Genitale Lymphödeme oft übersehen

Im Rahmen von primären und sekundären Lymphödemen ist das Genital gar nicht so selten mitbetroffen. Doch werden Genitallymphödeme häufig nicht erkannt. „Außerhalb von spezialisierten Zentren und Physiotherapiepraxen herrscht eine große Unsicherheit und Unkenntnis bezüglich Genitallymphödemen“, sagte Dr. Martha Földi, Hinterzarten. Die Ödeme können als Mitbeteiligung des Genitales an primären, anlagebedingten oder sekundären Lymphödemen auftreten, häufig z.B. nach Zervix- oder Endometrium-Karzinom. „Auf die Beine wird dann mal geschaut“, klagte Földi, „aber die Genitallymphödeme hat keiner bemerkt. Einer der häufigsten Sätze, die ich höre, ist: Meine Frauenärztin ist da völlig ahnungslos.“ Ein so intimes Problem, mit dem man sich nicht auskennt, löse möglicherweise auch bei den Healthcare-Professionals Unsicherheit und Schamgefühle aus, vermutet sie. Sozialer Rückzug Die Patientinnen haben extreme psychosoziale Einschränkung bis hin zum sozialen Rückzug und psychiatrischen Komorbiditäten. Földi berichtete beispielhaft über den Fall einer 41 Jahre alten Frau, die sich mit einer deutlichen Ödematisierung des Mons pubis, einer fibrotischen Durchsetzung der Labien – „die waren wirklich bretthart“ – und multiplen Lymphzysten vorstellte, aus denen Lymphflüssigkeit austrat. Die Patientin hatte eine anlagebedingte Störung mit primärem Lymphödem, das sich erstmals im Alter von acht Jahren manifestiert hatte. Ihr Hauptproblem im Erwachsenenalter ist aber der Genitalbefund mit der defekten Haut und der Lymphorrhoe, betonte Földi. Als sie sich in der Földiklinik vorstellte, hatte sie eine manifeste Depression. Erysipelgefahr hoch Die Patientin machte etwa 15 Erysipele pro Jahr durch – mit steigender Frequenz sogar unter einer Antibiotikadauerprophylaxe. Mit den wechselnden Antibiotikatherapien war auch eine zunehmende Erregerresistenz verbunden. Erysipele sind die Folge der zerstörten Lymphgefäße und der daraus folgenden Lymphorroe – perfekte Eintrittspforten für Erreger. Deshalb können Erysipele aufgrund von Gentiallymphödemen dramatische Folgen haben, warnte Földi. Pelviperitonitis, Sepsis und Intensivpflichtigkeit sind ihrer Erfahrung nach keine Seltenheit. Beratung, konservative und oft auch operative Therapie notwendig Von Seiten der Frauenärzte wünscht sich die Lymphödemexpertin, die Patientinnen mit Gentiallymphödemen hinsichtlich Lebensführung, Sexualität und Intimhygiene zu beraten. Die konservative Lymphödembehandlung gerät bei den Genitallymphödeme oft an ihre Grenzen. „Entstauen können wir, aber Lymphzysten beseitigen nicht“, erläutere Földi. Oft sei ein integrativer Ansatz notwendig mit einer konservative Entstauung gepaart mit einem plastisch-chirurgischen Eingriff, einer resezierenden genitalen Plastik. Vor einem Eingriff sollte ein chylöser Reflux ins Genital aufgrund einer Fehlanlage oder eines Traumas enteraler Lymphgefäße als mögliche Differenzialdiagnose sicher ausgeschlossen werden. Neue Leitlinie Zur Diagnose und Therapie der Lymphödeme allgemein wurde laut Földi soeben eine neue S2k Leitlinie fertiggestellt – die Veröffentlichung ist für Ende März 2017 geplant (AWMF Registernummer 058 – 001). Basierend auf: Symposium: Komplexe Entscheidungssituationen in der Gynäkoonkologie, FOKO Fortbildungskongresses, 9.-11. März 2017 in Düsseldorf

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