Erschienen in:
03.03.2023 | Epilepsie | Originalien
Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen im Langzeitbereich der Stiftung Bethel 1949–1975
verfasst von:
Prof. Dr. Dietz Rating, Niklas Lenhard-Schramm, Gitta Reuner, Maike Rotzoll
Erschienen in:
Clinical Epileptology
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Ausgabe 1/2024
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Zusammenfassung
Ausgelöst durch Berichte über Medikamentenerprobungen an Minderjährigen in Heimen und medizinischen Einrichtungen gab der Vorstand der von v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel eine Untersuchung in Auftrag, ob im Langzeitbereich Bethel Medikamentenstudien an Minderjährigen durchgeführt und ob dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten wurden. In den Jahren von 1949 bis 1975 wurden 2741 Minderjährige länger als 6 Monate im Langzeitbereich Bethel betreut. Hieraus wurde eine repräsentative Zufallsstichprobe von 256 Patienten gezogen und deren Akten ausführlich analysiert. An 44 Patienten (16,6 %) wurden insgesamt 55-mal antiepileptische Medikamente als Prüfpräparat eingesetzt. An 23 Patienten (8,7 %) wurden 28 psychopharmakologische Präparate erprobt. Insgesamt fanden an 23,8 % der Patienten Medikamentenprüfungen statt. Besonders häufig fanden diese in den Jahren 1955 bis 1966 statt. In diesem Zeitraum wurde ungefähr ein Drittel der im Langzeitbereich lebenden Patienten mit Prüfpräparaten behandelt. Obwohl sich zu vielen anderen medizinischen und pädagogischen Maßnahmen umfangreiche Korrespondenz mit den Eltern/Sorgeberechtigten in den Akten befand, wurde in keinem Fall eine schriftliche Einverständniserklärung oder Aufklärung bezüglich der Medikamentenprüfungen in den Patientenakten gefunden. Die Praxis in Bethel unterschied sich auf der legalen, legitimen und praktischen Ebene nicht von der in ähnlichen Einrichtungen, in denen – wie zahlreiche Forschungsergebnisse nahelegen – im Regelfall gleich oder ähnlich verfahren wurde. Übliche Praxis dagegen war – sowohl in Bethel als auch in vielen anderen Institutionen dieser Zeit – die mehr oder weniger ausgedehnte Durchführung von Arzneimittelprüfungen. In Bethel als einem anerkannten Zentrum der Epilepsieforschung stand dabei die Prüfung von Antiepileptika (AE) in einem bisher nicht bekannten Ausmaß im Vordergrund.