Hintergrund
Genetik und Klinik des Lynch-Syndroms
Empfohlene klinische Vorsorgeprogramme bei Lynch-Syndrom-PatientInnen
Mismatch-Reparatur-Defizienz
Empfehlungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Pathologie-Humangenetik
Begründung
Alle Kriterien müssen zutreffen: |
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1. Mindestens drei Familienangehörige mit histologisch gesichertem kolorektalem Karzinom oder einem Karzinom des Endometriums, Dünndarms, Ureters oder Nierenbeckens, davon einer mit den beiden anderen erstgradig verwandt; FAPb muss ausgeschlossen sein |
2. Wenigstens zwei aufeinander folgende Generationen betroffen |
3. Bei mindestens einem Patienten Diagnosestellung vor dem Alter von 50 Jahren |
Tumoren von Patienten sollten auf das Vorliegen einer Mikrosatelliteninstabilität in folgenden Fällen untersucht werden: |
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1. Patienten mit kolorektalem Karzinom vor dem 50. Lebensjahr |
2. Patienten mit synchronen oder metachronen kolorektalen Karzinomen oder anderen HNPCC-assoziierten Tumorenb, unabhängig vom Alter |
3. Patienten mit kolorektalem Karzinom mit MSI-H-Histologiec vor dem 60. Lebensjahr |
4. Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter), der einen Verwandten 1. Grades mit einem kolorektalen Karzinom oder einem HNPCC-assoziierten Tumor vor dem 50. Lebensjahr hat |
5. Patient mit kolorektalem Karzinom (unabhängig vom Alter), der mindestens zwei Verwandte 1. oder 2. Grades hat, bei denen ein kolorektales Karzinom oder ein HNPCC-assoziierter Tumor (unabhängig vom Alter) diagnostiziert wurde |
Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Tumorreflextestung zur Erfassung des Lynch-Syndroms
Pathologisches Abklärungsschema hinsichtlich MMR-Defizienz
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Immunhistochemische Untersuchung (IHC) mit Antikörpern gegen alle vier MMR-Proteine als primäre Methode zur Erfassung von MMR-Defizienz, die in allen Kolorektal- und Endometriumkarzinomen durchgeführt werden sollte. Die Mikrosatelliteninstabilitäts(MSI)-Testung ist optional und kann an Stelle der IHC durchgeführt werden. Findet sich eine MSI, ist die Feststellung des spezifischen Expressionsverlusts (MMR-Defizienz) mittels IHC anzustreben. Ein weiterer Einsatzbereich der MSI-Testung ist die Analyse von Tumoren, bei denen die IHC kein eindeutiges Ergebnis in Bezug auf eine MMR-Defizienz liefert.
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Die MLH1-Promotor-Methylierungs-Analyse sollte in allen Tumoren, die einen MLH1-Expressions-Verlust aufweisen, mittels Bisulfitpyrosequenzierung, MLPA oder Ähnlichem durchgeführt werden. Für das Kolorektalkarzinom ist als erster Schritt auch die Analyse der BRAF-Mutation p.V600E möglich, da sie ein gut etablierter Surrogatmarker mit hoher Spezifität, aber eingeschränkter Sensitivität für die Promotormethylierung ist.
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Der standardisierte Befund sollte folgende Komponenten enthalten:
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Angabe zu den verwendeten Methoden
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Präzise Darstellung der Ergebnisse (Beispiele siehe „Supplements“)
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Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse in Bezug auf MMR-Defizienz und Verdacht auf Lynch-Syndrom
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Bei Verdacht auf Lynch-Syndrom: Empfehlung zur weiterführenden humangenetischen Abklärung und nach Möglichkeit auch Benennung von Zentren, an denen eine humangenetische Aufklärung der Patienten erfolgen und gegebenenfalls eine Keimbahnmutationsanalyse durchgeführt werden kann.
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Bei PatientInnen mit klinischen Merkmalen, die den Verdacht auf eine hereditäre Tumorprädisposition nahelegen (z. B. ein Polyposissyndrom), oder aufgrund von Eigen- und/oder Familienanamnese (Erkrankungsalter <40 Jahren, weitere Tumorerkrankungen) sollte darauf hingewiesen werden, dass auch bei Abwesenheit einer MMR-Defizienz eine humangenetische Abklärung indiziert ist.
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Abklärungsschema
Analysen im Tumorgewebea | Interpretation und weitere Schritte | |||||||
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Immunhistochemie (IHC) für die Mismatch-Reparatur(MMR)-Proteine | MSI | BRAF p.V600Eb | MLH1-Promotor-Meth | Plausibelste Ätiologie des Tumors | Indizierte weiterführende Abklärungsschritte | |||
MLH1 | MSH2 | MSH6 | PMS2 | |||||
+ | + | + | + | Neg | Sporad. Tu | Keine c | ||
– | + | + | – | BRAF-Analyse (ggf. Meth.-Analyse); falls BRAF V600E neg. und Meth.-Analyse nicht möglich: Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | ||||
– | + | + | – | Pos | Sporad. Tu | Keine | ||
– | + | + | – | Neg | Meth.-Analyse; falls Meth.-Analyse nicht möglich: Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
– | + | + | – | Neg | Pos | Sporad. Tu. Selten: LS-ass. Tu (MLH1) od. konstitutionelle MLH1-Meth | Keine; außer junges Erkrankungsalter und/od. auffällige Fam.-Anamnese: Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse (ggf. Analyse auf konstitutionelle MLH1-Meth.) | |
– | + | + | – | Neg | Neg | LS-ass. Tu (MLH1) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |
+ | – | – | + | LS-ass. Tu (MSH2, selten MSH6) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
+ | + | – | + | LS-ass. Tu (MSH6 od. MSH2) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
+ | + | + | – | LS-ass. Tu (PMS2 od. MLH1) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
– | + | + | + | LS-ass. Tu (MLH1) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
+ | – | + | + | LS-ass. Tu (MSH2) | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | |||
+ | + | + | + | Pos | LS-ass. Tu | Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse | ||
Pos | Sporad. Tu. od. LS-ass. Tu | IHC-Analyse (ggf. BRAF- & Meth.-Analyse); falls IHC nicht mögl. Zuweisung med. Genet. → Mutationsanalyse |