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14.08.2024 | Entzündliche Erkrankungen in der Dermatologie | Nachrichten

Entzündliche Hauterkrankungen

Ist der Therapieerfolg geschlechtsabhängig?

verfasst von: Moritz Borchers

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Ein systematisches Review liefert Hinweise darauf, dass Frauen und Männer auf die Behandlung von inflammatorischen Hauterkrankungen unterschiedlich ansprechen und diese unterschiedlich gut vertragen. Doch vieles ist noch unklar.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Erkranken Frauen und Männer an entzündlichen Hauterkrankungen, unterscheiden sie sich darin, wie sie auf eine entsprechende Therapie ansprechen und wie gut sie die Behandlung vertragen. Das sind die Kernergebnisse eines systematischen Reviews, das ein Team um Sarah Preis von der Technischen Universität München erstellt hat [1]. Zu beachten ist jedoch, dass sich das Gros der berücksichtigten Studien auf Personen mit Psoriasis bzw. Psoriasisarthritis (Psoriasis/PSA) bezog und es in der Publikation unklar bleibt, ob bzw. welche Relevanz die Erkenntnisse auch für Betroffene mit anderen inflammatorischen Hauterkrankungen wie etwa atopischer Dermatitis haben.

Folgende Signale aus ihrer Literaturübersicht heben die Forscherinnen um Preis hervor:  

  • Männer (mit Psoriasis/PSA) sprechen besser auf die Behandlung ihrer Hauterkrankung an als Frauen. Am Beispiel von TNF(Tumornekrosefaktor)-Inhibitoren diskutieren Preis und ihr Team für das schlechtere Ansprechen eine höhere Immunogenität und größere inflammatorische Kapazität bei Frauen. 
  • Das Risiko für Therapienebenwirkungen fällt bei Frauen (mit Psoriasis/PSA) höher als bei Männern aus. Grund dafür könnte zum Beispiel sein, dass die meisten Therapien nicht an das Körpergewicht der zu behandelnden Person angepasst würden, vermuten Preis und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Da die Mehrzahl der Dosisfindungsstudien mit Männern durchgeführt würden, erhielten Frauen in der Folge üblicherweise mehr Wirkstoff pro Kilogramm Körpergewicht als Männer.  
  • Frauen (mit Psoriasis/PSA) werden häufiger mit topischen Therapien, kürzeren systemischen Behandlungen und geringeren kumulativen Dosen behandelt als Männer. Als Erklärung käme ggf. ein Kinderwunsch infrage, der bei Behandelnden und Behandelten dazu führen könnte, dass größere Vorbehalte gegenüber systemischen Therapien bestünden. In diesem Kontext wäre es hilfreich, entsprechende Daten zur Sicherheit der Therapien in Schwangerschaft und Stillzeit anbieten zu können, schreibt das Team um Preis.

Viele offene Fragen

Die Forscherinnen und Forscher um Preis sprechen in ihrer Publikation von Geschlechts- und Genderunterschieden (im Original: „sex and gender differences“). Unter Geschlechtsunterschieden versteht das Team biologische Unterschiede und unter Genderunterschieden soziokulturell geprägte Unterschiede (etwa in Verhaltensweisen, Rollen und Identitäten). Abgesehen davon, dass die Forscherinnen und Forscher keine klare Definition beider Variablen vornehmen (was je nach Perspektive auch nicht leicht ist [vgl. 2, 3]), macht die Unterscheidung für die aktuelle Arbeit indes kaum einen Unterschied, weil in den eingehenden Studien Geschlecht und Gender nicht getrennt erfasst worden sind – eine Limitation, die das Studienteam auch selbst klar als solche benennt.

Nicht ganz klar wird dagegen die Zusammensetzung des schlussendlich analysierten Studienpools. Das Team selbst schreibt zum Beispiel, dass von 17.011 gescreenten Abstracts final 83 Studien für das Review berücksichtigt worden sind. In der Tabelle, die diese Studien auflisten soll, finden sich indes nur 56 Studien wieder. Im Abstract wird zudem erwähnt, dass nach den Psoriasis/PSA-Studien (n = 49) Arbeiten zum Melanom (n = 8) zahlenmäßig die häufigsten Untersuchungen im Datensatz waren. Allerdings werden die Ergebnisse dieser Melanom-Studien nirgendswo in der Publikation präsentiert, noch die Arbeiten im Literaturverzeichnis angeführt.    

Wichtiger Impuls für die Zukunft

Kurzum: Trotz diverser offener Fragen liefert die aktuelle Arbeit Signale, die zeigen, dass es wichtig ist, Variablen wie Geschlecht und Gender in dermatologischen Untersuchungen adäquat zu erfassen, gerade auch, um die Behandlung von Frauen zu verbessern.

Das Thema als solches treibt derzeit viele medizinische und naturwissenschaftliche Disziplinen verstärkt um. Wer hier etwas Orientierung sucht, ist vielleicht mit einer Artikelsammlung der Zeitschrift Nature ganz gut bedient, in der fortlaufend die Bedeutung von Geschlecht und Gender für Medizin und Forschung von unterschiedlichen Seiten beleuchtet werden [4].

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Unterscheiden sich Männer und Frauen mit entzündlichen Hauterkrankungen darin, wie gut sie eine entsprechende Therapie vertragen bzw. darauf ansprechen?

Antwort: Das aktuelle Review dokumentiert verschiedene Unterschiede zwischen Männern und Frauen in unterschiedlichen behandlungsbezogenen Aspekten. Frauen waren zum Beispiel im Mittel häufiger von Nebenwirkungen betroffen und sprachen schlechter auf TNF-Inhibitoren bei Psoriasis an.

Bedeutung: Die Variablen Geschlecht und Gender sollten in dermatologischen Untersuchungen stärker (und präziser) berücksichtigt werden, um ggf. modifizierbare Parameter entsprechend anpassen zu können (etwa Medikamentendosierungen).   

Einschränkung: Das Gros der berücksichtigten Studien bezog sich auf Psoriasis, die Erkenntnislage bei anderen entzündlichen Hauterkrankungen ist weniger klar. Geschlecht und Gender ließen sich nicht trennen, da dies in den eingehenden Studien nicht definiert bzw. getrennt erfasst wurde. Die meisten aufgenommenen Untersuchungen waren Beobachtungsstudien.


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Literatur

1 Preis S et al. A systematic review of sex and gender differences in treatment outcome of inflammatory skin diseases: Is it time for new guidelines? J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; https://doi.org/10.1111/jdv.20256

2 Smiley KO et al. Sex diversity in the 21st century: Concepts, frameworks, and approaches for the future of neuroendocrinology. Horm Behav 2024:157:105445

3 Arnold AP et al. Male–female comparisons are powerful in biomedical research — don’t abandon them. Nature 2024;629(8010):37-40

4:  Nature-Article: Sex and gender in science, 11 June 2024: https://www.nature.com/immersive/sex-and-gender-in-science/index.html 

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