Wovon hängt das Unfallrisiko Epilepsiekranker ab?

Die Unfallgefahr von Epilepsiekranken ist vor allem bei Erwachsenen in den ersten beiden Jahren nach der Diagnose erhöht, weniger bei Kindern. Besonders hoch ist das Risiko, wenn zugleich ein Hirntumor, Schlaganfall oder Diabetes vorliegt. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wer unvermittelt einen epileptischen Anfall erleidet, kann stürzen, beim Schwimmen ertrinken oder im Straßenverkehr einen Unfall verursachen. Wie hoch das Risiko für solche epilepsiebedingten Verletzungen und Unfälle ist, weiß jedoch niemand so genau. Die meisten Studien dazu stützen sich auf Patienten in Kliniken – hier werden die Risiken tendenziell überschätzt. Dagegen deuten Studien mit ambulant betreuten Patienten auf ein eher geringfügig erhöhtes Risiko für Verletzungen von Epilepsiekranken im Alltag, berichten Ärzte um Dr. Benno Mahler vom Karolinska-Institut in Stockholm. Die Forscher um Mahler haben anhand schwedischer Registerdaten geschaut, welche Epilepsiekranken sich besonders in Acht nehmen müssen. Danach sind vor allem Erwachsene mit Begleiterkrankungen wie Schlaganfall, Demenz, Hirntumoren, Diabetes oder Geburtsfehlern gefährdet, und das primär in den ersten zwei Jahren nach der Epilepsiediagnose. In dieser Zeit ist das Verletzungsrisiko bis um das Siebenfache erhöht, anschließend fällt es jedoch langsam auf das Niveau in der Allgemeinbevölkerung mit entsprechenden Komorbiditäten. Ärzte sollten also stets einen Blick auf die Begleiterkrankungen werfen, wenn sie sich um die Sicherheit von Epilepsiekranken Sorgen machen. Epilepsiekranke verunglücken doppelt so häufig Für ihre Analyse werteten die Neurologen um Mahler Angaben aus dem „Stockholm Incidence Registry of Epilepsy (SIRE)“ aus. Sie berücksichtigten sämtliche rund 2100 Patienten, bei denen zwischen 2001 und 2008 erstmals eine Epilepsie oder ein unprovozierter Anfall diagnostiziert worden war. Zudem erfassten sie Begleiterkrankungen, die oft mit einer Epilepsie einhergehen. Anschließend schauten sie in den umfassenden schwedischen Gesundheitsdatenbanken, wie häufig die Patienten in den Folgejahren infolge von Verletzungen, Vergiftungen oder anderen Formen externer Schädigungen behandelt oder gar beerdigt werden mussten. Die Angaben verglichen sie mit denen von 17.000 zufällig ausgewählten Personen mit vergleichbarem Alter und Geschlecht aus denselben Stockholmer Stadtteilen und Vororten. Die Patienten waren im Schnitt 35 Jahre alt, zu 45% weiblich und hatten zu zwei Dritteln fokale Anfälle. Etwas mehr als ein Fünftel (22%) war von relevanten Begleiterkrankungen betroffen, in der Kontrollgruppe waren es nur 5%. Unfälle und Verletzungen waren bei den Patienten auch schon vor dem ersten Anfall häufiger dokumentiert worden als in der Kontrollgruppe (bei 31 versus 22%). Dieser Trend setzte sich nach dem ersten Anfall fort: Epilepsiekranke mussten in den ersten beiden Jahren nach der Diagnose doppelt so oft unfalls- und verletzungsbedingt einen Arzt aufsuchen wie die Personen in der Kontrollgruppe (23 versus 11%). Zehn Jahre nach der Diagnose gab es dagegen keine relevanten Unterschiede mehr zwischen den beiden Gruppen. Die Unfallhäufigkeit hing stark von den vorhandenen Komorbiditäten ab. Epilepsiekranke ohne Begleiterkrankungen verunglückten nur wenig häufiger (plus 17%) als Personen ohne Anfallsleiden, solche mit Komorbiditäten jedoch etwa siebenfach häufiger – auch nach Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Bildungsgrad und Unfällen in der Vorgeschichte. Personen ohne Epilepsie, aber mit Begleiterkrankungen verunglückten rund vierfach häufiger als solche ohne Komorbiditäten. Bei ihnen ist das Unfallrisiko also deutlich höher als bei Patienten mit alleiniger Epilepsie. Haben Patienten mit Begleiterkrankungen zusätzlich eine Epilepsie, verdoppelt sich dieses Risiko. Epilepsiekranke mit malignem Hirntumor verunglückten rund zehnfach häufiger, solche mit anderen Begleiterkrankungen (Schlaganfall, psychische Störungen, Diabetes, Demenz, Geburtsfehler) fünf- bis sechsfach häufiger als Kontrollpersonen ohne Epilepsie und Begleiterkrankungen, aber wiederum nur rund doppelt so oft wie epilepsiefreie Personen mit vergleichbaren Komorbiditäten. Entscheidend für das Unfallrisiko von Epilepsiekranken sind also Begleiterkrankungen, die ihrerseits das Sturz- und Unfallrisiko erhöhen. Aber auch bei Patienten mit Komorbiditäten gleicht sich die Unfallrate mit der Zeit an, hier sind ebenfalls die ersten Jahre nach der Diagnose entscheidend. Signifikant häufiger Kopfverletzungen Wie auch in der Kontrollgruppe wurden bei Epilepsiekranken vor allem Arm-, Bein- und Kopfverletzungen registriert – zumeist Frakturen und Wunden. Die Rate war um die Hälfte bis das Doppelte erhöht; wurden Komorbiditäten berücksichtigt, traten nur Kopfverletzungen signifikant häufiger auf als in der Kontrollgruppe. Vergiftungen wurden hingegen dreifach häufiger beobachtet. Auch für Ertrinken ergab sich rechnerisch eine dramatische Risikoerhöhung um das Zwölffache. Allerdings hatten nur drei Epilepsiekranke einen Badeunfall. Am häufigsten führten Stürze zu den Unfällen – bei den Epilepsiekranken doppelt so oft wie in der Kontrollgruppe. Eine versehentliche Einnahme toxischer Substanzen wurde rund vierfach häufiger beobachtet, Medikamentenvergiftungen fünffach und Selbstverletzungen rund zweieinhalbfach häufiger. Komplikationen medizinischer Eingriffe führten knapp dreifach öfter zu einem Arztbesuch als in der Kontrollgruppe. Autounfälle mit epilepsiekranken wurden nicht gehäuft beobachtet, hingegen verunglückten Epilepsiekranke doppelt so oft mit dem Fahrrad. Interessant ist auch eine Aufschlüsselung nach Altersgruppen: Am stärksten war das Unfallrisiko bei Epilepsiekranken im Alter zwischen 30 und 65 Jahren erhöht (plus 150%), am wenigsten bei Kindern (plus 17%). Das relativ betrachtet sinkende Unfallrisiko zwei Jahre nach der Diagnose führen die Autoren der Analyse vor allem auf die medikamentöse Therapie, spontane Remissionen sowie eine entsprechende Beratung zurück. Die Patienten lernen wohl mit der Zeit, riskante Situationen zu vermeiden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wovon hängt das Unfallrisiko Epilepsiekranker ab? Antwort: Hauptsächlich vom Alter, den Begleiterkrankungen und dem Abstand zum ersten Anfall. Bedeutung: In den ersten Jahren nach einem ersten Anfall ist das Unfallrisiko etwa verdoppelt, danach normalisiert es sich. Einschränkung: Bedeutung der Anfälle bei den registrierten Unfällen unklar.

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