesichts der Biologie der Erkrankung halten soll. Hier ist interdisziplinäre Kommunikation von der Planung bis in den OP hinein unabdingbar.
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