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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 09.10.2021

Thyreoiditis

Verfasst von: Nada Rayes
Der Begriff Thyreoiditis umfasst eine Vielzahl von meist seltenen Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie, nur die Autoimmunthyreoiditis Typ Hashimoto wird häufiger beobachtet (bis 1,5 Fälle/1000 Einwohner). Entsprechend sind klinische Symptome und Therapieverfahren sehr verschieden. Operationsindikationen sind der Malignitätsverdacht oder das nachgewiesene Karzinom (meist papillär) bei der Hashimoto-Thyreoiditis sowie die therapierefraktäre Hyperthyreose bei der amiodaroninduzierten Thyreoiditis. Sehr selten wird eine operative Therapie der akuten, subakuten oder fibrosierenden Thyreoiditis notwendig.

Klassifikation

Die Thyreoiditiden können nach verschiedenen Merkmalen eingeteilt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (z. B. www.endokrinologie.net) sieht folgende Klassifikation vor:
1.
Akute (eitrige)Thyreoiditis
 
2.
Akute oder subakute (postinfektiöse) Thyreoiditis de Quervain
 
3.
Autoimmunthyreoiditis (chronisch lymphozytär)
Hypertroph (Hashimoto)
Atroph (primäres Myxödem)
Post partum
Silent
Fibrosierend (Riedel)
 
4.
Sonderformen
Traumatisch
Strahlen
Granulomatös (Sarkoidose)
Medikamentös induziert (z. B. Amiodaron)
 
Da die meisten Formen der Thyreoiditiden sehr selten vorkommen und fast nie operativ behandelt werden müssen, wird hier nur kurz auf einige Formen eingegangen. Die Autoimmunhyperthyreose vom Typ Basedow gehört auch zu den Thyreoiditiden, wird aber in einem eigenen Kapitel behandelt.

Klinische Symptomatologie

Die äußerst seltene akute eitrige Thyreoiditis wird durch Bakterien (meist Streptokokken und Staphylokokken), gelegentlich auch Pilze, verursacht und äußert sich in einer schmerzhaften Schwellung des Organs mit Rötung und Überwärmung, gelegentlich auch Fieber.
Eine Thyreoiditis de Quervain tritt gehäuft nach Atemwegsinfektionen auf. Die Mehrzahl der Betroffenen sind Frauen, der Altersgipfel liegt in der 3.–5. Lebensdekade. Es besteht eine Assoziation mit HLA-Antigenen (v. a. HLA Bw35). Die typische Klinik umfasst Schmerzen im Bereich der Schilddrüse, die in die Ohren und den Kiefer ausstrahlen können, subfebrile Temperaturen oder Fieber und allgemeine Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen. Anfangs wird eine Hyperthyreose bei 40–50 % der Patienten beobachtet, später eine Eu- oder sogar Hypothyreose.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse mit 0,3–1,5 Erkrankungen pro 1000 Einwohner. Frauen sind 7- bis 10-mal häufiger betroffen, auch hier werden vermehrt bestimmte HLA-Antigene (DR3–5) nachgewiesen. Die Hashimoto-Thyreoiditis verursacht keine typischen Symptome. Die Schilddrüse kann vergrößert sein. Im Anfangsstadium liegt oft eine Hyperthyreose vor, im Verlauf kommt es aber meist zu einer Hypothyreose. Die Erkrankung kann unabhängig von der Hypothyreose zu Einschränkungen der Lebensqualität durch vor allem chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Mundtrockenheit und Nervosität führen (Ott und Promberger 2011). Rezente Studien zeigen, dass bei Patienten mit dieser Erkrankung gehäuft papilläre Schilddrüsenkarzinome (PTC) auftreten.
Die fibrosierende Thyreoiditis ist IgG4-assoziiert und ebenfalls sehr selten. Autoimmunologische Prozesse führen zu einer chronisch-fibrösen Destruktion des Organs mit konsekutiver Hypothyreose, manchmal auch mit Invasion des umgebenden Gewebes. In diesen Fällen können lokale Symptome wie Luftnot oder Heiserkeit auftreten (Lorenz et al. 2007). In einer Metaanalyse von 212 Fällen (Zala et al. 2020) lag das mittlere Erkrankungsalter bei 47 Jahren, 80 % der Betroffenen waren Frauen, und die häufigsten Symptome lauteten Schwellung (90 %), Dyspnoe und Schmerzen (40–50 %).
Bei den Medikamenten, die eine Thyreoiditis induzieren können, steht Amiodaron an erster Stelle. Die hohe Jodkonzentration des Antiarrhythmikums führt bei etwa 40 % der behandelten Patienten zu schwer behandelbaren Funktionsstörungen, meist zu einer Hyperthyreose. Man unterscheidet einen Typ I mit gesteigerter Bildung von Schilddrüsenhormon bei vorbestehender Schilddrüsenerkrankung und den häufigeren Typ II ohne Vorerkrankung mit einer inflammatorisch-destruierenden Einwirkung auf das Organ mit gesteigerter Hormonfreisetzung (Kahaly et al. 2007). In den europäischen Leitlinien ist auch ein Mischtyp mit überlappenden Befunden definiert (Bartalena et al. 2018).

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Die Diagnose der eitrigen Thyreoiditis ergibt sich aus der typischen Klinik und der Rötung und schmerzhaften Schwellung. Leukozyten und CRP sind deutlich erhöht, histologisch lassen sich inflammatorische Zellen nachweisen.
Bei der subakuten Thyreoiditis sind die Leukozyten meist normal, das CRP aber erhöht. Die Zytologie bzw. Histologie zeigt mehrkernige Riesenzellen und granulomatöse Veränderungen. Auch der sonografische Befund mit echoarmen, landkartenartigen Bezirken neben normalem Schilddrüsengewebe ist typisch.
Die Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis wird anhand von Antikörpern gegen thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO) gestellt. In der Sonografie zeigt sich das Schilddrüsengewebe diffus echoarm.
Eine fibrosierende Thyreoiditis kann bioptisch (Sklerose) gesichert werden. Bei 70–90 % sind die Entzündungswerte erhöht.
Die verschiedenen Typen der amiodaroninduzierten Thyreoiditis werden mittels Anamnese und Dopplersonografie unterschieden.

Therapieziele

Prinzipielles Therapieziel aller Formen ist Beschwerdefreiheit und Behandlung der Hyper- und Hypothyreose.

Indikationsstellung und Therapiealternativen

Eine akute Thyreoiditis kann fast immer durch Antibiotika ausreichend behandelt werden, selten wird eine Inzision und Abszessausräumung notwendig. Die subakute Thyreoiditis de Quervain heilt meist spontan aus und muss nur bei Malignitätshinweisen oder ggf. bei rezidivierenden Schmerzen mit der Notwendigkeit der wiederholten Therapie mit Glukokortikoiden operiert werden.
Die Immunthyreoiditis Hashimoto stellt für sich genommen keine Operationsindikation dar. In den letzten Jahren wird ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Auftreten von papillären Schilddrüsenkarzinomen beobachtet. So liegt die Inzidenz des PTC bei operierten Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis in zwei rezenten Analyse bei 23 bzw. 28 % (Noureldine und Trufano 2015; Paparodis et al. 2020) und signifikant höher als bei Patienten mit Knotenstruma. Eine prospektive Studie konnte zeigen, dass eine Thyreoidektomie die Lebensqualität bei Patienten, die trotz Euthyreose noch an Fatigue litten, im Vergleich zur konservativen Therapie verbessern konnte (Guldvog et al. 2019). Die Operationsindikation sollte jedoch sehr sorgfältig geprüft werden.
Bei der seltenen chronisch-fibrosierenden Thyreoiditis (Riedel) können Malignitätshinweise oder mechanische Symptome (Tracheaobstruktion) eine Operation erforderlich machen. Alternativ werden Glukokortikoide eingesetzt. Ein Sistieren oder eine Verbesserung der Symptome wird bei etwa 90 % der Patienten erreicht. Der Typ I der amiodaron-induzierten Thyreoiditis macht meist ein Absetzen des Präparates notwendig. Die konservative Therapie besteht beim Typ I aus Thionamiden, Perchloraten und Lithium, beim Typ II aus Glukokortikoiden. Die Thyreoidektomie ist die Therapieoption für schwere Formen des Typ I und des Mischtyps. Sie ist laut einer aktuellen Studie vor allem für Patienten mit eingeschränkter systolischer Funktion der medikamentösen Therapie überlegen (Cappellani et al. 2020). Bei der amiodaroninduzierten Hypothyreose muss das Präparat nicht abgesetzt werden.

Verfahrenswahl und präoperative Planung

Meist ist eine Thyreoidektomie notwendig, da das gesamte Organ befallen ist.

Intra- und postoperative Komplikationen

Entsprechend der vorherigen Kapitel. Die Schilddrüse ist bei der amiodaroninduzierten Thyreoiditis oft verhärtet.

Postoperatives Management

Entsprechend der vorherigen Kapitel.

Ergebnisse und Lebensqualität

Nach erfolgreicher Thyreoidektomie kommt es meist zu einer kompletten Ausheilung. Ob die Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis langfristig nachzuweisen ist, muss in weiteren Studien überprüft werden.
Literatur
Bartalena L et al (2018) ETA guidelines for the management of amiodarone associated thyroid dysfunction. Eur J Thyroid 7:55CrossRef
Cappellani D, Papini P, Di Certo AM et al (2020) Duration of Exposure to Thyrotoxicosis Increases Mortality of Compromised AIT Patients: the Role of Early Thyroidectomy. J Clin Endocrinol Metab 105(9):dgaa464CrossRef
Guldvog I, Reitsma LC, Johnsen L et al (2019) Thyroidectomy versus medical management for euthyroid patients with Hashimoto disease and persisting symptoms a randomized trial. Ann Intern Med 170:453–464CrossRef
Kahaly GJ, Dietlein M, Gärtner R, Mann K, Dralle H (2007) Amiodaron und Schilddrüsendysfunktion. Dtsch Arztebl 104(51–52):A3550–A3555
Lorenz K, Gimm O, Holzhausen HJ et al (2007) Riedel’s thyroiditis: impact and strategy of a challenging surgery. Langenbecks Arch Surg 392:405–412. 29
Noureldine SI, Trufano RP (2015) Association of Hashimoto’s thyroiditis and thyroid Cancer. Curr Opin Oncol 27:21–25CrossRef
Ott J, Promberger R (2011) Hashimoto’s thyroiditis affects symptom load and quality of life unrelated to hypothyroidism: a prospective case-control study in women undergoing thyroidectomy for benign goiter. Thyroid 21(2):161–167
Paparodis RD, Karvounis E, Bantouna D et al (2020) Incidentally discovered papillary thyroid microcarcinomas are more frequently found in patients with chronic lymphocytic thyroiditis than with multinodular goiter or Graves’ disease. Thyroid 30(4):531–535CrossRef
Zala A, Berhane T, Juhlin C et al (2020) Riedel thyroiditis. J Clin Endocrinol Metab 105(9):3469–3481