29.11.2024 | Epilepsie | Historisches und Denkwürdiges
Säuglinge und Kleinkinder mit Epilepsie in der NS-Medizin
verfasst von:
Prof. i. R. Dr. Hans Michael Straßburg
Erschienen in:
Clinical Epileptology
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Zusammenfassung
Das am 14.07.1933 im Deutschen Reichstag verabschiedete Gesetz zur Verhütung von erbkrankem Nachwuchs war durch Vertreter einer Rassenideologie bereits seit Jahrzehnten vorbereitet worden, allerdings wurden wesentliche Verschärfungen, z. B. die Zwangssterilisation, vorgenommen. Ab Frühsommer 1939 lassen sich Bestrebungen nachweisen, „unheilbar Kranken den Gnadentod zu gewähren“, was nach dem Erlass der Reichkanzlei vom 01.09.1939 im Rahmen der T4-Aktion umgesetzt wurde. Zur gleichen Zeit wurde der „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ gegründet, dem alle auffälligen Säuglinge und Kleinkinder von Ärzten oder Hebammen gemeldet werden mussten. Eine Kommission entschied dann, ob die Kinder in eine der 37 Fachabteilungen überwiesen werden sollte. Dort wurden viele Kinder durch bewusst überdosierte Medikamentengabe und unterlassene Behandlung umgebracht. Beispielhaft wird die Krankengeschichte eines Patienten der Anstalt Kaufbeuren unter ihrem Direktor Valentin Faltlhauser vorgestellt. In den Lehrbüchern der Kinderheilkunde lässt sich die zunehmende Verschärfung der Meldepflicht zwischen 1933 und 1940 nachweisen. Genaue Daten über die Zahl gemeldeter Kinder mit Säuglingsepilepsie sind nicht bekannt. Aus verschiedenen Gründen gab es nach 1945 wegen der Ermordung der Kinder kein Gerichtsverfahren, sodass das ganze Ausmaß der Verbrechen nicht bekannt ist.