HNO-Notfall: rasch erkennen – richtig handeln

Vermeintliche Bagatellbeschwerden wie Hals-, Ohren- oder Kopfschmerzen haben nicht immer harmlose Ursachen. Es gilt, die Leitsymptome von Notfällen frühzeitig zu erkennen, damit umgehend die richtigen Maßnahmen ergriffen werden können. Bei welchen Warnzeichen an seltene, aber schwere HNO-Notfälle zu denken ist, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Nora Weiss, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, anhand von Fallbeispielen. Halsschmerzen mit foudroyantem Verlauf Komme es bei anfänglich „unspektakulärer“ Anamnese mit Halsschmerzen zu einem foudroyanten Verlauf, könne eine nekrotisierende Fasziitis dahinterstecken, berichtete Weiss. Das zeigt der Fall eines Patienten, der sich mit schmerzhaften Schluckbeschwerden, Halsschwellung sowie Fieber und Tachykardie in der HNO-Notaufnahme vorstellte. Bei Verdacht auf einen zervikalen Abszess wurde sofort eine Therapie mit Cefuroxim, Metronidazol und Steroiden eingeleitet. Dennoch kam es zu einer raschen Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Zudem zeigten sich im Aufnahmelabor stark erhöhte Entzündungsparameter. Dies ließ an eine nekrotisierende Fasziitis denken. Diese seltene, aber schwere Komplikation wird meist durch eine Mischinfektion mit anaeroben und aeroben Bakterien hervorgerufen. Auch Streptokokken der Gruppe A können die Ursache sein. Sehr selten sind Infektionen mit Vibrionen und Aeromonas oder Pilzen wie Zygomyzeten die Auslöser. Werden nicht umgehend therapeutische Maßnahmen eingeleitet, liegt die Mortalität bei 15 bis 35 Prozent, warnte Weiss. Daher sei zusätzlich zur Antibiose sofort eine chirurgische Therapie einzuleiten. Bei dem vorgestellten Patienten waren eine Abszessdrainage und wiederholte Nekrosektomien sowie eine Tracheotomie erforderlich. Fulminante Cephalgie und Otalgie Zu welchen fulminanten Verläufen es bei Kopf- und Ohrenschmerzen kommen kann, erläuterte Weiss an einem weiteren Fallbeispiel: Der Patient wandte sich mit einer ausgeprägten Caphalgie, Tragusdruckschmerzen, Hypakusis rechts, Allodynie temporooccipital, Schwankschwindel und Erbrechen an die neurologische Notaufnahme. Eine Lumbalpunktion und HNO-ärztliche Untersuchung lehnte der Patient ab. Nach einer Woche stellte sich der Patient erneut vor. Im CT und MRT zeigten sich jetzt eine Mastoiditis rechts, ein Temporallappenabszess mit Begleitödem sowie ein ausgedehnter und subgalealer Abszess. Ein solcher fulminanter, septischer Verlauf einer Mastoiditis, der zu schwersten intrakraniellen Komplikationen führte, ist heute zwar sehr selten, aber weiterhin auch in Deutschland möglich. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, geeignete Antibiose und frühzeitige chirurgische Intervention können solche Fälle vermieden werden, betonte Weiss. Prolongierte Otitis media Ein weiterer Patient in der HNO-ärztlichen Notaufnahme klagte über therapierefraktäre Ohrenschmerzen, eine seit drei Wochen zunehmende Hörminderung sowie eine linksbetonten Cephalgie. Das Reintonaudiogramm ergab eine akute Ertaubung. Es bestand der Verdacht auf Komplikationen einer Otitis media mit akuter Mastoiditis und intrakranieller Beteiligung. Im CT zeigten sich vollständige Verschattungen von Mittelohr und Mastoid links, Osteolysen und Knochenverdickungen. Der Patient erhielt intravenös Prednisolon, außerdem wurde eine Mastoidektomie, Parazentese und Paukendrainage links durchgeführt. Postoperativ trat jedoch eine periphere Fazialisparese auf. Das MRT ergab ein entzündlich verlegtes Mastoid links sowie eine meningeale Reizung temporal links als Hinweise auf eine Fazialisdekompression. Vier Wochen nach Mastoidektomie stellte sich der Patient mit Gangunsicherheit, Schmerzen und Otorrhoe erneut vor. Die Ohrmikroskopie ergab einen feuchten Gehörgang mit granuliertem Trommelfell. Es wurde eine Tympanomastoidrevision durchgeführt. Dennoch kam es zu einem fulminanten Verlauf mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Konversion der Anti-Proteinase3-Antikörper (Anti-PR3-cANCA) sowie pulmonalen und nasalen Manifestationen und die Diagnose einer Granulomatose mit Polyangiitis wurde gestellt. An solche seltenen Komplikationen sollte bei Warnzeichen wie einem prolongierten Verlauf einer Otitis media mit frustraner antibiotischer und chirurgischer Therapie gedacht werden, sagte Weiss. Ein interdisziplinäres Vorgehen sei obligat. basierend auf: Notfalltherapie in der HNO-Heilkunde, Dr. Weiss, 56. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte 2023, 26.10.2023. Empfehlung der Redaktion Neues aus der HNO Highlights von der 56. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte 2023 26. – 28. Oktober 2023 | Mannheim Hinter vermeintlich harmlosen Symptomen wie Hals-, Ohren- oder Kopfschmerzen können auch schwerwiegende Erkrankungen stecken. Bei welchen Anzeichen lohnt es sich, genauer hinzuschauen? Welche Therapieoptionen können im Falle eines Rezidivs beim Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich angeboten werden? Dies und vieles mehr wurde auf der 56. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte 2023 diskutiert.

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