Erschienen in:
18.08.2021 | Originalbeitrag
Erledigungen aus dem Maßregelvollzug nach § 63 StGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gemäß § 67d Absatz 6 StGB – differenzielle Merkmale der betroffenen Patienten
verfasst von:
Nora Hein, M. Sc., Dr. Jan Querengässer, Prof. Dr. Boris Schiffer
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 4/2021
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Im Jahr 2016 trat u. a. die Novellierung des § 67d Absatz 6 Strafgesetzbuch (StGB) in Kraft, der unter dezidierter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebotes nun erstmals klare gesetzliche Vorgaben für eine Fortdauerentscheidung bei einer mehr als 6 bzw. 10 Jahre vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB macht. Mit dem Ziel der Identifikation von charakteristischen Merkmalen der davon betroffenen Patientengruppe und der Ermittlung von Prädiktoren für diese Entlassform wurde eine Vollerhebung aller zwischen August 2016 und Juli 2018 aus dem nordrhein-westfälischen Maßregelvollzug entlassenen Patienten durchgeführt. Als Datengrundlage dienten dabei die Basisdatendokumentationen der beiden großen Träger von Maßregelvollzugseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen (NRW) (dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und dem Landschaftsverband Rheinland) sowie der Alexianer Christophorus-Klinik in Münster. Es wurden Gruppenvergleiche zwischen Patienten mit Verhältnismäßigkeitserledigungen (n = 157) und Bewährungsentlassungen (n = 227) durchgeführt und gefundene Unterschiede in logistische Regressionsmodelle integriert. Dabei zeigte sich, dass pädosexuelle Eingangsdelikte sowie Paraphilien und (in geringerem Maße) Persönlichkeitsstörungen als Hauptdiagnose insbesondere in Kombination mit deliktischer Vorbelastung eine spätere Verhältnismäßigkeitserledigung wahrscheinlicher machen. An psychotischen Störungen erkrankte Patienten erhalten häufiger dann keine für eine frühzeitige Bewährungsentlassung notwendige positive Prognose, wenn sie komorbid eine Suchterkrankung und bei niedrigem Bildungsstand schon vor der Unterbringung sozialen Unterstützungsbedarf aufweisen. Somit lassen sich vorläufig zwei Problemgruppen ableiten, bei denen es möglicherweise aufgrund größerer Behandlungshemmnisse häufiger zu „überlangen“ Verweildauern und damit auch häufiger zu Erledigungsentscheidungen kommt.