01.06.2005 | Originalarbeit
„Fort-da — die Vertreibung aus dem Paradies — ins Leben“
Ein Kommentar zu „Jenseits des Lustprinzips“
verfasst von: Yigal Blumenberg
Erschienen in: Forum der Psychoanalyse | Ausgabe 2/2005
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Der Kommentar sucht die Choreographie dieses für das psychoanalytische Denken und die klinische Praxis zentralen Textes aufzuspüren. Es ist vor allen Dingen das „Fort-da-Spiel“ seines 1,5-jährigen Enkels Ernst, mit dem Freud, neben der Betrachtung traumatisierter Personen, erneut seine triebtheoretischen Annahmen befragt. Wie kann die innerseelische „Wieder-holung“ von Traumata und (katastrophaler Trennung), überhaupt der Wiederholungszwang, sich mit dem Lustprinzip vertragen? Freud schließt aus seinen Überlegungen auf eine dem Lustprinzip vorausgehende und von ihm unabhängige seelische Funktion, die gar noch ursprünglicher erscheint als die Absicht des Lustgewinns und der Unlustvermeidung — ein „Jenseits des Lustprinzips“. Damit aber ist die Frage aufgeworfen, wie sich dieses „Jenseits des Lustprinzips“ mit der Triebtheorie, die sich doch um das Lustprinzip zentriert, vereinbaren lässt. Was meint Freud, wenn er eine dem Lustprinzip vorausgehende „Vorzeit“ annimmt, in der die Differenz zwischen Wunsch und Wunscherfüllung und der (auch triebbestimmte) Konflikt, der doch das Leben charakterisiert, noch gar nicht existieren? Freuds Überdenken und Korrektur der Triebtheorie sowie die Einführung des Todestriebes erweisen sich in unserer Lektüre als ein erkenntnistheoretischer Zirkel in der Argumentation und die Annahme des Todestriebes als nicht notwendig. Vielmehr scheint die Einführung des Todestriebes einem ungelösten Konflikt zu entspringen, einem der psychoanalytischen Theorie inhärenten Konflikt zwischen der Triebtheorie und eines sich aufdrängenden nicht triebbestimmten Narzissmus, der sich im Wiederholungszwang reflektiert. Die Perspektive eines nicht triebbestimmten Narzissmus wird von Freud nicht bewusst oder explizit registriert, wiewohl sich diese Sichtweise auch in anderen Schriften Freuds finden lässt. Die Narzissmustheorie Grunbergers eröffnet diesem Text eine neue Lesart, die erhebliche Konsequenzen für die psychoanalytische Praxis besitzt. So erscheint die Frage, was es dem Analysanden überhaupt ermöglicht, den schmerzlichen Prozess der Analyse durchzustehen, in einem neuen Licht. Des Weiteren eröffnet sich eine neue Perspektive und Neubewertung der Bedeutung und Handhabung der Übertragung(sdeutung). Eine Fallvignette versucht diese Sichtweise zu veranschaulichen.
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