Lernziele
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können Sie die Bedeutung der Pertussis im Kindesalter gut beurteilen.
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ziehen Sie Schlüsse aus der gegenwärtigen epidemiologischen Situation.
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identifizieren Sie zuverlässig Patienten mit Pertussis und kennen die richtige Behandlung der Krankheit.
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wenden Sie die verfügbaren Prophylaxemaßnahmen, insbesondere Impfungen, richtig an und tragen dazu bei, dass möglichst wenige Säuglinge an Pertussis sterben.
Einleitung
Erreger
Krankheitszeichen
Manifestation und Verlauf
Besonderheiten im Säuglingsalter
Diagnose
Hustendauer (Wochen) | Säuglinge | Ab dem Alter von 6 (bis 12) Monaten |
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<2 | PCR aus Nasopharyngealsekret | PCR aus Nasopharyngealsekret |
2–3 | PCR aus Nasopharyngealsekret oder Spezifische Pertussistoxin-IgG-Antikörper im Serum | |
≥3 Wochen | Spezifische Pertussistoxin-IgG-Antikörper im Serum |
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Bordetella pertussis siedelt sich auf dem zilientragenden Epithel des Nasopharynx, nicht aber im vorderen Nasenabschnitt an.
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Das Sekret für den Nachweis von B. pertussis muss tief aus dem Nasopharynx gewonnen werden (Absaugen oder Abstrich).
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bei Säuglingen im Alter unter 6 Monaten (beachte: passiv übertragene maternale PT-IgG-Antikörper) sowie
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bei Patienten mit einer Pertussisimpfung in den letzten 12 Monaten (beachte: Induktion von eigenen PT-IgG-Antikörpern).
Therapie
Antibiotikum | Patientenalter | Tagesdosis | Therapiedauer (Tage) | |
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Empfohlen | Maximal | |||
Azithromycin | Ab Geburt | 10 mg/kgKG (in einer Dosis) | 500 mg | 5 |
Clarithromycin | Ab einem Monat | 15 mg/kgKG (in 2 Dosen) | 1 g | 7 |
Erythromycinestolat | Ab einem Monat | 40 mg/kgKG (in 2 Dosen) | 2 g | 14 |
Trimethoprim(TMP)-Sulfamethoxazol | Ab 2 Monaten | 8 mg (TMP)/kgKG (in 2 Dosen) | 320 mg | 14 |
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Die antibiotische Behandlung einer nachgewiesenen Pertussis zielt in erster Linie auf die Beendigung der Kontagiosität des Patienten.
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Der antibiotische Effekt auf den Krankheitsverlauf ist gering.
Epidemiologie
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Pertussis ist keine „Kinderkrankheit“, sondern betrifft Menschen jedes Alters.
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Am häufigsten und schwerwiegendsten verläuft die Pertussis im jungen Säuglingsalter.
Meldepflicht, Isolationsmaßnahmen und Wiederzulassung in Gemeinschaftseinrichtungen
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Für Erkrankte ist sie 5 Tage nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie (bei Gabe von Azithromycin nach 3 Tagen) oder 21 Tage nach Beginn des Hustens, wenn keine antibiotische Behandlung durchgeführt wurde, möglich.
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Für Krankheitsverdächtige ist die Wiederzulassung nach Vorliegen eines negativen Befunds mithilfe des Nukleinsäurenachweises (z. B. PCR) aus Nasopharyngealsekret möglich. Es sei denn, dass der behandelnde Arzt aufgrund der Gesamtbewertung aller vorliegenden klinischen und labordiagnostischen Befunde zu der Einschätzung kommt, der Patient könnte dennoch infektiös sein (falsch-negativer Befund). Im Übrigen gelten sinngemäß die Kriterien für die Erkrankten.
Prävention
Antibiotikaprophylaxe
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„ungeimpfte Personen mit engen Kontakten zu einer erkrankten Person in Familie, Wohngemeinschaft oder einer Gemeinschaftseinrichtung“ sowie
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„geimpfte Personen mit engen Kontakten zu einer erkrankten Person, wenn sich in ihrer Umgebung gefährdete Personen (wie z. B. ungeimpfte oder nicht vollständig geimpfte Säuglinge, Kinder mit kardialen oder pulmonalen Grundleiden oder Schwangere im letzten Trimester) befinden“.
Impfprophylaxe
Impfstoff (Handelsname, Komponenten) | Hersteller bzw. Vertrieb | Pertussistoxoid | Filamentöses Hämagglutinin | Pertaktin | Fimbrienagglutinogene 2 und 3 | Alterszulassung | Impfalter gemäß STIKO-Empfehlungb | Kommentare |
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Infanrix hexa (DTaP-HepB‑IPV+Hib) | GSK | 25 µg | 25 µg | 8 µg | – | Säuglinge bis einschließlich Kleinkindaltera | 2, 4 und 11 Monate | „Kleinkindalter“ ist nicht verbindlich definiert |
Infanrix-IPV+Hib (DTaP-IPV+Hib) | 25 µg | 25 µg | 8 µg | – | ab 2 Monate | 2, 4 und 11 Monate | ||
Infanrix (DTaP) | 25 µg | 25 µg | 8 µg | – | 2–72 Monate | 2, 4 und 11 Monate | ||
Hexyon (DTaP-HepB-IPV+Hib) | Sanofi Pasteur | 25 µg | 25 µg | – | – | 6 Wochen–72 Monate | 2, 4 und 11 Monate | – |
Pentavac (DTaP-IPV+Hib) | 25 µg | 25 µg | – | – | 2–24 Monate | 2, 3, 4 und 11 Monate | – | |
Vaxelis (DTaP-HepB-IPV+Hib) | MSD | 20 µg | 20 µg | 3 µg | 5 µg | 6 Wochen – einschließlich Kleinkindaltera | 2, 4 und 11 Monate | „Kleinkindalter“ ist nicht verbindlich definiert |
Boostrix (Tdap) | GSK | 8 µg | 8 µg | 2,5 µg | – | ≥48 Monate | 5–6 Jahre, 9–17 Jahre, Erwachsene | Ab 40 Jahre zulassungskonform für Erstimmunisierung |
Boostrix-Polio (Tdap-IPV) | 8 µg | 8 µg | 2,5 µg | – | ≥36 Monate | dito | dito | |
Covaxis (TdaP) | Sanofi Pasteur | 2,5 µg | 5 µg | 3 µg | 5 µg | ≥48 Monate | 5–6 Jahre, 9–17 Jahre, Erwachsene | Ab 12 Jahre zulassungskonform für Erstimmunisierung |
Repevax (TdaP-IPV) | 2,5 µg | 5 µg | 3 µg | 5 µg | ≥36 Monate | dito | dito | |
Tdap-IMMUN (Tdap) | Pfizer | 25 µg | – | – | – | ≥48 Monate | 5–6 Jahre, 9–17 Jahre, Erwachsene | Ab 12 Jahre zulassungskonform für Erstimmunisierung |
1991 | Wiedereinführung als Standardimpfung mit 4 Impfdosen in den ersten beiden Lebensjahren (und Nachholimpfung für unzureichend geimpfte ältere Kinder) |
Ab 1995 | Zulassung und Einführung der ersten azellulären Pertussisimpfstoffe in Deutschland (monovalent, aP, und in Kombination mit Diphtherie- und Tetanustoxoid, DTaP) |
1998 | Wechsel von Pertussisganzkeim- hin zu azellulären Kombinationsimpfstoffen für alle 4 Dosen (1–3 im 1. Lebensjahr, 4 mit 11 bis 14 Monaten) |
2000 | Einführung einer 5. Dosis für Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren |
2001 | Erstmals Einführung einer Indikationsimpfempfehlung für Erwachsene: Personal in Pädiatrie und Infektionsmedizin sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und Kinderheimen |
2003 | Modifikation der Indikationsimpfempfehlung für Erwachsene: Personal in Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und Kinderheimen |
2004 | Einführung der „Cocoon“-Strategie durch Modifikation der Indikationsimpfempfehlung für Erwachsene durch eine Erweiterung auf Frauen mit Kinderwunsch präkonzeptionell sowie bei anstehender Geburt für enge Haushaltskontaktpersonen (Eltern, Geschwister) und Betreuer (z. B. Tagesmütter, Babysitter, ggf. Großeltern), spätestens 4 Wochen vor Geburt des Kindes, sofern kein adäquater Immunschutz vorliegt |
Definition des adäquaten Immunschutzes: Impfung oder mikrobiologisch bestätigte Erkrankung innerhalb der vergangenen 10 Jahre | |
2006 | Einführung einer weiteren Standardimpfdosis für Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren (chronologisch die 5. Dosis, Beibehalten der Auffrischimpfung bei Jugendlichen als chronologisch 6. Standardimpfdosis). Indikationsimpfung für Erwachsene: da kein monovalenter Pertussisimpfstoff mehr verfügbar ist, wurde der Hinweis aufgenommen, Tdap(-IPV) möglichst nicht früher als 5 Jahre nach der vorhergehenden Dosis der anderen im Impfstoff enthaltenen Antigene (Td) zu verabreichen |
Weitere ergänzende Hinweise: | |
Im Zusammenhang mit erkannten Pertussishäufungen kann auch bei vollständig geimpften Kindern und Jugendlichen mit engem Kontakt zu Erkrankten im Haushalt oder in Gemeinschaftseinrichtungen eine Impfung erwogen werden, wenn die letzte Impfung länger als 5 Jahre zurückliegt | |
Jede Auffrischimpfung mit Td (auch im Verletzungsfall) sollte Anlass sein, eine mögliche Indikation einer Pertussisimpfung zu überprüfen und ggf. einen Kombinationsimpfstoff (Tdap) einzusetzen | |
2009 | Einführung einer Pertussisstandardimpfung für alle Erwachsenen zum Zeitpunkt der nächsten fälligen Td-Impfung (einmalig als Tdap-, bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung) |
Modifikation der Indikationsimpfempfehlung für Erwachsene bei beruflicher Indikation: Für Personal in Gemeinschaftseinrichtungen wurde die Einschränkung „für das Vorschulalter“ aufgehoben sowie die Indikation einer Pertussisimpfung auf „Personal im Gesundheitsdienst“ (statt bisher „Personal in Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe“) geändert. Der Zusatz möglichst nicht früher als 5 Jahre nach der vorhergehenden Dosis der anderen im Impfstoff enthaltenen Antigene (Td) wurde gestrichen und die Definition des adäquaten Impfschutzes (s. 2004) durch folgenden Hinweis ersetzt: sofern in den letzten 10 Jahren keine Pertussisimpfung stattgefunden hat | |
2010 | Modifikation der Terminologie der Indikationsimpfempfehlung für Erwachsene (Frauen im gebärfähigen Alter statt Frauen mit Kinderwunsch) |
2019 | Überprüfung der Impfempfehlung für eine einmalige Pertussisimpfung im Erwachsenenalter: Die bestehende Standardimpfempfehlung eines einmaligen Boosters für Erwachsene soll zunächst beibehalten werden. Für Risikogruppen – a) Frauen im gebärfähigen Alter, b) enge Haushaltskontaktpersonen und Betreuende eines Neugeborenen und c) Personen, die im Gesundheitsdienst oder in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten – bleibt es bei Auffrischimpfungen im Zehnjahresrhythmus |
2020 | Die Pertussisimpfung soll als Indikationsimpfung in jeder Schwangerschaft erfolgen |
Im Juni 2020 wurde das „2+1“ Impfschema mit Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten eingeführt. Frühgeborene erhalten eine zusätzliche Dosis mit 3 Monaten. |
Fazit für die Praxis
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Pertussis wird durch Bordetella pertussis verursacht, von Mensch zu Mensch übertragen und ist im jungen Säuglingsalter eine lebensbedrohliche Krankheit.
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Das empfohlene diagnostische Verfahren in den ersten 2 bis 3 Wochen seit Hustenbeginn ist der Erregernachweis mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) aus Nasopharyngealsekret, später dann serologische Bestimmungen.
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Der Effekt einer Antibiotikabehandlung (Makrolidantibiotikum) auf den Krankheitsverlauf ist gering, beendet aber zuverlässig die Kontagiosität des Patienten.
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Die Inzidenz beträgt aktuell in Deutschland ca. 10–40 Fälle/100.000 Einwohner; die höchste altersabhängige Inzidenz haben Säuglinge (im Mittel ca. 50/100.000 und Jahr).
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Kinder, die an Pertussis erkrankten, entwickeln keine dauerhafte Immunität und sollten deshalb trotzdem gegen Pertussis geimpft werden. Azelluläre Pertussisimpfstoffe gibt es nur in Kombination mit anderen Impfantigenen in variabler Zusammensetzung.
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Die Pertussisimpfung in der Schwangerschaft ist sicher und effizient. Die transplazentar übertragenen mütterlichen Antikörper schützen den jungen Säugling vor Pertussis.