Ein 56-jähriger Patient mit einem hoch sitzenden Rektumkarzinom entwickelte nach einer anterioren Rektumresektion mit partieller mesorektaler Exzision eine ausgedehnte Anastomoseninsuffizienz. Diese wurde mit dem VACStent GITM Colon (VACStent GmbH, Fulda, Deutschland) behandelt, der einen Wundverschluss mit simultaner Unterdruckwundbehandlung („negative pressure wound therapy“, NWPT) ermöglicht, ohne dass ein Anus praeter angelegt werden muss. Bereits innerhalb der ersten 7 Tage zeigte sich eine deutliche Besserung des Allgemeinzustands. Insgesamt wurden 5 Stents in 34 Tagen eingesetzt, welches zur vollständigen Ausheilung der Anastomoseninsuffizienz ohne Ausbildung einer Anastomosenstenose führte.
Hinweise
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Anamnese
Ein 56 Jahre alter männlicher Patient wurde im Februar und März 2024 neurologisch aufgrund eines Hirninfarktes mit M1-Verschluss erfolgreich behandelt. In der durchgeführten Computertomographie-Angiographie (CTA) wurde nebenbefundlich ein Lungenrundherd beschrieben, weshalb eine ergänzende Computertomographie (CT) des Thorax und Abdomens durchgeführt wurde. Dort stellte sich das Colon sigmoideum wandverdickt dar, eine zeitnahe Koloskopie nach Entlassung sollte durchgeführt werden. Diese erfolgte dann in unserer gastroenterologischen Fachabteilung. Klinisch gab es zu den computertomographisch beschriebenen Befunden kein Korrelat; insbesondere keine B‑Symptomatik, wechselhaftes Stuhlverhalten oder lokalisierbaren Druckschmerz.
Befund
Bei der Koloskopie wurde ein nicht passierbarer Tumor am Sigma-Rektum-Übergang beschrieben und biopsiert. In der pathologisch-anatomischen Begutachtung wurden Anteile einer „high-grade“ intraepithelialen Neoplasie (HGIEN) mit Übergang in ein Carcinoma in situ (CIS) beschrieben. Im Rahmen der Komplettierung des Stagings wurde das gesamte Kolon mit einem pädiatrischen Koloskop untersucht. Insgesamt 3 Polypen wurden in sano entfernt, allesamt „low-grade“ intraepitheliale Neoplasien (LGIEN). Es erfolgte die viszeralchirurgische Übernahme und nach Festlegung des weiteren Prozederes in unserer Tumorkonferenz zunächst eine starre Rektoskopie zur genaueren Lokalisation des Malignoms. Hierbei wurde eine Höhenlokalisation 14 cm ab ano festgelegt. Nach Ausschluss einer Peritonealkarzinose durch Laparoskopie erfolgte dann die laparoskopische anteriore Rektumresektion mit partieller mesorektaler Exzision und als Stapler-Anastomose (28 mm) die Anlage einer Seit-zu-End-Descendo-Rektostomie. Es wurde intraoperativ eine Indocyaningrün(ICG)-Angiographie durchgeführt, die gute Perfusionsverhältnisse dokumentierte, sowie abschließend eine intraabdominale Drainage platziert. Die intraoperative Kontrollendoskopie zeigte luftdichte, morphologisch unauffällige Anastomosenverhältnisse.
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In der pathologischen Aufarbeitung zeigte sich ein invasives Adenokarzinom des Rektums (pT3, pN0 [0/36], R0). Klinisch und bildmorphologisch gab es weiterhin keinen Anhalt für eine Fernmetastasierung (cM0). Postoperativ kam es zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustands, einem deutlich druckdolenten Unterbauch, Fieber sowie laborchemisch eskalierenden Infektwerten. Eine CT des Abdomens wurde durchgeführt, das freie intraabdominelle Luft zeigte (Abb. 1). Daraufhin wurde am vierten postoperativen Tag die Revisionsoperation indiziert, die laparoskopisch erfolgte. Intraoperativ zeigten sich keine Zeichen der Peritonitis oder Nachweis von Stuhl in der Bauchhöhle. Das Kolon mit der Anastomosenregion war im kleinen Becken adhärent und abgedeckt. Intraoperativ erfolgte zusätzlich die Endoskopie, welche die Anastomoseninsuffizienz dann endoluminal darstellte. Der blindverschlossene Stumpf der terminolateralen Anastomose war dicht. Aufgrund der Infektkonstellation sowie der Verschlechterung des Allgemeinzustands wurde sich für die Versorgung mittels VACStent GITM (VACStent GmbH, Fulda, Deutschland) ohne zusätzliche Stomaanlage entschieden. Die intraabdominale Drainage wurde zunächst belassen, allerdings ohne Zugang zur Insuffizienzhöhle, so dass kein Wundsekret oder Stuhl gefördert wurde.
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Diagnose
Postoperative Anastomoseninsuffizienz nach anteriorer Rektumresektion bei invasivem Adenokarzinom des Rektums (pT3, pN0 [0/36], R0, cM0).
Therapie und Verlauf
Endoskopisch stellte sich initial der Befund klein dar, mit einem Umfang von 10 × 5 mm bei einer Höhenlokalisation von 11 cm ab ano. Das gesamte Ausmaß der Insuffizienzhöhle demarkierte sich erst beim Wechsel des VACStents (Abb. 2b). Die Anlage des VACStents erfolgte im Rahmen einer in unserem Zentrum durchgeführten Studie zum VACStent GITM Colon, eine Kombination aus einem gecoverten selbstexpandierenden Nitinolstent und einem umliegenden Vakuumschwamm (endoskopische Vakuumtherapie, EVT), der eine Unterdruckwundbehandlung („negative pressure wound therapy“, NPWT) ermöglicht und den Nitinolstent in Position hält [1]. Im Unterschied zum bereits auf dem Markt befindlichen VACStent GITM Oesophagus hat die Variante für das Colon ein an die Gegebenheiten des unteren Gastrointestinaltraktes angepasstes größeres Lumen von 25 mm (Abb. 2c). Der VACStent GITM zeigt grundsätzlich vergleichbare Ergebnisse mit denen einer endokavitären Vakuumschwammtherapie (EndoSponge®, B. Braun, Melsungen), allerdings mit dem entscheidenden Vorteil, in vielen Fällen auf einen Anus praeter verzichten zu können [2]. Dieser Vorteil, trotz Anastomoseninsuffizienz ohne Anus praeter eine ausschließlich endoskopische Behandlung durchführen zu können, führte zur Indikation, den VACStent GITM Colon einzusetzen. Im Anschluss an die Implantation des VACStent GITM sahen wir in den nächsten 7 Tagen einen deutlichen Abfall der laborchemischen Entzündungskonstellation. Eine flüssige enterale Ernährung konnte sofort fortgesetzt werden, und der Stuhlgang durch den VACStent GITM hindurch war unproblematisch. Auch klinisch zeigte sich der Patient beschwerdegemindert. Die Unterdruckwundtherapie wurde analog zu unseren Erfahrungen im Ösophagus mit dem VACStent GITM mit einem Sog von 125 mm Hg durchgeführt [1, 2].
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Nach 7 Tagen führten wir den geplanten Wechsel des VACStent GITM durch. Dabei zeigte sich eine demarkierte große pararektale Insuffizienzhöhle mit einer Größe von 5 × 5 cm sowie 2 Eingängen (Abb. 2a, b). Wir gehen davon aus, dass sich die große Insuffizienzhöhle als Folge der bereits stattgehabten Perfusionsminderung und ausgedehnten entzündlichen Prozesses pararektal ergeben hat.
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Nach 34 Tagen und 5 VACStent GITM zeigte sich die Anastomoseninsuffizienz vollständig verschlossen
Wir entschieden uns für eine Fortführung der VACStent GITM-Therapie, da sich der Patient weiterhin klinisch deutlich verbesserte. Nach weiteren 7 Tagen sahen wir bereits einen partiellen Verschluss der großen Wundhöhle und ausgeprägte Zeichen der Granulation. Die Wundhöhle wurde bei allen Wechseln regelrecht débridiert und gespült. Nach insgesamt 34 Tagen und 5 verwendeten VACStent GITM zeigte sich die Anastomoseninsuffizienz vollständig verschlossen (Abb. 2d).
Eine poststationäre Kontrolle 4 Tage später ergab einen stabilen Befund mit dem Bild einer sich in Abheilung befindlichen Anastomose. Wir bestellten den Patienten zu einer erneuten endoskopischen Kontrolle 15 Tage später ein und sahen dann eine vollständig abgeheilte Anastomose.
Diskussion
Der hier demonstrierte Fall zeigt unseres Erachtens, dass die Größe der Wundhöhle kein determinierender Faktor für den Erfolg der nichtoperativen Therapie von Anastomoseninsuffizienzen mit dem VACStent GITM zu sein scheint. Unsere Interpretation ist es, dass der in die Wundhöhle fortgeleitete Sog ausreicht, um die positiven Effekte der NPWT auch ohne direkten Schwammkontakt zu ermöglichen. Wir gehen davon aus, dass der kontinuierliche Sog des VACStent GITM und die regelmäßigen Säuberungen der Wundhöhle eine suffiziente Kontrolle und Sanierung des Infektgeschehens ermöglicht haben. Mit einer ausreichend langen Gesamt-Liegedauer der Stents (34 Tage) konnten wir, trotz eines ausgedehnten Befundes, eine vollständige Defektheilung ausschließlich mittels des VACStent GITM erreichen. Dies ermöglichte eine enterale Ernährung, die initial flüssig und unter laufender Therapie auf faserfreie Vollkost ausgebaut werden konnte. Dieses sehen wir als wichtigen Faktor für den Erhalt der psychischen und physischen Konstitution des Patienten. Denn als weiterer wesentlicher klinischer Erfolgsfaktor ist die Vermeidung eines ableitenden Stomas zu bewerten, welches mit erheblichen Konsequenzen für den Patienten vergesellschaftet sein kann, sowohl durch die Stomaanlage selbst wie auch durch die Rückverlagerungsoperation und ihre Komplikationen.
Fazit für die Praxis
Der VACStent GITM Colon scheint ohne die Notwendigkeit eines zusätzlichen Anus praeter eine effektive Wundbehandlung und Heilung bei Anastomoseninsuffizienzen auch mit großer Wundhöhle zu ermöglichen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M.M. Heiss hält ein Patent (Suction stent for sealing a leakage, internationale Veröffentlichungsnummer: WO 2015/086037 A1) und ist Seniorberater für Moeller Medical GmbH, Fulda, Deutschland. A. Yohannes, J. Lange, D. Binder, A.J. Dormann und C.F. Eisenberger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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