Als zweiter wichtiger Aspekt dieser Untersuchungen sei auf die latente Instabilität des zellulären Genoms aus genetischer und epigenetischer Sicht hingewiesen. Zellen in definierten synthetischen Medien stellen kein starres biologisches System dar. Lange galten in vitro kultivierte (Stamm‑)Zellen als unerschöpfliche Quelle für Forschungsmaterial mit therapeutischem Potenzial in der regenerativen Medizin, wobei angenommen wurde, dass sich hier ausnahmslos alle zellbiologischen Aspekte auf die Situation in vivo übertragen lassen. Mittlerweile gaben jedoch zahlreiche Studienergebnisse Anlass, den bedenkenlosen Umgang mit derartigen Zellen zu hinterfragen. Aufmerksamkeit erregte zuletzt der Befund, dass pluripotente, unter In-vitro-Bedingungen kultivierte (immortalisierte) Stammzellen Mutationen im Tumorsuppressorgen p53 in Form einzelner Basenaustausche erwerben können, welche die Tumorgenese begünstigen [
2,
20]. So konnte durch serielle Mutationsanalysen bestätigt werden, dass der Anteil der Zellen mit einer Basensubstitution im Tumorsuppressorgen p53 mit laufender Passagierung unter standardisierten Wachstumsbedingungen innerhalb der Population zunahm [
20]. Da TP53 die Regulation von apoptotischen Vorgängen vermittelt und somit entscheidend in den Zellzyklus eingreift, ist es möglich, dass derartige TP53-Mutationen zu einem selektiven Vorteil der so entstandenen Subklone führen [
2]. Genetische Veränderungen, welche einen Selektionsvorteil mit sich bringen, sind die Hauptgründe für die Entstehung von Malignomen. Dahingehende Genmutationen können Zellen unter den streng selektiven Bedingungen, wie sie in der In-vitro-Kultur zu finden sind, einen Wachstumsvorteil geben [
17]. Der Großteil aller malignen Tumoren ist klonalen Ursprungs, was bedeutet, dass der Tumor aus einer einzelnen Zelle hervorgegangen ist, welche durch die erworbene Mutation über einen Wachstums- und damit Selektionsvorteil verfügte [
21]. Da das
p53-Gen nicht nur dominant-negativ aktiviert werden kann, sondern stellvertretend für eines von zahlreichen klassischen Tumorsuppressorgenen steht, ergibt sich hier die Frage, inwieweit auch andere tumorsupprimierende Gene unter länger andauernder In-vitro-Kultur derartige Veränderungen erfahren [
17]? Bereits frühere Studien verdeutlichten, dass sich selbst standardisierte In-vitro-Kulturbedingungen artifiziell auf menschliche Zellen auswirken und einen derartigen Selektionsstress ausüben können, welcher die Entstehung von Mutationen und malignen Transformationen begünstigen kann [
2,
17]. Unsere Daten bestätigen in dem hier präsentierten In-vitro-Modell einer Sebozytenlinie, dass die Abschaltung des
FHIT-Gens in Übereinstimmung mit Untersuchungen an Knock-out-Mäusen [
6] ein sehr frühes und spezifisches Ereignis in der Tumorgenese von TDK ist. Bemerkenswerterweise erfolgte in Zellkultur die Inaktivierung von FHIT durch den epigenetischen Mechanismus der Promotor-Methylierung, dem jedoch durch Einsatz demethylierender Substanzen therapeutisch entgegengewirkt werden konnte.