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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 12.11.2021

Management postoperativer Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie

Verfasst von: Jochen Schabram
Das Erkennen und Management postoperativer Komplikationen sind essenzieller Bestandteil der Schilddrüsenchirurgie und sollten durch standardisierte diagnostische und therapeutische Algorithmen sichergestellt werden. Neben den frühpostoperativen, vital bedrohlichen Komplikationen (Nachblutung, bilaterale Rekurrensparese, Streptokokken-Sepsis), stellen insbesondere langfristige Beeinträchtigungen der Patienten durch einen postoperativen Hypoparathyreoidismus oder eine Rekurrensparese eine besondere Herausforderung dar. Während bei den akuten, vital bedrohlichen Komplikationen das frühzeitige Erkennen und die umgehende Intervention im Vordergrund stehen, bedürfen die protrahierten oder permanenten Komplikationen, insbesondere an der Schnittstelle zwischen stationärem Aufenthalt und ambulanter Nachbehandlung, einer interdisziplinären Betreuung und Organisation.

Einleitung

In den Pioniertagen der Schilddrüsenchirurgie, Mitte des 19. Jahrhundert, betrug die Letalität der Schilddrüsenoperationen ungefähr 40 %. Neben einer postoperativen Sepsis waren überwiegend nicht beherrschbare Blutungen für die hohe Letalität verantwortlich. Berühmt wurde die Stellungnahme des amerikanischen Anatomen und Chirurgen Samuel D. Gross, der 1886 konstatierte:
Can the thyroid gland when in a state of enlargement be removed with a reasonable hope of saving the patient? Experience emphatically answers no! … If a surgeon should be so foolhardy as to undertake it … every step he takes will be followed by a torrent of blood, and lucky will it be for him if his victim lives long enough to enable him to finish his horrid butchery. … No honest and sensible surgeon would ever engage in it … (Sakorafas 2010)
Innerhalb weniger Jahrzehnte sank die Sterblichkeit von 40 % auf 1 %. Maßgeblich verantwortlich für diese erhebliche Reduktion der Letalität war Theodor Kocher, der die Bedeutung der Anti- und Asepsis erkannte und zudem auf die Notwendigkeit einer minutiösen Blutstillung und präzisen anatomischen Operationstechnik hinwies. Theodor Kocher war es auch, der den Begriff der Cachexia strumipriva nach vollständiger Thyreoidektomie prägte. Zur Vermeidung dieser, vor der Entdeckung und Verfügbarkeit von Schilddrüsenhormon, schwerwiegenden Komplikation wurden parenchymerhaltende Operationstechniken entwickelt. Nachdem die blutungsbedingte Letalität deutlich reduziert werden konnte, fokussierten sich die chirurgischen Bemühungen auf die Reduktion der typischen, eingriffsspezifischen Komplikationen. Zur Vermeidung der Rekurrensparese wurden unterschiedliche operative Techniken mit und ohne Nervendarstellung entwickelt und es hat sich schließlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die visuelle Darstellung mit nichtskelettierender Präparation des N. recurrens durchgesetzt, die heute noch den Goldstandard der Nervenschonung darstellt (Musholt et al. 2018). Ein weiterer Meilenstein zur Protektion des N. recurrens war die Entwicklung des intraoperativen Neuromonitorings, das eine intraoperative Prädiktion der postoperativen Stimmbandbeweglichkeit ermöglicht. Durch einen intraoperativen Strategiewechsel, im Falle eines Signalverlustes auf der primär operierten Seite, konnte das Risiko einer bilateraler Rekurrensparese minimiert werden. Zur Vermeidung eines postoperativen Hypoparathyreoidismus, von T. Kocher als parathyreoprive Tetanie beschrieben, trugen neben fortschreitender Erkenntnisse in der Physiologie auch anatomische Studien zur Nebenschilddrüsendurchblutung und die Entwicklung der kapselnahen Präparation bei. Trotz all dieser Fortschritte in der Operationstechnik und neuer medizintechnischer Hilfsmittel sind die Rekurrensparese und der postoperative Hypoparathyreoidismus unverändert die häufigsten Komplikationen der Schilddrüsenchirurgie und die therapeutischen Optionen beschränken sich im Wesentlichen auf symptomlindernde Maßnahmen und medikamentöse Substitution. Kausale Therapieansätze, wie die allogene Transplantation von Nebenschilddrüsengewebe, befinden sich auch nach Jahrzehnten der Forschung noch im experimentellen Stadium. Ebenso zeigen mikrochirurgische Rekonstruktionsversuche des N. recurrens durch autologe Nerveninterponate keine überzeugenden Ergebnisse. Hoffnungsvoll stimmen die ersten Ergebnisse zur Anwendung von rekombinantem humanen Parathormon in der Behandlung des permanenten Hypoparathyreoidismus.

Postoperative Nachblutungen

Einleitung

Postoperative Nachblutungen stellen eine seltene, jedoch potenziell akut lebensbedrohliche Komplikation dar. Das Spektrum reicht von einer lediglich vorübergehend kosmetisch relevanten, oberflächlichen Einblutung, über punktionswürdige Hämatome in der Schilddrüsenloge, bis hin zum hypoxischen Hirnschaden und Erstickungstod. Für diese vital bedrohliche Komplikation ist weniger der akute Blutverlust, als vielmehr die Kompression und das Ödem der Halsweichteile verantwortlich. Die Häufigkeit wird in der Literatur zwischen 0 % und 6,5 % angegeben (Promberger et al. 2012). Im Rahmen der multizentrischen PETS-I- und PETS-II-Studie betrug die Rate revisionspflichtiger Nachblutung 2,7 % bzw. 1,7 % (Lorenz et al. 2015), in einer aktuellen Auswertung der AOK-Krankenversicherungsdaten von mehr als 60.000 Patienten 1,8 % (Maneck et al. 2017). Im Gegensatz zu anderen Komplikationen in der Schilddrüsenchirurgie, deren Häufigkeit in den letzten Jahren durch operationstechnische Hilfsmittel und standardisierte Operationstechniken verringert werden konnte, ist die Nachblutungsrate über die letzten Jahrzehnte weitgehend konstant. Auch durch den Einsatz neuer Instrumente zur Gefäßversiegelung und die Verwendung von Titanclips konnte die Nachblutungsrate nicht signifikant reduziert werden. Weiterhin zeigt sich im Hinblick auf die Nachblutungsrate keine typische Volume-Outcome-Korrelation (Maneck et al. 2017). Untersuchungen zu Folgeschäden des Revisionseingriffes bei Nachblutungen zeigen eine tendenziell erhöhte Rate permanenter Paresen, eine deutlich erhöhte Tracheotomierate sowie eine Verdoppelung der Mortalität verglichen mit Schilddrüsenoperationen ohne Blutungskomplikation. Da nicht tödlich verlaufende, aber dennoch schwerwiegende Folgeschäden, wie eine hypoxische Hirnschädigung, nicht systematisch erfasst werden, wird das statistisch geringe Blutungsrisiko eher unterschätzt und verharmlost (Lorenz et al. 2015).

Risikofaktoren

In zahlreichen Studien wurde eine Vielzahl von Faktoren identifiziert, die potenziell Einfluss auf das Blutungsrisiko haben können (Suzuki et al. 2016; Lorenz et al. 2015; Lang et al. 2012). Neben diesen patientenspezifischen und eingriffsspezifische Risikofaktoren (Tab. 1) beeinflusst der Chirurg selbst durch seine Operationstechnik die Blutungsrate. Relevante Faktoren sind hierbei eine sorgfältige schichtgerechte Präparation, die Qualität der Gefäßversorgung, der adäquate Einsatz von Vessel-Sealing-Instrumenten und die sorgfältige abschließende Blutungskontrolle. Weiterhin kommt der Kooperation zwischen Chirurg und Anästhesist eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, da postoperatives Erbrechen und Hypertonie zur Wiedereröffnung von Gefäßen und so zur Nachblutung führen können.
Tab. 1
Potenzielle Risikofaktoren für eine Nachblutung. (Suzuki et al. 2016; Lorenz et al. 2015; Lang et al. 2012)
Patientenspezifische Faktoren
Höheres Patientenalter (> 60 Jahre)
 
Männliches Geschlecht
 
Hypertonie
Positive Blutungsanamnese
Gerinnungsstörungen
Einnahme von Antikoagulanzien
Präoperative Bluttransfusionen
Erhöhter Body-Mass-Index
Vorbestehende Dyspnoe
Größe des dominierenden Schilddrüsenknotens
Resektatgewicht
Malignom
M. Basedow
Eingriffsspezifische Faktoren
Rezidivoperation
Resektionsausmaß
Neck Dissection
Operationsdauer
Weitere Faktoren
Operationsfrequenz des Operateurs
Operationsfrequenz der Klinik
Trotz aller identifizierten, potenziellen Risikofaktoren ist die individuelle Vorhersage eines Blutungsereignisses nicht hinreichend möglich. Zudem werden die identifizierten Faktoren hinsichtlich ihrer Relevanz in der Literatur unterschiedlich bewertet.

Zeitpunkt der Nachblutung

Postoperative Nachblutungen können einerseits bereits im Rahmen der Narkoseausleitung durch einen Blutdruckanstieg, Husten und Würgen des Patienten im Rahmen der Extubation auftreten. Andererseits werden verzögerte Nachblutungen bis zu 3 Wochen nach dem Eingriff beschrieben. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass die Nachblutungswahrscheinlichkeit in den ersten 24 h mit ca. 80 % am größten ist und im Verlauf deutlich abnimmt. Dies bestätigt die Analyse der AOK-Daten von mehr als 60.000 Patienten, bei der 76 % der Nachblutungen am Operationstag auftraten (Tab. 2). Am Operationstag selbst traten 80 % der Nachblutungen innerhalb der ersten 4–6 h auf.
Tab. 2
Revisionsbedürftige Nachblutungen innerhalb von 7 Tagen postoperativ (Maneck et al. 2017)
Postoperativer Tag
Anteil aller revisionspflichtigen Nachblutungen (%)
0
76,3
1.
15,5
2.
4,0
3.
1,1
4.
1,1
5.
0,7
6.
0,7
7.
0,7

Lokalisation der Nachblutungen

Die häufigsten Blutungen treten im Bereich des Schilddrüsenlagers im Kehlkopfwinkel oder dem belassenen Schilddrüsenrest auf (81,5 %). Weitere Blutungsquellen sind die Halsmuskulatur (8,4 %), subfasziale Venen (7 %) oder das Subkutangewebe (3,1 %) (Promberger et al. 2012). Im eigenen Kollektiv traten bei 830 Operationen 17 Nachblutungen auf. Hiervon waren 56 % arteriell und 44 % venösen Ursprungs. Als Blutungsquelle konnte in 56 % der Kehlkopfwinkel/Schilddrüsenrest, in 12 % ein oberes Polgefäß, in 12 % eine tiefe Halsvene und in 6 % eine subkutane/muskuläre Blutung identifiziert werden. Bei 14 % konnte keine aktive Blutung im Rahmen der Revision identifiziert werden (Kunold und Schabram 2015).

Klinische Zeichen

Die klinischen Zeichen einer Nachblutung sind vielfältig, können isoliert oder kombiniert auftreten und sind zudem auch vom subjektiven Empfinden des Patienten abhängig. Die einzelnen Symptome (Tab. 3), die in subjektive und objektivierbare Zeichen unterschieden werden können, lassen keine Rückschlüsse auf das Ausmaß oder die Dynamik der Nachblutung zu. So zeigen einige Patienten bei relevanter Blutung in der tiefen Schilddrüsenloge nur eine moderate zervikale Schwellung, andere Patienten mit subkutaner Blutung einen eindrucksvollen Befund. Bei oligosymptomatischen Patienten können bereits zunehmende Schluckbeschwerden auf ein relevantes Blutungsgeschehen hinweisen. Auch Wunddrainagen können eine Nachblutung weder vermeiden, noch eine solche mit ausreichender Sicherheit anzeigen, da sie durch Blutkoagel okkludiert sein können und so eine Fehleinschätzung der Situation begünstigen (Samraj und Gurusamy 2007). In einer eigenen Untersuchung mit prospektiver systematischer Erfassung der klinischen Zeichen lag bei Patienten mit Nachblutungen am häufigsten ein zervikales Druckgefühl (76 %), gefolgt von Schluckbeschwerden (47 %) und Atembeschwerden (12 %) vor. Im Rahmen der Untersuchung erwies sich eine wiederholte Messung des Halsumfanges nicht als zuverlässiges Kriterium (Kunold und Schabram 2015).
Tab. 3
Klinische Zeichen einer postoperativen Nachblutung
Subjektive Zeichen
Zervikales Druckgefühl
Schluckbeschwerden
Innere Unruhe, Angst
Atembeschwerden
Objektivierbare Zeichen
Blutung aus der Wunde
Zervikale Schwellung
Blutverlust über Drainage
Stridor
Schweißigkeit
Tachykardie, Hypotonie, Tachypnoe
Zunahme des Halsumfanges

Management der Nachblutung

Erkennen, Transport, Sicherung der Atemwege

Aufgrund der teilweise dramatischen Dynamik von Nachblutungen, ist eine engmaschige klinische Kontrolle durch geschultes Personal, insbesondere in den ersten 4–6 h, erforderlich. Je früher eine revisionspflichtige Nachblutung erkannt wird, umso schneller und sicherer kann der Patient der potenziell lebensrettenden Wundrevision zugeführt werden. Die Abläufe im Falle einer interventionspflichtigen Nachblutung sollten in einer SOP (Standard Operating Procedure) festgelegt werden, um Zeitverzögerungen zu vermeiden. Durch ein definiertes Vorgehen können zeitraubende und unnötige Untersuchungen (Hämoglobinwert-Kontrolle oder Sonografie der Halsweichteile o. ä.) vermieden und im Einzelfall lebensrettende Zeit gewonnen werden.
Die Sicherung der Atemwege hat im Falle der Nachblutung höchste Priorität. Am Patientenbett muss auf Grundlage der klinischen Symptome entschieden werden, ob eine Wunderöffnung vor Ort zur Druckentlastung erforderlich ist oder ob der Patienten mit chirurgischer Begleitung in den Operationsbereich transportiert werden kann. Dort sollte das vorab informierte Anästhesiepersonal bereitstehen, um in Anwesenheit des Chirurgen eine geordnete Reintubation einzuleiten. Da die Intubation in der Blutungssituation regelmäßig erschwert ist und es infolge eines frustranen Intubationsversuchs zu einem weiteren Anschwellen des Larynx kommen kann, sollte ein möglichst erfahrener Anästhesist die Intubation durchführen. Der Chirurg sollte im Rahmen der Narkoseeinleitung und Intubation auf eine notfallmäßige Wunderöffnung und evtl. erforderliche Tracheotomie vorbereitet sein.

Durchführung der Wundrevision

Die Wundrevision sollte ruhig, systematisch und im Idealfall durch den primären Operateur erfolgen. Nach der Wunderöffnung werden vorhandene Blutkoagel äußerst behutsam entfernt, um eine Verletzung sensibler Strukturen durch grobe Bergungsmanöver oder ungezielten Saugereinsatz zu vermeiden. Nach ausgiebigem Spülen des Situs gelingt es meist die Blutungsquelle zu identifizieren, wobei die gesamte Wundhöhle systematisch exploriert werden muss, um evtl. vorhandene weitere Blutungsquellen nicht zu übersehen. Vor Versorgung der Blutungsquelle ist der N. recurrens sicher zu identifizieren, um eine Verletzung zu vermeiden. Da die visuelle Nervenidentifikation im eingebluteten Situs erschwert sein kann, ist das Neuromonitoring zur sicheren Identifikation und Nachweis der funktionellen Integrität des N. recurrens hilfreich. In Nervennähe sollte auf den Einsatz thermischer Instrumente verzichtet und Umstechungsligaturen oder feine Titanclips zur gezielten Blutstillung eingesetzt werden. Der Einsatz von Hämostyptika ist bei diffusen, nicht genauer zu lokalisierenden Blutungen möglich. Nach Beendigung der Blutstillung sollte ein Valsalva-Manöver in Trendelenburg-Lagerung durchgeführt werden, um evtl. vorhandene, weitere venöse Blutungsquellen zu identifizieren. Zur abschließenden Überprüfung der Blutstillung ist ein adäquater systolischer Blutdruck erforderlich. Im Falle einer Hypotonie sollte der Blutdruck durch den Anästhesisten angehoben werden. Die Einlage einer Redondrainage ist zu empfehlen, da es im postoperativen Verlauf regelhaft zur Mobilisation von Hämatom aus den eingebluteten Halsweichteilen in die Schilddrüsenloge kommt. Eine intraoperative Kortisongabe (Hydrokortison 100 mg) zur Reduktion des Larynxödems und eine Single-Shot-Antibiose sollten erwogen werden.
Zusammenfassung: Management von Nachblutungen
  • Schilddrüsenoperationen sollten nur durchgeführt werden, wenn eine engmaschige und kompetente Nachbeobachtung sichergestellt ist
  • Bereitstellung eines Sets zur Wunderöffnung und Notfalltracheotomie auf der Station
  • Ein standardisiertes Überwachungsprotokoll zur Erfassung klinischer Zeichen einer Nachblutung ist hilfreich
  • Etablierung einer SOP für Nachblutungen einschließlich Alarmierungsplan (Transport/Anästhesie/OP-Personal etc.)
  • Transport in den OP und Narkoseeinleitung/Intubation in Anwesenheit des Chirurgen
  • Unterlassung unnötiger Labor- oder bildgebender Diagnostik
  • Systematische Exploration des Situs
  • Behutsame Entfernung von Blutkoageln aus der Schilddrüsenloge
  • Nach Möglichkeit Einsatz des Neuromonitoring zur Identifikation und Funktionsprüfung des N. recurrens
  • Gezielte Blutstillung mittels Gefäßligatur, Umstechung oder Titanclip
  • Sorgfältige Abschlusskontrolle in Kooperation mit dem Anästhesisten (Valsalva-Manöver, Trendelenburg-Lagerung, Blutdruckanpassung)
  • Einlage einer Redondrainage
  • Bei ausgeprägtem Larynxödem intraoperative Kortisongabe
  • Eine perioperative Single-Shot-Antibiotikagabe sollte unter Würdigung der individuellen Situation erwogen werden
  • Sicherstellung einer adäquaten Nachbeobachtung, ggf. Aufnahme auf die IMC oder Intensivstation

Postoperativer Hypoparathyreoidismus

Einleitung

Der postoperative Hypoparathyreoidismus ist die häufigste Komplikation nach Schilddrüsenoperationen und führt insbesondere im Falle einer permanenten Erkrankung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und chronischen Folgeschäden. Die postoperative medikamentöse Einstellung und, im Falle eines permanenten Hypoparathyreoidismus, langfristige Betreuung stellen eine besondere Herausforderung dar. Bei oligo- oder asymptomatischen Patienten wird die Nachbetreuung zudem häufig durch eine mangelnde Compliance beeinträchtigt. Das heute verfügbare rekombinante humane Parathormon stellt einen neuen, kausalen Therapieansatz dar.

Häufigkeit und Risikofaktoren

Die Häufigkeit des postoperativen Hypoparathreoidismus zeigt in Literatur eine breite Streuung zwischen 1 % und mehr als 50 % (Reeve und Thompson 2000; Ozbas et al. 2005; Franzke et al. 2010; Thomusch et al. 2003). Die Hypoparathyreoidismusrate korreliert dabei direkt mit dem Resektionsausmaß. Dennoch entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten ein Trend zu immer radikaleren Eingriffen und die Thyreoidektomie wurde schließlich zum Standardeingriff der Knotenstruma erhoben (Agarwal und Agarwal 2008). Inzwischen schlägt das Pendel wieder zu einer differenzierten, weniger radikalen Strategie aus. Diese Entwicklung findet ihren Ausdruck u. a. in der heute propagierten, seitengetreten Indikationsstellung und könnte so zu einer Reduktion der Hypoparathyreoidismusrate beitragen.
Während ein Hypoparathyreoidismus nach unilateralen Eingriffen nur selten beobachtet wird, steigt das Risiko nach bilateralen Eingriffen mit dem Resektionsausmaß kontinuierlich an. Single-Center-Studien aus spezialisierten Zentren zeigen eine deutlich geringere Komplikationsrate als multizentrische Studien, in denen auch Kliniken ohne besondere Expertise mit geringen Fallzahl berücksichtigt werden (Tab. 4, 5). Statistische Berechnungen konnten zeigen, dass das Risiko für einen permanenten Hypoparathyreoidismus nach Thyreoidektomie erst ab einer persönlichen Eingriffsfrequenz von mehr als 150 Operationen pro Jahr auf unter 1 % gesenkt werden kann (Dralle et al. 2011). Auch die Operation des M. Basedow zeigt in zahlreichen Studien eine erhöhte Hypoparathyreoidismusrate, wobei als Ursache neben der häufig anspruchsvollen Operation eine Störung des Knochenstoffwechsels („hungry bone syndrom“) diskutiert wird (Pesce et al. 2010). Weitere Risikofaktoren zur Entwicklung eines postoperativen Hypoparathyreoidismus sind ein vorbestehender Vitamin-D-Mangel, weibliches Geschlecht, synchrone Eingriffe wegen eines primären Hyperparathyreoidismus, die bilaterale Ligatur der A. thyreoidea inferior, Revisionseingriffe bei Nachblutungen und akzidentell belassenes Nebenschilddrüsengewebe am Operationspräparat.
Tab. 4
Häufigkeit des postoperativen Hypoparathyreoidismus in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß. (Thomusch et al. 2003; Barczynski et al. 2010)
Studie
Resektionsausmaß
Hypoparathyreoidismus temporär (%)
Hypoparathyreoidismus permanent (%)
Thomusch et al. 2003
N = 5195
Subtotale Resektion bds.
6,3
0,9
Dunhill-OP
8,7
2,1
TT
21,6
10,5
Barczynski et al. 2010
N = 600
Subtotale Resektion bds.
2
0
Dunhill-OP
4
0
TT
11
0,5
TT totale Thyreoidektomie
Tab. 5
Häufigkeit des postoperativen Hypoparathyreoidismus nach Thyreoidektomie mit und ohne Lymphknotendissektion. (Giordano et al. 2012; Selberherr und Niederle 2015)
Studie
Resektionsausmaß
Hypoparathyreoidismus temporär (%)
Hypoparathyreoidismus permanent (%)
Giordano et al. 2012
N = 1067
TT ohne LKD
27,7
6,3
TT + ipsilaterale LKD
36,1
7,0
TT + bilaterale LKD
51,9
16,2
Selberherr und Niederle 2015
N = 349
TT ohne LKD
21
1
TT + ipsilaterale LKD
23
1
TT + bilaterale LKD
22
1
TT totale Thyreoidektomie, LDK Lymphknotendissektion

Definition

Die Definition des postoperativen Hypoparathyreoidismus ist nicht standardisiert und schränkt so die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen ein. Die European Society of Endocrinology (Bollerslev et al. 2015) definiert den Hypoparathyreoidismus als:
Hypokalzämie mit inadäquat niedrigem Parathormon.
Diese Definition schließt Fälle mit einer relativen Nebenschilddrüseninsuffizienz ein, bei denen Parathormon zwar im unteren Normbereich liegt, jedoch gleichzeitig eine Hypokalzämie besteht. Weitgehender Konsens besteht hinsichtlich der Abgrenzung eines passageren von einem permanenten Hypoparathyreoidismus. Sofern sich dieser innerhalb der ersten 6 Monate zurückbildet, liegt ein passagerer, im Falle einer Persistenz darüber hinaus ein permanenter Hypoparathyreoidismus vor.

Klinische Symptomatik und Folgeschäden des Hypoparathyreoidismus

Das klassische Leitsymptom der postoperativen Hypokalzämie ist die Tetanie, die zu Spasmen mit Pfötchenstellung der Hände führt. Neben Spasmen der Gesichtsmuskulatur können auch Verkrampfungen des Larynx und der Atemmuskulatur auftreten, die eine akute Dyspnoe auslösen können. Als frühe Zeichen der Hypokalzämie sind Kribbelparästhesien an den Fingern, Zehen oder perioral sowie eine innere Unruhe des Patienten zu werten. Durch die vermehrte neuromuskuläre Reizbarkeit findet sich ein positives Chvostek-Zeichen. Hierbei kommt es durch Beklopfen der Wange zu Zuckungen der Mundwinkel. Das Trousseau-Zeichen beschreibt eine Pfötchenstellung der Hand nach Aufpumpen einer Blutdruckmanschette. Neben diesen Zeichen der akuten Hypokalzämie sind zahlreiche weitere Symptome und Folgeschäden beschrieben (Tab. 6).
Tab. 6
Klinische Manifestationen des permanenten Hypoparathyreoidismus
Organsystem
Befunde und Symptome
Renal
Neuromuskulär
Missempfindungen (perioral), Kribbelparästhesien, Tetanie, gesteigerter Sehnenreflex, Taubheit an Extremitäten, Kraftlosigkeit, Myalgie
Ossär
Reduzierter Knochenumbau, Knochenschmerzen, vermehrte Knochendichte, Defekte des Zahnschmelzes
Neurologisch
Übererregbarkeit, Depression, kognitive Einbußen („brain fog“), Müdigkeit, Verkalkungen der Basalganglien (Morbus Fahr)
Kardiovaskulär
Arrhythmien, Palpitationen, Herzinsuffizienz
Okkulär
Katarakt
Dermatologisch
Haarausfall, trockene Haut, Juckreiz, brüchige Nägel

Labordiagnostik

Traditionell werden nach Schilddrüsenoperationen Messungen des Kalziumspiegels an den ersten postoperativen Tagen empfohlen. Der Kalziumspiegel zeigt jedoch im Falle eines postoperativen Hypoparathyreoidismus nur einen langsamen Abfall mit einem Nadir nach 24–48 h, sodass der sichere Ausschluss eines Hypoparathyreoidismus allein aufgrund des frühpostoperativen Kalziumwertes nicht möglich ist. Eine frühzeitige Bestimmung des intakten Parathormons (iPTH) hingegen erlaubt eine valide Aussage über die postoperative Nebenschilddrüsenfunktion. Grundlage hierfür ist die kurze Halbwertzeit des iPTH von wenigen Minuten. Untersuchungen zeigen, dass bereits 4 h postoperativ eine zuverlässige Beurteilung der Nebenschilddrüsenfunktion möglich ist (Raffelli et al. 2012; Barczynski et al. 2007). Durch die Überprüfung der Nebenschilddrüsenfunktion wenige Stunden nach dem Eingriff können schwere Tetanien durch eine frühzeitig eingeleitete Kalzium-/Vitamin-D-Substitution vermieden werden.
Im Rahmen der weiteren Behandlung des Hypoparathyreoidismus unter Substitutionsmedikation ist eine erweitere Labordiagnostik erforderlich. Da ausschließlich das ionisierte Kalzium der Regulation durch PTH unterliegt, sollte zur sicheren Erfassung einer gestörten Kalziumhomöostase das ionisierte Kalzium bestimmt, oder alternativ das Albumin-korrigierte Kalzium berechnet werden. Weiterhin sollte der Magnesiumspiegel bestimmt werden, da Magnesium direkten Einfluss auf die PTH-Sekretion hat und ein PTH-Mangel selbst zu einer verminderten Magnesiumresorption im distalen Tubulus führt. Infolge der verminderten PTH-Sekretion kommt es weiterhin zu einer Reduktion der Phosphatauscheidung, die häufig mit einer Hyperphosphatämie einhergeht. Bei gleichzeitig hoher Kalziumsubstitution kann es zu einer Überschreitung des Kalzium-Phosphat-Produktes kommen, das extraossäre Kalzifikationen begünstigt. Zudem ist eine Überwachung der Nierenfunktion erforderlich um evtl. renale Folgeschäden zu erfassen (Tab. 7).
Tab. 7
Erforderliche Labordiagnostik zur frühpostoperativen Beurteilung der Nebenschilddrüsenfunktion und im Follow-up des protrahierten Hypoparathyreoidismus
Zeitpunkt
Labordiagnostik
Initiale Beurteilung der Nebenschilddrüsenfunktion
Serumkalzium, iPTH
Frühpostoperativer Hypoparathyreoidismus
Albumin-korrigiertes Kalzium, iPTH, Magnesium, Phosphat, Kreatinin, eGFR, Vitamin D
Follow-up unter stabiler Substitution (Bollerslev et al. 2015)
Alle 3–6 Monate:
Albumin-korrigiertes Kalzium, iPTH, Magnesium, Phosphat, Kreatinin, eGFR, Vitamin D
Alle 1–2 Jahre:
Kalziumausscheidung im 24-h-Urin
iPTH intaktes Parathormon, eGFR estimated glomerular filtration rate

Medikamentöse Therapie des postoperativen Hypoparathyreoidismus

Da die individuelle Symptomatik der Patienten nicht zwangsläufig mit dem Kalziumspiegel korreliert, ist eine klinische Beurteilung des Patienten zur Festlegung der Substitutionsmedikation erforderlich. Im Falle einer Tetanie sollten zunächst 1–2 Ampullen 10 %ige Kalziumlösung als Kurzinfusion über 10–20 min verabreicht und im Anschluss eine Infusion mit 6–8 Ampullen 10 %iger Kalziumlösung über 24 h infundiert werden. Während dieser hoch dosierten intravenösen Therapiephase ist eine engmaschige Überprüfung des Kalziumspiegels (2-mal täglich) erforderlich, um einerseits eine Hyperkalzämie zu vermeiden und andererseits die Substitutionsdosis schrittweise reduzieren zu können. Auf mögliche Herzrhythmusstörungen ist insbesondere bei bestehender Digitalismedikation zu achten. Angestrebtes Therapieziel ist in der akuten Situation die Symptomfreiheit des Patienten. Im Anschluss wird die Substitutionsmedikation meist überlappend oralisiert. Die orale Kalziumdosis von 1000–3000 mg pro Tag sollte auf mehrere Einzeldosen mit jeweils 500 mg verteilt werden, da die maximale aktive intestinale Kalziumaufnahme limitiert ist. Bei der Wahl des Kalziumpräparates ist eine evtl. verminderte Magensäuresekretion durch die Einnahme von Protonenpumpenhemmern zu berücksichtigen, da Kalziumkarbonat das saure Milieu des Magens zur Aufnahme in das Blut benötigt. Kalziumzitrat oder Kalziumglukonat, die auch ohne ausreichende Magensäure leicht aufgenommen werden, sollten in diesem Fall bevorzugt werden. Zur Verbesserung der intestinalen Kalziumresorption sollte frühzeitig zusätzlich Calcitriol (1,25 Dihydroxy-Cholecalciferol) in einer Dosierung von 2-mal täglich 0,25–1,0 μg verordnet werden. Vorteil des Calcitriol gegenüber anderen Vitamin-D-Präparaten ist neben einem schnellen Wirkungseintritt die gute Steuerbarkeit infolge einer geringen Halbwertzeit. Das früher weit verbreitete AT10 (Dihydrotachysterol) hingegen zeichnet sich durch eine Halbwertzeit von mehreren Wochen aus und birgt so durch Akkumulation die Gefahr einer lebensbedrohlichen Vitamin-D- Intoxikation (Quack et al. 2005). Im Falle eines Magnesiummangels wird eine Substitutionsbehandlung (Magnesiumkarbonat 670 mg 1- bis 2-mal/Tag) empfohlen, da Magnesium direkt die Parathormonproduktion und dessen Wirkung am Zielgewebe beeinflusst. Eine auftretende Hyperkalzurie trotz niedrig normalem Kalziumspiegel kann mit Thiaziddiuretika behandelt werden, die einen kalziumretinierenden Effekt haben.
Eine neue Therapieoption zur Behandlung des permanenten Hypoparathyreoidismus ist die Hormonersatztherapie mit rekombinantem humanen Parathormon (rhPTH 1–84). Erste Studien zeigen eine Verbesserung der Kalziumhomöostase bei reduziertem Substitutionsbedarf (Bilezikian et al. 2016). Empfohlen wird die zusätzliche Hormonersatztherapie für Patienten, bei denen mit alleiniger Kalzium- und Vitamin-D-Substitution keine befriedigende Einstellung der Kalziumkonzentration erreicht werden kann, sich eine fortschreitende Niereninsuffizienz entwickelt oder eine Malabsorption vorliegt. Die Applikation erfolgt 1-mal täglich subkutan. Die individuelle Dosisanpassung bedarf eines intensiven Monitorings der klinischen Symptomatik und der Laborparameter (Sieggelkow 2019).

Therapieziele

Die akute, aber auch die langfristige Behandlung des Hypoparathyreoidismus soll einerseits eine Symptomfreiheit der Patienten gewährleisten, andererseits aber auch mögliche Folgeschäden vermeiden. Voraussetzung für eine gute und langfristige Compliance ist eine ausreichende Information und Schulung des Patienten. Neben der Anbindung an eine versierte internistisch-endokrinologische Praxis sollte der Patient über Selbsthilfegruppen (z. B. Netzwerk Hypopara) informiert und ein Notfallausweis ausgestellt werden. Durch die European Society of Endocrinology wurden Therapieziele definiert, wobei der Evidenzgrad in Ermangelung ausreichender Studiendaten gering ist.
Therapieziele in der Behandlung des permanenten Hypoparathyreoidismus (Bollerslev et al. 2015)
1.
Der Albumin-korrigierte Kalziumwert sollte im unteren Normbereich oder geringfügig unterhalb des Referenzbereichs liegen bei gleichzeitiger Symptomfreiheit der Patienten
 
2.
Die Kalziumausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin sollte innerhalb des geschlechtsspezifischen Referenzbereichs liegen
 
3.
Der Serumphosphatspiegel sollte im Referenzbereich liegen
 
4.
Das Kalzium-Phosphat-Produkt sollte <4,4 mmol2/l2 bzw. <55 mg2/dl2 liegen
 
5.
Der Magnesiumspiegel sollte innerhalb des Referenzbereichs liegen
 
6.
Ein adäquater Vitamin-D-Spiegel sollte angestrebt werden
 
7.
Die Behandlung sollte personalisiert erfolgen und auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität des Patienten fokussieren
 
8.
Der Patient sollte über die Erkrankung und die Therapie informiert werden und durch entsprechende Schulung mögliche Symptome einer Hypo- oder Hyperkalzämie und/oder Komplikationen der Erkrankung erkennen können
 

Management der uni- und bilateralen Rekurrensparese

Einleitung

Die Rekurrensparesen ist neben dem Hypoparathyreoidismus die klassische Komplikation der Schilddrüsenchirurgie. Bereits Theodor Kocher erkannte die besondere Bedeutung einer subtilen anatomischen Operationstechnik und konstatierte auf dem deutschen Chirurgen Kongress 1883 in Berlin „Auch jede heftige Zerrung an der Drüse muss vermieden werden und bei hastigem operieren, wie es wegen mangelhafter Blutstillung oft vorkommt, ja wie erwähnt sogar zur Methode erhoben worden ist, kann von einer sicheren Schonung des Nerven keine Rede sein.“ (Kocher 1883). Im 20. Jahrhundert wurde zunächst kontrovers diskutiert, ob durch eine konsequente Nervendarstellung die Rekurrenspareserate reduziert werden kann. Es dauerte einige Jahrzehnte bis sich die subtile Präparation mit Sichtschonung des N. laryngeus recurrens durchgesetzt hatte. In den 1990er-Jahren, vor Einführung des intraoperativen Neuromonitoring (IONM), betrug die Rate passagerer Rekurrensparesen mit Darstellung des N. laryngeus recurrens in spezialisierten Zentren 0–3 %, die Rate permanenter Paresen 0–1,2 % (Röher et al. 1999). Eine aktuelle Auswertung multizentrischer Versicherungsdaten gibt eine permanente Pareserate von 1,5 % bezogen auf die Zahl der Patienten an (Maneck et al. 2017). Diese Häufigkeit entspricht den Ergebnissen der multizentrischen PETS-I-Studie (Dralle et al. 2004b). Durch die heute nahezu flächendeckende Anwendung des IONM und den empfohlenen Strategiewechsel, mit Operationsabbruch bei einem Signalverlust auf der ersten Seite, werden bilaterale Rekurrensparesen nur noch selten beobachtet und bewegen sich im Bereich von <0,1 %. Durch Untersuchung zum intraoperativen Neuromonitoring konnten weitere Erkenntnisse über die Art und Lokalisation der Nervenschädigung gewonnen werden. So zeigte sich, dass intraoperative Traktion des N. laryngeus recurrens mit 90 % die häufigste Ursache für einen Signalverlust im Rahmen des IONM und die resultierende Rekurrensparese ist. Deutlich seltener waren es Koagulationsschäden oder direkte mechanische Manipulation in Nervennähe (Schneider et al. 2015). Im Hinblick auf die Kausalität eines postoperativen Stimmbandstillstandes ist zu berücksichtigen, dass dieser auch Folge eines Intubationsschadens sein kann (Dralle et al. 2004a).

Klinische Symptomatik und Diagnose der uni- und bilateralen Rekurrensparese

Die uni- und bilaterale Rekurrensparese sind zwei unterschiedliche Krankheitsbilder, die sich hinsichtlich ihrer Symptomatik, dem Schweregrad der Beeinträchtigung und der Therapie deutlich unterscheiden.
Typisches Symptom der unilateralen Rekurrensparese ist die heisere, verhauchte Stimme. Die unvollständige Stimmbandadduktion führt zu einem Restspalt mit hörbar fehlendem Glottisschluss im Hustenstoss. Atembeschwerden treten in Ruhe nur in geringem Umfang auf, können jedoch unter Belastung zu einer Beeinträchtigung der körperlichen Leitungsfähigkeit führen. Zusätzlich werden Schluckstörungen beobachtet als Ausdruck einer Schädigung der Rami oesophagei des N. laryngeus recurrens.
Die bilaterale Parese zeigt bereits direkt nach der Extubation des Patienten deutliche klinische Zeichen. Im Vordergrund steht ein progredienter Stridor verbunden mit hochgradiger Dyspnoe als Ausdruck der extrathorakalen Stenosierung der Atemwege. Eine häufig beobachtete Erstickungsangst der Patienten führt zu einer frustranen Hyperventilation und erschwert so die Atmung zusätzlich. Begleitende Schluckstörungen bergen die Gefahr einer Aspiration.
Objektivierbar ist eine Beeinträchtigung der Stimmlippenfunktion, die nahezu symptomlos bleiben kann, nur durch eine postoperative Laryngoskopie. Durch diese kann der Grad der Funktionsbeeinträchtigung und im Falle eines Stimmbandstillstandes die Stimmbandstellung beurteilt werden.

Therapie der Rekurrensparese

Therapie der frühpostoperativen uni- und bilateralen Parese

Hinsichtlich der medikamentösen Therapie der frühpostoperativen Rekurrensparese besteht wenig Evidenz. Neben einer antiödematösen Medikation mit Kortisonpräparaten und NSAR werden neurotrope Vitamin-B-Komplex-Präparate zur Nervenregeneration eingesetzt. Studien zur intraoperativen Kortisongabe zeigen keine signifikante Reduktion der Pareserate, weisen jedoch auf eine mögliche Verkürzung der Erholungszeit hin (Schneider et al. 2015; Wang et al. 2006). In der frühpostoperativen, medikamentösen Behandlung der bilateralen Parese sollte bei agitiertem Patienten zusätzlich eine vorsichtige Sedierung mit Benzodiazepinen unter Überwachungsbedingungen erfolgen, um eine angstbedingte, strömungsdynamisch ungünstige Tachypnoe zu beseitigen. Sofern diese Maßnahmen nicht ausreichen und weiterhin eine ausgeprägte respiratorische Insuffizienz besteht, ist eine Reintubation erforderlich mit einem Auslassversuch nach 72 h. Flüchtige Funktionsstörungen der Stimmlippen können sich in dieser Zeit zurückbilden und das postoperative Ödem sollte weitgehend abgeklungen sein. Auch im Falle einer unveränderten bilateralen Parese können die meisten Patienten durch eine Adaptation der Atemmuskulatur in Ruhe ausreichend atmen. Bei fortbestehender respiratorischer Insuffizienz ist die Indikation zur Tracheotomie oder translaryngealen, endoskopisch assistierten Laterofixation eines Stimmbandes gegeben. Einer Stimmbandlaterofixation sollte eine exakte Beurteilung der Stimmbänder vorausgehen, um eine evtl. vorhandene Restbeweglichkeit erkennen zu können. Sofern eine solche für ein Stimmband nachweisbar ist, sollte das kontralaterale Stimmband für die Laterofixation ausgewählt werden, da dieses durch Ulzerationen die Gefahr einer langfristigen Stimmbandschädigung birgt.
Im Anschluss an die Akutphase sollte eine logopädische Therapie eingeleitet werden, die sowohl die Stimmqualität, als auch durch Atemübungen die respiratorische Leistungsfähigkeit verbessert. Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem die logopädische Behandlung eingeleitet werden sollte, existieren keine eindeutigen Empfehlungen. Prinzipiell sollte die Logopädie zur Verbesserung der Stimmqualität jedoch frühzeitig verordnet werden, da die Patienten auch im Hinblick auf ihre psychologische Verfassung von der aktiven Beteiligung und einem eintretenden Behandlungserfolg profitieren. Studien zeigen zudem, dass sich eine frühzeitige Sprachtherapie positiv auf die Stimmqualität und die Erholungsrate der Stimmbandfunktion auswirkt (Mattioli et al. 2015).

Therapie der permanenten unilateraler Parese

Sollte infolge einer unilateralen permanenten Parese auch nach mehrfacher logopädischer Therapie ein signifikanter glottischer Restspalt bestehen und der Patient nicht mit der Stimmleistungsfähigkeit zufrieden sein, besteht die Möglichkeit einer operativen Stimmverbesserung. Hierzu stehen unterschiedliche Verfahren wie die Medialisierungsthyreoplastik und die Stimmbandaugmentation mit unterschiedlichen Substanzen (Silikon, körpereigenes Fett, Hyaluronsäure u. a.) zur Verfügung. Ziel der genannten Verfahren ist, die gelähmte Stimmlippe zu medialisieren und einen kompletten Glottisschluss zu ermöglichen (Tab. 8).
Tab. 8
Therapieoptionen bei uni- und bilateraler Parese
Unilaterale Parese
– Passager
Kortikoide, NSAR, Vitamin-B-Komplex-Präparate, Logopädie
– Permanent
Logopädie, Thyreoplastik, Stimmbandaugmentation
Bilaterale Parese
– Passager
Kortikoide, Sedierung, Reintubation, Laterofixation, Logopädie
– Permanent
Operative Glottiserweiterung (Arytenoidektomie, Laserkordektomie)

Therapie der permanenten bilateraler Parese

Im Gegensatz zur unilateralen Parese steht in der Behandlung der permanenten bilateralen Parese die Beseitigung der Atembehinderung im Vordergrund. Da die glottiserweiternden Operationen irreversibel sind, sollten diese erst durchgeführt werden, wenn keine Hoffnung auf eine Erholung der Stimmbandfunktion mehr besteht und elektrophysiologische Degenerationszeichen nachweisbar sind. Die am weitesten verbreitete Operationsmethode zur Glottiserweiterung ist die endolaryngeale Chordektomie mittels CO2-Laser. Weitere, derzeit noch experimentelle Therapieoptionen sind die operative Reinnervation, das „Laryngeal Pacing“, Botox-Injektionen, Gen- und Stammzelltherapie (Yike et al. 2017) (Tab. 8).

Postoperative Lymphfistel

Einleitung

Die postoperative Lymphfistel ist eine seltene, jedoch potenziell lebensbedrohliche Komplikation nach Schilddrüsenoperationen. Bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung einer Lymphfistel sind die zervikale Lymphknotendissektion, insbesondere des lateralen Kompartimentes, und die Operation retrosternaler und intrathorakaler Strumen. Die Inzidenz von Lymphfisteln nach radikaler und funktioneller Neck Dissection wird in der Literatur mit 1–8,3 % angegeben (De Gier et al. 1996; Ferlito et al. 2007; Roh et al. 2008). Häufigste Ursache der Lymphfistel ist eine Verletzung des Ductus thoracicus nahe seiner Mündungsstelle im Bereich des Venenwinkels. Der Verlauf des Ductus thoracicus zeigt hierbei zahlreiche Varianten und kann sich vor der Einmündung in mehrere Äste aufteilen. Auch wenn Lymphfisteln häufiger linksseitig beobachtet werden, können sie auch rechtsseitig nach einer Verletzung des Ductus thoracicus dexter auftreten. Neben Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen kann es durch protrahierten Lymphverlust zu schweren nutritiven und metabolischen Störungen kommen. Eine Immunsuppression infolge des Verlustes von Proteinen und Immunglobulinen führt zudem zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Die Behandlung der Lymphfistel ist meist langwierig und erfordert eine regelmäßige Reevaluation der Befunde, die dann das weitere konservative oder operative Vorgehen bestimmen. Die Behandlung der postoperativen Lymphfistel führt neben einem signifikant verlängerten stationären Aufenthalt zu einer nicht unerheblichen physischen und psychischen Belastung der Patienten.

Klinische Symptomatik und Diagnostik der Lymphfistel

Eine Lymphfistel zeigt sich in der Mehrzahl der Fälle nicht direkt postoperativ, sondern meist am 2. postoperativen Tag durch eine vermehrte trübe bis milchige Drainageflüssigkeit (Lorenz et al. 2010; Polistena et al. 2016). Bei insuffizienter oder fehlender Drainage imponiert die Lymphfistel als prallelastische Schwellung, die gelegentlich auch entzündlich verändert erscheinen kann und so die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu einem Wundinfekt erschwert. Das milchige Aussehen der Lymphflüssigkeit korreliert mit der Ernährung und wird typischerweise durch fetthaltige Lebensmittel verstärkt. Zur Differenzierung eines einfachen Wundseroms von einer Lymphfistel kann die Bestimmung der Triglyzeride und Chylomikronen hilfreich sein, die in der Lymphflüssigkeit gegenüber dem Plasma deutlich erhöht sind. Ein Triglyzeridspiegel >110 mg/dl ist hierbei nahezu beweisend für eine Lymphfistel (Polistena et al. 2016). Besondere Beachtung sollte der möglichen Entwicklung eines Chylothorax zukommen. So können Husten, Dyspnoe oder eine Tachykardie auf diese bedrohliche Komplikation hinweisen und Anlass zur weiteren bildgebenden Diagnostik geben.

Therapie der Lymphfistel

Konservative Therapie

Zahlreiche konservative, operative und interventionelle Therapieoption stehen zur Behandlung der postoperativen Lymphfistel zu Verfügung. Auch wenn sich in der Literatur unterschiedliche Behandlungskonzepte und Entscheidungskriterien zur Wahl des Therapieverfahrens finden wird primär ein konservativer Therapieversuch empfohlen. Basistherapie ist neben der lokalen Drainage eine Diät mit mittelkettigen Trigyzeriden (MCT-Diät), die direkt über die V. portae in den Kreislauf gelangen und so zu einer deutlichen Reduktion der Chylusproduktion führen. Neben der MCT-Diät ist auf einen parenteralen Ausgleich der Lipid-, Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste zu achten. Alternativ, oder bei unzureichender Effektivität der MCT-Diät, kann eine vollständige parenterale Ernährung eingeleitet werden, die meist zu einer raschen Abnahme des Fistelvolumens führt. Ein Sistieren der Fistel wird unter konservativer Therapie meist nach einigen Tagen erreicht. Allerdings ist nach Wiederaufnahme der enteralen Ernährung bei einem Viertel der Patienten mit einer erneuten Lymphfistel zu rechnen (Lorenz et al. 2010). Neben der Ernährungstherapie werden lokale Kompressionsverbände und Vakuumverbände im Rahmen der konservativen Behandlung eingesetzt, um eine Reduktion des Fistelvolumens zu erreichen. Weitere konservative Therapieoptionen, wie die lokale Applikation von Doxycyclin oder Tetracyclin im Sinne einer Sklerosierungsbehandlung und die Behandlung mit Somatostatinanaloga, werden in der Literatur beschrieben. Eine abschließende Bewertung dieser nur in kleinen Fallserien oder Kasuistiken beschriebenen Verfahren ist jedoch nicht möglich.

Operative Therapie

Sowohl bezüglich der Wahl des operativen Verfahrens, als auch hinsichtlich des Zeitpunktes gibt es in der Literatur keine einheitliche Auffassung. Neben dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten und seiner Compliance ist die tägliche Drainagemenge ein wichtiges Entscheidungskriterium. So wird zwischen Low- und High-Output-Fisteln unterschieden, wobei die jeweilige Definition der verschiedenen Autoren variiert. Bei einem täglichen Drainagevolumen >300–500 ml trotz diätetischer Maßnahmen sollte eine operative Revision in Betracht gezogen werden (Lorenz et al. 2010; Polistena et al. 2016).
Lokale zervikale Operationsverfahren dienen dem Verschluss der Chylusfistel selbst. Neben der Ligatur oder Umstechung einer identifizierten Fistel werden Hämostyptika-Vlies (Lorenz et al. 2010), Fibrinkleber (Mustonen et al. 2004) und Muskellappenplastiken bei diffuser Lymphsekretion zum Fistelverschluss eingesetzt. Zur Lokalisierung einer intraoperativ nicht erkennbaren Fistel kann es hilfreich sein, über eine Magensonde fettreiche Flüssigkeit zu verabreichen, die dann eine Fistellokalisation durch die gesteigerte und milchige Sekretion ermöglicht. Im Falle einer relevanten Rezidivfistel nach operativer zervikaler Fistelversorgung sollte ein thorakoskopischer Verschluss des Ductus thoracicus in Betracht gezogen werden (Tab. 9).
Tab. 9
Therapie der postoperativen Lymphfistel
Verfahren
Maßnahmen
Konservative Verfahren
MCT-Diät, vollständig parenterale Ernährung
Drainage, Punktion, Vakuumtherapie, Druckverbände
Zervikale OP-Verfahren
Ligatur/Umstechung der Leckage, Fibrinkleber/Vlies, Muskellappenplastik
Extrazervikale OP-Verfahren
Thorakoskopischer Verschluss des D. thoracicus

Wundinfektionen

Einleitung

Die Wundinfektionsrate nach Schilddrüsenoperationen wird in der Literatur mit 0,3–2,9 % angegeben (Bures et al. 2014; Maneck et al. 2017). Obwohl die Infekte meist subkutan lokalisiert und gut behandelbar sind, kann in seltenen Fällen eine foudroyant verlaufende, lebensbedrohliche Sepsis durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A beobachtet werden (Bures et al. 2015). Wundinfektionen werden in den meisten Fällen erst poststationär klinisch apparent und häufig durch die nachbehandelnden Ärzte festgestellt und initial behandelt. Erste klinische Zeichen sind eine lokale, meist ödematöse Hautrötung, zunehmende Schmerzen und Fieber. Laborchemisch findet sich eine typische Erhöhung der Entzündungsparameter. Zahlreiche Risikofaktoren für eine postoperative Wundinfektion wurden identifiziert (Salem et al. 2018; Elfenbein et al. 2014) (Tab. 10). Trotz aller identifizierten, potenziellen Risikofaktoren ist die individuelle Vorhersage einer postoperativen Wundinfektion nicht hinreichend möglich. Eine eindeutige Empfehlung zur Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe wird von den verschiedenen Autoren aus den identifizierten Risikofaktoren nicht abgeleitet.
Tab. 10
Risikofaktoren für eine postoperative Wundinfektion. (Salem et al. 2018; Elfenbein et al. 2014)
 
Risikofaktoren
Präoperativ
Über- und Untergewicht, höheres Alter, Diabetes mellitus, höherer ASA-Score, Nikotin- und Alkoholabusus, Kortisontherapie, COPD, Niereninsuffizienz, Schilddrüsenmalignom, immunsuppressive Therapie
Intraoperativ
Operationsdauer, Reexploration bei Nachblutung, transfusionspflichtige Blutung, Lymphknotendissektion, Einlage einer Drainage

Diagnostik

Im Vordergrund der Diagnostik steht der lokale klinische Befund in Verbindung mit der Körpertemperatur und den laborchemischen Entzündungsparametern. Eine Ultraschalluntersuchung gibt Auskunft über die Lokalisation des meist vorhandenen, infizierten Serohämatoms und ist hilfreich bei der Differenzierung zwischen einem oberflächlichen kutanen Infekt und einer tiefen Weichteilinfektion. Weitere Schnittbildverfahren (CT/MRT) sind im Falle einer Sepsis oder Mediastinitis indiziert. Ein frühzeitiger Erregernachweis ist auch im Falle eines geplanten konservativen Vorgehens anzustreben, um eine gezielte Antibiotikatherapie zu ermöglichen. Sofern der Verdacht auf eine Sepsis durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A besteht, ist eine Gram-Schnellfärbung anzustreben. Diese kann zeitnah grampositive von gramnegativen Erregern und Staphylokokken von Streptokokken unterscheiden. Weiterhin wird ein Rachen-Nasen-Abstrich des Patienten empfohlen, durch den ggf. der Patient selbst als Keimträger identifiziert werden kann. Sofern hierbei kein Erregernachweis gelingt, wäre, auch aus forensischen Gründen, ein Screening der beteiligten Mitarbeiter zu empfehlen (Musholt et al. 2018).

Therapie

Wundinfektionen werden, auch bedingt durch eine immer kürzere Verweildauer, in den meisten Fällen erst poststationär durch die nachbehandelnden Ärzte festgestellt. Häufig wurde bereits ein konservativer Therapieversuch mit Antibiotika unternommen, sodass nach stationärer Wiederaufnahme der Patienten in der Regel eine operative Wundrevison anzustreben ist. Da die Dynamik der Infektion nicht vorhersehbar ist, sollte die Operation zeitnah erfolgen. Nach Eröffnung der Wunde wird ein Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung entnommen und vorhandenes putrides Sekret oder infiziertes Hämatom sorgfältig ausgespült. Sofern die Infektion nur das oberflächliche subkutane Niveau betrifft, kann auf eine Eröffnung der tiefen Schilddrüsenloge, die durch die Naht der geraden Halsmuskulatur separiert ist, im Einzelfall verzichtet werden. Ist eine tiefere Infektion nicht auszuschließen, muss auch die Schilddrüsenloge inspiziert und gespült werden. In Abhängigkeit vom zeitlichen Ablauf können bereits ausgedehnte Fibrinbeläge vorliegen, deren Entfernung unterbleiben sollte, um sekundäre Schädigungen der vulnerablen Strukturen zu vermeiden. Bezüglich der Wirksamkeit einer zusätzlichen Wundspülung mit Wundantiseptika ist die Datenlage für eine generelle Empfehlung unzureichend. Aufgrund der teils zytotoxischen Wirkung sowie einer möglichen Resistenzentwicklung durch mikrobiostatisch wirkende Antiseptika ist deren Einsatz eher kritisch zu sehen. Vor dem Wundverschluss, der im Rahmen einer Erstrevison in der Regel möglich ist, sollten Redondrainagen in die verschiedenen Wundlogen eingelegt werden. Eine zunächst kalkulierte intravenöse Antibiotikatherapie, die Staphylokokken als häufige Erreger abdecken sollte, wird nach Vorliegen des Antibiogrammes angepasst.
Einen Sonderfall der Wundinfektion nach Schilddrüsenoperationen stellt die Streptokokken-Mediastinitis dar, die in Verbindung mit einem septischen Schock eine Letalität von 50 % aufweist. Klinisch zeigt sich meist schon am 1. bis 2. postoperativen Tag ein foudroyanter Verlauf mit klinischen Sepsiszeichen und massiv erhöhten Entzündungsparametern (Bures et al. 2015). Eine umgehende CT-Untersuchung erlaubt die Beurteilung der Infektausdehnung. Im Rahmen der zeitnahen Wundrevision ist neben einer sorgfältigen Exploration und Lavage der befallenen Kompartimente, eine suffiziente Drainage, insbesondere der retrosternalen Wundhöhle, zu gewährleisten. Bei fortbestehender Sepsis trotz gezielter Antibiotikatherapie kann eine Etappenlavage zur Infektsanierung erforderlich sein. Bei Persistenz des Infektes und unzureichender Drainage sollte eine Vakuumtherapie erwogen werden.
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