Endlich Gewissheit: Testosteron-Ersatz erhöht nicht das kardiovaskuläre Risiko

Eine große randomisierte Studie schafft Klarheit: Nach ihren Ergebnissen ging eine Testosteron-Gabe bei Männern mit Hypogonadismus, von denen die meisten bereits kardiovaskulär erkrankt waren, im Vergleich zu Placebo mit keiner Zunahme von Herzinfarkten und Schlaganfällen einher. Auf diese Studie musste lange gewartet werden. Jetzt ist die placebokontrollierte TRAVERSE-Studie im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden. Ihr beruhigendes Ergebnis könnte das Ende einer kontrovers geführten Diskussion über vermeintliche kardiovaskuläre Risiken einer Testosteron-Substitution bei Männern mit Testosteronmangel (Hypogonadismus) bedeuten. In TRAVERSE waren die Raten für den primären Endpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) nach knapp dreijähriger Beobachtungsdauer in den transdermal mit Testosteron- oder Placebo-Gel behandelten Gruppen nahezu gleich. Der intendierte Nachweis einer Nichtunterlegenheit der Testosteron-Substitution im Vergleich zu Placebo bei Männern mit Hypogonadismus war damit erreicht. FDA verlangte eine definitive Studie Die TRAVERSE-Studie geht auf eine Auflage der US-Gesundheitsbehörde FDA zurück. Lange Zeit war die Studienlage zu kardiovaskulären Effekten einer Testosteron-Behandlung ebenso widersprüchlich wie die darauf gestützte Positionierung der großen Arzneimittelbehörden. Ein Risikobewertungsverfahren der europäischen Zulassungsbehörde EMA war 2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine eindeutigen Anhaltspunkte für ein negatives Nutzen-Risiko-Profil testosteronhaltiger Arzneimittel bezüglich schwerwiegender kardiovaskulärer Probleme gebe. In den USA verfügte die FDA dagegen im Jahr 2015, dass in die Fachinformation von Testosteron-Präparaten auch Warnhinweise auf mögliche kardiale Risiken gehören. Zudem drängte die US-Behörde die Hersteller zugelassener Testosteronprodukte dazu, angesichts kontroverser Daten und daraus resultierender Bedenken endlich eine prospektive randomisierte kontrollierte Studie von adäquater Größe zwecks definitiver Klärung in Angriff zu nehmen. Als Reaktion darauf bildeten vier Hersteller schließlich ein Konsortium, das die Finanzierung der TRAVERSE-Studie (Testosterone Replacement Therapy for Assessment of Long-term Vascular Events and Efficacy Response in Hypogonadal Men) übernahm. Mehr als 5.200 Männer mit Testosteronmangel eingeschlossen In die im „Noninferiority“-Design angelegte Studie waren an 316 Zentren in den USA insgesamt 5.246 Männer im Alter zwischen 45 und 80 Jahren (im Mittel 63,3 Jahre) aufgenommen und nach Zufallszuteilung einer transdermalen Behandlung mit Testosteron- oder Placebo-Gel zugeführt worden. Bedingung war, dass bei ihnen entweder kardiovaskuläre Risikofaktoren bestanden (rund 45% der Teilnehmer) oder bereits eine manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankung vorlag (rund 55% der Teilnehmer). Alle Studienteilnehmer klagten über mögliche Symptome eines Testosteronmangels wie Libidoabnahme, Erektionsstörungen, mangelnde Antriebskraft oder depressive Verstimmung. Zudem musste bei zwei vorgenommenen Labormessungen der Serumtestosteronspiegel jeweils im Bereich unter 300 ng/dl (10,4 nmol/l) liegen. Zu Beginn betrug der Serumtestosteronspiegel der Teilnehmer im Median 227 ng/dl (7,8 nmol/l). Kein Unterschied beim primären Sicherheitsendpunkt Die Behandlungsdauer betrug im Mittel 21,7 Monate, die Follow-up-Dauer im Mittel 33,0 Monate. In der Testosteron-Gruppe brachen 61,4% der beteiligten Männer die Behandlung vorzeitig ab, in der Placebo-Gruppe waren es 61,7%. Primärer kardiovaskulärer Sicherheitsendpunkt der Studie war eine Kombination der Ereignisse kardiovaskulär verursachter Tod und nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall. Entsprechende Endpunktereignisse waren im Studienzeitraum bei 182 Patienten (7,0%) in der Testosteron-Gruppe und bei 190 Patienten (7,3%) in der Placebo-Gruppe beobachtet worden (Hazard Ratio: 0,96; 95%-Kl: 0,78 – 1,17; p<0,001 für Nichtunterlegenheit). Separate und auf die einzelnen Komponenten des kombinierten Endpunkts fokussierte Analysen ergaben ebenfalls keine Unterschiede zwischen Testosteron- und Placebo-Behandlung. Relative Zunahme von Herzrhythmusstörungen beobachtet Völlig risikolos war die Testosteron-Substitution aber nicht. So waren Herzrhythmusstörungen, die eine Intervention erforderten, in der Testosteron-Gruppe häufiger als in der Placebo-Gruppe (5,2% vs. 3,3%; p = 0,001), ebenso Vorhofflimmern (3,5% vs. 2,4%; p=0,02) sowie akute Nierenschädigungen (2,3% vs. 1,5%; p=0,04). Kein Unterschied ergab sich bezüglich der Häufigkeit von Prostatakarzinomen (0,5% vs. 0.4%; p=0,87). Allerdings war der Anstieg der PSA-Werte in Relation zu den Ausgangswerten in der Testosteron-Gruppe stärker als in der Placebo-Gruppe (0,20 ng/ml vs. 0,08 ng/ml; p<0,001). Studienleiter Prof. A. Michael Lincoff von der Cleveland Clinic wertet die TRAVERSE-Ergebnisse als beruhigend. Allerdings sollten daraus nach seiner Ansicht keine zu freizügigen Extrapolationen vorgenommen werden. Die Studie sollte „nicht als Lizenz dafür betrachtet werden, alle Männer, die Müdigkeit verspüren oder sexuell nicht so aktiv sind, wie sie es gerne wären, nun wahllos mit Testosteron zu behandeln“, gab Lincoff seinen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in einer Stellungnahme auf den Online-Portal TCTMD als Rat mit auf den Weg.

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