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Erschienen in: Die Dermatologie 10/2020

Open Access 21.07.2020 | Erytheme | Kasuistiken

Therapieansprechen auf intraläsionale Steroidinjektionen bei granulomatöser Entzündungsreaktion nach Tätowierungen

verfasst von: Christiane S. Cussigh, MD, Ferdinand Toberer, MD, Alexander Enk, MD, Holger A. Haenssle, Dr. med. Christine Fink, MD

Erschienen in: Die Dermatologie | Ausgabe 10/2020

Zusammenfassung

Tätowierungen inklusive Permanent-Make-up können diverse Komplikationen wie virale oder bakterielle Infektionen sowie allergische und entzündliche Reaktionen nach sich ziehen. Bei Letzteren weist die Histologie neben exogenem Pigment ein Entzündungsinfiltrat auf, das je nach Reaktionsmuster lymphozytär oder histiozytär-granulomatös dominiert sein kann. Nachfolgend wird über die erfolgreiche Therapie mittels intraläsionaler Triamcinolonacetonid-Injektionen bei granulomatöser Entzündungsreaktion nach Tätowierungen in 2 Fällen berichtet.

Anamnese

Fall 1.
Eine 60-jährige Patientin berichtete bei ihrer Vorstellung über seit 4 Monaten bestehende, schmerzlose, größenprogrediente Knoten an der Unterlippe nach Applikation eines Permanent-Make-ups am Lippenrand 16 Monate zuvor (Abb. 1a–c).
Fall 2.
Die Vorstellung einer 56-jährigen Patientin erfolgte wegen seit 6 Monaten bestehender, juckender Knoten innerhalb roter Areale eines Tattoos am linken Unterschenkel, das vor 7 Jahren in Thailand gestochen wurde (Abb. 1d–f).
Beide Patientinnen verneinten relevante Vorerkrankungen, eine Dauermedikation, Schmerzen oder Krankheitsgefühl.

Klinik

Fall 1.
Bei der Inspektion des Gesichtes zeigten sich eine randbetonte weißliche Schuppung und gelbliche Krusten am Lippenrot der Ober- und Unterlippe (Abb. 1a). Zudem imponierten infiltrierte Knoten und narbige Atrophien sowie eine rote, linienförmige Tätowierung entlang der Lippenkontur.
Fall 2.
Am linken Unterschenkel distal lateral fanden sich multiple, derbe Knoten ausschließlich in den roten Arealen einer Tätowierung (Abb. 1d).
Das übrige Integument inklusive der Mundschleimhaut war in beiden Fällen unauffällig.

Diagnostik

Bei Verdacht auf eine allergische Typ-IV-Reaktion auf Bestandteile des Tattoofarbstoffes sowie zum differenzialdiagnostischen Ausschluss einer granulomatösen Entzündungsreaktion infektiöser Genese wurde jeweils eine Probebiopsie entnommen.

Histopathologischer und laborchemischer Befund

Fall 1.
Die Histologie zeigte unter einem hyperplastischen, spongiotisch aufgelockerten Epithel eine granulomatöse Entzündungsreaktion um exogenes rotes und schwarzes Pigment in der oberen Dermis sowie begleitend ein plasmazellreiches, lymphozytäres Infiltrat (Abb. 2a, b).
Die Treponemen‑, PAS(„periodic acid-Schiff reaction“)- und Ziehl-Neelsen-Färbung ergaben keinen Anhalt auf pathogene Organismen. Eine aufgrund des Plasmazellreichtums durchgeführte Luesserologie und ein Quantiferon-Test (Quantiferon-TB-Gold-Test, Qiagen GmbH, Hilden, Deutschland) waren unauffällig.
Fall 2.
Histologisch fanden sich von einer Fibrose umgebene knotige Ansammlungen von Lymphozyten, Histiozyten und Plasmazellen. Zudem war im Corium feingranuläres, rotes, intra- und extrazelluläres Pigment erkennbar (Abb. 2c, d).

Diagnose

Granulomatöse Entzündungsreaktion nach Permanent-Make-up bzw. Tätowierung mit rotem Farbstoff.

Therapie und Verlauf

Fall 1.
Der Patientin wurde Mometasonfuroat-Creme 2‑mal täglich über 2 Wochen an den betroffenen Hautarealen verordnet. Bei nur mäßigem Therapieansprechen erhielt die Patientin eine intraläsionale Probeinjektion mit Triamcinolonacetonid 40 mg und Scandicain (Aspen Pharma Trading Limited, Dublin, Irland) 1 % im Verhältnis 1:2 in den unteren linken Quadranten der Lippe. Aufgrund einer Befundbesserung im behandelten Bereich erfolgte 16 Tage später eine Injektion der Ober- und Unterlippe. Sieben Wochen nach der einmaligen Injektion war die gewohnte Lippenform zu verzeichnen (Abb. 1b); 28 Monate später zeigte sich der Befund weiterhin unauffällig (Abb. 1c).
Fall 2.
Auch hier wurde wegen fehlenden Therapieansprechens auf Mometasonfuroat-Creme (2-mal täglich über 4 Wochen) eine Injektion nach obigem Schema im betroffenen Areal am linken Unterschenkel durchgeführt. Bereits nach 5 Wochen war kein knotiger Anteil mehr sichtbar (Abb. 1f). Die Patientin berichtete auch 10 Monate nach erfolgter Injektion über einen stabilen Befund.

Diskussion

In den letzten Jahren hat die Inzidenz von Tätowierungen stetig zugenommen [1, 10]. Die Prävalenz liegt mittlerweile bei 3–8 % der Weltbevölkerung [6]. Das Permanent-Make-up stellt eine besondere Form der Tätowierung dar, bei der die Augenbrauen oder die Lippenkontur nachgezeichnet werden [2, 3]. Infolge steigender Beliebtheit von Tattoos sind Dermatologen zunehmend mit unerwünschten Hautreaktionen nach Einbringen verschiedener Farbstoffe in die Haut konfrontiert [7, 8]. Komplikationen treten mit unterschiedlicher Latenz bis mehrere Jahre nach Applikation des Tattoos auf [1, 5, 8, 10]. Neben viralen oder bakteriellen Infektionen wurde auch ein erhöhtes Aufkommen kutaner Tumoren berichtet [4, 9, 10], wie beispielsweise Plattenepithel- oder Basalzellkarzinome [9]. Darüber hinaus können akute und chronische Entzündungen sowie allergische Reaktionen auf Inhaltsstoffe eines Tattoos auftreten [1]. Auch sind nichtinfektiöse, granulomatöse inflammatorische Reaktionen nach Tätowierungen beschrieben [1], für die eine Fremdkörperreaktion auf Pigment als ursächlich angenommen wird [6, 9]. Granulomatöse Reaktion treten insgesamt selten, am wahrscheinlichsten jedoch nach Einbringen von rotem und schwarzem Pigment auf [1, 4, 5, 8]. Sarkoidale Fremdkörperreaktionen finden sich sogar häufiger nach schwarzen Tätowierungen. Wegen oftmals bestehender Unkenntnis über die genauen Inhaltsstoffe führt eine allergische Testung selten zu aussagekräftigen Ergebnissen [10]. Vereinzelt gibt es Berichte über eine fast vollständige Rückbildung der entzündlichen Reaktion nach Tätowierung durch eine anschließende topische oder intraläsionale Lokaltherapie mit Kortikosteroiden [2, 6]. Eine Exzision stellt eine alternative Therapieoption dar [2]. Jones et al. [3] berichten über eine Totalremission einer granulomatösen Entzündungsreaktion an der Lippe innerhalb von 4 Wochen nach erfolgter Biopsie. In den vorliegenden Fällen erwiesen sich die angewandten intraläsionalen kortikosteroidhaltigen Injektionen bei granulomatöser Reaktion als erfolgreich und komplikationslos.

Fazit für die Praxis

  • Tätowierungen können unterschiedliche Komplikationen wie Infektionen oder entzündliche sowie allergische Reaktionen nach sich ziehen.
  • Insbesondere nach Tätowierungen mit roten Farbstoffen treten Entzündungsreaktionen auf.
  • Intraläsionale kortikosteroidhaltige Injektionen stellen eine effektive Therapieoption dar.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C.S. Cussigh, F. Toberer, A. Enk, H.A. Haenssle und C. Fink geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Therapieansprechen auf intraläsionale Steroidinjektionen bei granulomatöser Entzündungsreaktion nach Tätowierungen
verfasst von
Christiane S. Cussigh, MD
Ferdinand Toberer, MD
Alexander Enk, MD
Holger A. Haenssle
Dr. med. Christine Fink, MD
Publikationsdatum
21.07.2020
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Erytheme
Erschienen in
Die Dermatologie / Ausgabe 10/2020
Print ISSN: 2731-7005
Elektronische ISSN: 2731-7013
DOI
https://doi.org/10.1007/s00105-020-04654-8

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