Klassifikation
Die Thyreoiditiden können nach verschiedenen Merkmalen eingeteilt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (z. B.
www.endokrinologie.net) sieht folgende Klassifikation vor:
1.
Akute (eitrige)Thyreoiditis
2.
Akute oder subakute (postinfektiöse) Thyreoiditis de Quervain
3.
Hypertroph (Hashimoto)
Atroph (primäres Myxödem)
Post partum
Silent
Fibrosierend (Riedel)
4.
Sonderformen
Traumatisch
Strahlen
Da die meisten Formen der Thyreoiditiden sehr selten vorkommen und fast nie operativ behandelt werden müssen, wird hier nur kurz auf einige Formen eingegangen. Die Autoimmunhyperthyreose vom Typ Basedow gehört auch zu den Thyreoiditiden, wird aber in einem eigenen Kapitel behandelt.
Klinische Symptomatologie
Die äußerst seltene akute eitrige Thyreoiditis wird durch
Bakterien (meist
Streptokokken und
Staphylokokken), gelegentlich auch Pilze, verursacht und äußert sich in einer schmerzhaften Schwellung des Organs mit Rötung und Überwärmung, gelegentlich auch
Fieber.
Eine Thyreoiditis de Quervain tritt gehäuft nach Atemwegsinfektionen auf. Die Mehrzahl der Betroffenen sind Frauen, der Altersgipfel liegt in der 3.–5. Lebensdekade. Es besteht eine Assoziation mit HLA-Antigenen (v. a. HLA Bw35). Die typische Klinik umfasst
Schmerzen im Bereich der Schilddrüse, die in die Ohren und den Kiefer ausstrahlen können, subfebrile Temperaturen oder
Fieber und allgemeine Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und
Muskelschmerzen. Anfangs wird eine
Hyperthyreose bei 40–50 % der Patienten beobachtet, später eine Eu- oder sogar
Hypothyreose.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse mit 0,3–1,5 Erkrankungen pro 1000 Einwohner. Frauen sind 7- bis 10-mal häufiger betroffen, auch hier werden vermehrt bestimmte HLA-Antigene (DR3–5) nachgewiesen. Die Hashimoto-Thyreoiditis verursacht keine typischen Symptome. Die Schilddrüse kann vergrößert sein. Im Anfangsstadium liegt oft eine
Hyperthyreose vor, im Verlauf kommt es aber meist zu einer
Hypothyreose. Die Erkrankung kann unabhängig von der Hypothyreose zu Einschränkungen der
Lebensqualität durch vor allem chronische Müdigkeit,
Schlafstörungen, Muskel- und
Gelenkschmerzen sowie Mundtrockenheit und Nervosität führen (Ott und Promberger
2011). Rezente Studien zeigen, dass bei Patienten mit dieser Erkrankung gehäuft papilläre
Schilddrüsenkarzinome (PTC) auftreten.
Die fibrosierende Thyreoiditis ist IgG4-assoziiert und ebenfalls sehr selten. Autoimmunologische Prozesse führen zu einer chronisch-fibrösen Destruktion des Organs mit konsekutiver
Hypothyreose, manchmal auch mit Invasion des umgebenden Gewebes. In diesen Fällen können lokale Symptome wie Luftnot oder Heiserkeit auftreten (Lorenz et al.
2007). In einer
Metaanalyse von 212 Fällen (Zala et al.
2020) lag das mittlere Erkrankungsalter bei 47 Jahren, 80 % der Betroffenen waren Frauen, und die häufigsten Symptome lauteten Schwellung (90 %), Dyspnoe und
Schmerzen (40–50 %).
Bei den Medikamenten, die eine Thyreoiditis induzieren können, steht
Amiodaron an erster Stelle. Die hohe Jodkonzentration des Antiarrhythmikums führt bei etwa 40 % der behandelten Patienten zu schwer behandelbaren Funktionsstörungen, meist zu einer
Hyperthyreose. Man unterscheidet einen Typ I mit gesteigerter Bildung von Schilddrüsenhormon bei vorbestehender Schilddrüsenerkrankung und den häufigeren Typ II ohne Vorerkrankung mit einer inflammatorisch-destruierenden Einwirkung auf das Organ mit gesteigerter Hormonfreisetzung (Kahaly et al.
2007). In den europäischen Leitlinien ist auch ein Mischtyp mit überlappenden Befunden definiert (Bartalena et al.
2018).
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Die Diagnose der eitrigen Thyreoiditis ergibt sich aus der typischen Klinik und der Rötung und schmerzhaften Schwellung.
Leukozyten und CRP sind deutlich erhöht, histologisch lassen sich inflammatorische Zellen nachweisen.
Bei der subakuten Thyreoiditis sind die
Leukozyten meist normal, das CRP aber erhöht. Die
Zytologie bzw. Histologie zeigt mehrkernige Riesenzellen und granulomatöse Veränderungen. Auch der sonografische Befund mit echoarmen, landkartenartigen Bezirken neben normalem Schilddrüsengewebe ist typisch.
Die Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis wird anhand von
Antikörpern gegen thyreoidale Peroxidase (Anti-TPO) gestellt. In der Sonografie zeigt sich das Schilddrüsengewebe diffus echoarm.
Eine fibrosierende Thyreoiditis kann bioptisch (Sklerose) gesichert werden. Bei 70–90 % sind die Entzündungswerte erhöht.
Die verschiedenen Typen der amiodaroninduzierten Thyreoiditis werden mittels Anamnese und Dopplersonografie unterschieden.
Indikationsstellung und Therapiealternativen
Eine akute Thyreoiditis kann fast immer durch
Antibiotika ausreichend behandelt werden, selten wird eine Inzision und Abszessausräumung notwendig. Die subakute Thyreoiditis de Quervain heilt meist spontan aus und muss nur bei Malignitätshinweisen oder ggf. bei rezidivierenden
Schmerzen mit der Notwendigkeit der wiederholten Therapie mit
Glukokortikoiden operiert werden.
Die Immunthyreoiditis Hashimoto stellt für sich genommen keine Operationsindikation dar. In den letzten Jahren wird ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Auftreten von papillären
Schilddrüsenkarzinomen beobachtet. So liegt die Inzidenz des PTC bei operierten Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis in zwei rezenten Analyse bei 23 bzw. 28 % (Noureldine und Trufano
2015; Paparodis et al.
2020) und signifikant höher als bei Patienten mit Knotenstruma. Eine prospektive Studie konnte zeigen, dass eine Thyreoidektomie die
Lebensqualität bei Patienten, die trotz Euthyreose noch an Fatigue litten, im Vergleich zur konservativen Therapie verbessern konnte (Guldvog et al.
2019). Die Operationsindikation sollte jedoch sehr sorgfältig geprüft werden.
Bei der seltenen chronisch-fibrosierenden Thyreoiditis (Riedel) können Malignitätshinweise oder mechanische Symptome (Tracheaobstruktion) eine Operation erforderlich machen. Alternativ werden
Glukokortikoide eingesetzt. Ein Sistieren oder eine Verbesserung der Symptome wird bei etwa 90 % der Patienten erreicht. Der Typ I der amiodaron-induzierten Thyreoiditis macht meist ein Absetzen des Präparates notwendig. Die konservative Therapie besteht beim Typ I aus Thionamiden, Perchloraten und
Lithium, beim Typ II aus Glukokortikoiden. Die Thyreoidektomie ist die Therapieoption für schwere Formen des Typ I und des Mischtyps. Sie ist laut einer aktuellen Studie vor allem für Patienten mit eingeschränkter systolischer Funktion der medikamentösen Therapie überlegen (Cappellani et al.
2020). Bei der amiodaroninduzierten
Hypothyreose muss das Präparat nicht abgesetzt werden.