Die aktuellen Operationsstrategien beim MEN1-assoziierten pHPT beruhen auf retrospektiven Daten und werden daher nach wie vor in der Literatur kontrovers diskutiert (Thakker et al.
2012; Manoharan et al.
2020b; Waldmann et al.
2010; Lee et al.
2006; Prichard et al.
2012; Elaraj et al.
2003; Fyrsten et al.
2016). Da es sich beim MEN1-assoziierten pHPT um eine Mehrdrüsenhyperplasie handelt, gilt die bilaterale Halsexploration mit einer totalen oder subtotalen Parathyreoidektomie mit zervikaler Thymektomie als Standard (Thakker et al.
2012) (Tab.
3). Bei diesen Operationsverfahren werden sich eine niedrigere Persistenz- und Rezidivrate erhofft. Je nach Studie variiert die Rezidivrate zwischen 0–60 % nach totaler Parathyreoidektomie (Nilubol et al.
2016; Kraimps et al.
1992; Prichard et al.
2012; Hellman et al.
1998). Nach der subtotalen Parathyreoidektomie werden sogar Rezidivraten bis 70 % angeben. Jedoch konnte weder in einer prospektiv randomisierten Studie, noch in retrospektiven Studien ein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Rezidivrate zwischen den beiden OP-Verfahren festgestellt werden (Waldmann et al.
2010; Manoharan et al.
2020b; Lairmore et al.
2014; Fyrsten et al.
2016; Goudet et al.
2001; Arnalsteen et al.
2002; Pieterman et al.
2012). Neben dem hohen Rezidivrisiko besteht bei beiden Verfahren auch ein hohes Risiko (bis zu 60 %) für einen substitutionpflichtigen permanenten
Hypoparathyreoidismus. Das ist sehr relevant, da gezeigt werden konnte, dass eine lebenslange Substitutionstherapie mit einer eingeschränkten
Lebensqualität sowie mit einem erhöhten Risiko für extrapyramidale Störungen einhergeht (Tonelli et al.
2012; Schreinemakers et al.
2011; Hellman et al.
1998). Da die Mehrdrüsenhyperplasie der Nebenschilddrüsen bei MEN1 häufig asymmetrisch verläuft, wurde in den letzten Jahren, bei Vorliegen einer lokalisierten Nebenschilddrüsenhyperplasie, eine selektive oder unilaterale Nebenschilddrüsenresektion mit einseitiger Thymektomie vermehrt diskutiert (Manoharan et al.
2020b; Kluijfhout et al. 2016; Prichard et al.
2012) (Tab.
3). Mit diesem OP-Verfahren wird der permanente Hypoparathyreoidismus verhindert, jedoch das deutlich erhöhte Rezidivrisiko (bis zu 100 %) in Kauf genommen. In retrospektiven Studien lag die Latenz bis zum ersten Rezidiv im Median bei 100 Monaten nach selektiver Parathyreoidektomie (Manoharan et al.
2020b; Schreinemakers et al.
2011; Lee et al.
2006) (Tab.
4).
Tab. 4
Operationsergebnisse nach selektiver, subtotaler oder totaler Parathyreoidektomie bei MEN1-assoziierten pHPT in der Literatur (Serien mit mehr als 30 Patienten)
| tPTX: 13 stPTX: 58 sPTX: 13 | 73,2 | KD | tPTX: 3/13 (23 %) stPTX: 19/58 (33 %) sPTX: 6/13 (46 %) | tPTX: 130,8 stPTX: 62,4 sPTX: 63,6 | tPTX: 6/13 (46 %) stPTX: 15/58 (26 %) sPTX: 2/13 (15 %) |
| tPTX: 32 stPTX: 23 sPTX: 17 | 51,6 | tPTX: 6/32 (19 %) stPTX: 4/23 (17 %) sPTX: 9/17 (53 %) | tPTX: 21/32 (66 %) stPTX: 9/23 (39 %) sPTX: 4/17 (24 %) | tPTX: 36 stPTX: 36 sPTX: 9 | KD |
| tPTX: 8 stPTX: 30 sPTX: 31 | tPTX: 234 stPTX: 155 sPTX: 247 | tPTX: 1/8 (12,5 %) stPTX: 2/30 (6,7 %) sPTX: 7/31 (22,6 %) | tPTX: 2/8 (25 %) stPTX: 8/30 (26,7 %) sPTX: 10/31 (32,3 %) | tPTX: KD stPTX: 100 sPTX: 125 | tPTX: 5/8 (62,5 %) stPTX: 0/30 (0 %) sPTX: 0/31 (0 %) |
| tPTX: 39 stPTX: 22 sPTX: 10 | KD | tPTX: 2/39 (5,1 %) stPTX: 3/22 (13,6 %) sPTX: 1/10 (10 %) | tPTX: 2/39 (5,1 %) stPTX: 1/22 (4,5 %) sPTX: 0/10 (0 %) | KD | tPTX: 11/39 (28,2 %) stPTX: 3/22 (13,6 %) sPTX: 0/10 (0 %) |
| tPTX: 38 stPTX: 23 sPTX: 28 | 112 | tPTX: 1/38 (2,6 %) stPTX: 0/23 (0 %) sPTX: 4/28 (14,2 %) | tPTX: 4/38 (10,5 %) stPTX: 9/23 (39,1 %) sPTX: 19/28 (68 %) | tPTX: 204 stPTX: 139 sPTX: 101 | tPTX: 12/38 (32 %) stPTX: 4/23 (17 %) sPTX: 0/19 (0 %) |
| tPTX: 17 stPTX: 4 sPTX: 12 | tPTX: 42 stPTX: 127 sPTX: 83 | tPTX: 0/17 (0 %) stPTX: 0/4 (0 %) sPTX: 0/12 (0 %) | tPTX: 1/17 (5,9 %) stPTX: 2/4 (50 %) sPTX: 3/12 (25 %) | tPTX: KD stPTX: 55 sPTX: 44 | tPTX: 6/17 (35,3 %) stPTX: 0/4 (0 %) sPTX: 0/12 (0 %) |
Aufgrund der Rarität der MEN4-Erkrankung gibt es bezüglich der Operationsstrategie bei Vorliegen eines pHPTs noch keine klaren Aussagen. Die meisten Experten empfehlen ein ähnliches Vorgehen wie bei MEN1.