Einige hereditäre Syndrome gehen auch mit einer erhöhten Frequenz von differenzierten
Schilddrüsenkarzinomen einher. Bei den meisten familiären Syndromen, zu denen eine Beteiligung des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms als Teil des Krankheitsbildes auftreten kann, entwickelt sich eher ein papilläres Karzinom als ein follikuläres Karzinom. Zu den hereditären Syndromen gehören:
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Carney-Komplex
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Pendred-Syndrom
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Werner-Syndrom
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DICER-1-Syndrom
Die
familiäre adenomatöse Polyposis wird autosomal-dominant vererbt und ist auf eine Mutation im APC-Tumorsuppressorgen
zurückzuführen. Es treten bei diesem Syndrom papilläre
Schilddrüsenkarzinome mit einer Inzidenz von 2–12 % auf. Wesentliche weitere Manifestationen sind gastrale und duodenale Polypen und multiple (meist mehr als 100) kolorektale Adenome mit der Gefahr der Entwicklung von
Kolonkarzinomen. Extraintestinale Manifestationen können unter anderem Osteome, Desmoidtumoren,
Medulloblastome und
Hepatoblastome sein. Das
Cowden-Syndrom ist unter anderem assoziiert mit benignen und malignen Uterus- und Brusterkrankungen. Ursächlich ist eine Mutation im
PTEN-Tumorsuppressorgen mit ebenfalls autosomal-dominantem Erbgang. In etwa 10 % der Fälle entwickeln sich follikuläre und gelegentlich papilläre Schilddrüsenkarzinome. Beim Carney-Komplex werden
Myxome unterschiedlicher Lokalisation,
Hypophysenadenome, das
Cushing-Syndrom,
Schwannome und
Hodentumoren vermehrt beobachtet. Bei autosomal-dominantem Erbgang liegt der Erkrankung eine PRKAR1-α-Mutation zugrunde. In etwa 4 % kommt es zu follikulären und papillären Schilddrüsenkarzinomen, gehäuft auch in Kombination mit benignen Schilddrüsenknoten. Sehr selten (etwa 1 %) sind follikuläre Schilddrüsenkarzinome bei Patienten mit angeborener Taubheit und
Hypothyreose bei Mutationen im Pendrin-Gen mit autosomal-rezessivem Erbgang. Häufiger sind follikuläre und papilläre Schilddrüsenkarzinome mit etwa 18 % beim Werner-Syndrom, das auch autosomal-rezessiv vererbt wird. Patienten mit Werner-Syndrom leiden unter vorzeitiger Alterung,
Kleinwuchs und einer Neigung zu epithelialen Tumoren (
Melanome,
Osteosarkome,
Weichteilsarkome) (Richards
2010). Beim DICER-1-Syndrom kommt es gehäuft zu pleuropneumonalen Blastomen, zystischen Nephromen, ovariellen Sertoli/Leydig-Zelltumoren und
Struma nodosa und gelegentlich zu Schilddrüsenkarzinomen (Rio Frio et al.
2011). Das DICER-1-Gen codiert für eine Ribonuklease, die an der Produktion reifer Mikro-RNA beteiligt ist und hierüber in die Genregulation auf verschiedenen Wegen eingreift (Rio Frio et al.
2011).
Beim DICER-Syndrom überwiegt der multinodöse benigne Organumbau vor der
malignen Transformation. Eine klare Indikation zu einer prophylaktischen Thyreoidektomie kann bei den hereditären Syndromen mit Ausnahme der
multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2
nicht gegeben werden. Hier ist eine individuelle Entscheidung auch unter Berücksichtigung des klinischen Erscheinungsbildes in der Familie zu treffen (Pilarski
2019; Robertson et al.
2018),