Nach Fehltherapie: Borkenkrätze statt Psoriasis

Ärzte hatten den Mann drei Jahre erfolglos mit Steroiden gegen Psoriasis behandelt – bis er seine Hände nicht mehr bewegen konnte. Tatsächlich wurden die voluminösen Plaques von Milben verursacht. Weshalb Scabies norvegica auch Borkenkrätze genannt wird, dürfte jedem klar sein, der sich die Bilder anschaut, die Chirurgen um Dr. William Aukerman vom Conemaugh Memorial Medical Center in Johnstown veröffentlicht haben: W. Aukerman et al (aus: International Journal of Surgery 2019 – https://doi.org/10.1016/j.ijscr.2019.07.025) / CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ × Die Handinnenflächen eines 56-jährigen Mannes erinnerten mehr an die gelblichgrüne Rinde eines knorrigen Ahorns und ließen praktisch keine Ähnlichkeit mehr mit menschlicher Haut erkennen. Mit der rissigen Kruste verbunden waren Schmerzen, welche die Hände zu völliger Funktionsunfähigkeit verurteilten. Dass die Krätze derart außer Kontrolle geraten konnte, war offensichtlich einer Mischung aus ärztlichem Versagen und mangelnder Kooperation des Patienten zu verdanken. So hatte der Mann schon drei Jahre zuvor die Notaufnahme der Klinik aufgesucht, in der sich nun die Chirurgen des Problems annehmen mussten. Damals hatten die Ärzte bereits richtig erkannt, dass Juckreiz und Entzündungen von Milben verursacht wurden. Sie verordneten Diphenhydramin sowie eine Salbe mit Permethrin und verwiesen ihn zurück an den Hausarzt. Dieser war jedoch der Ansicht, dass es sich hier um eine Psoriasis handelte und begann eine Steroidtherapie. Im Laufe der folgenden 14 Monate verstärkten sich die Schmerzen, der Patient bekam Antibiotika wegen des Verdachts einer Weichteilinfektion, weiterhin Steroide gegen die vermutete Psoriasis sowie zweimal auch Permethrin, nachdem er immer wieder die Notaufnahme der Klinik aufgesucht hatte. Schließlich wurde er an eine Klink für plastische Chirurgie überstellt, um die Läsionen genauer zu untersuchen. Dort fanden die Ärzte weiße, ausgeprägte volare Hautverdickungen mit erhaltener Handfunktion und Sensorik. Die Biopsie ergab atypische verrukös-squamöse Läsionen mit einer pseudoepitheliomatösen Hyperplasie sowie chronisch entzündeter Dermis. Der Mann wurde daraufhin an einen Dermatologen überwiesen, tauchte dort aber nicht auf, offensichtlich weil ihm die Therapie mittlerweile zu teuer war. Ein 12 x 15 cm großes Stück „Borke“ aus der Hand geschnitten Als er Monate später aufgrund einer Bakteriämie in die Klinik musste, wurde er erneut einem plastischen Chirurgen vorgestellt, der eine Entfernung der verdickten Haut an den Handinnenflächen vorschlug. Wieder nahm der Mann das Angebot nicht wahr und wartete ein weiteres Jahr. Erst als die Erkrankung so weit fortgeschritten war, dass er mit seinen Händen praktisch nichts mehr tun konnte, stimmte er einem chirurgischen Eingriff zu. Die Ärzte entfernten zunächst ein 12 x 15 cm großes Stück „Borke“ an seiner rechten Innenhand und wiesen in einer Probe einen ausgeprägten Milbenbefall nach. Sie behandelten die Hand vier Wochen lang mit Permethrin und Ivermectin. Als sie zwei Monate später eine deutliche Besserung erkannten, gingen sie auch die linke Hand an. Noch einmal drei Monate später waren die Schmerzen an beiden Händen verschwunden, das Aussehen war fast wieder normal, auch die Bewegungsfähigkeit hatte sich deutlich verbessert. Als Grund für den extremen Verlauf der Krätze nennen die Ärzte um Aukerman vor allem eine Abfolge von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen. Diese seien bei der als Borkenkrätze, Krustenskabies oder Norwegische Krätze bezeichneten Verlaufsform einer Infektion mit Sarcoptes scabiei nicht selten. Häufig würden die hyperkeratotischen Hautläsionen anderen Erkrankungen zugeschrieben. Tatsächlich werden sie jedoch von einem massiven Befall durch Zehntausende bis Millionen der Spinnentiere verursacht. Eine solche explosionsartige Vermehrung werde zwar nur sehr selten und vor allem bei immunsupprimierten Patienten beobachtet, die Kasuistik zeige jedoch, dass gelegentlich auch Menschen ohne Immundefizite betroffen seien. Auf jeden Fall sei bei den Patienten eine HIV-Infektion auszuschließen und im Blutbild nach Auffälligkeiten zu schauen, welche auf eine Immunstörung deuten. Unter einer Fehlbehandlung mit Steroiden könne es zudem zu einer „Scabies incognita“ kommen, einer atypischen Präsentation, welche die Diagnose weiter erschwere. Schließlich seien nicht oder falsch behandelte Patienten mit Borkenkrätze extrem infektiös. Aufgrund des starken Milbenbefalls könnten sie die Parasiten wesentlich leichter übertagen als bei einem klassischen Verlauf, warnen die Chirurgen um Aukerman.

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