Werden Infektionen mit Hepatitis-E-Viren unterschätzt?

In Deutschland werden immer öfter Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus nachgewiesen. Vor allem bei Schwangeren mit fulminantem Infektionsverlauf ist die Therapie mit Ribavirin eine sichere Option. Die Anwendung des ersten Impfstoffs zur Routine wird in Ländern mit niedriger HEV-Prävalenz nicht empfohlen. Das vor mehr als 30 Jahren entdeckte Hepatitis-E-Virus (HEV) wird in Deutschland inzwischen viel häufiger als noch vor wenigen Jahren nachgewiesen: Im vergangenen Jahr wurden bereits fast 1300 HEV-Infektionen dem Robert Koch-Institut gemeldet (Epidem Bull 2016/7; 22. Februar, 66). 2014 waren es noch etwa 660 Fälle. Mehr als 85% der Infektionen sind autochton erworben. Die Erreger sind vor allem vom Genotyp 3, wie Professor Thomas Berg vom Universitätsklinikum in Leipzig beim Gastro Update 2016 in Wiesbaden berichtet hat. Das Virus wird zwar vorrangig durch den Verzehr ungekochten Fleischs infizierter Tiere, etwa Schweinefleisch und -leber übertragen. Einer aktuellen Studie zufolge ist das aber offenbar nicht der einzige Übertragungsweg. In der italienischen Untersuchung wurde HEV-RNA in einer von 21 Abwasserproben sowie in einer von 27 Flusswasserproben nachgewiesen. Sowohl Virus-RNA als auch Virus-Antigene im Harn nachgewiesen Bisher ist man davon ausgegangen, dass das Virus ausschließlich mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Chinesische Wissenschaftler konnten jedoch belegen, dass sowohl HEV-RNA als auch HEV-Antigene im Urin von Patienten mit akuter oder chronischer Virusinfektion nachweisbar sind (J Hepatol. 2016 (64); 37–43). Ein Hinweis darauf, dass die Viren nierenschädigend sind. In der Regel verläuft eine Infektion mit dem Viruserreger asymptomatisch, und zwar bei 99% der Infizierten; sie heilt bei Patienten mit einem intakten Immunsystem aus. Doch vor allem bei Schwangeren kann der Verlauf fulminant sein, und zwar bei bis zu 25% im dritten Trimenon. Ein akutes Leberversagen ist dann möglich. Auch ältere Menschen und immunsupprimierte Transplantatempfänger, bei denen der HEV-Genotyp 3 eine chronische Hepatitis und eine Leberzirrhose hervorrufen kann, sind gefährdet. Nach Ansicht von Berg ist es sinnvoll, vor allem Patienten in höherem Alter, die eine schwere akute HEV-Infektion mit Zeichen der Einschränkung der Leberfunktion haben, frühzeitig zu behandeln. Aus einer aktuellen französischen Studie – mit einer Kurzzeittherapie über 26 Tage – gehe hervor, dass Ribavirin hier eine sichere Therapieoption darstelle. Bei allen Patienten sei HEV eliminiert worden, und die Transaminasen hätten sich normalisiert. Nach Angaben von Berg hat eine französische Arbeitsgruppe nachgewiesen, dass der zur HCV-Therapie zugelassene nukleosidische Polymerase-Hemmer Sofosbuvir „die Replikation des HEV-Genotyps 3 sowohl in subgenomischen Replikationssystemen als auch als infektiösen „Full-length“-Klon hemmt“. Eine Kombination von Sofosbuvir und Ribavirin habe zu einem additiven antiviralen Effekt geführt. Inzwischen ist es auch gelungen, einen Impfstoff gegen das Virus zu entwickeln, der in der Zulassungsstudie in Indien bei mehr als 100.000 Patienten geprüft worden ist. Etwa 56.000 Teilnehmer waren in der HEV-Impfgruppe, nochmal so viele in einer Kontrollgruppe mit einer Impfung gegen HBV. Inzwischen gibt es Daten von einer Nachbeobachtung über 4,5 Jahre (NEJM 2015; 372: 914–922). Impfeffektivität lag in der Studie bei 87% Wie Berg berichtete, wurden während des Follow-up 60 Patienten mit einer HEV-Infektion identifiziert: sieben in der Impfgruppe (0,3 pro 10.000 Personenjahre) und 53 in der Kontrollgruppe (2,1/10.000 Personenjahre). Damit liege die Impfeffektivität bei etwa 87%. Eine Persistenz der Anti-HEV-Antikörperresponse habe sich bei 87% der Geimpften, die insgesamt drei Impfdosen erhalten hatten – nämlich zu Studienbeginn und nach einem und sechs Monaten –, nachweisen lassen. Der Hepatologe erinnerte an das erste WHO-Positionspapier zur HEV-Impfung vom vergangenen Jahr. Demnach empfehle die Organisation die Impfung noch nicht zur Routine in Ländern mit niedriger Prävalenz, vor allem in Ländern mit nur sporadischen HEV-Infektionen. Sie schließe aber nicht aus, dass es sinnvoll sein könnte, etwa im Rahmen von Ausbrüchen die HEV-Impfung einzusetzen. × e.Med-Abonnenten erhalten bis zu € 125,- Rabatt

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