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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 3/2018

15.06.2018 | Borderline Typus | Übersicht

Empathie und Persönlichkeitsstörungen aus neurobiologischer Sicht

verfasst von: Prof. Sabine C. Herpertz

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 3/2018

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Zusammenfassung

Anders als die unscharfe Verwendung des Begriffs Empathie im allgemeinen Sprachgebrauch differenziert die neurobiologische Literatur in kognitive Empathie einerseits und emotionale Empathie andererseits. Erstere umfasst das kognitive Erkennen der seelischen Verfassung des Anderen anhand reflektierter Perspektivenübernahme und „Theory-of-mind“-Funktionen, Letztere das reflexiv-intuitive Mitfühlen und Teilen von Emotionen des Anderen. Beiden, voneinander unabhängigen und interindividuell unterschiedlich ausgeprägten Facetten lassen sich unterschiedliche Hirnnetzwerke zuordnen, die diese Vorgänge prozessieren. Evolutionär früh liegende Prozesse der emotionalen Empathie entwickeln sich bereits beim Säugling auf dem Weg der spiegelbildlichen Nachahmung von Mimik und Gestik primärer Beziehungspersonen und beziehen u. a. prämotorische Regionen, Areale des sensomotorischen Kortex, des inferioren parietalen Lobulus und die vordere Inselregion ein. Phylogenetisch jüngere Prozesse der kognitiven Empathie sind v. a. in Mittellinienstrukturen wie medialem präfrontalem Kortex, superiorem temporalem Sulcus, posteriorem Cingulum bzw. Praecuneus sowie im temporoparietalen Übergang repräsentiert und finden in geteilten Aufmerksamkeitsprozessen in frühen dyadischen Beziehungen ihren Anfang. Beide empathischen Facetten sind an moralischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Dabei zeigen neurobiologische Studien, dass „psychopaths“ über ungestörte kognitiv-empathische Fähigkeiten verfügen und grundsätzlich in der Lage sind, moralische Werte zu erkennen und anzuwenden, aber diesen wenig attentionale Bedeutung verleihen, wenn sie mit eigenen Zielen konkurrieren. Individuen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im Unterschied zu „psychopaths“ zeigen Beeinträchtigungen in kognitiver Empathie: Die Defizite betreffen Mentalisierungsfunktionen, die das Verstehen mentaler Zustände anderer und eigener betreffen sowie Ausgangspunkt von vielen Missverständnissen im interpersonellen Kontext sind. Zudem neigen Individuen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung dazu, Emotionen mit anderen Menschen zu teilen. Damit gelingen ihnen Mitgefühl und Mitleid, allerdings verbunden mit der Gefahr der Diffusion von Selbst‑/Fremdgrenzen.
Literatur
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Metadaten
Titel
Empathie und Persönlichkeitsstörungen aus neurobiologischer Sicht
verfasst von
Prof. Sabine C. Herpertz
Publikationsdatum
15.06.2018
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Schlagwort
Borderline Typus
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 3/2018
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-018-0480-5

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